EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 13.12.2018
COM(2018) 831 final
2018/0421(NLE)
Vorschlag für einen
BESCHLUSS DES RATES
über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – eines Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 zur Neufassung der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens wurde angenommen und trat am 19. Juli 2013 in Kraft. Die Verordnung gilt seit dem 20. Juli 2015.
Die Verordnung (EU) Nr. 603/2013 ermöglicht unter anderem die Abfrage von Eurodac durch Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden zwecks Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten. Dadurch sollen die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den im Eurodac-Zentralsystem gespeicherten Daten beantragen können, um die genaue Identität einer Person festzustellen oder weitere Informationen über eine Person einzuholen, die einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat verdächtigt wird.
Am 26. Oktober 2004 wurde das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (im Folgenden „Abkommen vom 26. Oktober 2004“) geschlossen. Am 28. Februar 2008 wurde das Protokoll zwischen der Europäischen Gemeinschaft, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über den Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags (im Folgenden „Protokoll vom 28. Februar 2008“) geschlossen.
Die Schweiz und Liechtenstein wenden die Asylbestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 im Einklang mit dem Abkommen vom 26. Oktober 2004 und dem Protokoll vom 28. Februar 2008 an. Der Zugang der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden zu Eurodac fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich des genannten Abkommens und Protokolls.
Auf einer Sitzung mit Vertretern der Kommission am 14. Mai 2014 bekräftigten Dänemark, die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island ihr Interesse an der Aufnahme von Verhandlungen mit der Europäischen Union mit dem Ziel, die Bestimmungen über Gefahrenabwehr und Strafverfolgung der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 im Wege eines internationalen Abkommens auf sie auszuweiten.
Am 14. Dezember 2015 ermächtigte der Rat die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der Europäischen Union einerseits und unter anderem der Schweiz und Liechtenstein andererseits über die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz und Liechtensteins an dem Verfahren für den Abgleich und die Übertragung von Daten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke gemäß Kapitel VI der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten.
Die Verhandlungen sind abgeschlossen und ein Abkommen in Form eines Protokolls zum Abkommen vom 26. Oktober 2004, mit dem die Anwendung des Abkommens vom 26. Oktober 2004 auf Gefahrenabwehr und Strafverfolgung ausgeweitet wurde, wurde paraphiert.
Die Ausweitung der Bestimmungen über Gefahrenabwehr und Strafverfolgung der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 auf die Schweiz und Liechtenstein würde es den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Schweiz und Liechtensteins ermöglichen, den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den Daten, die von anderen teilnehmenden Staaten eingegeben und in der Eurodac-Datenbank gespeichert werden, zu beantragen, um die Identität einer Person festzustellen oder weitere Informationen über eine Person, die einer terroristischen oder sonstigen schweren Straftat verdächtigt wird, oder über ein Opfer einzuholen. Auf der anderen Seite könnten dadurch die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden aller anderen teilnehmenden Staaten, seien es andere EU-Mitgliedstaaten oder assoziierte Länder, für dieselben Zwecke den Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den Daten beantragen, die von der Schweiz und Liechtenstein eingegeben und in der Eurodac-Datenbank gespeichert werden.
Dieses Protokoll soll rechtsverbindliche Ansprüche und Pflichten zur Gewährleistung der wirksamen Beteiligung der Schweiz und Liechtensteins an den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungselementen der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 begründen. In dem Protokoll wird festgelegt, dass alle teilnehmenden Staaten, seien es andere EU-Mitgliedstaaten, assoziierte Länder oder die Schweiz und Liechtenstein, die Zugang zu Eurodac haben, auch auf die Daten der anderen beteiligten Länder zu Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecken zugreifen können.
•Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Der Vorschlag steht mit der Politik der Union betreffend den Zugang zur Eurodac-Datenbank im Einklang.
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Der Vorschlag steht mit der Politik der Union im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht im Einklang.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage für diesen Vorschlag für einen Beschluss des Rates sind Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 88 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in Verbindung mit Artikel 218 Absatz 5 AEUV.
•Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)
Das Abkommen vom 26. Oktober 2004 ist eine bestehende internationale Übereinkunft zwischen der Union und der Schweiz. Im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV niedergelegten Subsidiaritätsprinzip können die Ziele des Protokolls zu diesem Abkommen nur durch einen Vorschlag der Kommission auf Unionsebene erreicht werden.
