EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 30.9.2021
COM(2021) 597 final
2021/0306(NLE)
Vorschlag für einen
BESCHLUSS DES RATES
über den im Namen der Europäischen Union auf der 72. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zu vertretenden Standpunkt in Bezug auf die Annahme der Schlussfolgerung über internationalen Schutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit
BEGRÜNDUNG
1.Gegenstand des Vorschlags
Der vorliegende Vorschlag betrifft den Beschluss zur Festlegung des im Namen der Union auf der 72. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (im Folgenden „Exekutivausschuss“) im Zusammenhang mit der geplanten Annahme einer Schlussfolgerung über internationalen Schutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu vertretenden Standpunkts.
2.Kontext des Vorschlags
2.1.Resolution des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen vom 30. April 1958 über die Einsetzung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
Der Exekutivausschuss wurde vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen mit der Resolution vom 30. April 1958 über die Einsetzung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (E/RES/672 (XXV)) eingerichtet. Gemäß dieser Resolution ist der Exekutivausschuss beratendes Gremium in Bezug auf Normen und Politik für den internationalen Flüchtlingsschutz.2.2.
Der Exekutivausschuss des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
Der Exekutivausschuss setzt sich aus Mitgliedern und Beobachtern zusammen. Die Mitgliedschaft ist auf Staaten beschränkt. Der Beobachterstatus wird sowohl Staaten als auch anderen Rechtsträgern gewährt. Dem Exekutivausschuss gehören derzeit 107 Staaten als Mitglieder, darunter 27 EU-Mitgliedstaaten, 16 Staaten als Beobachter sowie 39 nichtstaatliche Beobachter, darunter die Europäische Union, an.
Im Gegensatz zu den Ausschussmitgliedern haben Beobachter nicht das Recht zu wählen, sie können aber auf öffentlichen Sitzungen des Exekutivausschusses das Wort ergreifen. In Bezug auf zwischenstaatliche Organisationen mit Beobachterstatus im Exekutivausschuss sieht Regel 38 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Exekutivausschusses in der zuletzt im Oktober 2016 geänderten Fassung vor, dass der Ausschuss auf Empfehlung des Ständigen Ausschusses jährlich entscheiden kann, zwischenstaatliche Organisationen mit Beobachterstatus im Ausschuss zur Teilnahme an seinen nicht öffentlichen Sitzungen zu Asyl- und Flüchtlingsfragen, die in ihre Zuständigkeit fallen, einzuladen. Auf der Grundlage dieser Bestimmung hat der Exekutivausschuss die Europäische Union am 5. Mai 2017 eingeladen, an seinen nicht öffentlichen Sitzungen zu Asyl- und Flüchtlingsfragen, die in die Zuständigkeit der Europäischen Union fallen, teilzunehmen.
Der Exekutivausschuss nimmt regelmäßig thematische Schlussfolgerungen zum Flüchtlingsschutz an. Diese Schlussfolgerungen werden von den Mitgliedern des Exekutivausschusses einvernehmlich angenommen. Sie werden in einer Reihe von nicht öffentlichen Sitzungen von Mitgliedern des Exekutivausschusses und zwischenstaatlichen Organisationen, die in ihrer Eigenschaft als Beobachter zur Teilnahme an den nicht öffentlichen Sitzungen eingeladen wurden, in Zusammenarbeit mit den Sachverständigen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (im Folgenden „UNHCR“) ausgearbeitet.
2.2.Vorgesehener Akt des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen
Vom 4.–8. Oktober 2021 soll der Exekutivausschuss auf seiner 72. Tagung eine Schlussfolgerung über internationalen Rechtsschutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit (im Folgenden „geplante Schlussfolgerung“) annehmen.
Auf Einladung des Exekutivausschusses gemäß Regel 38 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung nimmt die Europäische Union an der Vorbereitung der geplanten Schlussfolgerung teil. Die Mitgliedstaaten der EU, die Mitglieder des Exekutivausschusses sind, beteiligen sich an der Annahme der geplanten Schlussfolgerung.
Mit dem Entwurf der geplanten Schlussfolgerung, der in den nicht öffentlichen Sitzungen vom 12. und 18. Mai, 1. Juni, 16. Juni und 8. Juli 2021 erarbeitet wurde, sollen die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Flüchtlinge, Asylsuchende, Rückkehrer, Staatenlose und Binnenvertriebene (im Folgenden „unter das UNHCR-Mandat fallende Personen“) und die Aufnahmegemeinschaften anerkannt werden; die wichtigsten Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts und des humanitären Völkerrechts in Erinnerung gerufen werden, die im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit aufrechterhalten werden müssen; Lehren aus den vom UNHCR, von den Staaten und anderen Interessenträgern ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie gezogen und gleichzeitig der Zugang zu internationalem Rechtsschutz sichergestellt werden, u. a. durch den Einsatz innovativer Werkzeuge, und die Staaten dazu angehalten werden, für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen auch weiterhin dauerhafte Lösungen und den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen zu unterstützen.
