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Document 52022DC0409

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Die Macht von Handelspartnerschaften: gemeinsam für ein grünes und gerechtes Wirtschaftswachstum

COM/2022/409 final

Brüssel, den 22.6.2022

COM(2022) 409 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Die Macht von Handelspartnerschaften: gemeinsam für ein grünes und gerechtes Wirtschaftswachstum


1.Einführung

Die EU ist fest dazu entschlossen, mit ihren Handelsabkommen Nachhaltigkeit zu fördern, damit das Wirtschaftswachstum mit dem Schutz der Menschenrechte, menschenwürdiger Arbeit, Klima und Umwelt einhergeht, wobei die Werte und Prioritäten der Union uneingeschränkt zu achten sind. Im derzeit von erhöhter Instabilität geprägten geopolitischen Kontext muss die EU als verlässlicher Partner ihr Engagement gegenüber Drittländern verstärken. Die Handelspolitik der EU bietet einen soliden Rahmen für die Zusammenarbeit mit Handelspartnern in handelsbezogenen Nachhaltigkeitsfragen. Dieser Ansatz beruht auf internationalen Arbeits- und Umweltvorschriften und wird in transparenten Verfahren unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft verfolgt.

In dieser Mitteilung wird dargelegt, wie der Beitrag, den Handelsabkommen zur nachhaltigen Entwicklung leisten, weiter gestärkt werden kann. Alle modernen Handelsabkommen der EU enthalten bereits Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung (Trade and Sustainable Development, im Folgenden „TSD“). Seit 2018 dient der 15 Punkte umfassende Aktionsplan als Richtschnur für ihre verstärkte Umsetzung und Durchsetzung. 1 Im Juni 2021 leitete die Kommission eine eingehende Überprüfung ein, die darauf abzielt, dass mit Handelsabkommen insgesamt – und nicht nur mit ihren TSD-Kapiteln – besser dafür gesorgt wird, dass der nachhaltige Handel in Zusammenarbeit mit Handelspartnern und in Abstimmung mit anderen einschlägigen politischen Instrumenten der EU, einschließlich des europäischen Grünen Deals 2 3 , gefördert wird.

Im Rahmen der Überprüfung hat die Kommission eine unabhängige Vergleichsstudie über die TSD-Praktiken in Handelsabkommen von Drittländern in Auftrag gegeben, in der bestätigt wurde, dass die EU mit ihren Handelsabkommen zu den Pionieren bei der Förderung der Nachhaltigkeit gehörte und ihr eine besondere Vorreiterrolle zukommt. 4 Um ein möglichst breites Spektrum von Bürgern und Interessenträgern einzubinden, führte die Kommission darüber hinaus eine öffentliche Konsultation durch, zu der Unternehmen, Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen sowie Sozialpartner zahlreiche Beiträge beisteuerten. 5 Parallel dazu fand ein umfassender Meinungsaustausch mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss statt.

Auf der Grundlage der Beiträge und Empfehlungen, die während des gesamten TSD-Überprüfungsprozesses eingingen, hat die Kommission mehrere politische Prioritäten und zentrale Aktionspunkte erarbeitet, um den derzeitigen auf Engagement basierenden und in internationalen Rahmen und Standards verankerten TSD-Ansatz durch striktere Durchsetzungsvorschriften noch wirksamer zu gestalten. Der im Folgenden dargelegte neue Ansatz sieht eine vollwertige Einhaltungsphase und die Anwendung von Handelssanktionen in spezifischen und genau definierten Fällen vor.

2.Beitrag der EU-Handelsabkommen zur Agenda für nachhaltige Entwicklung

Handelsabkommen sind sowohl in der EU als auch in den Partnerländern ein wichtiger Motor für nachhaltiges Wachstum. Eine aktive Handelsagenda ist für den wirtschaftlichen Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit Europas von entscheidender Bedeutung. Handelsabkommen tragen zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Erweiterung der Märkte und zur Ankurbelung von Wirtschaftswachstum und Innovation bei. 6 Da mit Handelsabkommen Marktzugangshindernisse beseitigt werden, wirken sie auch kostensenkend und erleichtern die Einführung und den Einsatz klimafreundlicher Technologien und damit verbundener Güter und Dienstleistungen, die zur Verringerung der Treibhausgasemissionen weltweit und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Handelsabkommen leisten auch einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit den erforderlichen Rohstoffen, einschließlich derjenigen, die für CO2-arme Technologien verwendet werden. Gleichzeitig kann sich der Welthandel auch auf das Klima, die biologische Vielfalt oder die Arbeitsbedingungen auswirken. Damit sich der offene Handel auch tatsächlich positiv auswirkt, müssen die Liberalisierung des Handels und die Förderung internationaler Arbeitsnormen mit entschlossenen Klima- und Umweltschutzmaßnahmen einhergehen. Handelsabkommen bieten als Instrumente einer privilegierten Partnerschaft eine Plattform für den politischen Dialog und die Zusammenarbeit mit Partnerländern auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da globale Herausforderungen nur durch globale Zusammenarbeit bewältigt werden können.

Im Rahmen der Überprüfung der Handelspolitik wurde die Unterstützung des grünen und gerechten Übergangs gemeinsam mit Offenheit und Durchsetzungsfähigkeit zu einer der Säulen der Handelspolitik der EU. 7 Dies steht im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal und der Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit 8 , die die nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt der Politikgestaltung und des politischen Handelns der EU stellen. Die Prioritäten und Ziele für eine nachhaltige Entwicklung werden im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und ihren 17 Zielen für die nachhaltige Entwicklung, dem Übereinkommen von Paris und anderen multilateralen Übereinkommen für den Schutz von Umweltstandards und Arbeitsnormen in allen Politikbereichen der EU durchgängig berücksichtigt. Diese multilateralen Übereinkommen sind zum globalen Rahmen für die internationale Zusammenarbeit und Maßnahmen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung geworden und bieten auch eine Orientierungshilfe für die Verpflichtungen zur nachhaltigen Entwicklung in Handelsabkommen der EU.

Der wertebasierte TSD-Ansatz der EU verlangt von den Partnerländern umfassendere Verpflichtungen als dies bei Handelsabkommen anderer internationaler Akteure der Fall ist. Insbesondere erfordern die TSD-Kapitel der Handelsabkommen der EU die wirksame Umsetzung der Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und der multilateralen Umweltübereinkommen (z. B. Übereinkommen von Paris und Übereinkommen über die biologische Vielfalt), die jede Vertragspartei ratifiziert hat.

