EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 24.7.2020
COM(2020) 607 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
EINLEITUNG
In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird unter anderem anerkannt, dass Kinder Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge haben, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes von 1989 ist das Recht des Kindes auf Schutz vor allen Formen von Gewalt verankert.
Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine besonders schwere Straftat, die weitreichende und schwerwiegende lebenslange Folgen für die Opfer hat. Diese Straftaten, die Kindern Leid zufügen, verursachen auch erheblichen und langfristigen sozialen Schaden. In vielen Fällen werden Kinder von Personen, die sie kennen, denen sie vertrauen und von denen sie abhängig sind, sexuell missbraucht. Dies macht es besonders schwierig, diese Straftaten zu verhindern und aufzudecken. Es gibt Anzeichen dafür, dass die COVID-19-Krise das Problem verschärft hat, insbesondere für Kinder, die bei ihren Peinigern leben. Zudem verbringen Kinder jetzt mehr Zeit im Netz als zuvor, und dies möglicherweise unbeaufsichtigt. Das hat es ihnen zwar ermöglicht, von zu Hause am Schulunterricht teilzunehmen und mit Gleichaltrigen in Verbindung zu bleiben, es gibt jedoch Anzeichen für ein erhöhtes Risiko, dass Kinder mit Cyberkriminellen in Kontakt kommen. Da mehr Straftäter in Isolation zu Hause sind, ist die Nachfrage nach Material über sexuellen Kindesmissbrauch gestiegen (z. B. um 25 % in einigen Mitgliedstaaten), was wiederum zu einer steigenden Nachfrage nach neuem Material und somit neuem Missbrauch führt.
Der Europarat schätzt, dass in Europa jedes fünfte Kind Opfer einer Form von sexueller Gewalt wird. Sexueller Missbrauch und sexuelle Ausbeutung von Kindern können vielfältige Formen annehmen und sowohl online (z. B. Nötigung eines Kindes zur Vornahme sexueller Handlungen per Live-Streaming oder Online-Austausch von Material über sexuellen Kindesmissbrauch) als auch offline (z. B. Vornahme sexueller Handlungen mit einem Kind oder Veranlassung eines Kindes zur Mitwirkung an Kinderprostitution) stattfinden. Wenn der Missbrauch auch aufgezeichnet und im Internet weitergegeben wird, zieht der Schaden immer weitere Kreise. Die Opfer müssen in dem Wissen leben, dass Bilder und Videos der Straftaten‚ die die schlimmsten Momente ihres Lebens zeigen, im Umlauf sind und dass sie jeder – auch Freunde und Verwandte – sehen kann.
Die exponentielle Entwicklung der digitalen Welt wurde dazu missbraucht, um aus dieser Kriminalität eine wirklich weltumspannende zu machen, und hat leider die Schaffung eines weltweiten Marktes für Material über sexuellen Kindesmissbrauch erleichtert. In den letzten Jahren kam es zu einem dramatischen Anstieg der die EU betreffenden Meldungen über sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet (z. B. in der EU ausgetauschte Bilder, Opfer in der EU usw.): von 23 000 im Jahr 2010 auf mehr als 725 000 im Jahr 2019, darunter mehr als 3 Millionen Bilder und Videos. Eine ähnliche dramatische Zunahme ist weltweit zu verzeichnen: von einer Million Meldungen im Jahr 2010 auf fast 17 Millionen im Jahr 2019, darunter beinahe 70 Millionen Bilder und Videos. Aus den Meldungen geht hervor, dass die EU zum weltweit größten Host von Material über sexuellen Kindesmissbrauch geworden ist (von mehr als der Hälfte im Jahr 2016 auf mehr als zwei Drittel im Jahr 2019).
Kürzlich führten Ermittlungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern in Deutschland zur Aufdeckung von potenziell mehr als 30 000 Verdächtigen, die Gruppenchats und Messenger-Dienste nutzen, um Material zu teilen, sich gegenseitig zur Herstellung neuen Materials anzustiften und Tipps und Tricks darüber auszutauschen, wie sie Kontakt zu Opfern aufnehmen und ihre Taten verbergen können. Die Nutzung der End-zu-End-Verschlüsselung macht die Ermittlung der Täter schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. In diesem speziellen Beispiel wurden in Deutschland bisher nur 72 Verdächtige und 44 Opfer identifiziert.
