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Document EESC-2022-00394-AC

Stellungnahme - Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss - Staatliche Beihilfen/Sozial- und Gesundheitsdienste

EESC-2022-00394-AC

STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Staatliche Beihilfen/Sozial- und Gesundheitsdienste

_____________

Anwendung der Beihilfevorschriften auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Bereich Gesundheit und Soziales nach der Pandemie – Überlegungen und Vorschläge zu der von der Kommission durchgeführten Bewertung der Änderung des Legislativpakets von 2012
(Initiativstellungnahme)

INT/981

Berichterstatter: Giuseppe GUERINI

DE

Beschluss des Plenums

20/01/2022

Rechtsgrundlage

Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

05/05/2022

Verabschiedung im Plenum

19/05/2022

Plenartagung Nr.

569

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

221/0/5

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist der Auffassung, dass eine Reihe von Sozial- und Gesundheitsdiensten wie die Pflege (einschließlich häuslicher Pflege), die Wiedereingliederung von benachteiligten Menschen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt, die Kinderbetreuung und der soziale Wohnungsbau für die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts in der aktuellen postpandemischen Phase sowie angesichts der bestehenden humanitären Notlage und des angespannten internationalen Umfelds von grundlegender Bedeutung sind. Die EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen zugunsten solcher Dienste spielen daher eine entscheidende Rolle.

1.2Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Entscheidung der Kommission, Sozial- und Gesundheitsdienste bei der Bewertung des sektorspezifischen Rechtsrahmens 1 innerhalb der weiter gefassten Kategorie der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) als eine eigene Unterkategorie mit spezifischen Merkmalen zu erachten.

1.3Der EWSA weist darauf hin, dass das Almunia-Paket von 2012 in Bezug auf staatliche Beihilfen im Bereich der DAWI für positive Neuerungen und Vereinfachungen gegenüber dem vorherigen Rechtsrahmen von 2005 gesorgt hat. Der Regulierungsansatz dieses Pakets sollte daher auch in Zukunft weiterverfolgt und gegebenenfalls um zusätzliche Neuerungen ergänzt werden, sofern die Kommission beschließen sollte, den derzeit geltenden Rechtsrahmen infolge ihrer laufenden Bewertung zu ändern.

1.4Der EWSA stellt fest, dass Gesundheits- und nahezu ausschließlich auch Sozialdienste in den einzelnen Mitgliedstaaten häufig eine regionale, kommunale oder – in größeren Städten – sogar intrakommunale Dimension aufweisen. Dies führt zu einer nur geringfügigen Mobilität der Nutzer solcher Dienste zwischen den verschiedenen Regionen und Provinzen in den Mitgliedstaaten, weshalb eine grenzüberschreitende Mobilität umso unwahrscheinlicher erscheint. Angesichts der mangelnden grenzüberschreitenden Bedeutung dürfte Artikel 107 AEUV auf staatliche Beihilfen im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste keine Anwendung finden.

1.5Der EWSA betont, dass die nationalen Behörden Schwierigkeiten bei der Entwicklung einschlägiger Erfahrungen im Bereich der Ausarbeitung von Betrauungsakten haben. Solche Akte stellen eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des Beschlusses 2012/21/EU über Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen und der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 in Bezug auf De-minimis-Beihilfen für DAWI dar. Daher wäre es sehr nützlich, wenn die Kommission ein Portal einrichten würde, auf dem konkrete Beispiele für rechtmäßige Betrauungsakte für die verschiedenen Arten von Sozial- und Gesundheitsdiensten bereitgestellt werden.

1.6Der EWSA befürwortet den Austausch bewährter Verfahren zwischen Mitgliedstaaten mit gemeinsamen Rechtstraditionen bei der Anwendung der Beihilfevorschriften im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste. Es gilt, die Ermessensspielräume, die den nationalen Behörden durch das Protokoll Nr. 26 AEUV bei der Festlegung und Umsetzung von DAWI auf lokaler Ebene eingeräumt werden, wirksamer zu nutzen.