Die TSD-Kapitel in Handelsabkommen der EU verpflichten auch zur Einhaltung der grundlegenden Prinzipien der IAO, wie sie in der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit von 1998 niedergelegt sind. 9 In diesem Zusammenhang begrüßt die Kommission die Anstrengungen der IAO und ihrer Mitglieder, diese grundlegenden Prinzipien zu stärken und auszuweiten, sowie die jüngst getroffene Entscheidung, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz einzubeziehen, und sie vertritt die Ansicht, dass die TSD-Kapitel diese Entwicklungen ebenfalls angemessen widerspiegeln sollten.

In den TSD-Kapiteln wird auch für die Ratifizierung der nicht ratifizierten grundlegenden IAO-Übereinkommen geworben; außerdem enthalten sie ein breites Spektrum von Verpflichtungen und Bestimmungen betreffend die Zusammenarbeit in Bereichen wie Arbeitnehmerrechte, sozialer Dialog, menschenwürdige Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsaufsicht, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen, Forstwirtschaft, Fischerei, Aquakultur, Meerespolitik und Förderung eines verantwortungsvollen unternehmerischen Handelns. 10 Die Handelsabkommen der EU fördern neuerdings auch die Zusammenarbeit, um den Übergang zu einer kreislauforientierten und ressourceneffizienten Wirtschaft oder zu entwaldungsfreien Lieferketten ebenso voranzutreiben wie eine internationale Umwelt-Governance. In den jüngsten Handelsabkommen der EU sind auch Bestimmungen enthalten, die die einschlägigen Übereinkommen der Vereinten Nationen und der IAO zur Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter sowie die Förderung der auf die Verwirklichung dieser Ziele ausgerichtete Zusammenarbeit in internationalen Foren (z. B. WTO) betreffen.

Zusammenspiel mit anderen politischen Instrumenten

Die Handelsabkommen der EU sind keine eigenständigen Instrumente, die zur Förderung und Stärkung der Nachhaltigkeitsagenda der Union in den Beziehungen zu Drittländern dienen. Die darin enthaltenen TSD-Verpflichtungen spielen im Rahmen eines umfassenden Ansatzes mit einem breiteren Spektrum von politischen Instrumenten, multilateralen Bemühungen und Instrumenten der Entwicklungszusammenarbeit zusammen. Sie tragen zusammen mit den autonomen Instrumenten der EU dazu bei, die positiven Auswirkungen des Handels auf die nachhaltige Entwicklung bestmöglich zu nutzen und im Gegenzug für eine Eindämmung der negativen Auswirkungen zu sorgen.

Bis zum Ende der Amtszeit der derzeitigen Kommission soll die EU über ein ehrgeiziges Paket zusätzlicher autonomer Instrumente zur Förderung des nachhaltigen Handels verfügen. Im Jahr 2021 legte die Kommission einen Vorschlag zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems vor, um die Verlagerung von CO2-Emissionen zu verhindern und die Wirksamkeit globaler Klimaschutzmaßnahmen zu stärken 11 ; zudem präsentierte sie einen Vorschlag über entwaldungsfreie Erzeugnisse, um die Anstrengungen zur Bekämpfung von Entwaldung und Waldschädigung zu intensivieren 12 . Im selben Jahr hat die Kommission eine Strategie mit einem ehrgeizigen und umfassenden Maßnahmenpaket angenommen, das dazu beitragen soll, mehr Mittel in die Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu lenken. 13 Anfang 2022 legte die Kommission einen Vorschlag betreffend die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vor, um ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in allen globalen Wertschöpfungsketten zu fördern. 14 Ferner hat sie einen Vorschlag für einen Rahmen angenommen, der darauf abzielt, alle in der Union in Verkehr gebrachten Waren stärker auf ökologische Nachhaltigkeit und die Kreislaufwirtschaft auszurichten. 15  Wie in der Mitteilung über menschenwürdige Arbeit weltweit angekündigt, wird die Kommission im Laufe dieses Jahres auch eine neue Gesetzesinitiative vorlegen, mit der das Inverkehrbringen von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, in der EU wirksam verboten werden soll. 16  

In ihrem Vorschlag für eine neue EU-Verordnung über das Allgemeine Präferenzsystem hat die Kommission für einen größeren Beitrag des Systems zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung – unter anderem durch die Hinzufügung einer Reihe internationaler Instrumente in den Bereichen Menschenrechte, verantwortungsvolle Staatsführung, Arbeits- und Umweltschutz – gesorgt. Darunter waren das Übereinkommen von Paris, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und zwei neue IAO-Übereinkommen; abgedeckt wird auch die geordnete internationale Migration, die zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt. Auch soll dem Vorschlag zufolge die Ausfuhr von durch international verbotene Kinderarbeit und Zwangsarbeit hergestellten Waren einen Grund für eine mögliche Rücknahme von Handelspräferenzen darstellen. 17  

Auf multilateraler Ebene hat die EU kürzlich drei plurilaterale WTO-Initiativen zu Handel und ökologischer Nachhaltigkeit, Kunststoffverschmutzung und Handel mit nachhaltigen Kunststoffen sowie die Reform der Subventionierung fossiler Brennstoffe mitgetragen. 18 Auf der 12. WTO-Ministerkonferenz kam der EU eine Schlüsselrolle beim Abschluss des ersten multilateralen Übereinkommens über Fischereisubventionen zu, mit dem schädliche Fischereisubventionen eingedämmt werden, wobei die ökologische Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Die EU wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Subventionsdisziplin bis zur nächsten Ministerkonferenz ausgeweitet wird. 19 Außerdem hat sich die EU aktiv an der Schaffung der Klimakoalition der Handelsminister beteiligt, von der weitere politische Impulse für den Aufbau einer positiven Handels- und Klimaagenda, insbesondere im Rahmen der WTO, ausgehen werden. 20 Die EU beabsichtigt, im Zuge der WTO-Reform den Dialog über das Zusammenspiel von Handel und menschenwürdiger Arbeit zu fördern, unter anderem durch die Kooperation zwischen WTO und IAO. In der OECD setzt sich die EU dafür ein, die Vorschriften für öffentliche Exportkredite zu ändern, um sie mit den Klimazielen in Einklang zu bringen. Darüber hinaus erwirkte die EU erfolgreich ein Verbot von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung. 21  

All diese handelsbezogenen politischen Instrumente und Initiativen sind Teil einer umfassenden Antwort auf globale Nachhaltigkeitsanliegen und sind mit den Handelsabkommen untrennbar verbunden.