Die Einführung der End-zu-End-Verschlüsselung trägt zwar zum Schutz der Privatsphäre und der Sicherheit in der Kommunikation bei, erleichtert aber auch den Zugang zu sicheren Kanälen für Täter, auf denen sie ihre Handlungen wie z. B. den Handel mit Bildern und Videos vor Strafverfolgung verstecken können. Der Nutzung von Verschlüsselungstechnik zu kriminellen Zwecken muss daher unverzüglich begegnet werden durch Lösungsvorschläge, wie Unternehmen sexuellen Missbrauch von Kindern in End-zu-End-verschlüsselter elektronischer Kommunikation aufdecken und melden können. Jede Lösung müsste sowohl die Privatsphäre der elektronischen Kommunikation als auch den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung sowie den Schutz der Privatsphäre der im Material über sexuellen Kindesmissbrauch dargestellten Kinder gewährleisten.
Die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist eine Priorität der EU. Das Europäische Parlament und der Rat haben beide weitere konkrete Maßnahmen gefordert. Ähnliche Aufrufe wurden weltweit in zahlreichen Foren, auch von den Medien, gemacht, da sich abzeichnete, dass die Welt insgesamt den Kampf gegen diese Verbrechen verliert und das Recht jedes Kindes, frei von Gewalt zu leben, nicht wirksam schützt. Die EU muss daher ihre Anstrengungen überprüfen und verstärken.
Ziel dieser Strategie ist es, eine wirksame Antwort auf EU-Ebene zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern beizusteuern. Sie gibt den Rahmen für eine starke, umfassende Reaktion auf diese Straftaten vor, die sowohl online als auch offline begangen werden. Darin werden acht Initiativen zur Umsetzung und Entwicklung des geeigneten Rechtsrahmens, zur Stärkung der Strafverfolgung und als Katalysator für koordinierte Maßnahmen der verschiedenen Akteure in den Bereichen Prävention, Ermittlung und Unterstützung der Opfer dargelegt. Die Initiativen nutzen alle auf EU-Ebene zur Verfügung stehenden Instrumente‚ sowohl des materiellen EU-Rechts (Abschnitt I) als auch der Finanzierung und Zusammenarbeit (Abschnitt II). Diese Strategie soll in den nächsten fünf Jahren (2020-2025) umgesetzt werden.
I. UMSETZUNG UND ENTWICKLUNG DES GEEIGNETEN RECHTSRAHMENS ZUM SCHUTZ VON KINDERN
Im Jahr 2011 hat die EU mit der Annahme der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (2011/93/EU), deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten nun dringend abgeschlossen werden muss, einen wesentlichen Schritt vollzogen. Gleichzeitig müssen alle festgestellten Gesetzeslücken mit den geeignetsten Mitteln geschlossen werden.
1.Gewährleistung der vollständigen Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften (Richtlinie 2011/93/EU)
Die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern war das erste umfassende Rechtsinstrument der EU zur Festlegung von Mindestvorschriften für die Bestimmung von Straftatbeständen und Sanktionen auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie von Material über sexuellen Kindesmissbrauch, das die Prävention, Ermittlung und Strafverfolgung von Straftaten sowie die Unterstützung und den Schutz von Opfern umfasst.
