EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 12.11.2021
COM(2021) 689 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Notfallplan zur Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit in Krisenzeiten
{SWD(2021) 317 final} - {SWD(2021) 318 final}
Inhaltsverzeichnis
1.Einführung
2.Lehren aus der COVID-19-Krise
3.Künftige Krisenreaktion auf der Grundlage bestehender EU-Maßnahmen
3.1.Geeignete und zuverlässige bestehende politische Rahmenbedingungen
3.2.Laufende Initiativen zur Verbesserung der Krisenvorsorge in der EU
4.Eine neue Risikolandschaft für die Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit in der EU mit Schwachstellen und Abhängigkeiten
5.Ein EU-Notfallplan für Ernährungssicherheit
5.1.In Krisenzeiten zu beachtende Grundsätze
5.2.Ein Europäischer Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM)
5.3.Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM)
5.3.1.Vorausschau, Risikobewertung und Überwachung
5.3.2.Koordinierung, Zusammenarbeit und Kommunikation
6.Schlussfolgerungen
1.Einführung
Über die Lebensmittelversorgungskette in der EU erhalten die Europäerinnen und Europäer täglich eine große Vielfalt hochwertiger Lebensmittel. Dies ist nur dank der großen Erfahrung im Agrar-, Fischerei-, Aquakultur- und Lebensmittelsektor in der EU und seiner Wettbewerbsfähigkeit möglich. Diese Sektoren, die unter unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und in verschiedenen Gebieten und Wirtschaftsstrukturen tätig sind, profitieren von der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik (GAP bzw. GFP) und umfassen mehr als 11 Millionen landwirtschaftliche Betriebe und 81 000 Fischereifahrzeuge. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können dabei sowohl auf kürzere Lebensmittelversorgungsketten, die – wie den Mitgliedstaaten für ihre GAP-Strategiepläne empfohlen wird – unterstützt werden sollten, als auch auf längere Lebensmittelversorgungsketten mit komplexeren Prozessen zurückgreifen. Der EU-Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen ermöglicht eine effiziente Verteilung sicherer Lebensmittel zwischen den Mitgliedstaaten. Dank ihrer Handelspolitik ist die EU zudem ein wichtiger globaler Handelspartner für Lebensmittel. Im Jahr 2020 belief sich der Nettohandelsüberschuss bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen auf 62 Mrd. EUR. Meereserzeugnisse weisen jedoch seit Langem ein Handelsdefizit auf, das seit 2010 um 33 % angestiegen ist.
Die Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und der Ernährungssicherheit ist ein in Artikel 39 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegtes Ziel, dessen Verwirklichung nicht als selbstverständlich angesehen werden sollte. Die COVID-19-Krise war ein Weckruf für all diejenigen, die dachten, dass schwere Störungen bei der Versorgung mit bestimmten Lebensmitteln in Geschäften in der EU nicht vorstellbar seien. Schwierigkeiten in der Lebensmittelversorgungskette führten in einigen Fällen zu leeren Regalen, wobei den Verbraucherinnen und Verbrauchern allerdings nur wenige Produkte vorübergehend nicht zur Verfügung standen.
Mit dieser Mitteilung sollen Maßnahmen auf EU-Ebene zur Behebung solcher Engpässe ermittelt und eine bessere Reaktion auf künftige Krisen ermöglicht werden. Zu diesem Zweck wird die EU, wie in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ dargelegt, „ihre Koordinierung einer gemeinsamen europäischen Reaktion auf Krisen, die die Lebensmittelsysteme in Mitleidenschaft ziehen, intensivieren“. Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat begrüßten die Absicht der Kommission, einen Notfallplan auszuarbeiten.,
Der Schwerpunkt der jährlichen strategischen Vorausschau 2020 der Kommission lag auf dem Thema Resilienz. Die Gruppe leitender wissenschaftlicher Beraterinnen und Berater wurde von der Kommission um eine wissenschaftliche Stellungnahme zu diesem Thema ersucht.
Die Kommission arbeitet entsprechend an einer Verbesserung des Krisenmanagements in der EU, auch in Bezug auf die Vorsorge. Eine Notfallplanung erfordert die Festlegung von Verfahren für die Koordinierung, die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen den wichtigsten Akteuren.
Im Einklang mit der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und der Biodiversitätsstrategie wird die Kommission auf der Grundlage der reformierten GAP, des neuen Aktionsplans zur Förderung der ökologischen/biologischen Produktion, der strategischen Leitlinien für die Aquakultur und des für 2023 geplanten Vorschlags für Rahmenvorschriften für nachhaltige Lebensmittelsysteme nicht nur die Notfallplanung voranbringen, sondern auch weiterhin widerstandsfähigere und nachhaltigere Lebensmittelsysteme in der EU fördern.