3.Eine neue politische Ausrichtung in Handelsabkommen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung

Die TSD-Überprüfung hat ergeben, dass das TSD-Modell der EU stimmig ist, aber zugleich auch Verbesserungsbedarf in sechs prioritären Politikbereichen aufgezeigt, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: 1) Notwendigkeit einer proaktiveren Zusammenarbeit mit Partnern; 2) Ausbau des länderspezifischen Ansatzes; 3) durchgängige Berücksichtigung der Nachhaltigkeit über das TSD-Kapitel in Handelsabkommen hinaus; 4) verstärkte Überwachung der Umsetzung der TSD-Verpflichtungen; 5) Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft und 6) verbesserte Durchsetzung durch die Anwendung von Handelssanktionen als letztes Mittel. 22

In ihrer Strategie für die nachhaltige Entwicklung in Handelsabkommen wird sich die Kommission auf eine Reihe von Aktionspunkten für jede politische Priorität konzentrieren, um die Wirksamkeit ihres Beitrags zu optimieren. Diese Aktionspunkte bauen auf den Erfahrungen mit der Umsetzung, den gesammelten Erkenntnissen und den im Rahmen der öffentlichen Konsultation eingegangenen Beiträgen auf. Die Aktionspunkte ergänzen und erweitern die in dem 15 Punkte umfassenden Aktionsplan ermittelten Aktionsbereiche.

3.1    Ein umfassender TSD-Ansatz, der in multilateralen Übereinkünften und multilateraler Zusammenarbeit verankert ist

Wie vorstehend dargelegt, muss das Zusammenspiel zwischen Handel und nachhaltiger Entwicklung umfassend angegangen werden, indem die Handelspolitik in den breiteren Kontext anderer Instrumente zur Förderung der Nachhaltigkeit gestellt wird. In diesem umfassenden Ansatz wird der globale Regelungsrahmen durch Handelsabkommen gefördert, indem insbesondere zentrale internationale Standards und Verpflichtungen einbezogen werden und an ihrer wirksamen Umsetzung und Einhaltung sowie ihrer weiteren Stärkung im Zuge kooperativer Verfahren festgehalten wird. Die feste Verankerung bilateraler TSD-Verpflichtungen im multilateralen Kontext verschafft dem TSD-Ansatz der EU Legitimität, Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit. Außerdem soll Fragmentierung vermieden und stattdessen sichergestellt werden, dass die TSD-Verpflichtungen die weltweiten Anstrengungen verstärken. Da TSD-Verpflichtungen auf internationalen Standards beruhen, können sie auch protektionistische Reflexe abwehren.

Ein auf Engagement und Zusammenarbeit basierender Ansatz ermöglicht es der EU und ihren Partnern, gemeinsam Verantwortung für den Beitrag von Handelsabkommen zur Förderung eines grünen und gerechten Übergangs und zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung zu übernehmen. Durch diesen Ansatz wird eine Reihe von Interessenträgern, darunter lokale Gemeinschaften, Nichtregierungsorganisationen (NRO), Arbeitgeber und Gewerkschaften, zu einer umfassenderen Beteiligung motiviert. All dies ist von entscheidender Bedeutung, um Veränderungen vor Ort herbeizuführen.

In diesem Zusammenhang wird die Kommission die durch Handelsabkommen bereitgestellten Plattformen in vollem Umfang nutzen, um den Dialog über die handelsbezogenen autonomen Nachhaltigkeitsinstrumente der EU zu fördern und Handelspartner darin zu bestärken, für die Einhaltung dieser Instrumente einzutreten. Die Kommission beabsichtigt darüber hinaus, die Wirksamkeit ihrer gemeinsamen Anstrengungen insgesamt zu verbessern, indem sie auf den im 15 Punkte umfassenden Aktionsplan in der Rubrik „Zusammenarbeit“ genannten Maßnahmen aufbaut; ferner beabsichtigt sie in Situationen, in denen technische oder finanzielle Hilfe benötigt wird oder dadurch Anreize für Handelspartner geschaffen werden können, ihre Arbeits- und Umweltschutzniveaus weiter zu erhöhen, den kollektiven Ansatz der EU zu vertiefen.

Aktionspunkte

Die Kommission wird: 

1.die Zusammenarbeit mit Handelspartnern in einem kooperativen Prozess intensivieren, um die Einhaltung internationaler Arbeits- und Umweltnormen zu fördern; 

2.wenn notwendig Anreize schaffen und Handelspartner bei Reformprozessen unterstützen und Kapazitäten durch technische und finanzielle Hilfe aufbauen; gegebenenfalls sollte die EU auch einen „Team-Europa“-Ansatz herausbilden, um gemeinsam mit Partnerländern vereinbarte Prioritäten für nachhaltige Entwicklung voranzubringen;

3.Handelsabkommen zur Förderung des Dialogs mit den Partnerländern nutzen und diese gegebenenfalls dabei unterstützen, die Nachhaltigkeitsanforderungen der EU zu erfüllen.

3.2     Festlegung von länderspezifischen Umsetzungsprioritäten

Aus der TSD-Überprüfung ging klar hervor, dass die TSD-Verpflichtungen in Handelsabkommen der EU Veränderungen vor Ort wirksamer und schneller herbeiführen sollten, und dass Fortschritte in hohem Maße von den spezifischen Gegebenheiten der einzelnen Länder abhängen. Dementsprechend soll der im 15 Punkte umfassenden Aktionsplan festgelegte länderspezifische Ansatz bedarfsorientierter und zielgerichteter gestaltet werden.

Die bilateralen Handelsbeziehungen der EU erstrecken sich auf die ganze Welt und umfassen Partner auf verschiedenen Entwicklungsstufen, die mit unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Herausforderungen und Chancen konfrontiert sind. Während sowohl die EU als auch die Partnerländer an dieselben in den TSD-Kapiteln enthaltenen Verpflichtungen gebunden sind, gilt es, um für diese breite Palette von Partnern flexible Lösungen zu finden und Prioritäten zu setzen, die TSD-Ziele besser auf die Herausforderungen, Bedürfnisse und Kapazitäten jedes einzelnen Partners abzustimmen.