Die Straftatbestände umfassen offline und online begangene Handlungen wie das Konsumieren und Verbreiten von Material über sexuellen Kindesmissbrauch im Internet, „Grooming“ (d. h. Aufbau einer emotionalen Beziehung zu dem Kind im Internet zum Zweck des sexuellen Missbrauchs) und den sexuellen Missbrauch im Internet. Über das materielle Strafrecht und das Strafprozessrecht hinaus verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, umfangreiche Verwaltungsmaßnahmen (d. h. nichtlegislative Maßnahmen) zu ergreifen, etwa zum Austausch von Strafregisterinformationen über das Europäische Strafregisterinformationssystems (ECRIS) vor der Besetzung von Stellen, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, oder zur Schulung von Fachkräften, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie mit Opfern sexuellen Missbrauchs im Kindesalter in Kontakt kommen. Diese Maßnahmen erfordern die Einbeziehung und Koordinierung unterschiedlichster Akteure aus verschiedenen Bereichen der Verwaltung (z. B. Strafverfolgung, Gesundheitswesen, Bildung, Sozialdienste, Kinderschutzbehörden, Justiz und Angehörige der Rechtsberufe) sowie privater Einrichtungen (z. B. Unternehmen und Zivilgesellschaft).
Die Mitgliedstaaten haben erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der Richtlinie erzielt. Es besteht allerdings noch beträchtlicher Spielraum, um das Potenzial der Richtlinie durch die vollständige Umsetzung all ihrer Bestimmungen in den Mitgliedstaaten voll auszuschöpfen. Herausforderungen bestehen nach wie vor in den Bereichen Prävention (insbesondere Präventionsprogramme für Straftäter und für Personen, die befürchten, dass sie eine Straftat begehen könnten), Strafrecht (insbesondere die Festlegung von Straftatbeständen und des Strafmaßes) sowie Unterstützungs-, Betreuungs- und Schutzmaßnahmen für Opfer im Kindesalter. Um die vollständige Umsetzung zu gewährleisten, leitete die Kommission 2019 Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedstaaten ein.
Die Kommission wird weiterhin eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um vorrangig alle noch offenen Fragen zu klären und die vollständige Umsetzung und Einhaltung der Richtlinie in der gesamten EU sicherzustellen. Sie wird auch die Arbeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich unterstützen, indem sie weiter den Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen erleichtert.
Leitaktion:
ðDie Mitgliedstaaten müssen die Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorrangig zum Abschluss bringen. Die Kommission wird weiterhin von den ihr aus den Verträgen erwachsenden Durchsetzungsbefugnissen Gebrauch machen und Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wenn dies für eine rasche Umsetzung erforderlich ist.
2.Sicherstellung, dass die EU-Rechtsvorschriften eine wirksame Reaktion ermöglichen
Die Kommission wird prüfen, ob die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern unter Berücksichtigung der in Initiative Nr. 3 erwähnten Studie aktualisiert werden muss. Neben der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern gibt es zahlreiche Rechtsinstrumente auf EU-Ebene‚ die die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern unterstützen und gestalten, insbesondere im Hinblick auf die Rolle, die der Privatsektor bei der Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern spielt.
Die von der Kommission im April 2018 vorgelegten Vorschläge über elektronische Beweismittel spielen eine Schlüsselrolle bei der Erleichterung des raschen Zugangs zu zentralen Beweismitteln wie etwa zu im Besitz der Privatwirtschaft befindlichen Angaben zur Identität von Personen, die Material über sexuellen Kindesmissbrauch hochgeladen und geteilt haben. Die Kommission fordert erneut ihre rasche Annahme.
Die Kommission hat sich verpflichtet, Vorschläge für den Rechtsrahmen für digitale Dienste vorzulegen, die Auswirkungen auf die Bekämpfung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch im Internet hätten. Mit dem Legislativpaket über digitale Dienste, das bis Ende 2020 vorgeschlagen werden soll, werden die Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Dienste präzisiert und aktualisiert. In diesem Zusammenhang wird die Kommission prüfen, ob negative Anreize für freiwillige Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte, Waren oder Dienstleistungen, die online vermittelt werden, insbesondere in Bezug auf Online-Plattform-Dienste, beseitigt werden müssen.
Die Kommission ist der Ansicht, dass der Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch im Internet klare verbindliche Verpflichtungen zur Aufdeckung und Meldung von sexuellem Kindesmissbrauch in Internet erfordert, um sowohl den Strafverfolgungsbehörden als auch den einschlägigen Akteuren im privaten Sektor mehr Klarheit und Sicherheit bei der Bekämpfung von Missbrauch im Internet zu verschaffen. Sie wird mit der Ausarbeitung sektorspezifischer Rechtsvorschriften beginnen, um unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte, wozu auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre gehören, wirksamer gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet vorzugehen. Mechanismen zur Gewährleistung von Rechenschaftspflicht und Transparenz werden zentrale Bestandteile der Rechtsvorschriften sein, an denen das in Initiative # 6 genannte Zentrum beteiligt werden könnte.