2.Lehren aus der COVID-19-Krise
Dank der Widerstandsfähigkeit des Lebensmittelsystems der EU konnte verhindert werden, dass die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Gesundheitskrise zu einer Nahrungsmittelkrise führt. Auf der Produktionsseite blieben die Preise während der gesamten Krise relativ stabil. In einigen Sektoren wie Fischerei und Aquakultur, Kartoffeln, Fleisch und Wein führte die Schließung von gastronomischen Betrieben jedoch zu einem drastischen Nachfragerückgang. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher stiegen die Lebensmittelpreise im April/Mai 2020 leicht an (bis zu + 5 %), doch die Lage normalisierte sich anschließend rasch wieder. Da die Lebensmittelversorgung bereits im Rahmen der ersten politischen Sofortmaßnahmen als wesentlich angesehen wurde, war der Lebensmittelsektor insgesamt weniger stark betroffen als andere Wirtschaftszweige. Dies ermöglichte eine bemerkenswerte und rasche Erholung des Sektors. Die positive Entwicklung des Handels mit Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen im Jahr 2020 (+ 1,4 % im Vergleich zu 2019) verdeutlicht diese Situation und zeigt, wie wichtig es ist, auch in Krisenzeiten uneingeschränkte Handelsströme zu gewährleisten.
Da Landwirtschaft, Fischerei und Aquakultur sowie die Lebensmittelsektoren häufig mit Schocks konfrontiert sind, die mit wetter-, handels- oder hygienebedingten Problemen zusammenhängen, sind in der GAP und der GFP Regulierungsinstrumente zur Unterstützung dieser Sektoren vorgesehen. Während der COVID-19-Krise ermöglichten diese Instrumente eine rasche Reaktion der EU. Die Risiken von Marktungleichgewichten wurden durch Beihilfen für die private Lagerhaltung ausgeglichen, und die Liquiditätsprobleme einiger Erzeuger wurden durch Ausgleichszahlungen bewältigt. Die ergriffenen Maßnahmen hatten direkte Auswirkungen, dienten als beruhigende Signale und beeinflussten das Marktverhalten. Berufsständische Organisationen wie Erzeugerorganisationen und Branchenverbände spielten eine entscheidende Rolle bei der Anpassung der Produktions- und Vermarktungsstrategien. Auch die Kommission sorgte für die notwendige Flexibilität, um das Funktionieren der EU-politischen Maßnahmen zu gewährleisten. Die frühzeitige Annahme des befristeten Rahmens für staatliche Beihilfen Mitte März 2020 ermöglichte es den Mitgliedstaaten, Unternehmer umfassend zu unterstützen. Der Fischereisektor profitierte von den Änderungen des Europäischen Meeres- und Fischereifonds (EMFF).
Andere flankierende Maßnahmen, die für das reibungslose Funktionieren der Lebensmittelversorgungskette von entscheidender Bedeutung sind, z. B. zur Mobilität von Gütern und Personen, erforderten außerordentliche Schritte. Mitte März 2020 veröffentlichte die Kommission Leitlinien für prioritäre Fahrspuren („Green Lanes“), um den Warenverkehr im Binnenmarkt aufrechtzuerhalten. In ihrer Mitteilung über die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte während des COVID-19-Ausbruchs erkannte die Kommission auch Grenzgänger und Saisonarbeitskräfte im Lebensmittelsektor sowie Arbeitskräfte im Verkehrssektor als systemrelevante Arbeitskräfte an. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer gezielten Umfrage zu dieser Initiative stuften die Leitlinien zu „Green Lanes“ als die sinnvollste Maßnahme ein (54 % fanden diese „sehr nützlich“). Die Interessenträger begrüßten auch die von der Kommission bereitgestellten Informationen und Leitlinien sowie die Maßnahmen für Handelserleichterungen, z. B. zu elektronischen Zertifikaten.
Trotz der Widerstandsfähigkeit, die das Lebensmittelsystem der EU gezeigt hat, wurden mehrere Bereiche ermittelt, in denen Verbesserungsbedarf besteht.
So wurde über eine mangelnde Koordinierung zwischen den Behörden in der EU berichtet. Einige Mitgliedstaaten haben einseitige Maßnahmen ergriffen, die den Binnenmarkt gefährdeten, indem sie den freien Verkehr von Lebensmitteln einschränkten oder begrenzten bzw. nationale Erzeugnisse begünstigten. Man könnte meinen, dass solche Maßnahmen einen vorübergehenden Schutz für nationale Unternehmer bieten, doch sie können sich rasch ins Gegenteil verkehren und den Zugang der Unternehmer zu den erforderlichen Betriebsmitteln aus dem Ausland beeinträchtigen. Diese Maßnahmen erschwerten das Krisenmanagement in der Anfangsphase der Krise zusätzlich und verschlechterten die bereits angespannte Lage des Lebensmittelsystems weiter.
Da es keine strukturell vorgesehenen Koordinierungskanäle gibt, waren die spezifischen politischen Erfordernisse der Lebensmittelversorgungskette nicht immer offenkundig, da sie mit vielen anderen Notlagen, insbesondere im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit, konkurrieren mussten.
Ähnliche Spannungen wurden auf internationaler Ebene festgestellt. Einige Länder schränkten den Lebensmittelhandel ein (und verhängten im Wesentlichen Ausfuhrverbote), wenn auch in weitaus geringerem Maße als bei früheren Krisen. Das Agrarmarkt-Informationssystem (Agricultural Market Information System, AMIS) spielte bei der Gewährleistung der internationalen Koordinierung eine wichtige Rolle.