Der gesamte Inhalt der Präambel und die meisten operativen Absätze wurden ad referendum vereinbart, vier operative Absätze sind noch offen.
In den Absätzen der Schlussfolgerung, für die eine Einigung erzielt wurde, wird anerkannt, dass eine Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit von internationaler Tragweite wie die COVID-19-Pandemie eine globale Reaktion erfordert, die auf Einheit, Solidarität und einer verstärkten multilateralen Zusammenarbeit beruht, und die Verpflichtung der Staaten zu internationaler Solidarität, Verantwortung und Lastenteilung wird bekräftigt. Das Recht der Staaten, Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen, wird anerkannt. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen in einer Weise umgesetzt werden müssen, die mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten, einschließlich des internationalen Flüchtlingsrechts, der Menschenrechte und gegebenenfalls des humanitären Völkerrechts, im Einklang steht. In der Schlussfolgerung wird darauf hingewiesen, dass die Staaten souveräne Befugnisse haben, die Einreise von Ausländern unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und gemäß dem geltenden Völkerrecht, einschließlich des internationalen Flüchtlingsrechts, zu regeln.
Was den Umgang mit weiterreichenden Auswirkungen von Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit betrifft, so werden die Staaten in der geplanten Schlussfolgerung dazu angehalten werden, auf die weitere Einbeziehung von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen in die Gesundheitsversorgung hinzuarbeiten und spezifische Gesundheitsbedürfnisse und Hemmnisse im Zusammenhang mit Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, einschließlich psychischer Gesundheit und psychosozialem Wohlergehen, zu ermitteln und anzugehen, und die Staaten und andere Partner werden aufgefordert, dringend Finanzmittel bereitzustellen und die gerechte Verteilung sicherer und wirksamer Diagnosemittel, Therapeutika und Impfstoffe zu unterstützen.
Was Beschränkungen in Bezug auf Einreise und Bewegungsfreiheit und den Zugang zu Asylverfahren anbelangt, so werden in der geplanten Schlussfolgerung die von den Staaten unternommenen Schritte begrüßt, mit denen sichergestellt wird, dass Maßnahmen zur Beschränkung der Einreise an den Grenzen im Zusammenhang mit Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit vorübergehend, nichtdiskriminierend, notwendig, verhältnismäßig und unter den gegebenen Umständen angemessen sind und unter Wahrung des Rechts, Asyl zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und des Grundsatzes der Nichtzurückweisung angewandt werden. Ferner werden die von den Staaten und dem UNHCR ergriffenen Anpassungsmaßnahmen begrüßt, mit denen sichergestellt werden soll, dass Asylverfahren und Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit, die Registrierung und die Ausstellung von Dokumenten weiterhin zugänglich sind und durchgeführt werden. In der geplanten Schlussfolgerung wird darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass alle Beschränkungen der Freizügigkeit von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht diskriminierend, gesetzlich vorgesehen, notwendig, unter den gegebenen Umständen angemessen und anderweitig mit dem Völkerrecht vereinbar sind, und es wird der Einsatz von Alternativen zur Inhaftnahme begrüßt, mit denen die Einhaltung der Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit sichergestellt wird.
In Bezug auf dauerhafte Lösungen wird in der geplanten Schlussfolgerung Besorgnis über die Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die Suche nach dauerhaften Lösungen zum Ausdruck gebracht, deren Bedeutung unterstrichen und ein verstärktes Engagement zur Förderung von günstigen Bedingungen in den Herkunftsländern gefordert, einschließlich Bemühungen zur Bekämpfung der eigentlichen Ursachen und zur Umsetzung der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen in Sicherheit und Würde sowie einer nachhaltigen Wiedereingliederung, um die Neuansiedlung zu unterstützen und den Zugang zu ergänzenden Möglichkeiten, einschließlich Familienzusammenführung, Arbeitsmarktchancen und Studienmöglichkeiten, im Einklang mit dem nationalen Recht zu erleichtern.