Auch die Europol-Verordnung, in der der Tätigkeitsbereich von Europol festgelegt ist, ist von Bedeutung. Die Kommission hat in ihrem Arbeitsprogramm 2020 einen Gesetzgebungsvorschlag zur Stärkung des Mandats von Europol angekündigt, um die operative polizeiliche Zusammenarbeit zu verbessern. Aufgrund der rasch wachsenden Herausforderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist Europol bei der Unterstützung, die es leisten kann, an Grenzen gestoßen. Darüber hinaus wird die Fähigkeit Europols, die Mitgliedstaaten zu unterstützen, dadurch beeinträchtigt, dass es nicht in der Lage ist, personenbezogene Daten direkt von der Privatwirtschaft zu erhalten‚ deren Infrastruktur von den Tätern missbraucht wird, um Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu hosten und zu teilen. Die Europäische Kommission wird diese Fragen im Rahmen der anstehenden Überprüfung des Mandats von Europol, das im 4. Quartal 2020 angenommen werden soll, weiter prüfen.
Diese möglichen Gesetzesänderungen werden der EU-Politik zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern folgen und einen Rechtsrahmen gewährleisten, der den relevanten Akteuren die Prävention‚ Aufdeckung, Meldung und ein wirksames Vorgehen zum Schutz von Kindern in allen Fällen von sexuellem Missbrauch im Kindesalter ermöglicht und sie dabei unterstützt.
Leitaktionen:
ðIn einer ersten Phase wird die Kommission vorrangig die erforderlichen Rechtsvorschriften vorschlagen, um sicherzustellen, dass Betreiber elektronischer Kommunikationsdienste ihre derzeitigen freiwilligen Praktiken zur Aufdeckung von sexuellem Kindesmissbrauch in ihren Systemen nach Dezember 2020 fortsetzen können.
ðIn einer zweiten Phase, bis zum 2. Quartal 2021, wird die Kommission die erforderlichen Rechtsvorschriften vorschlagen, um wirksam gegen sexuellen Kindesmissbrauch im Internet vorgehen zu können. Hierzu wird sie unter anderem die entsprechenden Anbieter von Online-Diensten verpflichten, bekanntes Material über sexuellen Kindesmissbrauch aufzudecken und dieses Material den Behörden zu melden.
3.Ermittlung von Gesetzeslücken, bewährten Verfahren und vorrangigen Maßnahmen
Die Umsetzungsmaßnahmen, die die Mitgliedstaaten der Kommission mitgeteilt haben, umfassen Maßnahmen, die nicht ausdrücklich in der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorgesehen sind, die aber von den Mitgliedstaaten im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern als notwendig erachtet wurden. Dies deutet darauf hin, dass es relevante Fragen geben könnte, die in der Richtlinie nicht ausreichend behandelt werden. Die Kommission berief im September 2019 einen Experten-Workshop ein, um mehr Informationen über diese möglichen Gesetzeslücken zu sammeln, und kam zu dem Schluss, dass weitere Arbeiten erforderlich sind, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen.
Da die Richtlinie 2011 erlassen wurde, sollte auch ihre Umsetzung in der Praxis bewertet werden, unter anderem in Bezug auf Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert. Bei dieser Bewertung sollten insbesondere die Online-Aspekte dieser Straftaten berücksichtigt werden, bei denen Zweifel bestehen, ob der derzeitige Rahmen nach 9 Jahren, in denen erhebliche technologische Veränderungen und eine exponentielle Zunahme des Online-Teilens zu verzeichnen waren, zweckmäßig ist. Die Technologie hat es potenziellen Tätern einfacher denn je gemacht, mit Kindern in Kontakt zu treten, Bilder des Missbrauchs zu teilen, ihre Identität und Gewinne zu verbergen und sich untereinander abzusprechen, um sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen und weitere Straftaten zu begehen.