•Verhältnismäßigkeit
Zur Förderung und Stärkung der polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und denjenigen der Schweiz und Liechtensteins zum Zwecke der Verhütung, Aufdeckung oder Untersuchung terroristischer oder sonstiger schwerer Straftaten ist die Mitwirkung der Union erforderlich, damit die Schweiz und Liechtenstein sich an den mit Gefahrenabwehr und Strafverfolgung zusammenhängenden Elementen von Eurodac beteiligen können. Der Vorschlag entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da er nicht über das zur Erreichung des angestrebten Ziels der wirksamen Beteiligung der Schweiz und Liechtensteins an den Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungselementen der Eurodac-Verordnung (EU) Nr. 603/2013 erforderliche Maß hinausgeht.
•Wahl des Instruments
Nach Artikel 218 Absatz 5 AEUV ist ein Beschluss des Rates zur Genehmigung der Unterzeichnung des Abkommens erforderlich.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Konsultation der Interessenträger
Der Rat (Gruppe „Asyl“) wurde zu Inhalt und Fortgang der Verhandlungen konsultiert. Das Europäische Parlament (LIBE-Ausschuss) wurde in Kenntnis gesetzt.
4.WEITERE ANGABEN
•Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Vorgeschlagen wird ein Beschluss zur Genehmigung der Unterzeichnung des Protokolls zwischen der EU und der Schweiz und Liechtenstein im Namen der Europäischen Union. Laut AEUV erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission einen Beschluss zur Genehmigung der Unterzeichnung und des Abschlusses einer internationalen Übereinkunft.
Mit dem Protokoll wird die Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 auf die Schweiz und Liechtenstein betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke festgelegt. Damit ermöglicht es den benannten Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der anderen teilnehmenden Staaten und Europol, einen Abgleich der Fingerabdruckdaten mit den Daten zu beantragen, die die Schweiz und Liechtenstein an das Eurodac-Zentralsystem übermitteln. Ebenso ermöglicht es den benannten Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Schweiz und Liechtensteins, einen Abgleich von Fingerabdruckdaten mit den Daten zu beantragen, die die anderen teilnehmenden Staaten an das Eurodac-Zentralsystem übermitteln.
Mit dem Protokoll wird gewährleistet, dass das derzeitige Schutzniveau der Union für personenbezogene Daten auch für die im Rahmen des Protokolls erfolgende Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Behörden der Schweiz und Liechtensteins und der Mitgliedstaaten gilt. Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte nach jeweiligem nationalen Recht einem Standard für den Schutz personenbezogener Daten unterliegen, der der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates entspricht.
Gemäß dem Protokoll ist der Zugang der Schweiz und Liechtensteins zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke an die vorherige rechtliche und technische Umsetzung des Beschlusses 2008/615/JI in Bezug auf daktyloskopische Daten gebunden.
Das Protokoll sieht vor, dass die Mechanismen für Änderungen, die im Abkommen vom 26. Oktober 2004 vorgesehen sind, für alle Änderungen gelten, die den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke betreffen.
2018/0421 (NLE)
Vorschlag für einen
BESCHLUSS DES RATES
über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Union – eines Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke
DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a, Artikel 88 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 218 Absatz 5,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Am 14. Dezember 2015 ermächtigte der Rat die Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Schweiz und Liechtenstein über die Modalitäten der Beteiligung der Schweiz und Liechtensteins am Verfahren für den Abgleich und die Übertragung von Daten für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke gemäß Kapitel VI der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates.
(2)Die Verhandlungen wurden abgeschlossen und das Protokoll zum Abkommen vom 26. Oktober 2004 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags wurde am 22. November 2017 paraphiert.
(3)Dieses Protokoll sollte vorbehaltlich seines späteren Abschlusses im Namen der Europäischen Union unterzeichnet werden.
(4)Nach Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung des vorliegenden Beschlusses beteiligen möchten.
(5)Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme des vorliegenden Beschlusses und ist weder durch diesen Beschluss gebunden noch zu seiner Anwendung verpflichtet —
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
Artikel 1
Die Unterzeichnung des Protokolls zwischen der Europäischen Union, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat oder in der Schweiz gestellten Asylantrags betreffend den Zugang zu Eurodac für Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungszwecke wird hiermit vorbehaltlich des Abschlusses des genannten Protokolls im Namen der Europäischen Union genehmigt.
Artikel 2
Vorbehaltlich des Abschlusses des Protokolls stellt das Generalsekretariat des Rates die zu seiner Unterzeichnung erforderliche Bevollmächtigungsurkunde für die vom Verhandlungsführer des Protokolls benannte(n) Person(en) aus.
Artikel 3
Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Geschehen zu Brüssel am […]