Die Themen, für die die EU zuständig ist und über die in den nicht öffentlichen Sitzungen bislang keine Einigung ad referendum erzielt wurde, sind folgende:
1. die Aufnahme von Überlebenden sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als „unter das UNHCR-Mandat fallende Personen“, wenn Staaten dazu angehalten werden, die Verfügbarkeit von psychologischer Notfallversorgung und psychosozialer Unterstützung für diese Personen zu fördern, und eine weitere Verstärkung dieser Maßnahmen gefordert wird, u. a. durch internationale Unterstützung (OA6),
2. ein vom Iran vorgeschlagener Absatz, in dem alle Staaten nachdrücklich aufgefordert werden, von einseitigen Zwangsmaßnahmen abzusehen, die sich nachteilig auf die Fähigkeit der Aufnahmeländer zum Schutz von Flüchtlingen auswirken und den humanitären Aktionsradius einengen könnten, insbesondere während der anhaltenden Pandemie (OA7 b Alt). Dieser Vorschlag wurde vom Iran zu einem sehr späten Zeitpunkt im Verhandlungsprozess vorgelegt und könnte noch aus verfahrenstechnischen Gründen abgelehnt werden,
3. ein Verweis auf die Aufnahme von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie von Impfstoffen in die humanitären Bedürfnisse von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen und ihren Aufnahmegemeinschaften; in der Schlussfolgerung werden die Staaten aufgefordert, diese Bedürfnisse zu bewerten und als Bestandteile der humanitären Hilfe in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu behandeln (umnummeriert OA13),
4. ein Verweis auf Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit als Ergänzung zu grundlegenden Gesundheitsdiensten und psychosozialer Unterstützung, bezüglich derer die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, in Zusammenarbeit mit dem UNHCR und mit Unterstützung anderer Interessenträger für einen sicheren und zuverlässigen Zugang für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen zu sorgen (OA14).
3.Im Namen der Union zu vertretender Standpunkt
Die Union sollte die Annahme einer Schlussfolgerung des Exekutivausschusses zum internationalen Schutz und zu dauerhaften Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit unterstützen.
Die Union sollte die bereits vereinbarten Teile der Schlussfolgerung unterstützen und ihren Standpunkt zu den noch offenen Fragen, für die die EU zuständig ist, festlegen.
Die EU sollte die Wahrung der Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit unterstützen, insbesondere den Grundsatz der Nichtzurückweisung, der auch als Grundsatz im EU-Asylrecht in Artikel 78 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie in der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden „Asylverfahrensrichtlinie“) und in der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden „Anerkennungsrichtlinie“) verankert ist und als Grundrecht in Artikel 18 und Artikel 19 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird.
Die EU sollte ferner im Einklang mit dem derzeitigen Besitzstand und der Politik der EU dafür sorgen, dass Einreisebeschränkungen und andere Maßnahmen, die zur Beschränkung der Einreise an den Grenzen im Zusammenhang mit Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergriffen werden, in einer Weise angewandt werden, die die öffentliche Gesundheit schützt und gleichzeitig die Achtung des Rechts auf Asyl und den Grundsatz der Nichtzurückweisung gewährleistet. Die EU sollte ferner die Anpassungsmaßnahmen der Staaten begrüßen und unterstützen, mit denen sichergestellt wird, dass Asylverfahren und Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit, die Registrierung und Ausstellung von Dokumenten und andere einschlägige Verfahren für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen weiterhin zugänglich sind und durchgeführt werden, u. a. durch den Einsatz von Technologie für die Fernbefragung.
Der Zugang zum Asylverfahren ist in der Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU) als wesentlicher Grundsatz und Garantie geregelt, insbesondere in Artikel 3 über den Anwendungsbereich der Richtlinie, der für alle Anträge gilt, die im Hoheitsgebiet — einschließlich an der Grenze, in den Hoheitsgewässern oder in den Transitzonen — der Mitgliedstaaten gestellt werden, und in Artikel 6 über die Gewährung des Zugangs zum Verfahren durch Registrierung und die Gewährleistung einer wirksamen Antragstellung. Der Grundsatz der Nichtzurückweisung im Einklang mit dem Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung (im Folgenden „Abkommen von 1951 und dazugehöriges Protokoll von 1967“) wird in der Richtlinie bekräftigt und sollte insbesondere dann beachtet werden, wenn Ausnahmen vom Recht auf Verbleib während der Antragsprüfung oder bei der Anwendung der Konzepte des sicheren Herkunftsstaats oder des sicheren Drittstaats gemacht werden. Im Jahr 2016 legte die Kommission einen Vorschlag zur Einführung eines gemeinsamen Verfahrens zur Gewährung internationalen Schutzes in der Union und zur Aufhebung der Richtlinie 2013/32/EU vor, in dem die gleichen Grundsätze und Garantien gewahrt werden.
