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Document EESC-2021-06525-AC

Stellungnahme - Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss - Effektive Mindestbesteuerung von Unternehmen

EESC-2021-06525-AC

STELLUNGNAHME

Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Effektive Mindestbesteuerung von Unternehmen

_____________

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der Union

[COM(2021) 823 final – 2021/0433 (CNS)]

ECO/573

Berichterstatter: Krister ANDERSSON

Mitberichterstatter: Petru Sorin DANDEA

DE

Befassung

Rat der Europäischen Union, 10/02/2022

Rechtsgrundlage

Artikel 115 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

03/03/2022

Verabschiedung im Plenum

23/03/2022

Plenartagung Nr.

568

Ergebnis der Abstimmung
(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

197/1/5

1.Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1Der Kommissionsvorschlag zielt darauf ab, die GloBE-Mustervorschriften („Global anti-Base Erosion“) in die Säule 2 des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS) aufzunehmen. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt, dass die Kommission ihre Arbeit vollkommen an den internationalen Diskussionen und Einigungen ausrichtet, und unterstützt nachdrücklich die Ziele der Kommission.

1.2Der EWSA teilt folgende Auffassung der Kommission: „Die Frage, wie wirksam und fair die Reform zur Einführung einer globalen Mindeststeuer sein wird, hängt stark von ihrer weltweiten Umsetzung ab“. Der EWSA misst erfolgreichen und rechtzeitig abgeschlossenen Verhandlungen große Bedeutung bei. Eine gemeinsame globale Umsetzung (ohne gold-plating) ist von entscheidender Bedeutung, damit die Vorschriften wirksam sind und den Wettbewerb nicht verzerren.

1.3Der EWSA teilt nachdrücklich die Auffassung der Kommission, dass „unbedingt eine einheitliche Umsetzung der OECD-Mustervorschriften in der EU sichergestellt werden muss“, und dass dies „nur erreicht werden [kann], wenn die Rechtsvorschriften zentral und einheitlich umgesetzt werden.“

1.4Wenngleich es von entscheidender Bedeutung ist, dass auf EU-Ebene bereits technische Diskussionen und Vorarbeiten stattfinden, stellt der EWSA fest, dass die OECD noch an weiteren detaillierten Vorschriften und der Klärung von Definitionen arbeitet. Die Mitgliedstaaten sollten daher alle Empfehlungen und Arbeitsergebnisse der laufenden OECD‑Verhandlungen verfolgen und aufgreifen.

1.5Der EWSA unterstützt sämtliche Bemühungen, bei der Ausarbeitung des neuen Systems die Befolgungskosten für europäische Unternehmen und Steuerbehörden zu senken. Die vollständige Umsetzung der zweiten Säule ist komplex; sie wird lange Zeit in Anspruch nehmen und erhebliche Anstrengungen sowohl seitens der Unternehmen als auch der Steuerbehörden erfordern. Die OECD wird in den kommenden Monaten voraussichtlich wichtige Regeln für Safe-Harbour-Bereiche, vereinfachte Verwaltungserklärungen usw. vorlegen. Diese könnten die Umsetzung der neuen Steuerregelung sowohl für die Unternehmen als auch für die Steuerbehörden erleichtern. Diese Vorschriften sollten in die Richtlinie aufgenommen werden.

1.6Der EWSA ist der Auffassung, dass die Mustervorschriften die von den Parlamenten der Mitgliedstaaten als bewusste Investitions- und Beschäftigungsanreize erlassenen spezifischen Steuervorschriften nicht neutralisieren sollten. Die Verwirklichung einer umweltfreundlicheren und digitalisierten Wirtschaft muss gefördert werden, und dazu sollten Steuern beitragen.

1.7Der EWSA fordert, eine Bestimmung in die den Vorschlag einzufügen, der zufolge die Richtlinie zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Säule 2 zumindest zwischen den Mitgliedstaaten angewandt werden kann.

1.8Der EWSA begrüßt, dass bei Verstößen Sanktionen verhängt werden können, und fordert die Mitgliedstaaten auf, gründliche Steuerprüfungen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Richtlinie vollständig eingehalten werden.

