EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 5.5.2015
COM(2015) 190 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS
Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
Bericht über die Anwendung der Richtlinie 2004/113/EG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen
1.Einleitung
Die Gleichstellung von Männern und Frauen ist ein Grundprinzip der Europäischen Union. Nach Maßgabe der EU-Verträge und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist jegliche Diskriminierung wegen des Geschlechts verboten und muss die Gleichheit von Männern und Frauen in allen Bereichen sichergestellt werden.
Die Richtlinie 2004/113/EG
(„Richtlinie“) erweitert den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts über den traditionellen Bereich des Arbeitsmarkts hinaus auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Damit wird die Verpflichtung zur Gleichbehandlung bei den meisten alltäglichen wirtschaftlichen Transaktionen umgesetzt, die sich auf das Leben der Bürgerinnen und Bürger in der EU auswirken.
In ihrem ersten Bericht über die Anwendung der Richtlinie will die Kommission darlegen, inwieweit die Richtlinie vor Ort umgesetzt worden ist.
Im Test-Achats-Urteil von 2011 erklärte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie für ungültig.
Gemäß dieser Bestimmung war die Anwendung geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Faktoren in Versicherungsverträgen zulässig. Das Urteil verpflichtete die Mitgliedstaaten, bis zum 21. Dezember 2012 geschlechtsneutrale Prämien und Leistungen vorzuschreiben. Die Kommission verabschiedete Leitlinien, die sich mit den Folgen des Urteils von 2011 auseinandersetzten.
Der vorliegende Bericht trägt den Leitlinien Rechnung und befasst sich auch mit der Umsetzung des Urteils in den Mitgliedstaaten. Er beschränkt sich jedoch nicht auf den Bereich der Finanzdienstleistungen, sondern unterzieht die Umsetzung der gesamten Richtlinie einer umfassenden Überprüfung.
Alle Mitgliedstaaten übermittelten der Kommission Informationen, die in den Bericht eingeflossen sind. Außerdem konsultierte die Kommission die nationalen Gleichstellungsstellen und deren europäisches Netzwerk (Equinet), die Sozialpartner, zivilgesellschaftliche Organisationen und das Europäische Netzwerk von Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten auf dem Gebiet der Gleichstellung von Frauen und Männern.
2.Stand der Umsetzung und Vertragsverletzungsverfahren
Die Richtlinie 2004/113/EG wurde in allen 28 Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt.
Die Kommission hat geprüft, ob die nationalen Umsetzungsvorschriften mit der Richtlinie vereinbar sind. Die Überprüfung der nationalen Rechtsvorschriften und die Erfahrungen mit ihrer konkreten Anwendung zeigen, dass es nach wie vor Probleme bei der Umsetzung der Richtlinie gibt, insbesondere in Bezug auf die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 4 Absatz 5, die unter bestimmten Bedingungen die Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts gestattet.
Im Anschluss an diese Überprüfung wurden an 17 Mitgliedstaaten Fragen gerichtet. Den übermittelten Informationen war zu entnehmen, dass in elf dieser Mitgliedstaaten die Umsetzung hinreichend klar und ordnungsgemäß erfolgt war oder die nationalen Vorschriften im Einklang mit der Richtlinie geändert wurden. Mit sechs Mitgliedstaaten wird weiterhin ein intensiver Dialog über eine ausreichende Umsetzung der Richtlinie geführt.
Die Bedenken betreffen hauptsächlich einen eingeschränkten Geltungsbereich der nationalen Rechtsvorschriften, beispielsweise durch ein zu restriktives Verständnis der Formulierung Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens angeboten werden, oder durch einen Schutz, der sich nur auf Verbraucher als Empfänger von Dienstleistungen erstreckt. Ein weiteres häufig auftretendes Problem ist ein zu breiter Anwendungsbereich der Möglichkeit, eine Ungleichbehandlung auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie zu rechtfertigen, was zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung bei der Preisgestaltung für dieselbe Dienstleistung (zum Beispiel Eintrittspreise für Diskotheken oder Sportveranstaltungen oder Gebühren für Mietwagen) führen kann. Einige Fragen beziehen sich auf den unzureichenden Schutz bei der Erbringung von Dienstleistungen im Falle von Schwangerschaft oder Mutterschaft oder auf einen unzureichenden Umfang des Rechts auf Schadensersatz – beispielsweise infolge eines fehlenden Anspruchs auf Entschädigung für immaterielle Schäden.
Die Kommission hat zahlreiche Beschwerden von Bürgern erhalten, von denen die meisten einzelne Fälle angeblicher Diskriminierung bei Transaktionen zwischen Privatpersonen ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten betreffen. Bei diesen Fällen geht es nicht um eine fehlerhafte Umsetzung oder Anwendung der Richtlinie durch einen Mitgliedstaat. Rechtsbehelfe sind in diesen Fällen nur nach nationalem Recht und über die nationalen Gerichte möglich. Es sind keine Vertragsverletzungsverfahren nach einer Beschwerde wegen fehlerhafter Umsetzung oder Anwendung der Richtlinie durch Mitgliedstaaten anhängig.
