EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52021DC0603

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT ÜBER DIE WIRKSAMKEIT DES VISA-AUSSETZUNGSMECHANISMUS UND ÜBER DIE BEFUGNISÜBERTRAGUNG IM RAHMEN DES MECHANISMUS

COM/2021/603 final

Brüssel, den 4.8.2021

COM(2021) 603 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

ÜBER DIE WIRKSAMKEIT DES VISA-AUSSETZUNGSMECHANISMUS UND ÜBER DIE BEFUGNISÜBERTRAGUNG IM RAHMEN DES MECHANISMUS



























I. EINLEITUNG

Der vorliegende Bericht ist auf die Verpflichtung der Kommission zurückzuführen, dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Wirksamkeit des Visa-Aussetzungsmechanismus 1 und die Anwendung delegierter Rechtsakte im Rahmen dieses Mechanismus 2 Bericht zu erstatten. Nach Maßgabe der Visum-Verordnung muss die Kommission erforderlichenfalls einen Legislativvorschlag zur Änderung des Visa-Aussetzungsmechanismus vorlegen.

Die Zeitplan für die Annahme der vorliegenden Berichte wurde angepasst, um den Ergebnissen des Vierten Berichts im Rahmen des Visa-Aussetzungsmechanismus 3 Rechnung zu tragen.

II. BERICHT ÜBER DIE WIRKSAMKEIT DES VISA-AUSSETZUNGSMECHANISMUS

1. Zweck und Funktionsweise des Visa-Aussetzungsmechanismus

Die Visum-Verordnung sieht einen Mechanismus vor, der eine vorübergehende Wiedereinführung der Visumpflicht ermöglicht, wenn in einer Notlage eine dringliche Reaktion erforderlich ist, um die Schwierigkeiten mindestens eines Mitgliedstaats zu beheben, wobei der Gesamtauswirkung der Notlage auf die Union als Ganzes Rechnung getragen wird. 4

Der Aussetzungsmechanismus kann ausgelöst werden, sobald ein oder mehrere Mitgliedstaaten die Kommission informieren, dass sie mit einer oder mehreren der folgenden Gegebenheiten konfrontiert sind:

a)einem erheblichen Anstieg (mehr als 50 %) der irregulären Aufenthalte oder Einreiseverweigerungen;

b)einem erheblichen Anstieg (mehr als 50 %) der Anträge auf internationalen Schutz mit niedriger Anerkennungsquote (etwa 3 bis 4 %);

c)einer Verschlechterung bei der Zusammenarbeit im Bereich der Rückübernahme, insbesondere einem erheblichen Anstieg der Ablehnungsrate bei Rückübernahmeersuchen, oder

d)einem erhöhten Risiko für die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit oder einer unmittelbaren Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit von Mitgliedstaaten, insbesondere einem erheblichen Anstieg von schwerwiegenden Straftaten (mehr als 50 %) in Verbindung mit Staatsangehörigen dieses Drittlands. 5  

Die Kommission kann den Mechanismus auch selbst auslösen, wenn die vorgenannten Gegebenheiten eingetreten sind 6 oder aus einem Bericht im Rahmen des Visa-Aussetzungsmechanismus hervorgeht, dass bestimmte Vorgaben für die Visaliberalisierung nicht mehr erfüllt sind. 7

2. Anwendung des Visa-Aussetzungsmechanismus

Obgleich der Visa-Aussetzungsmechanismus einmal ausgelöst wurde, führte er nicht zur Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht. Der Aussetzungsmechanismus hat wirksam dazu beigetragen, dass von der Visumpflicht befreite Drittländer die Kriterien nach Artikel 1 der Visum-Verordnung erfüllt haben, die herangezogen werden, um die Angemessenheit der Gewährung der Visaliberalisierung zu bewerten.

Die Niederlande haben der Kommission am 2. Juni 2019 mitgeteilt, dass sie mit Gegebenheiten konfrontiert sind, die in Bezug auf Albanien zur Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für Kurzaufenthalte führen könnten. Die von den Niederlanden geäußerten Bedenken betrafen in erster Linie die öffentliche Ordnung und Sicherheit, aber auch die irreguläre Migration und unbegründete Asylanträge albanischer Staatsangehöriger.

Im Einklang mit der Visum-Verordnung hat die Kommission diese Mitteilung sorgfältig geprüft. Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen und der einschlägigen Daten kam die Kommission zu dem Schluss, dass die in der Visum-Verordnung festgelegten Bedingungen für die Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht nicht erfüllt waren. Die Kommission antwortete den Niederlanden am 1. Juli 2019 und informierte das Europäischen Parlament und den Rat am 5. Juli 2019 über die Ergebnisse ihrer Prüfung.

Aufgrund der Mitteilung vom Juni 2019 bot sich erstmals die Möglichkeit, die ersten Verfahrensschritte des Mechanismus zu testen, einschließlich der inhaltlichen Prüfung, der Tatsachenfeststellung und der gesetzlichen Fristen. Die Kommission hatte die Mitteilung geprüft und den Niederlanden geantwortet und das Europäische Parlament und den Rat innerhalb eines Monats nach Eingang der Mitteilung über die Ergebnisse ihrer Prüfung informiert.