Während die Bedingungen für die regelmäßige Einreise von Drittstaatsangehörigen in den Schengen-Raum im Schengener Grenzkodex die Anforderung enthalten, dass die Person in keinem der Mitgliedstaaten eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt, berührt dies nicht die Rechte von Flüchtlingen und Personen, die um internationalen Schutz ersuchen, insbesondere hinsichtlich der Nichtzurückweisung. Am 16. März 2020 nahm die Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat an, in der sie angesichts der COVID-19-Pandemie eine vorübergehende Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU forderte, und am 30. Juni 2020 nahm der Rat eine Empfehlung zur vorübergehenden Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU und die mögliche Aufhebung dieser Beschränkung an, die Ausnahmen von diesen vorübergehenden Beschränkungen für Personen vorsieht, die internationalen Schutz benötigen oder die aus anderen humanitären Gründen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgenommen werden müssen. In den Hinweisen der Kommission vom 16. April 2020 ist festgelegt, dass die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Eindämmung und Begrenzung der weiteren Ausbreitung von COVID-19 auf Risikobewertungen und wissenschaftlicher Beratung beruhen und verhältnismäßig bleiben müssen. Beschränkungen im Bereich Asyl, Rückführung und Neuansiedlung müssen verhältnismäßig sein, diskriminierungsfrei umgesetzt werden und dem Grundsatz der Nichtzurückweisung sowie den völkerrechtlichen Verpflichtungen Rechnung tragen.
Die EU sollte den Hinweis darauf unterstützen, wie wichtig es ist, sicherzustellen, dass alle Beschränkungen der Freizügigkeit von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht diskriminierend, gesetzlich vorgesehen, notwendig, unter den gegebenen Umständen angemessen und anderweitig mit dem Völkerrecht vereinbar sind, und sie sollte den Einsatz von Alternativen zur Inhaftnahme begrüßen. Inhaftnahme und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit fallen unter die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (im Folgenden „Richtlinie über Aufnahmebedingungen“), auf die in Artikel 26 der Asylverfahrensrichtlinie Bezug genommen wird - insbesondere unter Artikel 7 über Aufenthaltsort und Bewegungsfreiheit und die Artikel 8 bis 11 über Haft. Bevor die Inhaftnahme von Asylsuchenden angeordnet wird, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, zunächst weniger einschneidende Alternativmaßnahmen in Betracht zu ziehen. Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe e dieser Richtlinie sieht die Möglichkeit der Inhaftnahme vor, wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist.
Die EU hat im Einklang mit den geltenden EU-Vorschriften dafür zu sorgen, dass die Staaten unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen einen zuverlässigen und sicheren Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten und psychosozialer Unterstützung gewähren. Hinsichtlich der Aufnahmebedingungen können die Mitgliedstaaten von der in der Richtlinie 2013/33/EU vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, in begründeten Ausnahmefällen für einen angemessenen Zeitraum, der so kurz wie möglich sein sollte, andere Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen als die normalerweise erforderlichen festzulegen. Diese Modalitäten müssen in jedem Fall die Grundbedürfnisse einschließlich der medizinischen Versorgung abdecken, für die in Artikel 19 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen detaillierte Vorschriften festgelegt sind.
In Bezug auf dauerhafte Lösungen und im Einklang mit den geltenden EU-Vorschriften und der bestehenden EU-Politik – insbesondere den verschiedenen Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und des Rates (Justiz und Inneres), dem Migrations- und Asylpaket, der EU-Strategie für die freiwillige Rückkehr und Wiedereingliederung, dem Aktionsplan für Integration und Inklusion 2021-2027 und dem Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Neuansiedlungsrahmens der Union – sollte die EU die zum Ausdruck gebrachte Besorgnis über die Auswirkungen von COVID-19 auf die Suche nach dauerhaften Lösungen unterstützen, deren Bedeutung unterstreichen und zu einem weiteren Engagement auffordern, um a) die Schaffung von günstigen Bedingungen in den Herkunftsländern zu fördern, einschließlich Bemühungen zur Bekämpfung der eigentlichen Ursachen und zur Umsetzung der freiwilligen Rückkehr von Flüchtlingen, b) die Neuansiedlung zu unterstützen, c) den Zugang zu ergänzenden Möglichkeiten, einschließlich Familienzusammenführung, Arbeitsmarktchancen und Studienmöglichkeiten im Einklang mit dem nationalen Recht zu erleichtern und d) die Eigenständigkeit zu fördern und Integrationsmöglichkeiten zu schaffen.