Die Festlegung solcher länderspezifischen Umsetzungsprioritäten erfordert eine frühzeitige Lückenanalyse sowie mehr Tiefgang und Spezifität bei der TSD-Dimension. Die wichtigsten Herausforderungen, Chancen und Prioritäten sollten gemeinsam und in einem frühen Stadium der Zusammenarbeit mit einem bestimmten Partner ermittelt werden. Diese Prioritäten sollten unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft entwickelt werden und bereits in der Folgenabschätzung vor der Aufnahme der Verhandlungen enthalten sein; im Rahmen der Nachhaltigkeitsprüfung sollten sie allerdings weiter verfeinert und in der Umsetzungsphase in einer Ex-post-Analyse bewertet werden. Im Einklang mit der EU-Biodiversitätsstrategie 23 werden die Auswirkungen der Handelsliberalisierung auf die biologische Vielfalt bei diesen Bewertungen eine wichtige Rolle spielen. Daher sollten die EU und die Partnerländer sich bei ihren Verhandlungen auf die wichtigsten länderspezifischen Umsetzungsprioritäten konzentrieren, um Fortschritte bei der Verwirklichung der TSD-Ziele zu gewährleisten. Um erfolgversprechend zu sein, sollten diese Prioritäten realistisch und zielgerichtet gesetzt werden. Sie sollten auch ausreichend flexibel sein, sodass sie im Laufe der Zeit an eine sich ändernde Nachhaltigkeitssituation angepasst werden können.

Ziel wäre es, erforderlichenfalls die Umsetzung in einem bestimmten Bereich zu verstärken, z. B. im Hinblick auf die Einhaltung eines IAO-Grundsatzes oder eines IAO-Übereinkommens oder die Einhaltung eines ratifizierten multilateralen Umweltübereinkommens. Zu diesem Zweck können – wenn dies notwendig und zielführend ist – mit einem Partnerland konkrete Schritte im Einklang mit den festgelegten Zeitplänen und Etappenzielen für die Umsetzungsphase (sogenannte Umsetzungsfahrpläne) vereinbart werden, deren Durchführung angemessen überprüft wird, was gegebenenfalls auch die Unterstützung internationaler Organisationen und Interessenträger bei diesem Prozess einschließt.

Darüber hinaus wird sich die EU weiterhin für die Ratifizierung grundlegender IAO-Übereinkommen einsetzen und ihre diesbezüglichen Anstrengungen auf die Unterstützung der festgelegten Umsetzungsprioritäten konzentrieren. Dabei muss eine Überprüfung von Fall zu Fall stattfinden, wobei der Schwerpunkt auf Bereiche zu legen ist, die erhebliche Auswirkungen auf die wirksame Umsetzung der Grundrechte haben.

Aktionspunkte

Die Kommission wird: 

4.einen maßgeschneiderten Ansatz verfolgen und gezieltere TSD-Folgenabschätzungen durchführen, um länderspezifische Prioritäten im Bereich Nachhaltigkeit zu ermitteln und frühzeitig detaillierte Analysen der Auswirkungen vorzulegen;

5.detaillierte und zeitgebundene Umsetzungsfahrpläne mit Etappenzielen aushandeln, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der in den Partnerländern festgelegten Prioritäten und auf Einzelfallbasis. In den Fahrplänen sollte die Rolle der Zivilgesellschaft bei der Überwachung der Umsetzung anerkannt werden.

3.3     Durchgängige Berücksichtigung des Aspekts der Nachhaltigkeit in Handelsabkommen

In allen EU-Handelsabkommen gibt es bereits mehrere Bestimmungen, wonach Länder weiterhin berechtigt sein sollen, Regelungen zur Verfolgung legitimer Ziele in den Bereichen Umwelt und Arbeit zu erlassen. Zusätzlich zur Wahrung dieses notwendigen politischen Spielraums sollten Nachhaltigkeitserwägungen auch in verschiedenen Teilen von Handelsabkommen proaktiv und durchgängig berücksichtigt werden.

Im Zuge der durchgängigen Berücksichtigung von TSD-Zielen in Handelsabkommen könnte die Liberalisierung von Umweltgütern und -dienstleistungen priorisiert werden; dies könnte insbesondere für jene Erzeugnisse und Dienstleistungen gelten, die Treibhausgasemissionen verringern helfen und sich positiv auf die Ressourceneffizienz und die Kreislaufwirtschaft auswirken. Darüber hinaus sollte durch Handelsabkommen sichergestellt werden, dass ein unverzerrter Handel stattfindet sowie Investitionen in Rohstoffe und Energieerzeugnisse getätigt werden, die für den Übergang zu einer klimaneutralen und ressourceneffizienten Wirtschaft benötigt werden.

Dies ließe sich verwirklichen, indem beispielsweise nichttarifäre Handelshemmnisse abgebaut werden und die Anwendung internationaler Normen zur Ankurbelung von Handel und Investitionen in den Bereichen Umweltschutz, Ressourceneffizienz und erneuerbare Energiequellen gefördert wird. Darüber hinaus sollte bei Handelsabkommen danach getrachtet werden, dass nichtdiskriminierende Nachhaltigkeitserwägungen bei Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstärkt einfließen und Bestimmungen über nachhaltige Lebensmittelsysteme Aufnahme finden.

Damit TSD-Ziele nicht nur in den diesbezüglichen Kapiteln priorisiert werden, sollten im Zuge von Folgenabschätzungen und Nachhaltigkeitsprüfungen die mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit verbundenen Herausforderungen und Chancen in allen relevanten Bereichen von Handelsabkommen ausgelotet werden. Der im vorherigen Abschnitt erwähnte länderspezifische Ansatz sollte im gesamten Handelsabkommen Anwendung finden.

Aktionspunkte

Die Kommission wird: 

6.den Marktzugang für Umweltgüter und -dienstleistungen insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz priorisieren und dafür beispielsweise tarifäre und nichttarifäre Handelshemmnisse abbauen, sowie den Zugang zu für den grünen Wandel benötigten Rohstoffen und Erzeugnissen sowie einschlägige Investitionen verbessern;

7.dafür Sorge tragen, dass in Folgenabschätzungen und Nachhaltigkeitsprüfungen alle relevanten Kapitel von Handelsabkommen dahin gehend analysiert werden, welche Bestimmungen und Verpflichtungen aller Wahrscheinlichkeit nach Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfragen haben und in welchen Bereichen das Abkommen Möglichkeiten eröffnet, auch außerhalb des TSD-Kapitels Nachhaltigkeitsziele zu verwirklichen.