3.Geltungsbereich der Richtlinie
Gemäß Artikel 3 der Richtlinie gilt diese für alle Personen, die Güter und Dienstleistungen bereitstellen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens angeboten werden. Sie erstreckt sich sowohl auf den privaten als auch auf den öffentlichen Sektor, einschließlich öffentlicher Stellen.
3.1
Dienstleistungen
Laut Erwägungsgrund 11 der Richtlinie sind unter Dienstleistungen jene im Sinne des Artikels 57 AEUV zu verstehen. Im Einklang mit dieser Bestimmung und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH muss eine Dienstleistung eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, d. h. in der Regel gegen Entgelt erbracht werden.
Der wirtschaftliche Charakter der Tätigkeit hängt nicht von der nationalen Rechtsstellung des Dienstleisters oder von der betreffenden Dienstleistung ab. So hat der Gerichtshof beispielsweise befunden, dass die Tätigkeiten der Mitglieder einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft
ebenso wie die Tätigkeiten von Amateursportvereinigungen
eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen können.
Nach der ständigen Rechtsprechung muss insbesondere im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen die Dienstleistung nicht unbedingt von demjenigen bezahlt werden, dem sie zugutekommt.
Daher findet die Richtlinie Anwendung auf alle Güter und Dienstleistungen, die gegen Entgelt geliefert bzw. erbracht werden (einschließlich insbesondere Gesundheitsdienstleistungen
), mit Ausnahme derjenigen, die ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich ausgeschlossen sind, nämlich Dienstleistungen im Bereich der Bildung und der Inhalt von Medien und Werbung. Nicht unter die Richtlinie fallen des Weiteren Maßnahmen des öffentlichen Sektors, die mit der Ausübung der öffentlichen Gewalt (zum Beispiel durch die Polizei) verbunden sind, ohne dass ein Bestandteil der Erbringung einer „Dienstleistung“ vorhanden ist.
3.2
Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen und die außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens angeboten werden
Die Richtlinie sieht die Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen vor, wobei präzisiert wird, dass dies Güter und Dienstleistungen betrifft, die „der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ und die „außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens angeboten werden“ (Artikel 3 Absatz 1). Hinsichtlich des genauen Geltungsbereichs der Richtlinie könnten Fragen aufgeworfen werden, die insbesondere in Urteilen des Gerichtshofs eine Rolle spielen könnten.
Die Formulierung Dienstleistungen, die „der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“ und die „außerhalb des Bereichs des Privat- und Familienlebens (...) angeboten werden“ schließt im Umkehrschluss aus dem Geltungsbereich der Richtlinie Tätigkeiten im Rahmen von Beziehungen aus, die ausschließlich in den Bereich des Privat- und Familienlebens fallen und nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Dies ist dann der Fall, wenn Güter oder Dienstleistungen nicht öffentlich (zum Beispiel durch eine Werbung in einer Zeitung oder auf einer öffentlich zugänglichen Website), sondern einem begrenzten Personenkreis (Familienangehörige, Freunde, Kollegen oder sonstige Bekannte) angeboten werden. Dieser Ausschluss betrifft auch Situationen, in denen sich die Nähe zur Privatsphäre der Person, die Güter oder Dienstleistungen anbietet, stärker auf die Wahl des Vertragspartners auswirkt als die üblichen wirtschaftlichen Erwägungen.
3.3
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – Geschlechtsumwandlung
Im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH gelten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts auch für Diskriminierungen, die ihre Ursache in der Geschlechtsumwandlung einer Person haben.
Nur fünf Mitgliedstaaten
haben die Geschlechtsumwandlung als spezifischen Diskriminierungsgrund ausdrücklich in ihre Rechtsvorschriften aufgenommen. Die anderen Mitgliedstaaten haben die Geschlechtsumwandlung zwar nicht ausdrücklich erfasst, machen aber geltend, dass sich der Schutz vor einer diesbezüglichen Diskriminierung aus dem Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH ergibt. In Zypern beispielsweise haben die Gerichte bereits präzisiert, dass die Diskriminierung aufgrund einer Geschlechtsumwandlung unter die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts fällt. In Irland wurde dies für Diskriminierungen im Bereich der Beschäftigung klargestellt.
Bislang hat sich der EuGH nur zur Geschlechtsumwandlung geäußert. Zur Geschlechtsidentität
generell gibt es keine Rechtsprechung dahingehend, dass dieser Aspekt durch den Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts abgedeckt ist, die Kommission ist jedoch der Auffassung, dass hier ein in sachlicher Hinsicht ähnlicher Ansatz verfolgt werden sollte.
3.4
Definition der Belästigung
In Artikel 4 Absatz 3 der Richtlinie wird klargestellt, dass Belästigung und sexuelle Belästigung im Sinne von Artikel 2 Buchstaben c und d als Diskriminierung gelten und daher verboten sind.