In Bezug auf die noch offenen Fragen sollte die EU
1. die Aufnahme von Überlebenden sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als „unter das UNHCR-Mandat fallende Personen“ unterstützen und dabei die Staaten dazu anhalten, die Verfügbarkeit von psychologischer Notfallversorgung und psychosozialer Unterstützung für diese Personen zu fördern und eine weitere Stärkung dieser Maßnahmen fordern, auch durch internationale Unterstützung (OA6).
Wie in der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 dargelegt, wird die Europäische Union alles in ihrer Macht Stehende tun, um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und zu bekämpfen, Opfer zu unterstützen und zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen.
Der vorgeschlagene operative Absatz 6 (OA6) begründet keine rechtliche Verpflichtung und hält die Mitgliedstaaten lediglich dazu an, bei ihrer Reaktion auf die Pandemie die psychische Gesundheit und das psychosoziale Wohlbefinden zu thematisieren, indem sie die Verfügbarkeit von psychischer Notversorgung und psychosozialer Unterstützung für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen fördern. Die Mitgliedstaaten sind gemäß der Richtlinie über Aufnahmebedingungen bereits verpflichtet, Personen, die internationalen Schutz beantragen, die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen zu gewähren und geschlechts- und altersspezifische Aspekte zu berücksichtigen. Gemäß der Anerkennungsrichtlinie sollte der Zugang zu medizinischer Versorgung, einschließlich der Versorgung im Bereich der physischen und psychischen Gesundheit, für Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, sichergestellt werden. Dies schließt erforderlichenfalls die Behandlung psychischer Störungen bei Personen ein, denen internationaler Schutz zuerkannt wurde und die besondere Bedürfnisse haben, wie etwa Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben.
2. die Aufnahme von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie von Impfstoffen in die humanitären Bedürfnisse von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen und ihren Aufnahmegemeinschaften unterstützen; in den Schlussfolgerungen werden die Staaten aufgefordert, diese Bedürfnisse zu bewerten und als Bestandteile der humanitären Hilfe in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu behandeln (umnummeriert OA13).
Da der von der EU vorgeschlagene Standpunkt (unter Punkt 1) lautet, dass Überlebende sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als „unter das UNHCR-Mandat fallende Personen“ anzusehen sind, umfassen die Schutzbedürfnisse dieser Personen auch die Unterstützung durch Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit.
Die medizinische Versorgung ist ein Kernbereich der humanitären Hilfe. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat Team Europe, das Ressourcen der EU, ihrer Mitgliedstaaten und der europäischen Finanzinstitutionen zusammenführt, finanzielle Hilfe geleistet, um die sozioökonomischen Folgen der Pandemie abzumildern. Den hauptsächlich über COVAX bereitgestellten Zugang zu sicheren und erschwinglichen COVID-19-Impfstoffen weltweit und insbesondere für Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu gewährleisten, ist eine Priorität der Europäischen Union.
3. einen ausdrücklichen Verweis auf Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen unterstützen, um die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle der Frau in allen Phasen der Reaktion auf Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu fördern (OA14).
Weder die Richtlinie über Aufnahmebedingungen (Artikel 19), noch die Anerkennungsrichtlinie (Artikel 30) noch der Vorschlag für eine Neufassung der Richtlinie von 2016 (Artikel 18) sehen ausdrücklich die Bereitstellung von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit vor. Sie sehen vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderliche medizinische Versorgung gewährleisten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten und schweren psychischen Störungen umfasst, und die notwendige medizinische oder sonstige Hilfe für Antragsteller mit besonderen Bedürfnissen bei der Aufnahme bereitstellt, einschließlich erforderlichenfalls einer geeigneten psychologischen Betreuung. Daher sollte der Standpunkt der EU in dieser Frage festgelegt werden.
4. jeden in OA7 b Alt enthaltenen Vorschlag ablehnen, eine Empfehlung in die Schlussfolgerung aufzunehmen, in der die Staaten nachdrücklich aufgefordert werden, von einseitigen Zwangsmaßnahmen abzusehen, die sich nachteilig auf die Fähigkeit der Aufnahmeländer zum Schutz von Flüchtlingen auswirken und den humanitären Aktionsradius einschränken könnten.
Restriktive Maßnahmen (Sanktionen) sind ein wesentliches Instrument der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Union, mit dem die Union gegebenenfalls eingreifen kann, um Konflikte zu verhindern oder entstehende oder aktuelle Krisen zu bewältigen.
Es ist in jedem Fall angebracht, den im Namen der Union im Exekutivausschuss zu vertretenden Standpunkt festzulegen, da sich die geplante Schlussfolgerung auf die gemeinsamen Vorschriften der Richtlinie über Aufnahmebedingungen und der Asylverfahrensrichtlinie, wie oben dargelegt, auswirken könnte.