1.7Der EWSA stellt fest, dass die im Beschluss 2012/21/EU vorgesehene Regelung, wonach die Höhe der Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen – unter Zuerkennung eines „angemessenen Gewinns“ – nicht über den zur Deckung entstehender Kosten erforderlichen Betrag hinausgehen darf, zusätzlicher Klarstellungen bedarf im Hinblick auf: 1. die konkrete Bestimmung des angemessenen Gewinns unter Berücksichtigung des Kapitals, das aufgewandt wird, um vor dem Hintergrund operationeller Risiken die Erbringung der betreffenden Dienste sicherzustellen, 2. die konkrete Quantifizierung der anrechenbaren festen und strukturellen Komponenten der bei der Erbringung der DAWI entstehenden Kosten und 3. die Frage, inwieweit die besonderen Merkmale der typischen Dienste und Organisationsmodelle von sozialwirtschaftlichen Einrichtungen, die DAWI erbringen, genutzt werden könnten.

1.8Der EWSA teilt die auch aus der öffentlichen Konsultation der Kommission hervorgehende Auffassung, dass im Fall von Sozial- und Gesundheitsdiensten ein zulässiger Gesamtbetrag für De-minimis-Beihilfen über drei Steuerjahre gelten sollte, der den für DAWI gemäß der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 geltenden Gesamtbetrag (500 000 EUR) übersteigt. Angesichts der wichtigen Rolle, die Sozial- und Gesundheitsdiensten mit Blick auf den sozialen Zusammenhalt zukommt, erscheint eine Erhöhung des zulässigen Gesamtbetrags gerechtfertigt.

2.Einleitung und Hintergrund

2.1Staatliche Beihilfen für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen, und, soweit für die Zwecke dieser Stellungnahme von Belang, zugunsten von Organisationen, die im engeren Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste tätig sind, wurden 2012 im Rahmen des sog. Almunia-Pakets reguliert. Dieses Gesetzespaket ersetzte und aktualisierte den früheren Rechtsrahmen aus dem Jahr 2005 (Monti-Kroes-Paket).

2.2Das Almunia-Paket umfasst folgende Rechtsakte:

-die Verordnung (EU) Nr. 360/2012 der Kommission vom 25. April 2012 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen an Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen;

-den Beschluss der Kommission vom 20. Dezember 2011 über die Anwendung von Artikel 106 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter Unternehmen, die mit der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind (2012/21/EU);

-die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse 2 ;

-die Mitteilung der Kommission „Rahmen der Europäischen Union für staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen für die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen (2011)“ 3 .

2.3Der einschlägige Rechtsrahmen ist somit seit fast zehn Jahren in Kraft und wird seither nach Angaben der Kommission von den Mitgliedstaaten umfassend genutzt. Allerdings werden Schwierigkeiten bei der Anwendung verzeichnet, die ein weiteres Tätigwerden des Unionsgesetzgebers rechtfertigen könnten, nicht zuletzt auch angesichts des beträchtlichen Zeitraums, der seit der ersten Genehmigung vergangen ist.

2.4Vor diesem Hintergrund leitete die Kommission eine breit angelegte Konsultation der Interessenträger ein, um die Wirksamkeit, die Effizienz und den Mehrwert der geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste, sowie die derzeitige Einhaltung der damit ursprünglich verfolgten Ziele zu bewerten.

2.5Zu dieser Konsultation, die zwischen dem 31. Juli 2019 und dem 14. Dezember 2019 anhand eines von der Kommission ausgearbeiteten Fragebogens durchgeführt wurde, gingen insgesamt 51 Beiträge von Unternehmen, Unternehmensverbänden, Gewerkschaften, NRO, Einzelpersonen und Behörden ein.

2.6Mit dieser Initiativstellungnahme möchte der EWSA in seiner Eigenschaft als Vertretungsorgan der europäischen Wirtschaft und der europäischen Zivilgesellschaft mit Blick auf die gegebenenfalls anstehende Überarbeitung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste die Kommission auf bestimmte Aspekte der Anwendbarkeit der Beihilfevorschriften in den genannten Bereichen hinweisen.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Der EWSA erkennt an, dass die Regulierung staatlicher Beihilfen im Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste für den Unionsgesetzgeber sehr komplex ist. Denn es gilt, die öffentliche Förderung von Tätigkeiten von allgemeinem Interesse und die Erhaltung des freien und unverzerrten Wettbewerbs im Binnenmarkt in ausgewogenem Maße miteinander zu vereinbaren, was jedoch keineswegs einfach ist. Der europäische Rechtsrahmen für staatliche Beihilfen sollte außerdem die öffentlichen Investitionen ermöglichen, die für den Aufbau der den Zielen der europäischen Säule sozialer Rechte dienlichen Sozial- und Gesundheitsinfrastrukturen erforderlich sind.