Bei der Umsetzung des Verbots der Belästigung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf den gleichberechtigten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen wurden keine besonderen Schwierigkeiten erwähnt. In einigen Mitgliedstaaten
wurden jedoch Fragen hinsichtlich der konkreten Umsetzung in Fällen, in denen die Belästigung von einem Dritten ausgeht, der nicht der Anbieter der Güter oder Dienstleistungen ist, und hinsichtlich der Haftung in diesen Fällen aufgeworfen. Die Frage der Haftung eines Dienstleisters für eine Belästigung durch einen Dritten könnte insbesondere relevant sein, wenn die Kerndienstleistung darin besteht, eine Plattform für die Kommunikation zwischen Kunden – beispielsweise im Internet – bereitzustellen, bei deren Nutzung es zu der Belästigung kommt.
Es wurden einige Beschwerden
wegen Belästigung und sexueller Belästigung im Zusammenhang mit dem gleichberechtigten Zugang zu Gütern und Dienstleistungen gemeldet. Hierzu liegen keine ausreichenden Angaben vor, da in einigen Mitgliedstaaten keine Daten zu dieser Problematik erhoben werden
und in anderen nicht nach dem Diskriminierungsgrund unterschieden wird
.
3.5
Schutz von Schwangeren und Müttern
In Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a wird ausdrücklich erwähnt, dass die Schlechterstellung von Frauen aufgrund von Schwangerschaft oder Mutterschaft als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verboten ist. Bei der Umsetzung des Schutzes von schwangeren und stillenden Frauen wurde auf keine besonderen Schwierigkeiten hingewiesen. Allerdings ist die Frage der korrekten Umsetzung dieser Bestimmung Gegenstand eines intensiven Dialogs mit den Mitgliedstaaten
, die entweder einen ausdrücklichen Schutz in den Rechtsvorschriften vorgesehen haben oder diesen Schutz aus dem allgemeinen Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ableiten.
Ziemlich weit verbreitet sind offensichtlich praktische Probleme, die sich daraus ergeben, dass Dienstleister die Stillmöglichkeit in ihren Räumlichkeiten beschränken. In einigen Mitgliedstaaten verbieten Restaurants das Stillen in ihren Räumlichkeiten.
In anderen Mitgliedstaaten treten Probleme im Zusammenhang mit dem Zugang zu Dienstleistungen mit einem Kinderwagen auf.
Ein Mitgliedstaat
hat spezifische Leitlinien für das Stillen während der Erbringung oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung veröffentlicht.
In geringerem Maße wurde über Schwierigkeiten für Schwangere im Bereich Finanzdienstleistungen und im Wohnungswesen berichtet. Laut Angaben aus Litauen wurden dort Frauen wegen Schwangerschaft Kreditdienstleistungen verweigert, wodurch es zu Einnahmenverlusten kam. Österreich berichtet über die Beschwerde einer schwangeren Studentin, deren Mietvertrag mit einem kirchlich geführten Studentenwohnheim gekündigt wurde, nachdem sie schwanger geworden war.
4.Zugang zu Waren und Dienstleistungen ausschliesslich für die Angehörigen eines Geschlechts oder unter anderen Bedingungen für Männer und Frauen
4.1
Artikel 4 Absatz 5 und seine Umsetzung
Gemäß Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie schließt diese eine unterschiedliche Behandlung nicht aus, wenn es durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist, die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts bereitzustellen, und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. In Erwägungsgrund 16 der Richtlinie wird präzisiert, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Ein solches Ziel könnte sein: der Schutz von Opfern sexueller Gewalt (zum Beispiel in einer Zufluchtsstätte für Personen gleichen Geschlechts), der Schutz der Privatsphäre und des sittlichen Empfindens, die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter oder der Interessen von Männern und Frauen (zum Beispiel ehrenamtliche Einrichtungen, die nur den Angehörigen eines Geschlechts zugänglich sind), die Vereinsfreiheit (private Klubs, die nur den Angehörigen eines Geschlechts zugänglich sind) und die Organisation sportlicher Tätigkeiten (zu denen ausschließlich die Angehörigen eines Geschlechts zugelassen sind).
Die ordnungsgemäße Umsetzung dieser Ausnahmeregelung ist offensichtlich eines der Hauptprobleme bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht sowie bei ihrer Auslegung in Einzelfällen. Die von einer Reihe von Mitgliedstaaten und Interessenträgern
übermittelten Informationen lassen auf Schwierigkeiten bei der Auslegung und konkreten Umsetzung von Artikel 4 Absatz 5 mit der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit schließen, da es offenbar unterschiedliche Ansätze in Bezug auf die Auslegung dieser Bestimmung gibt.
Als Ausnahme vom Grundsatz der Gleichbehandlung muss die Bestimmung eng ausgelegt werden.
Sie dürfte ausschließlich Situationen betreffen, in denen die Güter und Dienstleistungen ausschließlich oder vorwiegend für die Angehörigen eines Geschlechts zur Verfügung stehen, ohne dass die Möglichkeit vorgesehen ist, die Güter und Dienstleistungen der Allgemeinheit anzubieten. Wenn Angehörige beider Geschlechter Zugang zu den Gütern oder Dienstleistungen haben, gelten für Männer und Frauen unterschiedliche Bedingungen.