1.9Der EWSA fordert, die EU-Liste nicht kooperativer Drittländer im Zusammenhang mit dem Steuerpaket zu überarbeiten.

1.10Der EWSA weist darauf hin, dass die faire Besteuerung multinationaler Unternehmen eine seit Langem bestehende Forderung der breiten Öffentlichkeit ist. Er erwartet eine rasche Einigung über die Säule 2 in der EU und weltweit.

2.Hintergrund und Kommissionsvorschlag

2.1Mit dem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über eine globale Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der Union sollen die OECD-Mustervorschriften für die innerstaatliche Umsetzung einer globalen Mindeststeuer (OECD/Inklusiver Rahmen) mittels einheitlicher Vorschriften und Umsetzung in der EU angewandt werden. 1

2.2Die jahrhundertealten nationalen und internationalen Steuervorschriften sind für einige der heute geläufigen neuen Geschäftsmodelle nicht mehr geeignet. Zahlreiche Unternehmen sind in vielen Ländern nicht physisch präsent und zahlen in diesen Ländern nicht in gleichem Maße Körperschaftsteuer wie die dort physisch präsenten Unternehmen. 2

2.3Die öffentlichen Haushalte waren infolge der Finanzkrise 2008-2009 unter Druck geraten. Alle diese Faktoren haben die OECD dazu veranlasst, gegen Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) vorzugehen.

2.4Im Anschluss an das BEPS-Projekt der OECD im Jahr 2015 einigten sich die Mitglieder des Inklusiven Rahmens der G20/OECD auf eine Lösung für das Problem, die zunehmenden steuerlichen Herausforderungen, die sich aus der Digitalisierung der Wirtschaft ergeben, zu bewältigen.

2.5Das vereinbarte Paket umfasst zwei Säulen mit Unternehmen aller Branchen. Säule 1 bezieht sich auf Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. EUR. Säule 1 sieht eine teilweise Neuzuweisung von Übergewinnsteuern zu Marktstaaten vor. Mit Säule 2 wird eine effektive Mindestbesteuerung von 15 % eingeführt 3 . Die OECD‑Mustervorschriften sind ein 70-seitiges Regelwerk hochkomplexer und technischer Vorschriften, darunter zehn Seiten Begriffsbestimmungen, um einen „gemeinsamen Ansatz“ bei der globalen Mindestbesteuerung zu ermöglichen.

2.6Säule 2 umfasst zwei Vorschriften: 1. die Ertragseinbeziehungsregelung (EER) und 2. ihr Auffangmechanismus, die umgekehrte Ertragseinbeziehungsregelung (UEER), die zusammen als GloBE-Regeln („Global anti-Base Erosion“) bezeichnet werden, sowie die „Subject to Tax Rule“.

2.7Mit dem Vorschlag wird die oberste Muttergesellschaft verpflichtet, die Ergänzungssteuer zu entrichten, d. h. sie muss in dem Staat, in dem sie ansässig ist, für den Fehlbetrag der gesamten Gruppe aufkommen. Die Steuereinnahmen werden folglich von diesem Staat eingezogen, was bedeutet, dass die Besteuerung und die Steuereinnahmen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet erfolgen. Für die Länder besteht keine Verpflichtung, ihren Steuersatz auf das Mindeststeuerniveau anzuheben.

2.8Befindet sich die oberste Muttergesellschaft in einem Land, das keine anerkannte EER erlassen hat, so kommt die UEER zur Anwendung, wonach Steuerhoheitsgebiete, in denen das multinationale Unternehmen tätig ist, eine entsprechende Anpassung nach den Mustervorschriften vornehmen müssen. Dabei wird die Steuerschuld der Unternehmen der Gruppe so angepasst, dass die gesamte Ergänzungssteuer erhoben wird.

2.9Die Zurechnung der gesamten Ergänzungssteuer stützt sich auf den Anteil des Steuerhoheitsgebiets an der Gesamtbeschäftigung der Unternehmensgruppe sowie auf die materiellen Vermögenswerte der Gruppe in Ländern, die UEER-Bestimmungen erlassen haben.