3.2Der EWSA unterstützt nachdrücklich die Entscheidung der Kommission, Sozial- und Gesundheitsdienste angesichts ihrer besonderen Merkmale und ihrer spezifischen Zielsetzungen innerhalb der weiter gefassten Kategorie der DAWI als eigene Unterkategorie mit spezifischen Merkmalen zu erachten. In ihrem Fahrplan für die Bewertung der derzeit geltenden Vorschriften 4 stellt die Kommission fest, dass Sozial- und Gesundheitsdienste aus beihilferechtlicher Sicht eine Unterkategorie innerhalb der Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichem) Interesse bilden.

3.3Der EWSA weist darauf hin, dass die im Rahmen des Almunia-Pakets von 2012 eingeführten Vorschriften für staatliche Beihilfen im Bereich der DAWI für positive Neuerungen gegenüber dem vorherigen Rechtsrahmen von 2005 gesorgt haben. So sind nationale Behörden, die DAWI finanzieren wollen, seither mit einem geringeren Verwaltungs- und Regulierungsaufwand konfrontiert. Der in diesem Paket vorgesehene Regulierungsansatz sollte daher auch in Zukunft weiterverfolgt und um zusätzliche Neuerungen und Klarstellungen in Bezug auf einige spezifische Aspekte ergänzt werden.

3.4Der EWSA ist der Auffassung, dass eine Reihe von Sozial- und Gesundheitsdiensten wie die Pflege (einschließlich häuslicher Pflege), die Wiedereingliederung von benachteiligten Menschen und Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt, die Kinderbetreuung und der soziale Wohnungsbau für die Gewährleistung des sozialen Zusammenhalts im Binnenmarkt von grundlegender Bedeutung sind, da sie in den Mitgliedstaaten zu den „gemeinsamen Werten“ im Sinne von Protokoll Nr. 26 AEUV beitragen. In der aktuellen postpandemischen Phase sowie angesichts des angespannten internationalen Umfelds und der populistischen Tendenzen in den Mitgliedstaaten kommt diesen Diensten zusätzliche strategische Bedeutung zu.

3.5Der EWSA stellt fest, dass Sozial- und Gesundheitsdienste von staatlicher Seite mitunter im Rahmen nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten gewährleistet werden, die nicht unter die EU‑Beihilfevorschriften fallen. Allerdings sind solche Dienste auch in den Fällen, in denen sie im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeiten erbracht werden, nur von geringer grenzüberschreitender Bedeutung, da sie auf die lokale Ebene begrenzt sind und den sozialen Zusammenhalt innerhalb der jeweiligen Staaten begünstigen.

3.6Der EWSA stellt fest, dass Sozial- und Gesundheitsdienste häufig im Rahmen nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten erbracht werden. Dies schließt eine Anwendung der Beihilfevorschriften nach Artikel 107 AEUV in diesen Fällen aus. Darüber hinaus weisen Sozial- und Gesundheitsdienste, auch wenn sie in marktwirtschaftlichem Rahmen erbracht werden, vornehmlich eine lokale Dimension und keine wirklich nennenswerte grenzüberschreitende Nachfrage auf. Die lokale Dimension von Sozial- und Gesundheitsdiensten wird besonders deutlich, wenn diese Dienste von sozialwirtschaftlichen Einrichtungen unter Einbeziehung der lokalen Gemeinschaften zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts und im öffentlichen Interesse erbracht werden.

3.7In der Anwendungspraxis der Kommission und der europäischen Rechtsprechung herrscht jedoch die Auffassung vor, dass eine grenzüberschreitende Bedeutung von Sozial- und Gesundheitsdiensten im Hinblick auf mögliche Verzerrungen bei grenzüberschreitenden Investitionen nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Der EWSA kann die Gründe für eine solche Auslegung im Interesse eines umfassenden Schutzes der in den Verträgen verankerten Freizügigkeiten zwar nachvollziehen. Er ersucht jedoch die Kommission um Vorlage angemessener Leitlinien in Bezug auf die grenzüberschreitende Bedeutung von Sozial‑ und Gesundheitsdiensten. So sollte solchen Dienstleistungen bei der allgemeineren Prüfung der grenzüberschreitenden Bedeutung, die zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne von Artikel 107 AEUV gehört, eine gezielte und flexible Behandlung vorbehalten werden.