Darüber hinaus sind Straftäter bei der Nutzung von Technologien und technischen Möglichkeiten, einschließlich Verschlüsselung und Anonymisierung (z. B. Peer-to-Peer-Filesharing und Nutzung des Darknets), immer raffinierter geworden. Diese kriminelle Tätigkeit schafft Probleme für die Gesellschaft im Allgemeinen und für die Strafverfolgung im Besonderen im Hinblick auf ihre Aufgabe, die Gesellschaft zu schützen.
Vor diesem Hintergrund wird die Kommission vorrangig eine Studie in Auftrag geben, um Gesetzes- und Umsetzungslücken, bewährte Verfahren und vorrangige Maßnahmen auf EU-Ebene zu ermitteln und dabei Folgendes zu bewerten:
·Die Frage, ob die geltenden EU-Rechtsvorschriften die Probleme lösen, für die sie eingeführt wurden, und
·ob es neue Probleme im Zusammenhang mit diesen Straftaten gibt, die in den geltenden Rechtsvorschriften nur teilweise oder überhaupt nicht behandelt werden.
Die Studie wird die laufenden Arbeiten des Rates der EU berücksichtigen, um die wirksame Umsetzung seiner Schlussfolgerungen vom Oktober 2019 zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sicherzustellen, was zur Erstellung oder Aktualisierung nationaler Aktionspläne zur Koordinierung der Maßnahmen auf nationaler Ebene führen könnte. Dabei wird auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom November 2019, der Bericht des Europäischen Parlaments vom Dezember 2017 über die Umsetzung der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und die Arbeit des Lanzarote-Ausschusses des Europarates berücksichtigt.
Leitaktion:
ðDie Kommission wird bis Ende 2020 eine umfassende Studie in Auftrag geben, um Gesetzeslücken, bewährte Verfahren und vorrangige Maßnahmen auf EU-Ebene im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern online und offline zu ermitteln.
II. STÄRKUNG DER STRAFVERFOLGUNG UND VERBESSERUNG DER ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN ALLEN INTERESSENTRÄGERN
Die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern muss an vielen Fronten geführt werden, auch von der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Echte Fortschritte können nur erzielt werden, wenn die Arbeiten in den Bereichen Prävention, Meldung, Weiterverweisung, Untersuchung, Schutz und Aufdeckung, Behandlung und Nachbetreuung jedes einzelnen Falls intensiviert werden. Sozialdiensten, Angehörigen der Gesundheitsberufe, Wissenschaftlern, Forschern, Akteuren im Bildungswesen, der Justiz und Strafverfolgung, Kindern, Familien, NRO, den Medien und der Gesellschaft im weiteren Sinne kommt bei einem echten multidisziplinären Ansatz mit Beteiligung verschiedener Akteure eine wichtige Rolle zu.
4.Verstärkung der Strafverfolgungsmaßnahmen auf nationaler und EU-Ebene
Sexueller Missbrauch von Kindern erfordert eine kompetente und umfassende Reaktion der Strafverfolgungsbehörden sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Die COVID-19-Krise hat gezeigt, dass die digitalen Fähigkeiten der Strafverfolgungs- und Justizbehörden, wie im Wiederaufbauplan vom Mai 2020 betont wird, verbessert werden müssen, damit sie weiter in der Lage sind, die Bürger wirksam zu schützen.
Bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern sind die Strafverfolgungsbehörden in den Mitgliedstaaten unterschiedlich strukturiert. Um den Schutz von Kindern innerhalb und außerhalb ihrer Grenzen zu gewährleisten, ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten auf spezialisierte Einheiten zurückgreifen können, die in den nationalen Strukturen der Polizeiarbeit angemessen ausgestattet und mit gut ausgebildeten Beamten besetzt sind. In Reaktion auf eine Welle von Fällen großen Ausmaßes haben mehrere Mitgliedstaaten beschlossen, ihr Personal für die Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern aufzustocken, was die Kommission sehr begrüßt.