4.Rechtsgrundlage
4.1.Verfahrensrechtliche Grundlage
4.1.1.Grundsätze
Nach Artikel 218 Absatz 9 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) werden die „Standpunkte, die im Namen der Union in einem durch eine Übereinkunft eingesetzten Gremium zu vertreten sind, sofern dieses Gremium rechtswirksame Akte, mit Ausnahme von Rechtsakten zur Ergänzung oder Änderung des institutionellen Rahmens der betreffenden Übereinkunft, zu erlassen hat“, durch Beschlüsse festgelegt.
Artikel 218 Absatz 9 AEUV gilt unabhängig davon, ob die Union ein Mitglied des betreffenden Gremiums oder Vertragspartei der betreffenden Übereinkunft ist.
Der Begriff „rechtswirksame Akte“ erfasst auch Akte, die kraft völkerrechtlicher Regelungen, denen das jeweilige Gremium unterliegt, Rechtswirkung entfalten. Darunter fallen auch Instrumente, die völkerrechtlich nicht bindend, aber „geeignet sind, den Inhalt der vom Unionsgesetzgeber … erlassenen Regelung maßgeblich zu beeinflussen“.
4.1.2.Anwendung auf den vorliegenden Fall
Der Exekutivausschuss ist ein Gremium, das mit der Resolution des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen vom 30. April 1958 über die Einsetzung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen geschaffen wurde.
Die Schlussfolgerung, die der Exekutivausschuss annehmen soll, stellt einen rechtswirksamen Akt dar. Auch wenn die Schlussfolgerungen des Exekutivausschusses rechtlich nicht bindend sind, so tragen sie doch zur Auslegung und Weiterentwicklung der internationalen Standards im Bereich des Flüchtlingsschutzes bei. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Festlegung der Art und Weise, in der das Abkommen von 1951 und das Protokoll von 1967 ausgelegt und angewandt werden. Das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) stützt sich auf die Schlussfolgerungen des Exekutivausschusses bei der Wahrnehmung seiner Aufgabe, die Durchführung der Bestimmungen des Abkommens von 1951 und des Protokolls von 1967 zu überwachen – eine Aufgabe, zu deren Erleichterung die Vertragsstaaten gemäß Artikel 35 des Abkommens von 1951 verpflichtet sind. Die Schlussfolgerungen des Exekutivausschusses tragen dazu bei, dass der internationale Flüchtlingsschutz so weiterentwickelt wird, dass das Abkommen von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967 ergänzt und gestärkt werden, ein Ziel, zu dem sich die Vertragsstaaten bekannt haben und das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen begrüßt wurde. Die Schlussfolgerungen tragen entweder bereits eingeführtem Völkergewohnheitsrecht Rechnung oder haben den Erlass neuer Rechtsvorschriften zur Folge. Nationale und internationale Gerichte messen ihnen mitunter erhebliche Bedeutung bei, so auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Bestimmungen des Abkommens von 1951 und des Protokolls von 1967. Das abgeleitete EU-Recht stützt sich auf das Abkommen von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967:
Das Gemeinsame Europäische Asylsystem beruht auf der uneingeschränkten und umfassenden Anwendung des Abkommens von 1951 und des Protokolls von 1967, in denen der Grundsatz der Nichtzurückweisung bekräftigt wird (siehe Erwägungsgrund 3 der Anerkennungsrichtlinie, der Richtlinie über Aufnahmebedingungen und der Asylverfahrensrichtlinie).
Mit der Anerkennungsrichtlinie werden Normen für die Bestimmung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft festgelegt, um die zuständigen innerstaatlichen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung des Abkommens von 1951 zu leiten (Erwägungsgrund 23). Außerdem werden Normen für die Bestimmung und die Merkmale des subsidiären Schutzstatus festgelegt, die den in der Konvention von 1951 verankerten Schutz für Flüchtlinge ergänzen (Erwägungsgrund 33, siehe auch Erwägungsgrund 25 der Asylverfahrensrichtlinie). Schließlich sollte ihre Umsetzung insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten im Bereich der Nichtzurückweisung bewertet werden (Erwägungsgrund 48).
Gemäß der Richtlinie über Aufnahmebedingungen (Erwägungsgrund 15) sollte die Inhaftnahme von Antragstellern im Einklang mit dem zugrunde liegenden Grundsatz erfolgen, wonach eine Person nicht allein deshalb in Haft genommen werden darf, weil sie um internationalen Schutz nachsucht, insbesondere sollte die Inhaftnahme im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und unter Beachtung von Artikel 31 des Abkommens von 1951 erfolgen.