Dass es relativ wenig Rechtsprechung zu dieser Bestimmung gibt, stellt den Angaben zufolge in der Praxis die Hauptschwierigkeit bei der Beurteilung dar, ob im Einzelfall eine Ausnahmeregelung auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 5 gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.
Es gibt offenbar wiederholt Probleme im Zusammenhang mit der Frage, ob das Erfordernis eines legitimen Ziels gemäß der betreffenden Bestimmung erfüllt ist.
So sind die Gleichstellungsstellen in Bezug auf ausschließlich Frauen zugängliche Sporthallen, Fitnesscenter oder Beauty Clubs offenbar zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen bei der Frage gelangt, ob die Zugangsbeschränkung auf die Angehörigen eines Geschlechts zulässig ist oder nicht.
Darüber hinaus versuchen Dienstleister, die einer geschlechtsspezifischen Ungleichbehandlung von Männern und Frauen (im Allgemeinen in Form unterschiedlicher Preise) beschuldigt werden, häufig, ihr Vorgehen mit Artikel 4 Absatz 5 zu begründen, obwohl die Dienstleistung nicht ausschließlich den Angehörigen eines Geschlechts angeboten wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eine ausgewogene Zahl von männlichen und weiblichen Mitgliedern angestrebt wird. Es gibt offenbar unterschiedliche Auslegungen in Bezug auf die Zulässigkeit solcher Praktiken.
4.1.1
Dienstleistungen, die lediglich für die Angehörigen eines Geschlechts bereitgestellt werden
In einigen der Fälle, in denen Dienstleistungen lediglich den Angehörigen eines Geschlechts angeboten wurden, wurde vor den nationalen Gerichten Klage erhoben.
Beispielsweise wurde es in Belgien als ungerechtfertigt beurteilt, den Zugang zu einem Fitnesscenter ausschließlich Frauen vorzubehalten. In Dänemark erachtete ein Gericht es für diskriminierend, dass ein Hotel eine Etage mit Hotelzimmern ausschließlich für Frauen reservierte.
Auch wenn eine Dienstleistung in einigen Bereichen grundsätzlich für die Angehörigen beider Geschlechter bereitgestellt wird, tendieren Dienstleister mitunter dazu, den Zugang zu der Dienstleistung vorübergehend den Angehörigen eines Geschlechts vorzubehalten, um eine ausgewogene Zahl von Frauen und Männern zu erreichen. Dies ist insbesondere in Diskotheken, Clubs, Fitnesscentern oder Thermalbädern der Fall. Einige dieser Fälle waren Gegenstand von Gerichtsurteilen. So haben beispielsweise in Deutschland mehrere Gerichte entschieden, dass es nicht gerechtfertigt war, den Eintritt in einen Club oder den Zugang zur Mitgliedschaft in einem Fitnesscenter Frauen vorzubehalten, weil der angestrebte Frauenanteil noch nicht erreicht worden war. Dagegen vertritt die tschechische Gleichstellungsstelle die Auffassung, dass unterschiedliche Preise im Hinblick auf ein ausgewogenes Verhältnis der weiblichen und männlichen Nutzer gerechtfertigt sein können.
4.1.2
Unterschiedliche Preise für dieselbe Dienstleistung
Zu den am häufigsten angeführten Beispielen für eine Ungleichbehandlung gehört die unterschiedliche Preisgestaltung für die dieselben Dienstleistungen. Vor allem im Freizeitbereich war diese Praxis anzutreffen. So gab es unterschiedliche Preise für Männer und Frauen für den Eintritt in Diskotheken (oder einen kostenlosen Eintritt für Frauen) sowie in Clubs und Bars
, den Zugang zu Dating-Websites
sowie den Eintritt zu Sportveranstaltungen und zu Aktivitäten in Thermalbädern und Saunas
. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Preisgestaltung für Dienstleistungen von Friseuren sind ebenfalls eine gängige Praxis.
Einige dieser Preisunterschiede waren Gegenstand von Gerichtsurteilen, in denen die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit einer solchen Preisgestaltung im Einzelfall geprüft wurden. In Österreich hat beispielsweise ein Gericht befunden, dass das Ziel der Erweiterung der Fußball-Fangemeinde und der Förderung des Frauenfußballs günstigere Eintrittskarten für Frauen rechtfertigte. In Deutschland hat ein Gericht entschieden, dass die unentgeltliche Nutzung einer Dating-Website für Frauen insofern gerechtfertigt war, als Frauen dazu ermutigt werden mussten, sich anzumelden, was für die Männer von Vorteil sei, die auf dieser Website nach einer Partnerin suchten.
Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass eine an das geschlechtsspezifische gesetzliche Rentenalter in Österreich geknüpfte unterschiedliche Altersgrenze für Männer und Frauen bei der Gewährung von Preisnachlässen für Senioren bei Tickets für den öffentlichen Verkehr eine Diskriminierung darstellt und dass die Ausnahme gemäß Artikel 4 Absatz 5 nicht für Dienstleistungen gilt, die Männern und Frauen angeboten werden.