Es ist deutlich geworden, dass ein integrierter Ansatz für Lebensmittelsysteme erforderlich ist, bei dem Interdependenzen anerkannt werden und nicht nur die Akteure der Lebensmittelversorgungskette selbst (etwa Landwirte, Fischer, Lebensmittelverarbeiter, Händler, Einzelhändler und Lebensmitteldienste, einschließlich ihrer Arbeitnehmer) einbezogen, sondern auch Akteure berücksichtigt werden, die das Funktionieren der Kette unterstützen, wie etwa der Verkehrs- und Logistiksektor, sowie Industriezweige, die die erforderlichen Betriebsmittel und Verpackungsmaterialien bereitstellen.
Die Krise hat auch gezeigt, dass eine angemessene Kommunikation von entscheidender Bedeutung ist, damit politische Entscheidungsträger und Interessenträger fundierte Entscheidungen treffen und Betriebskontinuitätspläne befolgen können, und damit die Öffentlichkeit objektiv über die Krisensituation informiert wird und irrationale Hamsterkäufe vermieden werden.
3.Künftige Krisenreaktion auf der Grundlage bestehender EU-Maßnahmen
3.1.Geeignete und zuverlässige bestehende politische Rahmenbedingungen
Die bestehenden politischen Rahmenbedingungen für die Lebensmittelversorgungskette umfassen ein breites Spektrum von Maßnahmen und Instrumenten zur Bewältigung von Krisen.
In der Landwirtschaft bieten Direktzahlungen ein einkommensbezogenes Sicherheitsnetz, das die Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe in der EU stärkt. Über die Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums werden das Risikomanagement, der Wissensaufbau und die Organisation der Lieferkette unterstützt. Ein spezifisches Ziel der kürzlich vereinbarten GAP-Reform ist die Förderung eines intelligenten, widerstandsfähigen und diversifizierten Agrarsektors, der die Ernährungssicherheit gewährleistet. Dank der geänderten Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 über die Agrarmärkte sowie der verbesserten Vorschriften für die Agrarreserve wird die EU flexibler auf Krisen reagieren können.
Im Fischerei- und Aquakultursektor soll mit der GFP sichergestellt werden, dass Fischerei und Aquakultur langfristig umweltverträglich sind und einen wirtschaftlichen, sozialen und beschäftigungspolitischen Nutzen haben. Der Europäische Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds für den Zeitraum 2021–2027 enthält einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen im Falle außergewöhnlicher Ereignisse, die eine erhebliche Marktstörung verursachen, sobald die Kommission das Eintreten eines solchen Ereignisses anerkannt hat.
Die Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit und die Vorschriften über amtliche Kontrollen ermöglichen es der Kommission, Maßnahmen zur Eindämmung der Risiken für die Gesundheit von Tieren und Pflanzen sowie für den Tierschutz vorzulegen. Außerdem wird ein Rahmen für das Krisenmanagement bei lebensmittelbedingten Ausbrüchen geschaffen.
Den Mitgliedstaaten kommt bei der Krisenreaktion eine entscheidende Rolle zu. Gemäß den Vorschriften für staatliche Beihilfen können Entschädigungen für Schäden, die durch Naturkatastrophen entstanden sind, gezahlt werden, unter anderem auch „zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats“.
Der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD) unterstützt Maßnahmen in den Mitgliedstaaten zur Bereitstellung von Nahrungsmittelhilfe für Bedürftige. Die Lebensmittelbanken geben an, dass die Nachfrage nach Nahrungsmittelhilfe im Jahr 2020 stark angestiegen ist. Die FEAD-Vorschriften wurden unter anderem deshalb geändert, um diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen. Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Instrumente entwickelt, um einen besseren Zugang zu Lebensmitteln zu gewährleisten, wie etwa direkte Nahrungsmittelhilfe oder Unterstützung für Lebensmittelbanken, und haben Initiativen eingeleitet, um überschüssige Lebensmittel auch an andere Stellen zu verteilen und so Lebensmittelverschwendung zu vermeiden.
Zudem können die Mitgliedstaaten das Katastrophenschutzverfahren der Union nutzen, um bei jeder Art von Katastrophe verschiedene Formen finanzieller und operativer Unterstützung zu beantragen und bereitzustellen. Die schließt auch die Anforderung von Lebensmitteln aus anderen Mitgliedstaaten im Falle einer Nahrungsmittelkrise ein. Das Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) fungiert als rund um die Uhr erreichbares Krisenkoordinationszentrum und erleichtert die rasche Koordinierung mit und zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten bei Notfällen. Die Koordinierung mit dem ERCC und dem Katastrophenschutzverfahren der Union ist bei umfangreichen und komplexen Katastrophen, die auch die Lebensmittelversorgung betreffen, von großer Wichtigkeit.
Mehrere andere Politikbereiche der EU stärken die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelsysteme der EU, z. B. durch die Unterstützung der Kreislaufwirtschaft und die Forschungs- und Innovationspolitik der EU.