3.8Selbst dann, wenn Sozial- und Gesundheitsdienste eine grenzüberschreitende Dimension aufweisen, wie in den 37 grenzüberschreitenden städtischen Gebieten in der EU gemäß der Richtlinie über die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung der Fall, ist das nach Ansicht des EWSA auf die räumliche Nähe innerhalb solcher Gebiete zurückzuführen und steht im Einklang mit den Grundsätzen der territorialen Subsidiarität. Umfangreichere staatliche Beihilfen würden folglich keine wesentliche Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs zwischen Unternehmen zur Folge haben.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Der EWSA stellt fest, dass die im Bereich der DAWI anwendbaren Rechtsbegriffe trotz der Klarstellungen und Vereinfachungen im Zuge des Almunia-Pakets im Jahr 2012 objektiv betrachtet nach wie vor komplex sind. Das ist nicht zuletzt auf die für DAWI typischen engen Verflechtungen zwischen rechtlichen und wirtschaftlichen Erwägungen zurückzuführen.

4.2Aus diesem Grund fordert der EWSA die Kommission auf, eine überarbeitete Fassung des Leitfadens zur Anwendung der Vorschriften der Europäischen Union über staatliche Beihilfen, öffentliche Aufträge und den Binnenmarkt auf Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einschließlich Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse (SWD(2013) 53 final/2) zu veröffentlichen, der sich für die einschlägigen Akteure in den letzten Jahren als sehr nützlich erwiesen hat.

4.3Nach Auffassung des EWSA ist der für DAWI geltende spezifische Rechtsrahmen sowohl im Bereich des öffentlichen Auftragswesens als auch im Bereich der staatlichen Beihilfen den nationalen Behörden weniger bekannt als die entsprechenden Standardvorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe und staatliche Beihilfen. Durch angemessene Investitionen in die Schulung des Personals von Behörden, auch unter Nutzung europäischer Ressourcen, könnten daher sowohl die Qualität dieser Dienste als auch die Einhaltung des EU-Rechts verbessert werden.

4.4Der EWSA betont, dass die nationalen Behörden technische und operative Schwierigkeiten bei der Entwicklung weitreichender einschlägiger Erfahrungen im Bereich der Ausarbeitung von Betrauungsakten haben. Solche Akte stellen eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung des Beschlusses 2012/21/EU über Ausgleichsleistungen für die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen sowie, wenn auch in geringerem Maße, der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 in Bezug auf staatliche Beihilfen (Erhöhung des zulässigen Gesamtbetrags von De-minimis-Beihilfen auf 500 000 EUR über drei Steuerjahre) dar.

4.5Vor diesem Hintergrund wäre es sehr nützlich, wenn die Kommission ein Portal einrichten würde, auf dem konkrete Beispiele für von der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission als rechtmäßig und angemessen ausgearbeitet erachtete Betrauungsakte für die verschiedenen Arten von Sozial- und Gesundheitsdiensten bereitgestellt werden. Auch der Austausch bewährter Verfahren zwischen Mitgliedstaaten mit gemeinsamen Rechtstraditionen könnte sich diesbezüglich als sehr nützlich erweisen, da er eine wirksamere Nutzung der Ermessensspielräume ermöglichen könnte, die den nationalen Behörden durch das Protokoll Nr. 26 AEUV bei der Festlegung und Umsetzung von DAWI auf lokaler Ebene eingeräumt werden.

4.6Die im Beschluss 2012/21/EU vorgesehene Regelung sieht bekanntlich vor, dass die Höhe der Ausgleichsleistungen zugunsten von mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betrauten Akteuren – unter Zuerkennung eines „angemessenen Gewinns“ – nicht über den zur Deckung entstehender Kosten erforderlichen Betrag hinausgehen darf. Diesbezüglich sind zusätzliche Ausführungen erforderlich, um in Bezug auf die folgenden drei Punkte für mehr Klarheit zu sorgen: 1. die konkrete Bestimmung des angemessenen Gewinns unter Berücksichtigung des Kapitals, das aufgewandt wird, um vor dem Hintergrund operationeller Risiken die Erbringung der betreffenden Dienste sicherzustellen, 2. die Quantifizierung der anrechenbaren festen und strukturellen Komponenten der bei der Erbringung der DAWI entstehenden Kosten und 3. die Frage, inwieweit die besonderen Merkmale der typischen Dienste und Organisationsmodelle von sozialwirtschaftlichen Einrichtungen, die DAWI erbringen, genutzt werden können.