Ein weiteres häufig auftretendes Problem, das Anlass zu Beschwerden gibt, ist die Geschäftspraxis kurzfristiger Sonderangebote für die Angehörigen eines Geschlechts (zum Beispiel „Ladies Days“), zu der es häufig bei Anlässen wie dem Internationalen Frauentag kommt. In einigen Mitgliedstaaten wird konkret darüber diskutiert, ob diese Art der Verkaufsförderung gerechtfertigt ist. In Finnland beispielsweise schlägt der Beschäftigungs- und Gleichstellungsausschuss des finnischen Parlaments vor, eine gezielt auf Frauen oder auf Männer ausgerichtete Verkaufsaktion nur zu seltenen und besonderen Anlässen wie dem Muttertag oder dem Vatertag zuzulassen und auch dann nur, wenn der Geldwert des Angebots relativ gering ist.
4.2
Artikel 6 – Positive Maßnahmen
Gemäß Artikel 6 der Richtlinie hindert der Gleichbehandlungsgrundsatz die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der vollen Gleichstellung von Männern und Frauen in der Praxis spezifische Maßnahmen, mit denen geschlechtsspezifische Benachteiligungen verhindert oder ausgeglichen werden, beizubehalten oder zu beschließen.
Nur einige Mitgliedstaaten haben über das Vorhandensein spezifischer Bestimmungen über positive Maßnahmen berichtet, die Anbietern von Gütern oder Dienstleistungen gestatten, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden, um beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Geschlechtern zu erreichen. Beispielsweise können in der Slowakei Behörden oder juristische Personen befristete positive Maßnahmen beschließen, um Benachteiligungen aufgrund des Genders oder des Geschlechts – insbesondere mit dem Ziel der Gewährleistung der Chancengleichheit in der Praxis – zu beseitigen.
Im Vereinigten Königreich gestattet eine allgemeine Bestimmung über positive Maßnahmen Anbietern von Gütern oder Dienstleistungen, deren Bereitstellung auf Personen eines bestimmten Geschlechts auszurichten, wenn diese die Güter oder Dienstleistungen nachweislich in unverhältnismäßig geringem Maße erwerben bzw. in Anspruch nehmen.
Es ist darauf hinzuweisen, dass – abgesehen von der Ausnahmeregelung gemäß Artikel 4 Absatz 5 – Artikel 6 der Richtlinie bisweilen auch von Dienstleistern herangezogen wird, um eine unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen bei der Bereitstellung von Gütern und Dienstleistungen zu rechtfertigen. Bei einer engen Auslegung von Artikel 4 Absatz 5 könnten positive Maßnahmen die einzige Möglichkeit sein, um unterschiedliche Bedingungen beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen, die Männern und Frauen angeboten werden, zu rechtfertigen. Diese Option setzt jedoch stets voraus, dass die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahmen im Einzelfall geprüft werden.
Einige nationale Gerichte haben bereits über die Anwendung des Artikels 6 auf eine derartige Ungleichbehandlung entschieden. In Österreich beispielsweise hat ein Gericht einer unteren Instanz befunden, dass günstigere Fußballtickets für Frauen eine positive Maßnahme im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes darstellen, um Benachteiligungen von Frauen zu verhindern oder zu beseitigen.
Der EuGH hat sich bisher noch nicht zum Konzept der positiven Maßnahmen außerhalb des spezifischen Bereichs des Zugangs zur Beschäftigung geäußert. Im Griesmar-Urteil
hat der Gerichtshof allerdings entschieden, dass großzügigere Bestimmungen für die Berechnung der Betriebsrenten von Frauen nicht als positive Maßnahme zum Ausgleich von Benachteiligungen von Frauen aufgrund von Unterbrechungen ihrer beruflichen Laufbahn eingestuft werden können, da sie diese Benachteiligungen nicht verhindern oder beseitigen. Angesichts dieser Auslegung ist es möglicherweise nicht leicht, in ähnlichen Situationen, in denen kein eindeutiger und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einer Vorzugsbehandlung auf der einen Seite und den zu verhindernden oder zu beseitigenden Benachteiligungen auf der anderen Seite besteht, auf positive Maßnahmen zurückzugreifen.
5.Umsetzung des Test-Achats-Urteils
5.1
Urteil
In seinem Test-Achats-Urteil hat der EuGH Artikel 5 Absatz 2 für ungültig erklärt. Diese Bestimmung gestattete die Beibehaltung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei der Erbringung von Versicherungsdienstleistungen, sofern relevante und genaue versicherungsmathematische und statistische Daten die Grundlage hierfür bildeten. Der Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass dadurch, dass den Mitgliedstaaten gestattet wird, eine Ausnahme von der in Artikel 5 Absatz 1 festgelegten Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen (Unisex-Regel) unbefristet aufrechtzuerhalten, Artikel 5 Absatz 2 der Verwirklichung des mit der Richtlinie im Versicherungsbereich verfolgten Ziels der Gleichbehandlung von Frauen und Männern bei der Berechnung von Versicherungsprämien und -leistungen zuwiderläuft. Artikel 5 Absatz 2 ist daher mit den Artikeln 21 und 23 der Charta der Grundrechte unvereinbar. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass die Unisex-Regel ab dem 21. Dezember 2012 ohne Ausnahmeregelung in Bezug auf die Berechnung von Prämien und Leistungen in neuen Verträgen anzuwenden sei.