3.2.Laufende Initiativen zur Verbesserung der Krisenvorsorge in der EU
Die EU schützt kritische Infrastruktur, um Schwachstellen zu beseitigen und das Funktionieren der Gesellschaft und Wirtschaft sicherzustellen. Mit der Verordnung über die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen wurde ein EU-weiter Rahmen für die Koordinierung von Maßnahmen im Zusammenhang mit ausländischen Investitionen geschaffen. Dies schließt, wenn es um landwirtschaftliche Flächen oder Infrastrukturen geht, Risiken für die Ernährungssicherheit ein. Die Aktualisierung der Industriestrategie der EU umfasst ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument, SMEI), um den freien Personenverkehr und die Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Strategie geht auch auf das Risiko einer Störung globaler Lieferketten ein, die sich auf die Verfügbarkeit wesentlicher Produkte auswirkt, indem strategische Abhängigkeiten überwacht werden. Im Mobilitätssektor hat die Kommission in ihrer Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität einen Krisenplan für den Verkehrssektor angekündigt. Im Gesundheitssektor hat die Kommission Lehren aus der COVID-19-Pandemie gezogen und eine neue Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Health Emergency Preparedness and Response Authority, HERA) eingerichtet, um Risiken für die öffentliche Gesundheit besser vorherzusehen und die Notfallplanung zu verbessern. Angesichts der Gefährdung durch Cyberbedrohungen hat die Kommission eine neue Richtlinie über Maßnahmen für ein hohes gemeinsames Cybersicherheitsniveau in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2016/1148 vorgeschlagen, die auch die Erzeugung, Verarbeitung und den Vertrieb von Lebensmitteln umfasst.
Die meisten Mitgliedstaaten verfügen über Notfallpläne im Lebensmittelsektor. Diese sehen Überwachung und Datenerhebung sowie transparente Informationen durch Marktberichte und regelmäßige Kontakte mit Interessenträgern vor. Die Notfallplanung in den Mitgliedstaaten ist unterschiedlich. Die Zuständigkeiten verteilen sich generell auf mehrere Institutionen, und Lebensmittel fallen unter die allgemeine Notfallplanung. Aufgrund der COVID-19-Krise überprüfen die meisten Mitgliedstaaten derzeit ihre Regelungen.
In mindestens sieben Mitgliedstaaten werden strategische Reserven gehalten, die entweder von Behörden oder privaten Betreibern verwaltet werden. Die Reserven umfassen hauptsächlich Grundgetreidearten, gelegentlich aber auch andere Waren wie Betriebsmittel. Einige Mitgliedstaaten haben ihren Bürgerinnen und Bürgern empfohlen, stets zu Hause Vorräte anzulegen.
Solche Vorräte können (insbesondere in Entwicklungsländern) neben der Aufrechterhaltung der Handelsflüsse zur Abmilderung von Ernährungssicherheitskrisen beitragen. Aufgrund der Verderblichkeit von Rohstoffen und Lebensmitteln verursacht die Bevorratungspolitik jedoch erhebliche Kosten. Außerdem unternimmt der Privatsektor keine entsprechenden Anstrengungen, wenn es eine direkt von den Behörden verwaltete Vorratshaltung gibt. Werden Vorräte auf den Markt gebracht, kann dies auch das Funktionieren der Märkte beeinträchtigen.
4.Eine neue Risikolandschaft für die Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit in der EU mit Schwachstellen und Abhängigkeiten
Eine zunehmende Unsicherheit sowie Preis- und Angebotsschwankungen wirken sich auf die Produktionskapazität und den Vertrieb entlang der Lebensmittelversorgungskette aus. Einige Risiken können auf allen Stufen auftreten.
In den letzten Jahrzehnten wurde die EU weitgehend von Krisen verschont, die aufgrund von Ernteausfällen oder politischen Konflikten zu Problemen im Hinblick auf die Ernährungssicherheit geführt hätten. Allerdings nehmen Wetterereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel und der Umweltzerstörung zu und werden als das größte Risiko für die Ernährungsunsicherheit wahrgenommen (60 % der Befragten der gezielten Umfrage).
Häufigere extreme Wetterereignisse – etwa die jüngsten Kältewellen und Überschwemmungen, häufigere und extremere Dürren wie in den Jahren 2018 und 2019 oder Hitzewellen, die zu riesigen Waldbränden geführt haben – zeigen, dass der Klimawandel die landwirtschaftliche Erzeugung und die Erzeugung von Meeresfrüchten in der EU zunehmend beeinträchtigt, beispielsweise durch einen Mangel an Futterpflanzen aufgrund von Dürren. Die erhöhte Wahrscheinlichkeit gleichzeitiger extremer Ereignisse, die mehrere Produktionsgebiete betreffen, könnte künftig zu Spannungen auf den Märkten und in Bezug auf die Lebensmittelvorräte führen. Auch durch die Umweltzerstörung, die Ressourcenknappheit und den Verlust an biologischer Vielfalt sowie Probleme in Bezug auf die Pflanzen- und Tiergesundheit wird zusätzlicher Druck auf die Lebensmittelproduktion ausgeübt. Diese Klima- und Umweltrisiken könnten die Lebensmittelversorgung in der EU wesentlich stärker beeinflussen als die COVID-19-Krise. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ enthält Maßnahmen, um die Lebensmittelsysteme widerstandsfähiger zu machen und angesichts des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt eine nachhaltige Ernährungssicherheit zu gewährleisten.