3.4     Gemeinsame Überwachung der Umsetzung der TSD-Verpflichtungen

Einer der bei der Anwendung des 15 Punkte umfassenden Aktionsplans gewonnenen Lehren zufolge werden Ergebnisse durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem betroffenen Handelspartner erzielt. Dieser Ansatz ist zwar ressourcenintensiv, sorgt aber für dauerhafte Ergebnisse vor Ort. Die Kommission beabsichtigt, das vorhandene Fachwissen und die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente und Programme in einem umfassenden dienststellenübergreifenden EU-Ansatz zusammenzuführen. Beispielsweise sollen bilaterale Dialoge über Beschäftigungs- und Umweltpolitik sowie über Regulierungsfragen stattfinden sowie, wenn dies gerechtfertigt ist, Entwicklungszusammenarbeit und finanzielle Unterstützung geleistet werden.

Die Rolle der EU-Delegationen bei der Überwachung der Umsetzung der TSD-Verpflichtungen ist dabei von besonderer Bedeutung. Sie stehen sowohl mit Regierungen und Verwaltungsbehörden als auch mit lokalen Interessenträgern einschließlich der internen Beratungsgruppen (DAG) 24 in direktem Kontakt. Die EU-Delegationen haben auch Gelegenheit, sich unmittelbar mit handelsbezogenen Fragen der nachhaltigen Entwicklung zu befassen. Zusammen mit den Mitgliedstaaten halten sie nicht nur vor Ort Augen und Ohren offen, sondern bilden ein kollektives Netz von EU-Diplomaten, die gemeinsam dazu beitragen, dass Nachhaltigkeitsprobleme antizipiert und im jeweiligen geografischen Zuständigkeitsbereich und Fachgebiet angegangen werden.

Dieser umfassende Ansatz sollte durch eine intensivere Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten in den Hauptstädten sowie vor Ort durch deren Botschaften und Vertretungen in Drittländern ergänzt werden. Es sollte angestrebt werden, dass die einschlägigen Instrumente der Kommission und der Mitgliedstaaten ineinandergreifen und sich gegenseitig verstärken, sodass die EU Größenvorteile und eine bessere Wirkung vor Ort erzielen kann.

Zudem gilt es, das Europäische Parlament noch mehr einzubeziehen. Das Europäische Parlament könnte im Wege der Delegationsreisen seiner Mitglieder und ihrer Vor-Ort-Besuche noch stärker zur Überwachung und Umsetzung der TSD-Verpflichtungen beitragen. Das Zusammenspiel zwischen dem Europäischen Parlament und den Parlamenten in den Partnerländern kann sich als besonders wirksam erweisen, wenn Gesetzesreformen erforderlich sind. Vor-Ort-Besuche von Angehörigen europäischer und nationaler Parlamente bieten auch Gelegenheiten, die Nachhaltigkeitsziele der EU im Ausland zu vermitteln und sich nicht nur mit Beamten, sondern auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft des jeweiligen Landes, mit den lokalen DAG und mit Unternehmen auszutauschen.

Die vom INTA-Ausschuss eingesetzten Überwachungsgruppen haben auch bei den Verhandlungen und der Umsetzung von Handelsabkommen eine wichtige Rolle gespielt. Dies könnte beispielsweise durch regelmäßige länderspezifische Gespräche über Handel und nachhaltige Entwicklung noch weiter vertieft werden. Die Kommission wäre gemeinsam mit den EU-Delegationen bereit, das Europäische Parlament bei diesen Bemühungen zu unterstützen.

Bei einer kollektiven Überwachung der Umsetzung der TSD-Verpflichtungen kommt auch der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner eine stärkere Rolle zu. Sowohl die EU als auch all ihre Handelspartner sollten bestrebt sein, mit Organisationen der Zivilgesellschaft jeweils zusammenzuarbeiten, und sich dafür einsetzen, dass strukturierte und konkrete Beiträge beigesteuert werden.

Im Jahr 2020 stellte die Einrichtung der Funktion des Leitenden Handelsbeauftragten und der einzigen Eingangsstelle (SEP) einen wichtigen Schritt für eine bessere Umsetzung und Durchsetzung von TSD-Verpflichtungen dar. 25 Die SEP dient als zentrale Kontaktstelle für in der EU ansässige Interessenträger, die eine Beschwerde unter anderem über Verstöße gegen TSD-Verpflichtungen einreichen möchten. 26 Die operativen Leitlinien und das dazugehörige Beschwerdeformular wurden entwickelt, um die Interessenträger (z. B. Gewerkschaften, Industrieverbände, NRO) dabei zu unterstützen, das neue System optimal zu nutzen. Die Bearbeitung und Weiterverfolgung von TSD-Beschwerden ist ein wichtiger Teil der Aufgabe, die dem Leitenden Handelsbeauftragten im Rahmen der Umsetzung und Durchsetzung von Handelsabkommen zufällt. 27

Dennoch haben sich die Interessenträger bei TSD-Fragen bislang nur in begrenztem Maß an die SEP gewandt. Das SEP-System wurde so konzipiert, dass bei bestimmten Problemen eine frühzeitige Kontaktaufnahme möglich ist; zudem bekräftigt die Kommission ihre Bereitschaft, sich mit etwaigen TSD-Angelegenheiten zu befassen und nicht nur im Internet ausführliche Informationen veröffentlichen, sondern darüber hinaus zu erläutern, wie das System genutzt werden kann und welche Informationen möglicherweise benötigt werden. Die Kommission wird dies weiter präzisieren und zusätzliche Unterstützung anbieten, damit das System stärker in Anspruch genommen wird. Zu diesem Zweck hat sie parallel zur TSD-Überprüfung die operativen Leitlinien aktualisiert und damit klargestellt, dass die DAG auch kollektive Beschwerden einreichen können und dass ein in der EU ansässiger Beschwerdeführer TSD-Anliegen einer in einem Partnerland ansässigen Einrichtung vertreten kann. Die Aktualisierung bringt mehr Transparenz und Klarheit hinsichtlich der Frage, wie und innerhalb welcher Fristen die SEP die ersten Stufen einer Beschwerde über TSD-Verstöße bearbeiten kann.

