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Document 52018DC0076

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Betrieb des Hochflussreaktors im Zeitraum 2014-15

COM/2018/076 final

Brüssel, den 27.2.2018

COM(2018) 76 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Betrieb des Hochflussreaktors im Zeitraum 2014-15

{SWD(2018) 46 final}


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Betrieb des Hochflussreaktors im Zeitraum 2014-15

Am 13. November 2012 verabschiedete der Rat für die Dauer von vier Jahren (2012-15) ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) durchzuführendes zusätzliches Forschungsprogramm 1 für den Betrieb des Hochflussreaktors (HFR) in Petten (Niederlande). Gemäß Artikel 4 dieses Ratsbeschlusses legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Berichte über die Durchführung des zusätzlichen Forschungsprogramms vor. Es wurde bereits ein Halbzeitbericht für den Zeitraum 2012-2013 erstellt 2 . Daher behandelt dieser Abschlussbericht den verbleibenden Zeitraum 2014-2015.

Der HFR ist seit 1961 in Betrieb und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten für Bestrahlungspositionen (Reaktorkern, Reflektor und Becken).

Hauptziele des zusätzlichen Forschungsprogramms sind:

·der sichere und zuverlässige Betrieb des HFR zur Sicherung der Verfügbarkeit des Neutronenflusses zu Versuchszwecken;

·die Ermöglichung einer effizienten Nutzung des HFR durch Forschungsinstitute in einer breiten Palette von Bereichen: Verbesserung der Sicherheit von Kernreaktoren, Gesundheitsschutz, einschließlich der Entwicklung medizinischer Isotope, Kernfusion, Grundlagenforschung und Ausbildung sowie Abfallentsorgung, u. a. auch die Untersuchung des sicherheitstechnischen Verhaltens von Kernbrennstoffen für Reaktorsysteme, die von Interesse für Europa sind.

Der HFR dient der gewerblichen Herstellung von Radioisotopen und ist eine Ausbildungseinrichtung für Doktoranden und promovierte Wissenschaftler, in der diese im Rahmen von nationalen oder europäischen Programmen Forschungstätigkeiten nachgehen können.

1. Sicherer Betrieb des HFR

Die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) ist Eigentümerin des HFR (Pacht von 99 Jahren). Der HFR-Reaktor wird von der NRG (Nuclear Research and Consultancy Group) betrieben, die die Anlage instand hält und die kommerziellen Tätigkeiten in Verbindung mit dem Reaktor verwaltet. Sie verfügt über eine Betriebsgenehmigung der niederländischen Aufsichtsbehörde KFD (Kernfysische Dienst). Ebenso wie für Kernkraftwerke ist auch für den HFR alle zehn Jahre eine sicherheitstechnische Überprüfung vorgeschrieben, die von der NRG durchgeführt wird.

Im Zeitraum 2014-15 (zweites Halbjahr 2015) war ein sicherheitsrelevantes Ereignis zu verzeichnen, durch das die Verfügbarkeit des Neutronenflusses beeinträchtigt wurde.

Nachdem der HFR unplanmäßig vier Monate lang abgeschaltet war, nahm er im Februar 2014 den Betrieb wieder auf. Der Zyklusplan umfasste 216 Betriebstage, viertägige geplante Reaktorabschaltungen sowie einen längeren Abschaltungszeitraum von 65 Tagen (Oktober/November 2014). Dies entspricht – unter Zugrundelegung des ursprünglichen Betriebsplans – einer tatsächlichen Verfügbarkeit von beinahe 100 %. Die Nennleistung in diesem Zeitraum betrug 45 MW.

Der HFR sollte 2015 9 Zyklen mit insgesamt 271 Tagen bei voller Leistung ausführen, war jedoch nur 230 Tage in Betrieb. Der Verlust der Betriebstage bei voller Leistung ist im Wesentlichen auf die Annullierung des Zyklus 2015-08 im Oktober 2015 zurückzuführen, die wegen einer Abweichung bei der Leistung des Steuerstabsystems erforderlich war. Die Kontrollen und Analysen hatten einen marginalen Spielraum bei einem der Steuerstäbe ergeben, die zur Regelung der Reaktorleistung verwendet werden. Dieser Spielraum hatte zwar keinerlei Auswirkungen auf die Funktionalität des Steuerstabs oder die Reaktorsicherheit; trotzdem wurde vorbeugend ein neues Verfahren für Montage, Inbetriebnahme und Wartung/Inspektion der Steuerstäbe entwickelt, um solche Vorkommnisse in Zukunft zu vermeiden. Dieses Verfahren wurde dann in den Sicherheitsnachweis aufgenommen, der vom Ausschuss für Reaktorsicherheit und der Autoriteit Nucleaire Veiligheid en Stralingsbescherming (ANVS) – der niederländischen Aufsichtsbehörde – geprüft wurde. Die ANVS erklärte förmlich, dass sie keine Einwände gegen die erneute Betriebsaufnahme des Reaktors habe. Dieser wurde im Dezember 2015 unter sicheren Bedingungen wieder in Betrieb genommen. In enger Zusammenarbeit mit Niettechnikexperten und im Anschluss an einen Informationsbesuch im SAFARI-Reaktor in Südafrika, dessen Steuerstäbe von ähnlicher Bauart sind, beschloss man, auch die strukturelle Auslegung der Steuerstäbe zu verbessern. Zur Erhöhung der Sicherheitsmarge sollen andere Nieten eingesetzt werden. Außerdem soll das Auflager für die Stabführungsrohre durch Verwendung eines anderen Materials verbessert werden. Diese Änderungen sollen zwischen 2018 und 2019 vorgenommen werden.