Auch andere Risiken können das Funktionieren der Lebensmittelversorgungskette gefährden, z. B. Risiken im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit, Technologie, Migration, geopolitischen Verschiebungen und Industrieunfällen oder anderen Unfällen, einschließlich nuklearer Zwischenfälle, durch die große landwirtschaftliche Flächen verstrahlt werden könnten. Auch die Risiken, die sich auf die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit wichtiger Betriebsmittel (z. B. Düngemittel, Energie) auswirken, sowie Produktionsfaktoren wie Arbeitskräfte im Lebensmittel- oder Verkehrssektor müssen berücksichtigt werden. Die Digitalisierung der Lebensmittelsysteme bringt große Vorteile mit sich, macht diese jedoch auch für Cyberangriffe und Ausfälle anfälliger. Cyberangriffe auf große Unternehmen im Lebensmittelsektor haben in jüngster Zeit zu Störungen entlang der Lebensmittelkette geführt. Zu den Risiken im Zusammenhang mit geopolitischen Verschiebungen gehören ausländische Direktinvestitionen in kritische Infrastruktureinrichtungen in der EU, Bioterrorismus oder Wettbewerb beim Zugang zu wichtigen Betriebsmitteln und Rohstoffen.
In dieser neuen Risikolandschaft muss die Lebensmittelversorgungskette in der EU gewisse Abhängigkeiten und Schwachstellen bewältigen. So werden beispielsweise 76 % der als Futtermittel eingesetzten Ölkuchen importiert. Der Fischereisektor ist stark von Einfuhren abhängig, denn der Selbstversorgungsgrad der EU liegt bei den fünf am häufigsten verzehrten Arten bei gerade einmal 14 %.
Bei einigen importierten Erzeugnissen ist die EU auf einige wenige Quellen angewiesen. Sojabohnen werden überwiegend in drei Ländern produziert, auf die 85 % der EU-Einfuhren entfallen, und die Maiseinfuhren stammen überwiegend aus zwei Nicht-EU-Ländern. Betriebsmittel wie Düngemittel oder Chemikalien stammen aus nur wenigen Nachbarländern. Viele Futtermittel- und Lebensmittelzusatzstoffe wie Aminosäuren, Vitamine und Tierarzneimittel werden überwiegend eingeführt und stammen zum Teil nur aus einem einzigen Land.
Die Komplexität der Lebensmittelversorgungsketten, die mit anderen industriellen Ökosystemen wie Verkehr und Energie verknüpft sind, erschwert es, auf Krisensituationen zu reagieren. Aufgrund dieser Wechselwirkungen kann eine Störung in einem anderen Wirtschaftszweig zu Störungen entlang der Lebensmittelkette führen. So bedrohte etwa während der COVID-19-Krise der Mangel an Verpackungsmaterial die Versorgung mit Eiern. Spezialisierte und intensive Produktionssysteme, die wirtschaftlich betrachtet effizienter sein mögen, sind in Krisenzeiten möglicherweise nicht besonders widerstandsfähig.
5.Ein EU-Notfallplan für Ernährungssicherheit
Die jüngste Krise hat gezeigt, dass die Koordinierung verstärkt und die Notfallplanung verbessert werden muss, um auf Risiken vorbereitet zu sein, die die Lebensmittelversorgung und die Ernährungssicherheit in der EU gefährden könnten. So soll verhindert werden, dass sich Situationen wie während der COVID-19-Pandemie wiederholen, bei denen Koordinierungsmaßnahmen auf EU-Ebene ad hoc ergriffen und spontan entwickelt werden mussten.
Der im Krisenmanagement verwendete Katastrophenzyklus umfasst vier Hauptphasen: i) Prävention, ii) Vorsorge, iii) Reaktion und iv) Wiederaufbau. Die Notfallplanung ist Teil der Vorsorge, im Rahmen derer die Gefahren, denen die Gemeinschaft ausgesetzt ist, und die Art der potenziellen Auswirkungen ermittelt werden. Daher liegt der Schwerpunkt auf der Phase der Vorsorge und der Unterstützung der für die Reaktion auf die Krise zuständigen Akteure. Der Notfallplan deckt das gesamte Lebensmittelsystem ab, von den Betriebsmitteln bis zur Abgabe der Lebensmittel an die Verbraucherinnen und Verbraucher über den Einzelhandel oder die Gastronomie.
Abbildung 1: Umfang des Notfallplans zur Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit in Krisenzeiten
Die Notfallplanung ist nicht dazu gedacht, die einschlägigen Entscheidungsprozesse zu duplizieren oder zu beeinflussen, die in bestehenden Politikbereichen wie der GAP, der GFP und dem allgemeinen Lebensmittelrecht in Krisenfällen vorgesehen sind. Sie sollte diese Prozesse berücksichtigen und sich darauf konzentrieren, wie die Koordinierung öffentlicher und privater Akteure, die an der Reaktion beteiligt sind, unterstützt werden kann.
Wie in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ angekündigt, wird im Falle einer transnationalen Krise von der Kommission ein spezieller Mechanismus unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten koordiniert. Maßnahmen, die möglicherweise auf nationaler und auf EU-Ebene angenommen werden müssen, können und sollten einen erheblichen Mehrwert in Bezug auf die Koordinierung leisten.
5.1.