Aktionspunkte

Die Kommission wird: 

8.einen dienststellenübergreifenden umfassenden EU-Ansatz entwickeln, indem sie alle verfügbaren Instrumente zur Überwachung der Umsetzung von TSD-Verpflichtungen nutzt, die EU-Delegationen einbezieht und mit den Hauptstädten, Botschaften und Außenstellen der Mitgliedstaaten aktiv zusammenarbeitet;

9.mit den EU-Delegationen bei der Unterstützung und Festlegung bewährter Verfahren kooperieren, sobald die Handelspartner ihre lokalen DAG einrichten und damit zu arbeiten beginnen;

10.die ständige Einbeziehung des Europäischen Parlaments in die TSD-Umsetzung im Rahmen seiner interparlamentarischen Kontakte unterstützen und ihm bereitwillig bei seinen Bemühungen um regelmäßige länderspezifische Gespräche über Handel und nachhaltige Entwicklung zur Seite stehen; 

11.parallel zur TSD-Überprüfung die operativen Leitlinien für die einzige Eingangsstelle überarbeiten und damit für mehr Transparenz und Berechenbarkeit für die Interessenträger sorgen und gleichzeitig präzisieren, von wem Beschwerden eingereicht werden können, wie diese bearbeitet werden und welche Fristen dafür gelten. Zudem wird in den Leitlinien klargestellt, dass die DAG kollektive Beschwerden über Verstöße gegen TSD-Verpflichtungen einreichen und die Interessen einer in einem Partnerland ansässigen Partei vertreten können.

3.5        Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft

Die Kommission konsultiert die interessierten Kreise regelmäßig und häufig durch eine gut etablierte horizontale Struktur für zivilgesellschaftliche Dialoge, bei denen Fragen des Handels und der nachhaltigen Entwicklung routinemäßig aufgeworfen und erörtert werden. Ferner bemüht sich die Kommission auch verstärkt darum, noch wirksamer auf die Zivilgesellschaft in den Mitgliedstaaten zuzugehen und organisiert dafür unter anderem vermehrt einschlägige Veranstaltungen und Diskussionen mit hochrangigen Teilnehmern. Darüber hinaus sehen die EU-Handelsabkommen ausdrücklich vor, dass die Zivilgesellschaft in die Umsetzung der TSD-Verpflichtungen – auch durch die DAG – eingebunden wird. Die Zivilgesellschaft kann auch eine aktive Rolle in der Durchsetzungsphase spielen, indem sie der einzigen Eingangsstelle (siehe oben) TSD-Beschwerden und dem Panel Amicus-Curiae-Schriftsätze vorlegt.

Der Input, den zivilgesellschaftliche Organisationen in Form fundierter und evidenzbasierter Beiträge beisteuern, ist für die Kommission von entscheidender Bedeutung, um Probleme im Zusammenhang mit TSD zu ermitteln und zu priorisieren und um entsprechend darauf zu reagieren. Die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Interessenträgern der EU und ihren Partnerorganisationen im Ausland sind in dieser Hinsicht ebenfalls von entscheidender Bedeutung. Ein solcher Beitrag könnte dann besser für die Ausrichtung auf Zielgruppen und die Prioritätensetzung genutzt werden. Beispielsweise könnte die Konsultation der Zivilgesellschaft in der Folgenabschätzungsphase (sowohl bei den Folgenabschätzungen selbst als auch bei den Nachhaltigkeitsprüfungen) dazu beitragen, Lücken und Herausforderungen zu ermitteln, und sie könnte dabei hilfreich sein, Prioritäten festzulegen, die während des Verhandlungsprozesses angegangen werden müssen, sowie etwaige Schlüsselfragen im Zusammenhang mit der Umsetzung zu antizipieren. Nach Inkrafttreten eines Abkommens können zeitnahe und sachdienliche Stellungnahmen, die den TSD-Ausschüssen gemäß den Handelsabkommen vorzulegen sind und auf dem Wissen und der Sachkenntnis vor Ort beruhen, in die gemeinsame Überwachung der Einhaltung der TSD-Vorschriften einfließen und die bilateralen Umsetzungsbemühungen steuern.

Die Kommission wird auch weiterhin mit den im Rahmen der Handelsabkommen eingerichteten DAG zusammenarbeiten sowie logistische Hilfe und Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten und Sachkenntnis anbieten. Die Kommission hat durch die Veröffentlichung der Tagesordnungen und Protokolle der bestehenden TSD-Ausschüsse auch für mehr Transparenz gesorgt. Mit Blick auf die Zukunft wird die Kommission die DAG weiter stärken und ihre Einrichtung, die gemäß den in Handelsabkommen vereinbarten Bedingungen erfolgt, genau überwachen und die Interaktion zwischen den DAG der EU und jenen der Partnerländer fördern. Die Kommission erkennt die Bedeutung an, die dem Beitrag der DAG und der weiteren Nutzung ihrer Erfahrung und ihrer Sachkenntnis zukommt, und wird zudem versuchen, die Aufgaben der DAG über den Bereich TSD hinaus auszuweiten, sodass alle Handelsabkommen abgedeckt sind, wie dies im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bereits vorgesehen ist.

Aktionspunkte

Die Kommission wird:

12.für einen inklusiven Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft in allen Phasen des Lebenszyklus von Handelsabkommen, der von der Lückenanalyse bis zur Umsetzung reicht und die Ermittlung von Prioritäten einschließt, sorgen;

13.die Rolle der DAG der EU weiter stärken, indem sie Ressourcen für deren logistische Unterstützung, den Aufbau von Kapazitäten und ihren Betrieb bereitstellt; 

14.die Vertreter der DAG der EU zur Teilnahme an von der Kommission geleiteten TSD-Expertengruppen der Mitgliedstaaten einladen, in denen sie spezifisches Fachwissen einbringen können, und die DAG in die Vorbereitung der Sitzungen des TSD-Ausschusses – insbesondere mit Blick auf die Ermittlung und Überwachung der Umsetzungsprioritäten – eng einbeziehen;

15.die Interaktion zwischen den DAG der EU und der Partnerländer fördern und erleichtern;

16.sich um mehr Transparenz in Bezug auf die Zusammensetzung der DAG bemühen;

17.sich mit den DAG der EU über EU-Projekte für technische Unterstützung mit TSD-Bezug austauschen;

18.dafür Sorge tragen, dass die Aufgaben der DAG über den Bereich TSD hinaus ausgeweitet werden, sodass alle Handelsabkommen abgedeckt sind.