Diese Überlegungen dürften auch für die geplante Schlussfolgerung gelten. Die geplante Schlussfolgerung sieht Normen und eine vereinbarte Praxis der Staaten für die Gewährung des Zugangs zu Asylverfahren sowie für Beschränkungen bei Einreise und Bewegungsfreiheit bezüglich unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen und die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit auf der Grundlage der Erfahrungen mit der COVID-19-Pandemie vor. In der Schlussfolgerung wird der internationale Flüchtlingsschutz weiterentwickelt, indem anerkannt wird, dass die Wahrung der Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts, insbesondere des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit wichtig ist; indem Einreisebeschränkungen und andere Maßnahmen ergriffen werden, um die Einreise an den Grenzen im Zusammenhang mit Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit in einer Weise zu beschränken, die das Recht auf Asyl und den Grundsatz der Nichtzurückweisung achtet, und zwar durch die Anwendung von Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit in nichtdiskriminierender Weise und nur dann, wenn sie gesetzlich vorgesehen, notwendig und unter den gegebenen Umständen angemessen sind und die medizinische Versorgung von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit sichergestellt wird und indem Anpassungsmaßnahmen begrüßt werden, mit denen sichergestellt wird, dass Asylverfahren und Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit weiterhin zugänglich sind und durchgeführt werden. Die oben genannten Aspekte sind durch EU-Recht geregelt, das im Einklang mit dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll vom 31. Januar 1967 anzuwenden ist. In diesem Sinne ist die geplante Schlussfolgerung geeignet, den Inhalt und die Anwendung der EU-Rechtsvorschriften maßgeblich zu beeinflussen.
Mit dem vorgesehenen Rechtsakt wird der institutionelle Rahmen des Übereinkommens weder ergänzt noch geändert.
Somit ist Artikel 218 Absatz 9 AEUV die verfahrensrechtliche Grundlage für den vorgeschlagenen Beschluss.
4.2.Materielle Rechtsgrundlage
4.2.1.Grundsätze
Welche die materielle Rechtsgrundlage für einen Beschluss nach Artikel 218 Absatz 9 AEUV ist, hängt in erster Linie vom Zweck und Inhalt des vorgesehenen Rechtsakts ab, zu dem ein im Namen der Union zu vertretender Standpunkt festgelegt wird. Liegt dem vorgesehenen Rechtsakt ein doppelter Zweck oder Gegenstand zugrunde und ist einer davon der wesentliche, während der andere von untergeordneter Bedeutung ist, so muss der Beschluss nach Artikel 218 Absatz 9 AEUV auf eine einzige materielle Rechtsgrundlage gestützt werden, nämlich auf diejenige, die der wesentliche oder vorrangige Zweck oder Gegenstand verlangt.
4.2.2.Anwendung auf den vorliegenden Fall
Der Hauptzweck und der Inhalt des vorgeschlagenen Beschlusses betreffen die gemeinsame Asylpolitik der Union.
Somit ist Artikel 78 Absatz 2 AEUV die materielle Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Beschluss.
4.3.Schlussfolgerung
Die Rechtsgrundlage für den vorgeschlagenen Beschluss sollte Artikel 78 Absatz 2 AEUV in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 9 AEUV sein.
2021/0306 (NLE)
Vorschlag für einen
BESCHLUSS DES RATES
über den im Namen der Europäischen Union auf der 72. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zu vertretenden Standpunkt in Bezug auf die Annahme der Schlussfolgerung über internationalen Schutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 78 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 9,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Die Resolution über die Einsetzung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (im Folgenden „UNCHR“) wurde am 30. April 1958 vom Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen verabschiedet.
(2)Gemäß dieser Resolution ist der Exekutivausschuss des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen beratendes Gremium in Bezug auf Normen und Politik für den internationalen Flüchtlingsschutz.
(3)Der Exekutivausschuss des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen soll auf seiner 72. Tagung vom 4. bis 8. Oktober 2021 eine Schlussfolgerung über internationalen Rechtsschutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit annehmen.
(4)Diese Schlussfolgerung wird in einer Reihe von nicht öffentlichen Sitzungen von Mitgliedern des Exekutivausschusses und zwischenstaatlichen Organisationen, die in ihrer Eigenschaft als Beobachter zur Teilnahme an den nicht öffentlichen Sitzungen eingeladen wurden, in Zusammenarbeit mit den Sachverständigen des UNHCR ausgearbeitet. Die Europäische Union verfügt in ihrer Eigenschaft als Beobachterin über kein Stimmrecht, ist aber berechtigt, bei den öffentlichen Sitzungen des Exekutivausschusses das Wort zu ergreifen, und wird zu nicht öffentlichen Sitzungen des Exekutivausschusses zu Asyl- und Flüchtlingsfragen eingeladen, die in ihre Zuständigkeit fallen.