Die Nennleistung in diesem Zeitraum betrug 45 MW.

Während des Berichtszeitraums (2014-2015) wurden die jährlichen 30-MW-Reaktor-Schulungen für das Bedienungspersonal sowie die jährlichen Flussmessungen wie geplant durchgeführt.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden entsprechend den jährlichen und langfristigen Instandhaltungsplänen Wartungsarbeiten an allen Systemen, Bauten und Komponenten des HFR zur Vorbeugung, Störungsbehebung und Instandsetzung nach einem Ausfall durchgeführt. Diese Tätigkeiten wurden im Interesse eines sicheren und zuverlässigen Betriebs des HFR und zur Vermeidung unbeabsichtigter Abschaltungen infolge unzureichender Wartung ausgeführt. Die folgenden Maßnahmen wurden erfolgreich durchgeführt:

·geplante regelmäßige vorbeugende und korrektive Wartungsarbeiten;

·regelmäßige Dichtheitsprüfung des Containmentgebäudes (0,02 MPa Überdruck während 24 Stunden), eine der Genehmigungsauflagen;

·Kontrolle der sicherheitsrelevanten Teile des Primärsystems während des Betriebs (Reaktorbehälter, Auslass-Reduzierstücke, Bottom Plug und Primärleitungen im Primärpumpengebäude);

·Reinigung des sekundären Kühlsystems;

·Überprüfung der Diesel-Notstromgeneratoren.

2. Forschung und Isotopenherstellung

2.1 Forschung

Im Zeitraum 2014-15 wurden die folgenden wissenschaftlichen Tätigkeiten durchgeführt (in vielen Fällen handelt es sich um die Fortsetzung von Tätigkeiten des Zeitraums 2012-13):

·Brennstoffbestrahlungsexperimente zur Untersuchung der Verringerung der Radiotoxizität nuklearer Abfälle; technologische Fragen der Umwandlung von minoren Actinoiden (z. B. Tauglichkeit, Spaltprodukte zurückzuhalten; staubfreier Prozess; Helium-Schwellen);

·Brennstoffqualifizierung (z. B. für Hochtemperatur- und Flüssigsalzreaktoren) und Grafitqualifizierung für Hochtemperaturreaktoren;

·Experimente zur Untersuchung der Degradation des Kernreaktorstrukturmaterials bei Bestrahlung (Grafit, Modellstähle, Schweißnähte usw.);

·Fusionsreaktortechnologie für die Bestrahlungs- und Nachbestrahlungsanalyse von für den Brutmantel des ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) vorgesehenem Material;

·Werkstoffstandardisierung (z. B. Neutronenstreuungsmethode für Eigenspannungsmessungen bei dicken bimetallischen Schweißnähten; Eigenspannungsmessungen).

2.2 Isotopenherstellung

Weltweit sind täglich rund 25 000 Patienten für Diagnose und Therapie auf medizinische Radioisotope angewiesen, die am HFR-Reaktor in Petten hergestellt werden.

Die NRG liefert diese medizinischen Isotope vor allem an Radiopharmazeutika-Unternehmen. Das bei weitem wichtigste der Isotope ist Molybdän-99, ein Vorläufer von Technetium-99m, dem bei der Bildgebung am häufigsten verwendeten medizinischen Isotop (80 % aller nuklearen Diagnoseverfahren). Es spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose von Herzerkrankungen und wird im Rahmen von Knochen- und Organaufnahmen auch für die Krebsdiagnose eingesetzt. Darüber hinaus befinden sich neue Behandlungsmethoden in der Entwicklung, weshalb die Nachfrage nach (neuen) Isotopen ständig wächst. Angesichts der Halbwertzeit der hergestellten Isotope und der hohen Nachfrage nach Behandlungen ist eine reibungslos funktionierende Just-in-time-Logistik von entscheidender Bedeutung.

In den Niederlanden wurden kürzlich die Kompetenzen der NRG, von URENCO (Kernbrennstoffunternehmen mit mehreren Urananreicherungs anlagen) und der Technischen Universität Delft auf dem Gebiet der medizinischen Radioisotope im „Dutch Isotope Valley“ (DIVA) zusammengeführt. Durch diese Partnerschaft haben Kenntnisse, Fähigkeiten, Kapazitäten und alternative Methoden für die Herstellung von (medizinischen) Isotopen eine kritische Masse erreicht, um den Weltmarkt bedienen zu können. Da der NRU-Reaktor in Chalk River (Kanada) die routinemäßige Herstellung von Mo-99 einstellen wird und 2018 abgeschaltet werden soll und Kanada sich statt auf den Export nun in erster Linie auf die Binnennachfrage konzentrieren will, bietet sich hier für das DIVA eine ausgezeichnete Gelegenheit, diese Produktionslücke zu füllen.