3.6        Eine – auch durch Handelssanktionen – konsequentere Durchsetzung

TSD-Verpflichtungen sind dank eines eigenen Mechanismus zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Staaten 28 , bei dem eine unabhängige und transparente Überprüfung durch ein Expertenpanel und die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft vorgesehen sind 29 , rechtsverbindlich und durchsetzbar. Dieser Ansatz beruht auf dem Engagement der Beteiligten und trägt neu aufkommenden Problemstellungen durch Dialog und Zusammenarbeit Rechnung.

Bislang umfasste dieser Mechanismus keine spezifischen Vorschriften darüber, wie die Umsetzung des vom Expertenpanel veröffentlichten Berichts („Einhaltungsphase“) überwacht wird. Die Kommission schlägt nun vor, die Durchsetzung im TSD-Bereich an die allgemeine Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten (SSDS) weiter anzugleichen und die Einhaltungsphase auf Streitigkeiten im Rahmen des TSD-Kapitels auszuweiten. Die Partei, bei der ein Verstoß gegen ihre TSD-Verpflichtungen festgestellt wurde, muss somit unverzüglich darüber Auskunft geben, wie sie den Panelbericht innerhalb eines bestimmten, dafür eingeräumten Zeitraums umzusetzen gedenkt. Dies wird Gegenstand einer vom Panel durchgeführten Überprüfung sein. Die Zivilgesellschaft wird dem Panel auch in dieser Phase Anmerkungen übermitteln können.

Der TSD-Ansatz der EU sah ebenso wenig vor, dass im Falle der Nichteinhaltung des Panelberichts Sanktionen verhängt werden. Die Kommission schlägt nun vor, dass als letztes Mittel in Fällen von schwerwiegenden Verstößen gegen zentrale TSD-Verpflichtungen, insbesondere gegen die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der IAO und gegen das Übereinkommen von Paris, Handelssanktionen möglich sind. In solchen Fällen wären Handelssanktionen im Interesse der Einhaltung ein durchaus angemessenes Mittel. Hinsichtlich des Übereinkommens von Paris würde darauf abgezielt, gegen die Nichteinhaltung von Verpflichtungen vorzugehen, durch die Gegenstand und Zweck des Übereinkommens in erheblichem Maße untergraben werden. Was die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der IAO betrifft, so wären Handelssanktionen bei schwerwiegenden Verstößen gegen diese Prinzipien gerechtfertigt und würden sich darauf stützen, dass die IAO die Entwicklungen bei allen Mitgliedern überwacht. Dieses Konzept wird auf der Einhaltung der grundlegenden Arbeitnehmerrechte und des Übereinkommens von Paris als wesentliche Elemente unserer Handelsabkommen aufbauen und diese stärken. 30  

Handelssanktionen bei Verstößen gegen spezifische TSD-Bestimmungen werden gemäß den allgemeinen Streitbeilegungsregeln angewendet werden. Dementsprechend werden Handelssanktionen befristet und verhältnismäßig sein und können in Form einer Aussetzung von Handelszugeständnissen verhängt werden. Dies wird nur möglich sein, wenn ein Panel feststellt, dass eine Partei gegen seine TSD-Verpflichtungen verstößt und diese nicht innerhalb der vereinbarten Frist den Verstoß abstellt. In diesem Kontext können die Parteien die Streitigkeit jederzeit durch eine einvernehmliche Lösung beilegen.

Wenn Handelssanktionen für zentrale TSD-Verpflichtungen erstmals in EU-Handelsabkommen eingeführt werden, so wird dies – in Kombination mit dem auf Zusammenarbeit beruhenden Ansatz der EU – eine konsequentere Durchsetzung ihrer TSD-Kapitel ermöglichen. Die EU wird auf diese Weise die Instrumente, die ihr zur Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen zur Verfügung stehen, stärken und mit den Handelsabkommen einen größeren Beitrag zur Verwirklichung dieser Ziele leisten.

Aktionspunkte

Die Kommission wird:

19.die Durchsetzung der TSD-Verpflichtungen in künftigen Abkommen weiter verbessern, indem den Handelspartnern der EU vorgeschlagen wird,

a.die Phase der allgemeinen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten und der Einhaltung auf das TSD-Kapitel auszuweiten;

b.die DAG in die Überwachung der Einhaltungsphase einzubeziehen;

c.die Möglichkeit, Handelssanktionen anzuwenden, auf Fälle der Nichteinhaltung von Verpflichtungen, durch die Gegenstand und Zweck des Übereinkommens von Paris in erheblichem Maße untergraben werden, oder auf schwerwiegende Verstöße gegen die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der IAO auszuweiten.

Handelssanktionen werden gemäß den allgemeinen Streitbeilegungsregeln angewendet werden.

20.der Durchsetzung von TSD-Fällen Priorität einräumen und sich hierbei darauf stützen, welche Bedeutung der Art der jeweiligen Verpflichtung zukommt, wie schwerwiegend der Verstoß dagegen ist und welche Auswirkungen auf die Umwelt oder die Arbeitnehmer damit einhergehen.

4.Schlussfolgerung

Einige der aufgezeigten und insbesondere die Mehrheit der sich auf die Umsetzung der TSD-Verpflichtungen und die Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft beziehenden Aktionspunkte sind unmittelbar – auch in bereits geltenden Handelsabkommen – umsetzbar.

Mit Blick auf die Zukunft werden die Ergebnisse der TSD-Überprüfung bei allen künftigen Verhandlungen einfließen und, falls dies angebracht ist, in laufenden Verhandlungen berücksichtigt. Die Kommission wird die aufgezeigten Aktionspunkte auf angemessene Weise in ihre Aktivitäten im Vorfeld der Verhandlungen frühzeitig einbeziehen.

Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, den in dieser Mitteilung dargelegten Ansatz zu billigen und gemeinsam an der Umsetzung der Aktionspunkte zu arbeiten.