In Krisenzeiten zu beachtende Grundsätze
Die Lehren aus der Pandemie bilden die Grundlage für den Ansatz, anhand dessen künftig in Krisenzeiten die Lebensmittelversorgung und Ernährungssicherheit gewährleistet werden soll. Dieser Ansatz wird eine strukturierte Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission erleichtern, wobei nicht vergessen werden darf, dass künftige Krisen möglicherweise nicht den bisher erlebten entsprechen.
Ein kooperativer Ansatz zwischen allen öffentlichen und privaten Akteuren, die Teil der Lebensmittelversorgungskette sind, ist von entscheidender Bedeutung, um die Vorsorge zu verbessern, die Anzeichen einer bevorstehenden Krise rasch zu erkennen und die Reaktion auf allen Ebenen zu koordinieren. Dadurch wird die Widerstandsfähigkeit der Lebensmittelversorgungskette in der EU gestärkt werden.
Angesichts der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den Wirtschaftszweigen bedarf es einer guten horizontalen Koordinierung zwischen den politisch und administrativ zuständigen Stellen und der Abstimmung mit anderen Kriseninstrumenten. Dies trifft insbesondere zu, wenn die Krise durch Faktoren bedingt ist, die außerhalb der Lebensmittelversorgungskette liegen, wie dies bei der COVID-19-Krise der Fall war, oder bei Krisen, in denen beispielsweise die Energieversorgung nicht mehr gewährleistet ist. Die Notfallplanung sollte daher flexibel genug sein, um angepasst werden zu können und diese Instrumente zu ergänzen. Resilienzinitiativen und neue Maßnahmen im Rahmen der Notfallplanung sollten im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal nachhaltig und umweltfreundlich sein.
Marktungleichgewichte sollten überwacht und erforderlichenfalls rasch angegangen werden, wobei die verfügbaren Instrumente, insbesondere im Rahmen der GAP und der GFP, sowie die einschlägigen Austausch- und Koordinierungsnetzwerke der Interessenträger umfassend genutzt werden sollten.
Die Lieferketten müssen funktionsfähig bleiben, und die Handelsströme müssen reibungslos fließen können, einschließlich in Sektoren, die entscheidend zum Funktionieren der Lebensmittelkette beitragen. Der Verkehrssektor und die darin Beschäftigten beispielsweise spielen für das reibungslose Funktionieren der Lebensmittelversorgungskette eine entscheidende Rolle. Der Warenverkehr im Binnenmarkt muss daher unter Anwendung der Leitlinien der Kommission für „Green Lanes“ gewährleistet werden. Einseitige Maßnahmen zur Einschränkung von Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten sollten nicht ergriffen werden, da sie die Krise verschärfen könnten. Um Ausfuhrverbote durch Nicht-EU-Länder zu vermeiden und die internationalen Handelsströme aufrechtzuerhalten, wird eine rasche Koordinierung mit AMIS und internationalen Handelspartnern sichergestellt werden.
Die Lebensmittelversorgung sollte auch dadurch aufrechterhalten werden, dass die Freizügigkeit von Grenzgängern und Saisonarbeitskräften im Lebensmittelsektor sichergestellt und fair gestaltet wird.
In einer Krise ist Kommunikation alles. Insbesondere in Zeiten von Desinformationskampagnen und gezielten Falschmeldungen besteht die Gefahr, dass eine Krise durch falsche Informationen verschärft wird. Um überstürzte Entscheidungen und panische Reaktionen zu vermeiden, ist eine frühzeitige, regelmäßige und transparente Kommunikation mit den Interessenträgern und der Öffentlichkeit erforderlich.
5.2.
Ein Europäischer Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM)
Zur Umsetzung dieser Grundsätze wird die Kommission den Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit einrichten, der sich auf eine (neue) spezielle Expertengruppe, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, und deren Geschäftsordnung stützen wird.
Da die institutionellen Rahmenbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich sind, können manche Mitgliedstaaten in dem Mechanismus durch mehrere nationale Behörden vertreten sein. Zu Koordinierungszwecken sollte eine einzige Behörde als Kontaktstelle benannt werden. Die Mitgliedstaaten sind dafür verantwortlich, dass diese Anlaufstelle für alle Tätigkeitsbereiche der nationalen Lebensmittelkette zuständig ist. Nicht-EU-Länder, deren Lebensmittelversorgungskette eng mit der EU verknüpft ist, werden in den EFSCM einbezogen.
Interessenverbände, die in der Lebensmittelversorgungskette der EU eine Rolle spielen, werden eingeladen, zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor beizutragen. Dies ist eine der wichtigsten Lehren aus der COVID-19-Krise. Diese Zusammenarbeit wird dazu beitragen, die ersten Anzeichen einer Krise zu erkennen, ihre Entwicklung genau zu beobachten und Unsicherheiten mit Fortschreiten der Krise zu verringern. So können rasch prioritäre Reaktionen ermittelt und die Entscheidungsträger angemessen beraten werden. Alle Stufen der Lebensmittelkette sollten vertreten sein.
Die Kommission wird die Expertengruppe regelmäßig einberufen, um die Vorsorge auf EU-Ebene zu verbessern. Die Gruppe wird sich bei den Sitzungen mit der Analyse der Risikolandschaft sowie der Schwachstellen und der strukturellen Probleme, die zur Verbesserung der Vorsorge angegangen werden müssen, befassen. Dies wird auch das Vertrauen zwischen den Akteuren der Lebensmittelkette stärken. Vertrauen ist unerlässlich, um eine Krise zu bewältigen und einseitige Entscheidungen zu vermeiden, die zu suboptimalen Ergebnissen für alle Beteiligten führen.