Die niederländische Regierung hat der NRG über deren Muttergesellschaft ECN für die Durchführung des Asset-Integrity-Management-Programms – einer Voraussetzung für den Betrieb des HFR und der damit verbundenen Anlagen bis 2024 – ein Darlehen gewährt. Parallel dazu hat die NRG die Preise für alle ihre Leistungen erhöht, was von allen Kunden akzeptiert wurde. Insbesondere haben die 6 größten Isotopenabnehmer der NRG dieser ihr Vertrauen dadurch ausgesprochen, dass sie langfristige Lieferverträge unterzeichnet haben. Dies war für die NRG ein erfolgreicher Schritt in Richtung finanzielle Solidität und Existenzfähigkeit.

Der HFR hat am 14. Februar 2014 den Betrieb wieder aufgenommen und für den Rest des Jahres seine Produktion planmäßig durchgeführt. Er war somit wieder einer der größten Hersteller medizinischer Isotope weltweit. 2015 entfiel ein Produktionszyklus im Oktober, die Produktion konnte jedoch im Dezember 2015 wieder aufgenommen werden.

3. Finanzbeiträge für die Durchführung des Programms

2014-15 gingen von den Mitgliedstaaten folgende finanzielle Beiträge für die Durchführung des zusätzlichen Forschungsprogramms ein:

·Belgien: 300 000 EUR (2014) + 300 000 EUR (2015)

·Frankreich: 300 000 EUR (2014) + 300 000 EUR (2015)

·Niederlande: 7 250 000 EUR (2014) + 7 250 000 EUR (2015),

insgesamt somit 15 700 000 EUR. Diese Beiträge decken die in Anhang II des Ratsbeschlusses 2012/709/Euratom genannten Ausgaben. Die Europäische Kommission kommt nicht für ein betriebsbedingtes Defizit auf, auch nicht für mögliche Instandhaltungs- oder Reparaturkosten. Dieser Betrag deckt auch die Finanzmittel für den Stilllegungsfonds und sonstige Ausgaben im Zusammenhang mit der Verwaltung des zusätzlichen Forschungsprogramms durch die Kommission.

Seit 2004 stieg infolge der Neubewertung der Stilllegungskosten der jährliche Beitrag des Zusatzprogramms zum Stilllegungsfonds von 400 000 EUR/Jahr auf 800 000 EUR/Jahr. Dieser Betrag wird aus a) Mitteln des ordentlichen Haushalts des zusätzlichen Forschungsprogramms und b) Zinseinkünften des Bankkontos des Stilllegungsfonds des zusätzlichen Forschungsprogramms gezahlt. Im Jahr 2014 betrugen die vom Stilllegungsfonds erwirtschafteten Zinsen schätzungsweise 145 000 EUR. Daher war aus dem ordentlichen Haushalt des zusätzlichen Forschungsprogramms nur noch ein Betrag von 655 000 EUR erforderlich, um den Jahresbeitrag von 800 000 EUR zu erreichen. Der Gesamtumfang des Stilllegungsfonds beläuft sich auf 17 239 000 EUR. Der Fonds wird zur Deckung der künftigen Kosten der Stilllegung des HFR beitragen, die von Euratom zu tragen sind und in den jüngsten verfügbaren Stilllegungsstudien auf 72 600 000 EUR veranschlagt werden 3 .

Sonstige Ausgaben der JRC während des Berichtszeitraums, die direkt aus dem Haushalt des zusätzlichen Forschungsprogramms getätigt werden:

·direkte Personalkosten (z. B. Verwaltung des zusätzlichen HFR-Forschungsprogramms): 257 000 EUR

·HFR-Unterstützungskosten (z. B. Rechtsberatung): 166 000 EUR

·Versorgungsleistungen (z. B. Strom, Heizung, Wasser): 1040 000 EUR

·Entsorgung abgebrannter Brennelemente: 2 450 000 EUR.

Einer beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen sind die technischen Ergebnisse des HFR-Betriebs in den Jahren 2014-15 im Einzelnen zu entnehmen.

(1)

   Beschluss 2012/709/Euratom des Rates vom 13. November 2012 über die Annahme des von der Gemeinsamen Forschungsstelle für die Europäische Atomgemeinschaft durchzuführenden zusätzlichen Forschungsprogramms für den Hochflussreaktor (2012-2015).

(2)

   BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT: Betrieb des Hochflussreaktors im Zeitraum 2012-13 (COM(2016) 170).

(3)

   Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament — Stilllegung kerntechnischer Anlagen und Entsorgung radioaktiver Abfälle: Wahrnehmung der sich aus der Tätigkeit der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS) im Rahmen des Euratom-Vertrags ergebenden Zuständigkeiten im kerntechnischen Bereich (COM(2013) 734 final).

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