(1)

 Non-Paper der Kommissionsdienststellen, Feedback and way forward on improving the implementation and enforcement of Trade and Sustainable Development chapters in EU Free Trade Agreements (Rückmeldungen und Ausblick auf eine verbesserte Durchführung und Durchsetzung der Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung in den Freihandelsabkommen der EU). Der 15 Punkte umfassende Aktionsplan beinhaltet die in die folgenden vier Rubriken unterteilten Maßnahmen zur wirksameren Durchführung und verbesserten Durchsetzung der TSD-Kapitel: i) Zusammenarbeit; ii) Befähigung der Zivilgesellschaft einschließlich der Sozialpartner, verstärkt an der Durchführung mitzuwirken; iii) Ergebnisse liefern und iv) Transparenz und Kommunikation. Abrufbar unter  https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2018/february/tradoc_156618.pdf .

(2)

COM(2019640, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:b828d165-1c22-11ea-8c1f-01aa75ed71a1.0021.02/DOC_1&format=PDF . 

(3)

Siehe https://policy.trade.ec.europa.eu/development-and-sustainability/sustainable-development/sustainable-development-eu-trade-agreements_en  

(4)

Velut, J. u.a., Comparative Analysis of Trade and Sustainable Development Provisions in Free Trade Agreements, LSE Consulting, London, 2022, abrufbar unter: https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2022/february/tradoc_160043.pdf  

(5)

Siehe https://policy.trade.ec.europa.eu/consultations/open-public-consultation-trade-and-sustainable-development-tsd-review_en  

(6)

Von den Ausfuhren der EU hängen 38 Millionen Arbeitsplätze ab (um zwei Drittel mehr als im Jahr 2000); die Bedeutung des Handels für die Schaffung von Wohlstand für die Bürgerinnen und Bürger der EU wird weiter zunehmen, da bis zum Jahr 2026 86 % des weltweiten Wachstums außerhalb der EU generiert werden dürften.

(7)

 COM(202166, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:5bf4e9d0-71d2-11eb-9ac9-01aa75ed71a1.0003.02/DOC_1&format=PDF . 

(8)

COM(202266, abrufbar unter  https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1187 . 

(9)

D. h. Vereinigungsfreiheit und effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, effektive Abschaffung der Kinderarbeit und Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Am 10. Juni 2022 hat die IAO die Erklärung von 1998 geändert und Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zur Liste der grundlegenden Prinzipien hinzugefügt.

(10)

Im Einklang mit den einschlägigen internationalen Instrumenten wie den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen, der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung der IAO über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik und dem Globalen Pakt der Vereinten Nationen.

(11)

COM(2021564, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0564 . 

(12)

 COM(2021706, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52021PC0706 . 

(13)

COM(2021390, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52021DC0390 . 

(14)

COM(202271, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A52022PC0071  

(15)

 COM(2022) 142, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52022PC0142.

(16)

Siehe Fußnote 8.

(17)

COM(2021579, abrufbar unter  https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:0fe49a24-1c94-11ec-b4fe-01aa75ed71a1.0022.02/DOC_1&format=PDF . 

(18)

Siehe  https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_21_6882 . 

(19)

Siehe https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_22_3792.

(20)

Siehe https://ec.europa.eu/commission/commissioners/2019-2024/dombrovskis/announcements/speech-executive-vice-president-valdis-dombrovskis-trade-climate-cop26_en (in englischer Sprache).

(21)

 Siehe https://policy.trade.ec.europa.eu/news/ban-export-credits-coal-fired-electricity-projects-agreed-oecd-2021-10-22_en (in englischer Sprache). 

(22)

Die Durchsetzung der TSD-Kapitel in Handelsabkommen und entsprechendes Nachfassen, einschließlich der Möglichkeit eines auf Sanktionen beruhenden Mechanismus als letztes Mittel, ist auch einer der 49 Vorschläge, die im Abschlussbericht der Konferenz zur Zukunft Europas enthalten sind; siehe Konferenz zur Zukunft Europas, Bericht über das endgültige Ergebnis, Mai 2022, Vorschlag Nr. 19(4), S. 63.

(23)

COM(2020) 380, abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020DC0380&from=DE.

(24)

Interne Beratungsgruppen sind Gremien, die im Rahmen der Handelsabkommen eingerichtet werden und aus unabhängigen Repräsentanten zivilgesellschaftlicher Gruppen, einschließlich Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und Gewerkschaften, so zusammengesetzt sind, dass eine ausgewogene Vertretung verschiedener Interessen unter anderem in den Bereichen Soziales, Menschenrechte und Umwelt gewährleistet ist. Die DAG überwachen die Umsetzung der Verpflichtungen im Bereich nachhaltige Entwicklung in Handelsabkommen, beraten die jeweiligen Vertragsparteien und legen ihnen Stellungnahmen vor.

(25)

Siehe https://policy.trade.ec.europa.eu/enforcement-and-protection/chief-trade-enforcement-officer_en . 

(26)

Siehe https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2021/november/tradoc_159907.pdf  

(27)

„Operating guidelines for the Single Entry Point and complaints mechanism for the enforcement of EU trade agreements and arrangements“ (Operative Leitlinien für die einzige Eingangsstelle und das Beschwerdeverfahren für die Durchsetzung von Handelsabkommen und Handelsregelungen der EU), abrufbar unter  https://trade.ec.europa.eu/access-to-markets/en/form-assets/operational_guidelines.pdf . 

(28)

Die spezielle Streitbeilegung im TSD-Bereich orientiert sich an dem Verfahren, das im Rahmen des Mechanismus zur zwischenstaatlichen Durchsetzung angewendet wird, der für andere Teile des Handelsabkommens mit einigen Anpassungen (Panelmitglieder müssen etwa über Fachwissen auf den Gebieten Handel, Arbeit und Umwelt verfügen) gilt, jedoch keine Möglichkeit zur Verhängung von Sanktionen bei Nichteinhaltung des Panelberichts vorsieht.

(29)

Beispielsweise durch die Vorlage von Amicus-Curiae-Schriftsätzen oder die Teilnahme an öffentlichen Anhörungen.

(30)

Die Kommission wird auf Basis der Entwicklung des geplanten soliden globalen Rahmens für die biologische Vielfalt, insbesondere im Hinblick auf die Festlegung von Biodiversitätszielen und eines geeigneten Mechanismus für die internationale Berichterstattung und Überwachung, die Möglichkeit prüfen, das Übereinkommen über die biologische Vielfalt in diesen neuen Ansatz einzubeziehen.

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