2.10Die Berechnung der Ergänzungssteuer für jedes einzelne Steuerhoheitsgebiet sieht auch eine substanzbasierte Freistellung vor. Diese ermöglicht letztlich, einen bestimmten Anteil der Erträge unterhalb des effektiven Mindeststeuersatzes zu besteuern. Die ausgenommenen Erträge werden zunächst auf 10 % der örtlichen Lohnkosten und 8 % der vor Ort genutzten materiellen Vermögenswerte veranschlagt, die über einen Zeitraum von zehn Jahren auf jeweils 5 % gesenkt werden.

2.11In den OECD-Mustervorschriften werden Abschlüsse als Grundlage für die Berechnung der effektiven Steuersätze herangezogen, wobei komplexe Anpassungen vorgenommen werden. Steuerhoheitsgebieten wird auch die Möglichkeit eingeräumt, die Berechnung einer minimalen nationalen Ergänzungssteuer einzuführen. In diesem Fall wird die Ergänzungssteuer diesem Steuerhoheitsgebiet zugewiesen und von diesem erhoben. Es werden keine Steuereinnahmen aus diesem Steuergebiet in ein anderes übertragen.

2.12Die OECD hat bereits zugesagt, den Kommentar zu den Mustervorschriften im ersten Quartal 2022 vorzulegen, um die Auslegung der Vorschriften zu klären und weitere Leitlinien/Klarstellungen für die Safe-Harbor-Regelung und die administrativen Leitlinien zu entwickeln. Weitere Klarstellungen sind also zu erwarten.

2.13Eine gemeinsame globale Auslegung der Vorschriften und deren inhaltlich und zeitlich einheitliche Umsetzung sind von größter Bedeutung, um Verzerrungen zu verhindern und gleiche Wettbewerbsbedingungen – und damit die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft – zu gewährleisten 4 .

2.14Gemäß der Kommissionsmitteilung „Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert“ enthält der Kommissionsvorschlag nur die GloBE-Mustervorschriften, die in Säule 2 des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 enthalten sind. Säule 1 ist nicht so gut ausgearbeitet wie Säule 2. Dieser Teil des Pakets könnte auch Gegenstand einer EU-Richtlinie sein. 5

2.15Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird auf Basis von in der Union ansässigen Geschäftseinheiten definiert, die zu multinationalen Unternehmensgruppen oder großen inländischen Gruppen gehören und in mindestens zwei der vier vorangegangenen Jahre einen konsolidierten Gruppenerlös von über 750 Mio. EUR aufweisen.

2.16Die Richtlinie sieht vor, dass in Fällen, in denen die oberste Muttergesellschaft außerhalb der EU in einem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist, das keine anerkannte EER anwendet, alle Geschäftseinheiten dieser Muttergesellschaft in Steuerhoheitsgebieten mit einer angemessenen UEER-Regelung der UEER unterliegen. In einem solchen Fall unterliegen die Geschäftseinheiten der multinationalen Unternehmensgruppe, die in einem Mitgliedstaat ansässig sind, hier einer Ergänzungssteuer, die auf der Basis der Zwei-Faktor-Formel aufgeteilt wird. Diese wird in Bezug auf die niedrig besteuerten Erträge der Geschäftseinheiten der multinationalen Unternehmensgruppe berechnet.

2.17Die Richtlinie enthält Vorschriften für die Bestimmung der „maßgeblichen Erträge“, d. h. der angepassten Erträge, die bei der Berechnung des effektiven Steuersatzes berücksichtigt werden. Ausgangspunkt für die Berechnung dieser Erträge sind die bilanziellen Nettoerträge oder ‑verluste der Geschäftseinheit für das Geschäftsjahr. Dann werden hochkomplexe festgelegte Anpassungen zum Ausgleich der Differenz zwischen der Finanzbuchhaltung und der Steuerbilanz vorgenommen. Die wichtigsten Anpassungen beziehen sich auf die Anforderungen für die Meldung von Erträgen/Kosten. Allerdings werden beispielsweise Niedrigsteuerregelungen für Patentboxen nicht anerkannt, sehr wohl hingegen die beschleunigte Abschreibung von Anlagevermögen.