(5)Es ist zweckmäßig, den im Exekutivausschuss des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen im Namen der Union zu vertretenden Standpunkt festzulegen, da die geplante Schlussfolgerung geeignet ist, den Inhalt des Unionsrechts maßgeblich zu beeinflussen.
(6)Die Union sollte die Annahme einer geplanten Schlussfolgerung über internationalen Rechtsschutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit unterstützen.
(7)Die Union sollte sich dafür einsetzen, dass die Grundsätze des internationalen Flüchtlingsrechts und insbesondere des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sowie des Recht, Asyl zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, im Rahmen einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit beibehalten werden und dass Beschränkungen der Bewegungsfreiheit nicht diskriminierend, gesetzlich vorgesehen, notwendig und unter den gegebenen Umständen angemessen sind und im Einklang mit dem Völkerrecht stehen.
(8)Die Union sollte ferner unterstützen, dass Einreisebeschränkungen und andere Maßnahmen, die zur Begrenzung der Einreise an den Grenzen im Zusammenhang mit Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ergriffen werden, vorübergehend, nicht diskriminierend, notwendig, unter den gegebenen Umständen verhältnismäßig und angemessen sind und in einer Weise angewandt werden, die die öffentliche Gesundheit schützt und gleichzeitig die Wahrung des Rechts auf Asyl und den Grundsatz der Nichtzurückweisung sowie die Einhaltung der geltenden völkerrechtlichen Verpflichtungen, einschließlich des internationalen Flüchtlingsrechts, gewährleistet.
(9)Zu den „unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen“ zählen Flüchtlinge, Asylsuchende, Rückkehrer, Staatenlose und Binnenvertriebene. Die Union sollte die Aufnahme von Überlebenden sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt als „unter das UNHCR-Mandat fallende Personen“ unterstützen und dabei die Staaten dazu anhalten, bei ihrer Reaktion auf die Pandemie die psychische Gesundheit und das psychosoziale Wohlbefinden zu thematisieren, indem sie die Verfügbarkeit von psychischer Notversorgung und psychosozialer Unterstützung dieser Personen fördern, auch durch internationale Unterstützung.
(10)Die Union sollte die Aufnahme von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie von Impfstoffen in die humanitären Bedürfnisse von unter das UNHCR-Mandat fallenden Personen und ihren Aufnahmegemeinschaften unterstützen; diese sollen durch die Staaten als Bestandteil der humanitären Hilfe in Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit bewertet und behandelt werden.
(11)Die Union sollte die Aufnahme von Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit als Ergänzung zur Bereitstellung von grundlegenden Gesundheitsdiensten und psychologischer Unterstützung für unter das UNHCR-Mandat fallende Personen nur als Reaktion auf eine Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit unterstützen.
(12)Die Union sollte Vorschläge im Zusammenhang mit der Anwendung einseitiger Zwangsmaßnahmen ablehnen.
(13)Der Standpunkt der Union wird von den Mitgliedstaaten der Union, die Mitglieder des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sind, gemeinsam vertreten.
(14)[Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich Irland nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet.] ODER [Nach Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieses Beschlusses beteiligen möchte.]
(15)
Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung —
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
Artikel 1
Der Standpunkt, der im Namen der Union auf der 72. Tagung des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen im Hinblick auf die Annahme der Schlussfolgerung über internationalen Rechtsschutz und dauerhafte Lösungen im Zusammenhang mit einer Notlage im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu vertreten ist, beruht auf dem diesem Beschluss beigefügten Entwurf der Schlussfolgerung des Exekutivausschusses.
Artikel 2
Werden auf oder vor der 72. Tagung des Exekutivausschusses neue Vorschläge zu dem im Anhang aufgeführten Gegenstand unterbreitet, zu denen die Union noch keinen Standpunkt festgelegt hat, so wird der Standpunkt der Union im Rahmen der Koordinierung der Union festgelegt, bevor der Exekutivausschuss die Schlussfolgerung annimmt. In solchen Fällen steht der Standpunkt der Union mit den bestehenden politischen Konzepten und Rechtsvorschriften der Union im Einklang.
Artikel 3
Der in Artikel 1 genannte Standpunkt wird von den Mitgliedstaaten der Union, die Mitglieder des Exekutivausschusses des Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sind und an dessen 72. Tagung teilnehmen, gemeinsam vertreten.
Artikel 4
Dieser Beschluss ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Rates
Der Präsident