5.2
Umsetzung des Urteils
27 Mitgliedstaaten haben das Urteil bereits in nationales Recht umgesetzt.
In allen Fällen wurden die nationalen Rechtsvorschriften rechtsverbindlich geändert
, indem die bestehenden Rechtsvorschriften im Bereich Versicherungen
, im Bereich Gleichbehandlung
oder in beiden Bereichen
angepasst wurden. Einige Mitgliedstaaten gaben weitere Leitlinien heraus, um der Versicherungsbranche die Umstellungen zu erleichtern. In Österreich beispielsweise versandten die Finanzmarktaufsichtsbehörden (FMA) ein Rundschreiben, in dem sie die Versicherungsgesellschaften aufforderten, geschlechtsneutrale versicherungsmathematische Tabellen nachzuweisen. Im Vereinigten Königreich gab die Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen (Financial Services Authority – FSA) Leitlinien heraus.
Die meisten Mitgliedstaaten setzten das Urteil innerhalb der vom EuGH vorgegebenen Frist um.
In einigen Mitgliedstaaten traten die Rechtsvorschriften später in Kraft.
Die Mitgliedstaaten haben offenbar nur sehr wenige Beschwerden wegen einer Verletzung des Unisex-Grundsatzes durch Versicherungsgesellschaften erhalten. In den Niederlanden hat die Gleichstellungsstelle unlängst (2014-97, August 2014) allerdings entschieden, dass ein Versicherer eine Frau bei der Gewährung von Schadensersatz nach einem Unfall in rechtswidriger Weise aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert hat, da bei der Berechnung des Schadensersatzes die Annahme/Statistik zugrunde gelegt worden war, dass sie als Frau im Alter von 27 bis 36 Jahren gar nicht und ansonsten nur in Teilzeit arbeiten würde. Über den Fall hat auch ein niederländisches Gericht entschieden. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Zugrundelegung versicherungsmathematischer Statistiken angesichts des kulturellen Hintergrunds und das Geschlechts der betroffenen Person nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung steht. Der Fall ist nun beim Berufungsgericht anhängig.
Die Kommission hat geprüft, ob alle mitgeteilten Gesetze mit dem Test-Achats-Urteil vereinbar sind. Im Anschluss daran wurden an einige Mitgliedstaaten Fragen gerichtet. Auf der Grundlage der eingegangenen Antworten kann die Kommission im Falle einer Unvereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Urteil Vertragsverletzungsverfahren einleiten.
Ein Mitgliedstaat hat mitgeteilt, dass die Umsetzung des Urteils zwar im Gange ist, bislang aber noch keine Rechtsvorschriften erlassen wurden.
Die Kommission verfolgt die Situation in diesem Mitgliedstaat aufmerksam und wird einen Dialog einleiten, wenn die notwendigen Durchführungsbestimmungen nicht erlassen werden.
Die Rechtsprechung des EuGH ist in den EFTA-Ländern nicht unmittelbar anwendbar.
Zur Gewährleistung der Kohärenz der Rechtsvorschriften wurde daher am 30. Januar 2014 ein Verfahren zur etwaigen Anpassung des Anhangs XVIII des EWR-Abkommens an das Test-Achats-Urteil eingeleitet.
Wie in den Leitlinien der Kommission zum Test-Achats-Urteil dargelegt, betrifft dieses Urteil nur private Versicherungsverträge, die unter die Richtlinie 2004/113/EG fallen. Es hat keine unmittelbaren rechtlichen Auswirkungen auf Betriebsrenten, die unter die Richtlinie 2006/54/EG fallen. Nach Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe h dieser Richtlinie können für Frauen und Männer unterschiedliche Leistungsniveaus festgelegt werden, wenn dies aus versicherungsmathematischen Gründen gerechtfertigt ist.
Einige Mitgliedstaaten haben dennoch beschlossen, die Unisex-Regel auch auf Betriebsrentensysteme anzuwenden, um die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen zu gewährleisten.
Die weitaus meisten Mitgliedstaaten haben jedoch die Anwendung der Unisex-Regel – wie in dem Urteil vorgeschrieben – lediglich für private Versicherungsverträge vorgesehen. In diesen Mitgliedstaaten sind bei Betriebsrenten Unterschiede aufgrund versicherungsmathematischer Daten zur Lebenserwartung weiterhin zulässig.