2.18Die Regeln für die Berechnung der „angepassten erfassten Steuern“ einer Geschäftseinheit für ein Geschäftsjahr werden definiert. Das Hauptprinzip bei der Zuordnung von erfassten Steuern besteht darin, sie dem Steuerhoheitsgebiet zuzurechnen, in dem die diesen Steuern unterliegenden Gewinne erzielt wurden. Um diesen Grundsatz zu wahren, enthält die Richtlinie auch besondere Vorschriften für grenzüberschreitende Steuern im Falle einer Betriebsstätte, einer volltransparenten Gesellschaft, eines beherrschten ausländischen Unternehmens, eines hybriden Unternehmens oder für Dividendensteuern.

2.19Der effektive Steuersatz wird berechnet, indem die angepassten erfassten Steuern der Gruppe durch die angepassten Erträge der Gruppe in einem bestimmten Steuerhoheitsgebiet für das Geschäftsjahr dividiert werden. Im Einklang mit der globalen Einigung und um ihre Umsetzung sicherzustellen, ist in dieser Richtlinie der effektive Mindeststeuersatz für die Zwecke der GloBE-Mustervorschriften auf 15 % festgelegt.

2.20Um den Befolgungsaufwand in Fällen mit geringem Risiko zu senken, gilt für minimale Gewinne eine Ausnahme nach dem De-minimis-Ansatz. Dies ist der Fall, wenn die Gewinne der Geschäftseinheiten der multinationalen Unternehmensgruppe in einem Steuerhoheitsgebiet unter 1 Mio. EUR und der Umsatzerlös unter 10 Mio. EUR liegen.

2.21Besondere Vorschriften gelten für Fusionen, Übernahmen, Joint Ventures und multinationale Unternehmensgruppen mit mehreren Muttergesellschaften. Vorgesehen ist die Anwendung einer Schwelle für den konsolidierten Umsatzerlös auf Gruppenmitglieder, die eine Fusion oder Spaltung durchlaufen. Wird eine Geschäftseinheit von einer in den Anwendungsbereich der Vorschriften fallenden multinationalen Unternehmensgruppe erworben oder veräußert, sollte eine solche Geschäftseinheit im Laufe des Jahres als Teil beider Gruppen behandelt werden, wobei die Werte der Attribute, die für die Anwendung der GloBE-Mustervorschriften verwendet werden (z. B. erfasste Steuern, Lohnkosten, berücksichtigungsfähige materielle Vermögenswerte oder latente GloBE-Steueransprüche), bestimmten Anpassungen unterzogen werden.

2.22Die Richtlinie enthält Regelungen für Steuerneutralität und Ausschüttungssteuersysteme. Um unbeabsichtigte Auswirkungen wie eine unverhältnismäßige Ergänzungssteuerpflicht aufgrund der UEER in einer multinationalen Unternehmensgruppe zu vermeiden, sind in der Richtlinie besondere Vorschriften für die Berechnung der Erträge der obersten Muttergesellschaft vorgesehen, wenn dieser Rechtsträger eine transparente Gesellschaft ist oder einer Regelung für abzugsfähige Dividenden unterliegt. 6

2.23Nach der Richtlinie ist eine Geschäftseinheit einer multinationalen Unternehmensgruppe, die in einem Mitgliedstaat ansässig ist, verpflichtet, eine Ergänzungssteuer-Erklärung einzureichen, sofern die Erklärung von der multinationalen Unternehmensgruppe nicht in einem anderen Steuerhoheitsgebiet eingereicht wird, mit dem der Mitgliedstaat eine qualifizierte Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden geschlossen hat, die den automatischen Austausch der jährlichen Steuererklärungen ermöglicht. Die vorgeschriebenen Steuererklärungen müssen innerhalb von 15 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres, auf das sie sich beziehen, eingereicht werden.