4.7Der EWSA weist darauf hin, dass bei der Bestimmung des angemessenen Gewinns die Merkmale des begünstigten Unternehmens berücksichtigt werden sollten, insbesondere wenn dieses Unternehmen seine Gewinne kontinuierlich in seine eigenen Tätigkeiten reinvestiert und folglich als Sozialunternehmen bzw. als sozialwirtschaftliche Einrichtung einzustufen ist.

4.8Der EWSA teilt die aus der öffentlichen Konsultation der Kommission deutlich hervorgehende Auffassung, dass im Fall von Sozial- und Gesundheitsdiensten ein alternativer zulässiger Gesamtbetrag für De-minimis-Beihilfen über drei Steuerjahre gelten sollte, der den gemäß der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 für DAWI geltenden Gesamtbetrag (500 000 EUR) übersteigt. Eine Erhöhung des zulässigen Gesamtbetrags für De-minimis-Beihilfen zugunsten von Sozial‑ und Gesundheitsdiensten wäre deshalb gerechtfertigt, da diese Dienste eine öffentliche Funktion erfüllen und in allgemeinem Interesse erbracht werden. Zudem haben die betreffenden Tätigkeiten nur begrenzte Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Durch eine solche Erhöhung würde für mehr Spielraum bei der Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 360/2012 gesorgt. Außerdem würde die Anwendung der Verordnung und ihrer vereinfachten Formen erleichtert.

4.9Angesichts der wichtigen Rolle, die Sozial- und Gesundheitsdiensten mit Blick auf den sozialen Zusammenhalt zukommt, erscheint eine Erhöhung des zulässigen Gesamtbetrags gerechtfertigt und in dreifacher Hinsicht von Vorteil. So könnten 1. innerhalb des vereinfachten und gestrafften Rahmens für De-minimis-Beihilfen umfangreichere Beihilfen ermöglicht, 2. neuerliche Inflationstendenzen auf makroökonomischer Ebene, die häufigere Überprüfungen des zulässigen Gesamtbetrags über drei Steuerjahre erforderlich machen würden, berücksichtigt und 3. die subsidiäre Funktion anerkannt werden, die viele sozialwirtschaftliche Einrichtungen erfüllen.

4.10Der EWSA ist sich bewusst, dass KMU und privaten Unternehmen eine bedeutende Rolle zukommt, da sie über Ausschreibungen lokaler Behörden an der Erbringung von DAWI im Bereich Gesundheit und Soziales beteiligt sind. Auch deshalb könnte es sich als nützlich erweisen, dass nationale Behörden Daten und Informationen über Auswahlverfahren für Dienstleister, gewährte Ausgleichsleistungen und erbrachte Leistungen erheben und verbreiten.

4.11Schließlich weist der EWSA darauf hin, dass der Bereich der Sozial- und Gesundheitsdienste auch indirekt unterstützt werden könnte, wie die Kommission in ihrem Aktionsplan für die Sozialwirtschaft 5 festgestellt hat, indem den in diesem Bereich sehr aktiven sozialwirtschaftlichen Organisationen ein besserer Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen und somit zu Finanzmitteln und Krediten ermöglicht und spezifische Anreize in Bezug auf staatliche Beihilfen für die Beschäftigung von benachteiligten Arbeitnehmern und Arbeitnehmern mit Behinderung im Sinne der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung geschaffen werden. Ein klarer und flexibler europäischer Rechtsrahmen, der eine angemessene Kumulierung und Kombination verschiedener Fördermaßnahmen für dieselben Tätigkeiten ermöglicht, wäre diesbezüglich sehr nützlich.

Brüssel, den 19. Mai 2022

Christa SCHWENG
Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

_____________

(1)    ARES-2019-3858696.
(2)     ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 4 .
(3)     ABl. C 8 vom 11.1.2012, S. 15 .
(4)    ARES-2019-3858696.
(5)    COM(2021) 778 final.
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