5.3
Wirtschaftliche Auswirkungen des Urteils auf den Versicherungsmarkt
Im Anschluss an das Test-Achats-Urteil sagten Teile der Versicherungsbranche erhebliche Auswirkungen auf die Preisniveaus voraus. Dabei machten sie geltend, dass der Verlust des Geschlechts als einfacher und zuverlässiger Risikoverteilungsfaktor insgesamt eine Erhöhung der Preise für Versicherungsprodukte zur Folge haben würde.
Das Urteil und seine Umsetzung führten zu gewissen Einmalkosten für die Versicherungsbranche, als sie geschlechtsneutrale versicherungsmathematische Tabellen erstellen und die Preise für ihre Produkte anpassen und diese neu lancieren musste, um sie geschlechtsneutral zu gestalten. Diese anfänglichen Compliance-Kosten beliefen sich auf schätzungsweise ca. 14 Mio. EUR für Spanien und auf 7,7 Mio. EUR für die Niederlande.
Hinsichtlich der Entwicklungen bei der Preisgestaltung im Versicherungswesen ist darauf hinzuweisen, dass es keine genauen wirtschaftlichen Nachweise für die Auswirkungen des Urteils gibt. Verlässliche, quantifizierbare Daten und Angaben zu den Auswirkungen der Umstellung auf eine geschlechtsneutrale Preisgestaltung sind aus einer Reihe von Gründen nur schwer erhältlich.
Der Mangel an verfügbaren Daten, auf den einige Mitgliedstaaten und Interessenträger hingewiesen haben
, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass das Test-Achats-Urteil erst bis zum 21. Dezember 2012 umgesetzt werden musste. Der seitdem vergangene Zeitraum dürfte zu kurz sein, um wirtschaftliche Nachweise und Daten zusammenzutragen, die nicht nur die sehr kurzfristigen Auswirkungen erfassen.
Außerdem ist es sehr schwierig, die Auswirkungen der verschiedenen für die Entwicklung des Versicherungsmarkts relevanten Faktoren zu unterscheiden und den konkreten Einfluss des Faktors der geschlechtsneutralen Prämien auf die Preis- oder Produktentwicklung richtig einzuschätzen. Auf den meisten Märkten mussten die Versicherer nicht nur geschlechtsneutrale Prämien einführen, sondern auch anderen rechtlichen und regulatorischen Entwicklungen Rechnung tragen, die sich auf die Preisniveaus auf nationaler und auf EU-Ebene auswirkten.
Über die rechtlichen Anforderungen hinaus haben Versicherungsgesellschaften möglicherweise Produktmerkmale zur Verbesserung von Versicherungsprodukten im regulären Produktzyklus geändert. Unter Umständen haben sie auch Entwicklungen bei der Bewertung der Risikofaktoren Rechnung getragen
, neue Kriterien für die Produktbewertung und die Differenzierung der Prämien (zum Beispiel Einsatz der Telematik – auch bekannt als Black-Box-Technologie – durch Versicherer bei Kfz-Versicherungen
) zugrunde gelegt oder neue Produkte entwickelt, um bestimmte Zielgruppen von Kunden anzuziehen. In Spanien beispielsweise haben einige Versicherer neue Produkte, die hauptsächlich Frauen zugutekommen, eingeführt und versuchen so, weibliche Kunden zu gewinnen. Andere Angebote betreffen einen Versicherungsschutz gegen Diebstahl von im Auto befindlichen Taschen oder eine besondere Unterstützung für Schwangere im Falle gesundheitlicher Probleme beim Fahren. All diese Änderungen haben sich möglicherweise auf den Preis der Produkte oder den Umfang des Versicherungsschutzes ausgewirkt.
Laut den verfügbaren Informationen hatte die Einführung des Unisex-Grundsatzes im Allgemeinen offenbar unerhebliche bzw. moderate Auswirkungen auf die Preisgestaltung im Versicherungswesen.
Wie es zu erwarten und in der Tat unvermeidbar war, sind bei bestimmten Versicherungen (wie Kfz-Versicherungen) die Prämien für Frauen gestiegen (und für Männer zurückgegangen). Nach Angaben von Insurance Sweden ist die Kfz-Versicherung für junge Frauen um ca. 10 % teurer geworden, während die Versicherungsprämien für junge Männer, die in überdurchschnittlichem Maße an Verkehrsunfällen beteiligt sind, entsprechend gesunken sind. In Italien haben zwischen Juli 2012 und Januar 2013 durchgeführte Untersuchungen ergeben, dass die Prämien für Frauen mittleren Alters, bei denen es sich um erfahrene Fahrerinnen handelt, 3 % über denen für Männer lagen, die vor Dezember 2012 dieselben Voraussetzungen mitbrachten. Ganz anders ist die Situation bei jungen Fahrern: Vor Dezember 2012 zahlten Frauen 18 % weniger als Männer für eine Kfz-Versicherung; nach diesem Zeitpunkt erhöhten sich die von ihnen zu entrichtenden Prämien um bis zu 18 %, während die Prämien für Männer um 10 % zurückgingen. Bei anderen Produktlinien stiegen die Prämien für Männer an (während es Reduktionen für Frauen gab). Obwohl sich insgesamt offenbar kein einheitliches Bild ergibt, scheinen die Auswirkungen auf den Markt eher neutraler oder sehr begrenzter Natur gewesen zu sein. Auf jeden Fall gibt es offensichtlich keine Hinweise auf ungerechtfertigte Preisentwicklungen.