3.Allgemeine Bemerkungen

3.1Der EWSA begrüßt den Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie, mit der Säule 2 in das EU‑Recht aufgenommen und im gesamten Binnenmarkt umgesetzt werden soll. Er unterstützt und begrüßt nachdrücklich, dass die Kommission ihre Arbeit an internationalen Gesprächen und Einigungen ausrichtet. Der EWSA stellt fest, dass Unternehmen, die bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten, von der Vereinbarung nicht betroffen sind. Die Vorschriften sind jedoch allgemein und werden laut OECD für Hunderte von Unternehmen gelten. Jede Unternehmensgruppe, die in den Anwendungsbereich des Vorschlags fällt, kann zahlreiche Betriebsstätten und Tochtergesellschaften haben.

 

3.2Der EWSA stellt fest, dass vier der an den Verhandlungen über den Inklusiven Rahmen teilnehmenden Länder dem Paket nicht zugestimmt haben, im Vergleich zu 137 Ländern, die die globale Einigung unterzeichnet haben. Die EU-Richtlinie über eine Mindestbesteuerung kann weitere Abwehrmaßnahmen gegen schädliche BEPS-Praktiken enthalten. Der EWSA hat die Ziele des BEPS-Projekts stets unterstützt, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen in der EU sicherzustellen.

3.3Der EWSA teilt folgende Auffassung der Kommission: „Die Frage, wie wirksam und fair die Reform zur Einführung einer globalen Mindeststeuer sein wird, hängt stark von ihrer weltweiten Umsetzung ab“. Der EWSA misst erfolgreichen und rechtzeitig abgeschlossenen Verhandlungen große Bedeutung bei. Eine gemeinsame globale Umsetzung ist von entscheidender Bedeutung, damit die Vorschriften wirksam sind und den Wettbewerb nicht verzerren.

3.4Der EWSA ist der Auffassung, dass Säule 1 und Säule 2 des Inklusiven Rahmens der OECD/G20 als ein umfassendes und sich gegenseitig ergänzendes Paket behandelt werden sollten. Die Kohärenz bei der Umsetzung der beiden Säulen ist von größter Bedeutung. Der EWSA fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, ihre Verhandlungsbemühungen im Rahmen der OECD zu verstärken, damit die erste Säule so rasch wie möglich weltweit umgesetzt wird.

3.5Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind und dass „unbedingt eine einheitliche Umsetzung der OECD-Mustervorschriften in der EU sichergestellt werden muss“. Der EWSA stimmt ferner zu, dass dies „nur erreicht werden [kann], wenn die Rechtsvorschriften zentral erlassen und einheitlich umgesetzt werden“. 7 Der EWSA betont, dass die Grundfreiheiten sowie die aus den Verträgen erwachsenden Verpflichtungen und Zuständigkeiten in der Richtlinie gewahrt werden müssen.

3.6Die Tatsache, dass alle Mitgliedstaaten an den Beratungen der OECD über den Integrativen Rahmen teilgenommen haben bzw. sich seither auf das Ergebnis geeinigt haben, erleichtert das EU-Verfahren. Der EWSA weist darauf hin, dass die faire Besteuerung multinationaler Unternehmen eine seit Langem bestehende Forderung der breiten Öffentlichkeit ist. Er erwartet eine rasche Einigung über die Säule 2 in der EU und weltweit.

3.7Wenngleich es von entscheidender Bedeutung ist, dass auf EU-Ebene bereits technische Diskussionen und Vorarbeiten stattfinden, stellt der EWSA fest, dass die OECD noch an weiteren detaillierten Vorschriften und der Klärung von Definitionen arbeitet. Die Mitgliedstaaten sollten daher alle Empfehlungen und Arbeitsergebnisse aus den laufenden OECD-Verhandlungen verfolgen und aufgreifen, da ein Verfahren zu Änderung oder Neufassung der Richtlinie zu vermeiden ist. Ebenso muss die EU den Zeitplan für die Umsetzung durch Drittländer sorgfältig prüfen.