Die Expertengruppe kann in Notfällen oder bei Krisen unverzüglich und so oft wie nötig einberufen werden, wenn Absprachen oder koordinierte Maßnahmen den für die Krisenreaktion verantwortlichen Akteuren zugutekämen. Der Mechanismus wird im Falle außergewöhnlicher, unvorhersehbarer und umfassender Ereignisse oder Risiken (innerhalb oder außerhalb der Lebensmittelversorgungskette) ausgelöst, die die Lebensmittelversorgung oder die Ernährungssicherheit in der EU in Gefahr bringen können, mehr als einen Mitgliedstaat betreffen und eine Koordinierung auf EU-Ebene erfordern. In einer solchen Situation wird die Expertengruppe zusammentreten. Bei den meisten in jüngster Zeit aufgetretenen Marktstörungen wäre ein solches Notfalltreffen nicht notwendig gewesen, da sie keine erhebliche Bedrohung für die Verfügbarkeit von und den Zugang zu sicheren Lebensmitteln in der EU darstellten. So führten beispielsweise die Folgen der jüngsten lokalen extremen Wetterereignisse (Dürren, Frost) zu Spannungen am Markt, stellten jedoch keine Bedrohung für die Lebensmittelversorgung oder die Ernährungssicherheit in der EU insgesamt dar.
Der in dieser Mitteilung vorgesehene Mechanismus wird sich nicht mit bereits bestehenden Vorsorge- oder Reaktionsstrukturen überschneiden. Das komplementäre Zusammenwirken mit anderen Mechanismen, insbesondere dem allgemeinen Frühwarnsystem „ARGUS“, dem allgemeinen Plan für das Krisenmanagement im Bereich der Lebens- und Futtermittelsicherheit, dem Katastrophenschutzverfahren der Union und dem ERCC, dem SMEI und der Integrierten Regelung des Rates für die politische Reaktion auf Krisen, wird sichergestellt.
5.3.
Maßnahmen im Rahmen des Europäischen Mechanismus zur Krisenvorsorge und Krisenreaktion im Bereich der Ernährungssicherheit (EFSCM)
5.3.1.Vorausschau, Risikobewertung und Überwachung
Vorausschau, Risikobewertungen oder Schwachstellenanalysen sind nützlich, um die Vorsorge zu verbessern, sich auf mögliche Zukunftsszenarien vorzubereiten und Unsicherheitsfaktoren und potenzielle Engpässe besser zu verstehen. Mehrere Mitgliedstaaten und die Kommission führen regelmäßig solche Analysen durch. Im Rahmen des EFSCM werden die Auswirkungen der verschiedenen Ansätze erörtert und analysiert.
Die bestehenden Schwachstellen und Abhängigkeiten (auch struktureller Art) werden im Rahmen des EFSCM erfasst. Die Anfälligkeit der Lebensmittelkette kann auf sektoraler und auf EU-Ebene im Rahmen von Stresstests der verschiedenen Wertschöpfungsketten bewertet werden, die von der Kommission unter aktiver Beteiligung von Interessenverbänden organisiert und koordiniert werden. Die Orte, an denen Lebensmittel erzeugt werden (wobei eine hohe Konzentration in bestimmten Regionen möglich ist), können gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ermittelt werden. Die Kommission wird eine Studie durchführen, um die Schwachstellen und kritischen Infrastruktureinrichtungen der Lebensmittelversorgungskette genauer zu untersuchen. Die Ergebnisse werden anschließend in der Expertengruppe erörtert.
Mehrere Frühwarnsysteme tragen dazu bei, die Vorsorge zu stärken und eine fundierte Reaktion zu ermöglichen. Einige Frühwarnsysteme überwachen die klima- und wetterbedingten Faktoren für die Produktion, z. B. das MARS-System zur Überwachung der Pflanzenentwicklung, das seine Bedeutung unter Beweis gestellt hat, als die Dürren in den Jahren 2018 und 2019 sich auf die Futterpflanzenproduktion ausgewirkt haben und politische Maßnahmen in Reaktion auf diese extremen Wetterereignisse erarbeitet werden mussten. Marktbeobachtungsstellen für den Agrar- und Fischereimarkt liefern Informationen über nicht klimabezogene Faktoren, einschließlich kurz- und mittelfristige Projektionen. Eventuell werden spezifische Dashboards zur Überwachung der Lebensmittelversorgung und der Ernährungssicherheit eingerichtet, die die bereits bestehenden Anzeiger ergänzen.
Die Rolle der Digitalisierung ist potenziell entscheidend für die rechtzeitige Bereitstellung von Informationen und die weitere Verbesserung der Markttransparenz. Wichtige Informationen wie die Größe der kommerziellen und öffentlichen Lagerbestände liegen nicht immer im Detail vor. Technologie und Big Data könnten auch eingesetzt werden, um den Informationsfluss in Krisenzeiten zu verbessern. Die Kommission wird das Potenzial neuer Technologien für eine bessere Vorsorge bei Ernährungssicherheitskrisen eruieren.