Es wurde deutlich, dass die in der Visum-Verordnung 8 festgelegte Frist von einem Monat sehr knapp ist, da die erforderliche umfassende Prüfung und die Möglichkeit des Erlasses eines Durchführungsrechtsakts innerhalb desselben Zeitraums erfolgen müssen. Jedoch ist diese Frist aufgrund der Art und des Zwecks des Mechanismus gerechtfertigt, der auf Notlagen abzielt.

3. Die Auswirkungen des Visa-Aussetzungsmechanismus auf die Regelungen für visumfreies Reisen

Wenngleich durch den Mechanismus keine Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht ausgelöst wurde, so hat er doch zu wichtigen Reformen in den von der Visumpflicht befreiten Drittländern in den Bereichen Migrationssteuerung, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geführt. Dem Vierten Bericht im Rahmen des Visa-Aussetzungsmechanismus 9 ist zu entnehmen, dass diese Wirkung insbesondere für den Westbalkan und die Östliche Partnerschaft von Bedeutung war, wo Fortschritte bei den Benchmarks für die Visaliberalisierung und die Folgemaßnahmen zu den Empfehlungen der Kommission über den erfolgreichen Abschluss der Dialoge über die Visaliberalisierung hinaus und lange nach der Befreiung von der Visumpflicht fortgesetzt wurden.

Auch wenn dieser Fortschritt nicht ausschließlich auf den Visa-Aussetzungsmechanismus zurückzuführen ist, so ist die Kommission dennoch der Auffassung, dass der Mechanismus in gewisser Weise einen zusätzlichen Anreiz geschaffen hat.

Die Möglichkeit einer unverzüglichen vorübergehenden und teilweisen Wiedereinführung der Visumpflicht hat möglicherweise auch Drittländer davon abgehalten, Strategien weiterzuverfolgen, die sich eventuell negativ auf die EU-Regelungen für visumfreies Reisen auswirken. Dazu gehören beispielsweise Staatsbürgerschaftsregelungen für Investoren. 10 Moldau hat seine Staatsbürgerschaftsregelung für Investoren im Jahr 2020 beendet, und Montenegro hat beschlossen, seine Regelung nicht über Ende 2021 hinaus zu verlängern.

Dies zeigt sich auch in den Reformen und der Zusammenarbeit bestimmter von der Visumpflicht befreiter Drittländer, insbesondere in den Bereichen Migration und Sicherheit. Darunter fallen beispielsweise die Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung, engmaschigere Kontrollen an Grenzübergangsstellen oder die Durchführung von Sensibilisierungskampagnen zu den Rechten und Pflichten des visumfreien Reiseverkehrs, um einen Missbrauch der Visumfreiheit zu verhindern.

III. BERICHT ÜBER DELEGIERTE RECHTSAKTE IM RAHMEN DES VISA-AUSSETZUNGSMECHANISMUS

Nach Artikel 10 Absatz 3 der Visum-Verordnung wird der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte im Rahmen des Visa-Aussetzungsmechanismus für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 28. März 2017 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Kommission teilt mit, dass sie von dieser Befugnis bislang keinen Gebrauch gemacht hat.

IV. SCHLUSSFOLGERUNGEN

Der Aussetzungsmechanismus hat eine Reihe von Reformen in von der Visumpflicht befreiten Ländern ausgelöst, insbesondere in Ländern, die die Befreiung von der Visumpflicht aufgrund eines Dialogs über die Visaliberalisierung erhalten haben. In gewissem Maße hatte dieser Mechanismus daher auch dann eine präventive Wirkung, wenn ein Drittland politische Maßnahmen in Erwägung zog, die sich auf die Regelung für visumfreies Reisen hätten auswirken können.

Wenngleich bislang kein delegierter Rechtsakt gemäß Artikel 8 Absatz 6 erlassen wurde, konnten die in der Visum-Verordnung festgelegten Fristen und Verfahren in den ersten Phasen des Aussetzungsmechanismus erfolgreich getestet werden. Die kurzen Verfahrensfristen sind aufgrund des Zwecks und der Art des Mechanismus als Dringlichkeitsverfahren berechtigt.

Die Kommission hält es daher nicht für erforderlich, einen Legislativvorschlag zur Änderung der Visum-Verordnung hinsichtlich des Visa-Aussetzungsmechanismus vorzulegen. Damit die Kommission und die Mitgliedstaaten weiterhin auf Notlagen reagieren können, in denen die Gegebenheiten für eine Auslösung des Aussetzungsmechanismus erfüllt sind, empfiehlt die Kommission eine stillschweigende Verlängerung der Befugnisübertragung um weitere fünf Jahre ab März 2022 im Einklang mit der Visum-Verordnung. 11

(1)    Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind („Visum-Verordnung“) (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39).
(2)    Artikel 10 Absatz 3 der Visum-Verordnung.
(3)    COM(2021) 602.
(4)    Erwägungsgrund 18 der Visum-Verordnung.
(5)    Artikel 8 Absatz 2 der Visum-Verordnung.
(6)    Artikel 8 Absatz 3 der Visum-Verordnung.
(7)    Artikel 8 Absatz 4 der Visum-Verordnung.
(8)      Artikel 8 Absatz 6 der Visum-Verordnung.
(9)      COM(2021) 602.
(10)    Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 23. Januar 2019 mit dem Titel „Staatsbürgerschaftsregelungen und Aufenthaltsregelungen für Investoren in der Europäischen Union“ (COM(2019) 12 final).
(11)    Artikel 10 Absatz 3 der Visum-Verordnung.
Top