3.8Der EWSA unterstützt die Entscheidung der Kommission, auf den umfangreichen Vorarbeiten auf internationaler Ebene aufzubauen und sich dabei auf die Folgenabschätzung der OECD zu stützen, um den vorliegenden Vorschlag zu entwickeln – ohne die Doppelarbeit einer neuen Folgenabschätzung. Der EWSA hätte jedoch eine Folgenabschätzung für diejenigen Teile der Richtlinie gewünscht, mit denen sie mit dem EU-Recht in Einklang gebracht wird. Der EWSA fordert, eine solche Analyse durchzuführen und öffentlich zugänglich zu machen.

3.9Der EWSA anerkennt und versteht die Notwendigkeit, den Anforderungen des EU-Rechts zu entsprechen. Die einfachste (aber nicht unbedingt die einzige) Methode wäre eine Ausweitung der EER auf rein innerstaatliche Sachverhalte.

3.10Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass es wünschenswert ist, eine begrenzte Zahl von Steuerzahlern einzubeziehen, und dass der Schwellenwert von 750 Mio. EUR „im Einklang mit den OECD-Mustervorschriften und den Anforderungen des EU-Rechts“ 8 steht und damit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Der EWSA stellt fest, dass der Schwellenwert den Vorschriften für die länderbezogene Berichterstattung und der Richtlinie über Steuervermeidung entspricht.

3.11Der EWSA stimmt der Kommission zu, dass der im Inklusiven Rahmen gegen BEPS von OECD und G20 vereinbarte Mindeststeuersatz von 15 % „eine Kompromisslösung zwischen den Körperschaftsteuersätzen weltweit“ ist. 9 Die von den Regierungen erzielte Einigung muss eingehalten, die Vorschriften müssen umgesetzt und die Unternehmen, die in ihren Anwendungsbereich fallen, zur Zahlung der Ergänzungssteuer verpflichtet werden. Der EWSA unterstützt auch die Aufnahme der substanzbasierten Ausnahme von Lohnkosten und materiellen Vermögenswerten im Einklang mit der OECD-Vereinbarung. Er stimmt der Einschätzung der Kommission zu, dass sich „BEPS-Praktiken wahrscheinlich nicht entfalten würden“, wenn echte wirtschaftliche Tätigkeiten stattfinden. 10

3.12Der EWSA unterstützt jedwede Anstrengungen bei der Konzipierung des neuen Systems, die Befolgungskosten für europäische Unternehmen und Steuerbehörden zu senken. Die vollständige Umsetzung von Säule 2 wird komplex sein und einen erheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordern. Die Steuerbehörden werden verpflichtet sein, Systeme und Verfahren zur Berechnung der neuen Verpflichtungen und zur Erhebung der Steuern zu entwickeln. Darüber hinaus wird geeignetes und geschultes Personal benötigt, um eine rasche Umsetzung zu gewährleisten und gleichzeitig Ressourcen für andere internationale Steuerbefugnisse wie Vorabvereinbarungen über die Verrechnungspreisgestaltung (APA) und Streitbeilegungsmechanismen bereitzustellen. Der EWSA fordert die Steuerbehörden auf, diese vorbereitenden Arbeiten aufzunehmen bzw. voranzubringen, wenn der Zeitplan für die Umsetzung (Januar 2023) eingehalten werden soll.

3.13Der EWSA fordert, dass die Richtlinie über die Beilegung von Streitigkeiten, die Säule 2 betreffen, zumindest zwischen den Mitgliedstaaten Anwendung findet. Diese neuen Vorschriften für die Beilegung von Steuerstreitigkeiten gelten seit dem 1. Juli 2019. Sie sind in der Richtlinie 2017/1852 des Rates vom 10. Oktober 2017 festgelegt und führen zu erheblichen Verbesserungen bei der Beilegung von Steuerstreitigkeiten. Denn es wird sichergestellt, dass Unternehmen und Bürger Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung von Steuerabkommen schneller und wirksamer beilegen können. 11

3.14Der EWSA unterstützt im Einklang mit der OECD-Vereinbarung die Ausnahme nach der De‑minimis-Regel. Damit kann ein multinationales Unternehmen ausgenommen werden, wenn die Gewinne des Unternehmens 1 Mio. EUR nicht übersteigen und der Umsatzerlös unter 10 Mio. EUR liegt. Der obere Schwellenwert muss möglicherweise im Laufe der Zeit angepasst werden.