Eine der größten Schwierigkeiten in Krisensituationen ist das hohe Maß an Unsicherheit und die sich rasch ändernden Rahmenbedingungen. Ein proaktives Netz von Korrespondenten aus nationalen Behörden und Organisationen des Privatsektors kann einen besseren Informationsfluss gewährleisten.
5.3.2.Koordinierung, Zusammenarbeit und Kommunikation
Der Austausch von Informationen und bewährten Verfahren über nationale und europäische Initiativen über digitale Plattformen wird allen Beteiligten zugutekommen. Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, ihre eigenen Notfallpläne auf nationaler Ebene beizubehalten oder zu entwickeln und diese zu teilen. Solche Pläne werden die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden auf EU-Ebene und auf allen Ebenen bis hin zu regionalen und lokalen Gebietskörperschaften stärken und Partnerschaften mit privaten Akteuren entlang der Lebensmittelkette, einschließlich Lebensmittelbanken und anderer Nichtregierungsorganisationen, fördern.
In allen Fragen, einschließlich zu möglichen Maßnahmen im Krisenfall, wird im Rahmen des EFSCM die Erstellung von Empfehlungen zur Bewältigung von Krisen koordiniert, um die Kommission bei der Ausarbeitung politischer Initiativen zu unterstützen. Die Zusammenarbeit mit privatwirtschaftlichen Akteuren im Rahmen des EFSCM wird eine koordinierte Reaktion sowohl des öffentlichen als auch des privaten Sektors erleichtern, beispielsweise durch freiwillige Vereinbarungen. So werden unter anderem Empfehlungen dazu ausgearbeitet, wie eine Diversifizierung der Versorgungsquellen aus kürzeren und längeren Lebensmittelversorgungsketten sichergestellt werden kann.
Die Koordinierung und Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft wird durch die Unterstützung von und Beteiligung an einschlägigen globalen und regionalen Initiativen, insbesondere AMIS, sichergestellt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Ereignisse, die die Lebensmittelversorgung und die Ernährungssicherheit in der EU beeinträchtigen, wahrscheinlich globaler Art sind, ist diese Zusammenarbeit entscheidend, um nationale oder regionale Maßnahmen, die das Gemeinwohl untergraben könnten, auf ein Minimum zu reduzieren.
Nur indem wir gemeinsam aus früheren Krisen lernen, können wir deren Prävention und Vorsorge verbessern. Es werden Ex-post-Analysen von Krisen ausgetauscht und erörtert werden. Die wichtigsten Schlussfolgerungen, einschließlich struktureller Änderungen zur Verbesserung der Krisenreaktion, werden der Expertengruppe übermittelt.
Eine gute Kommunikationspraxis ist dabei entscheidend. Sie stützt sich auf transparente und faktengestützte Informationen aus vertrauenswürdigen Quellen. Die oben genannten Datenerfassungs- und Analysetätigkeiten werden die Glaubwürdigkeit stärken. Der Austausch über die Notfallplanung auf verschiedenen Ebenen wird den Wirtschaftsakteuren und Regierungsvertretern dabei helfen, die Reaktionen zu planen und zu wissen, was von ihnen jeweils erwartet wird. Den Interessenträgern und der Öffentlichkeit wird eine angemessene Berichterstattung über die Maßnahmen im Rahmen des EFSCM zur Verfügung gestellt. Es gelten die allgemeinen Ziele und Grundsätze der Krisenkommunikation im Bereich der Lebensmittelsicherheit gemäß den Artikeln 8a und 8b der Verordnung (EG) Nr. 178/2002.
In der Expertengruppe werden spezifische Leitlinien für die Krisenkommunikation ausgearbeitet und diskutiert, in denen die Grundsätze dargelegt sind, an denen sich in einem Kontext hoher Unsicherheit orientiert werden muss, oder die zu befolgen sind, um ein koordiniertes Vorgehen aller privaten und öffentlichen Akteure sicherzustellen.
6.Schlussfolgerungen
Die EU verfügt über diversifizierte Lebensmittelsysteme, einen unterstützenden politischen Rahmen, einen Binnenmarkt, der fast 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher umfasst, und eine weltoffene Wirtschaft. In einer sich wandelnden Risikolandschaft kann und sollte jedoch nach dem Weckruf der COVID-19-Krise die Vorsorge verstärkt werden. Im Falle einer künftigen, unvorhersehbaren Krise gibt es kein Patentrezept. Die beste Lösung besteht darin, die Kenntnisse über die Schwachstellen und Risiken zu verbessern und diese so weit wie möglich zu mindern, und die verfahrenstechnischen Kompetenzen zu schaffen und aufrechtzuerhalten, um rasch, koordiniert und gemeinsam reagieren zu können. Dies sollte auf der Grundlage verschiedener EU-Strategien erfolgen, die die Widerstandsfähigkeit des Systems unterstützen und Instrumente für das Krisenmanagement liefern.
Dies ist der Zweck der Notfallplanung und des EFSCM, der die Kommission, die Mitgliedstaaten, betroffene Drittländer und Interessenverbände zusammenbringen wird. Im Rahmen des EFSCM werden die Kommission und andere Akteure eine Reihe von flankierenden Maßnahmen ausarbeiten, die im Anhang zu dieser Mitteilung zusammengefasst sind.