6.Schutz für die Opfer von Diskriminierungen
Es besteht Zugang zu Rechtsschutz durch gerichtliche Verfahren und auch über die nationalen Gleichstellungsstellen, die unter anderem die Aufgabe haben, Opfern unabhängige Unterstützung zu gewähren. Die betreffenden Bestimmungen der EU-Vorschriften in den Bereichen Gleichbehandlung und Antidiskriminierung sind praktisch identisch. Die jüngsten Ergebnisse von Berichten zu anderen Richtlinien
in Bezug auf zentrale Konzepte wie den Zugang zur Justiz, die Beweislast und das Erfordernis wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Sanktionen gelten auch hier.
Zur Bekämpfung der Diskriminierung und zur Gewährleistung der Gleichbehandlung haben die Mitgliedstaaten und Interessenträger anerkannt, dass die Gleichstellungsstellen einen unerlässlichen Beitrag dazu leisten, dass aus „dem Recht auf dem Papier“ ein „Recht in der Praxis“ wird und die gesetzlich verankerten Rechte tatsächlich vor Ort angewandt werden. Daher hat die Kommission in ihrer Mitteilung „Die EU-Justizagenda für 2020“ die zentrale Rolle herausgestellt, die den Gleichstellungsstellen bei der Gewährleistung wirksamer Rechtsbehelfe für die Bürgerinnen und Bürger zukommen kann.
Die Kommission wird weiter darauf hinarbeiten, dass die Gleichstellungsstellen diese Rolle tatsächlich in vollem Umfang wahrnehmen können, vor allem durch Kontrolle der Einhaltung der geltenden Vorschriften und durch deren Durchsetzung. Sie wird außerdem prüfen, wie die nach Maßgabe der Richtlinie an die Gleichstellungsstellen gestellten Anforderungen präzisiert werden können, insbesondere die Schlüsselaspekte Unabhängigkeit und Wirksamkeit.
Die Kommission wird bewährte Verfahren zur besseren Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte fördern, um die umfassende Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in der gesamten EU zu gewährleisten und den Opferschutz zu stärken.
7.Schlussfolgerungen und Ausblick
Im spezifischen Bereich Finanzdienstleistungen stellte die Umsetzung des Test-Achats-Urteils in der Versicherungsbranche die größte Herausforderung dar. Alle Mitgliedstaaten haben das Urteil umgesetzt oder sind dabei, es umzusetzen. Einige Mitgliedstaaten haben sich dafür entschieden, über das Urteil hinaus die Unisex-Regel auf alle Arten von Versicherungen und Renten anzuwenden, also auch auf Betriebsrenten, die unter die Richtlinie 2006/54/EG fallen. Im September 2014 hat der EuGH auch festgestellt, dass eine Differenzierung bei den Leistungen auf der Grundlage geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Daten bei gesetzlichen Sozialversicherungsrenten gemäß der Richtlinie 79/7/EWG unzulässig ist.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen wird die Kommission die Anwendung von je nach Geschlecht unterschiedlichen Bedingungen auf Betriebsrenten gemäß der Richtlinie 2006/54/EG untersuchen und prüfen, ob Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit die umfassende Anwendung der Unisex-Regel auf alle Säulen des – freiwilligen, betrieblichen oder gesetzlichen – Rentensystems gewährleistet ist.
In Bezug auf die Auswirkungen des Test-Achats-Urteils auf die Preisniveaus von Versicherungen dürfte es zu früh sein, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen. Nach den wenigen verfügbaren Anhaltspunkten zu urteilen, scheinen die Auswirkungen jedoch sehr begrenzt zu sein.
Alle Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliche Rechtsvorschriften und zur Einführung der für die Umsetzung der Richtlinie erforderlichen Verfahren und Gremien getroffen. Nach Auffassung der Kommission müssen zum derzeitigen Zeitpunkt keine Änderungen an der Richtlinie vorgeschlagen werden. Stattdessen wird sie vorrangig die noch verbliebenen Umsetzungsprobleme mit den betreffenden Mitgliedstaaten angehen, vor allem die Probleme im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich der in Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmeregelung.
Im Zuge weiterer Durchsetzungsbemühungen sowie durch die Rechtsprechung auf nationaler und auf EU-Ebene dürften einige der in diesem Bericht aufgeworfenen Fragen geklärt werden. Danach wird die größte Herausforderung für die Mitgliedstaaten darin bestehen, dafür zu sorgen, dass ihre Verwaltungs- und Justizbehörden sowie ihre Gleichstellungsstellen Opfern systematisch einen umfassenden Schutz vor Ort bieten. Die Kommission wird ihre Monitoring-Tätigkeiten fortsetzen und die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, das Potenzial der Richtlinie voll auszuschöpfen.