3.15Der EWSA hält es für wichtig, dass die geplanten Safe-Harbour-Regeln so frühzeitig vorgestellt werden, dass sie in die endgültige Richtlinie aufgenommen werden können. Dies ist wichtig, um unnötigen Verwaltungsaufwand für Steuerpflichtige und Steuerverwaltungen zu vermeiden.

3.16Der EWSA tritt dafür ein, dass die Richtlinie eine Bewertung der Gleichwertigkeitskriterien durch die Kommission sowie eine Liste der Drittländer und -gebiete, die die Gleichwertigkeitskriterien erfüllen, vorsehen sollte. Diese Liste könnte durch einen delegierten Rechtsakt geändert werden.

3.17Der EWSA nimmt die Ankündigung des französischen EU-Ratsvorsitzes zur Kenntnis, die Beratungen möglichst vor den kommenden französischen Wahlen im April 2022 abzuschließen. Die EU sollte ihre Handelspartner dazu anhalten, ebenso ehrgeizig zu sein.

4.Besondere Bemerkungen

4.1Andere Steuervorschriften, die von den Parlamenten der Mitgliedstaaten als bewusste Anreize für Investitionen und Beschäftigungsbemühungen erlassen werden, dürfen durch die Mustervorschriften nicht neutralisiert werden. Bereits lange bestehende Vorschriften, z. B. für eine beschleunigte Abschreibung von Anlageinvestitionen, Anreize für FuE-Tätigkeiten oder neuere Initiativen zur Förderung der Entwicklung einer umweltfreundlicheren und stärker digitalisierten Wirtschaft, sollten nicht konterkariert werden. Dies gilt sowohl für die Initiativen zur wirtschaftlichen Erholung von der Pandemie als auch für die Förderung künftiger technologischer Entwicklungen.

4.2Die Umsetzung der GloBE-Mustervorschriften in der EU werden sich auf die geltenden Vorschriften der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD) und insbesondere auf die Vorschriften für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) auswirken, da diese in Wechselwirkung mit der Grundregel von Säule 2, der Ertragseinbeziehungsregelung, stehen könnten. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung „Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert“ 12 festgestellt, dass die Maßnahmen der Regierungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu einem Flickenteppich geführt haben, der die bestehende Komplexität noch weiter verstärkt hat 13 . Zwar ist eine Änderung der Richtlinie zur Bekämpfung von Steuervermeidung 14 nicht erforderlich, doch wäre eine Überprüfung der Wirksamkeit und des durch die Vorschriften in ihrer Kombination verursachten Verwaltungsaufwands sowohl für die Steuerverwaltungen als auch für die Unternehmen von Vorteil.

4.3Der EWSA teilt die Auffassung der Kommission, dass die Umsetzung der GloBE‑Modellvorschriften in der EU den Weg für eine Einigung über den anhängigen Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren (IRD) ebnen könnte.

4.4Der EWSA fordert, die Wirksamkeit der Vorschriften und die entsprechenden Verwaltungskosten genau zu überwachen. Die Mitgliedstaaten sollten einen übermäßigen Einsatz von Steuervorbescheiden vermeiden, wenn diese den Bestimmungen des globalen Abkommens abträglich sind.

 

4.5Der EWSA begrüßt, dass bei Verstößen Sanktionen verhängt werden können, und fordert die Mitgliedstaaten auf, gründliche Steuerprüfungen durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Bestimmungen der Richtlinie vollständig eingehalten werden.

4.6Der EWSA fordert, die EU-Liste nicht kooperativer Drittländer und -gebiete im Lichte der Umsetzung des vereinbarten Steuerpakets der OECD zu überarbeiten.

4.7Der EWSA weist darauf hin, dass die faire Besteuerung multinationaler Unternehmen eine seit Langem bestehende Forderung der breiten Öffentlichkeit ist. Er erwartet eine rasche Einigung über die Säule 2 in der EU und weltweit.

Brüssel, den 23. März 2022

Christa SCHWENG

Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

_____________

(1)    Richtlinie des Rates zur Gewährleistung eines globalen Mindeststeuerbetrags für multinationale Unternehmensgruppen in der Union, COM(2021) 823 final .
(2)    In welchem Ausmaß und in welchen Ländern einige sogenannte „digitale“ Unternehmen Körperschaftsteuern zahlen, wurde u. a. in folgender Studie untersucht: Matthias Bauer, „Digital Companies and Their Fair Share of Taxes: Myths and Misconceptions“, ECIPE, Februar 2018, https://ecipe.org/publications/digital-companies-and-their-fair-share-of-taxes/?chapter=all .
(3)      OECD/G20 Base Erosion and Profit Shifting Project as Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy Global Anti-Base Erosion Model Rules (Pillar Two) Inclusive Framework on BEPS, https://www.oecd.org/tax/beps/tax-challenges-arising-from-the-digitalisation-of-the-economy-global-anti-base-erosion-model-rules-pillar-two.pdf . Für einen Überblick siehe auch Jefferson VanderWolk, Squire Patton Boggs, Global Minimum Taxation for Large Multinationals, https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6884197871441207296/ .
(4)    Die USA verfügen über ein eigenes globales Mindeststeuersystem – Global Intangible Low Tax Income (GILTI). Doch das geltende Gesetz ist nach Ansicht der Kommission nicht mit der EER kompatibel. Die USA sind dabei, ihre GILTI zu reformieren, um sie mit Säule 2 in Einklang zu bringen. Die OECD wird mit den USA und den Mitgliedern des Inklusiven Rahmens über die Bedingungen für die Gleichwertigkeit der reformierten GILTI mit Säule 2 beraten. Solange diese Bedingungen nicht ausgehandelt sind, haben europäische Unternehmen ggf. einen Wettbewerbsnachteil, selbst wenn eine umgesetzte UEER einen gewissen Schutz bieten würde.
(5)    „Damit eine einheitliche Umsetzung in allen EU-Mitgliedstaaten, d. h. auch in denen, die nicht Mitglied der OECD und nicht am Inklusiven Rahmen beteiligt sind, gewährleistet ist, wird die Kommission eine Richtlinie zur Umsetzung von Säule 1 in der EU vorschlagen.“ COM(2021) 251 final, S. 9 .
(6)    In Bezug auf Investmentgesellschaften bestehen besondere Vorschriften für die Bestimmung des effektiven Steuersatzes, die Ergänzungssteuer, die Option, diese als volltransparente Gesellschaft zu behandeln, und die Option, die Methode für steuerpflichtige Ausschüttungen anzuwenden. In Bezug auf Ausschüttungssteuersysteme sieht die Richtlinie vor, dass bei einer jährlichen Inanspruchnahme der Option durch die erklärungspflichtige Einheit in Bezug auf Geschäftseinheiten, die einem zulässigen Ausschüttungssteuersystem unterliegen, eine Steuer auf fiktive Ausschüttungen bei der Berechnung der angepassten erfassten Steuern der betreffenden Geschäftseinheiten einbezogen wird.
(7)     COM(2021) 823 final, S. 3 .
(8)     COM(2021) 823 final, S. 3 .
(9)     COM(2021) 823 final, S. 20 .
(10)     COM(2021) 823 final, S. 20 .
(11)

ABl. C 173 vom 31.05.2017, S. 29

(12)       COM(2021) 251 final .
(13)    Siehe EWSA-Stellungnahme „ Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert “. Noch nicht veröffentlicht.
(14)     COM(2021) 823 final, S. 2 .
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