Die Mitgliedstaaten sollten die Einrichtung nationaler Teams für die Opferidentifizierung als Teil dieser Einheiten in Erwägung ziehen. Wenn es solche Teams bereits gibt, sollten die Mitgliedstaaten in Betracht ziehen, die Kapazitäten auf nationaler Ebene auf die entsprechenden regionalen und lokalen Teams auszuweiten.
Um diese Straftaten wirksam zu bekämpfen, sollten die Mitgliedstaaten auch in der Lage sein, sich an gemeinsamen Bemühungen der EU und der internationalen Zusammenarbeit zur Identifizierung von Kindern mit dem Europäischen Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität (EC3) von Europol oder über die bei Interpol angesiedelte Datenbank „International Child Sexual Exploitation“ (ICSE) zu beteiligen. Die Mittel, die jeder Mitgliedstaat zur Bekämpfung der Bedrohung durch sexuellen Missbrauch von Kindern bereitstellt, sollten auch den Möglichkeiten des Landes Rechnung tragen, die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich zu unterstützen.
Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern, insbesondere im Zusammenhang mit digitalem Material, sind selten auf einen Mitgliedstaat beschränkt. Die Mitgliedstaaten sollten daher neben der Pflege nationaler nachrichtendienstlicher Datenbanken auch in die systematische Weiterleitung einschlägiger Erkenntnisse an Europol als zentrale EU-Plattform für kriminalpolizeiliche Informationen investieren, um sich gegenseitig bei der Bearbeitung grenzüberschreitender Fälle zu unterstützen.
Eine wirksame Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern erfordert auch modernste technische Kapazitäten. Einigen nationalen Ermittlungsteams mangelt es an den erforderlichen Kenntnissen und/oder Instrumenten, z. B. zum Aufspüren von Material über sexuellen Kindesmissbrauch in einer Vielzahl beschlagnahmter Fotos oder Videos, zur Ortung von Opfern oder Tätern oder zur Durchführung von Ermittlungen im Darknet oder in Peer-to-Peer-Netzen. Zur Unterstützung des Aufbaus nationaler Kapazitäten, um mit den technologischen Entwicklungen Schritt zu halten‚ stellt die Kommission den Mitgliedstaaten über den Fonds für die innere Sicherheit (ISF-Polizei) Finanzmittel zur Verfügung. Darüber hinaus stellt die Kommission im Rahmen des ISF-Polizei über Unionsmaßnahmen Mittel bereit, zu denen beispielsweise Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen und Ausschreibungen gehören, um die Online- und Offline-Aspekte des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu bekämpfen. Eine neue Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Bereich der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern erfolgt noch vor Ende 2020. Darüber hinaus finanziert die Kommission im Rahmen von Horizont 2020 Forschungsprojekte zur Unterstützung des Aufbaus nationaler Kapazitäten (im Bereich der Strafverfolgung und in anderen Bereichen) zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Künftige Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen zur Bekämpfung dieser Straftaten werden im Rahmen des neuen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation „Horizont Europa“ veröffentlicht.
Der Einsatz verdeckter Online-Ermittlungstechniken ist ein wichtiger Vorteil, wenn es darum geht, die hinter dieser Technologie verborgenen Netze zu infiltrieren. Diese Methoden haben sich als sehr wirksam erwiesen, um das Verhalten von Straftätern und die Interaktion mit Anbietern von Online-Diensten zu verstehen, und haben letztlich dazu beigetragen, dass die von diesen Tätern genutzten Kommunikationskanäle geschlossen und die Täter strafrechtlich verfolgt werden konnten. Für die Strafverfolgungsarbeit in diesen Bereichen wird es immer wichtiger, besonders gefährliche Online-Gruppen von Straftätern wirksam infiltrieren zu können. Dies kann durch eine Reihe unterschiedlicher Methoden ermöglicht werden, die derzeit nur einer kleinen Zahl von Mitgliedstaaten und Nicht-EU-Partnern zur Verfügung stehen. Es sollte erwogen werden, von dieser Möglichkeit in der gesamten EU Gebrauch machen zu können, damit diese Straftäter wirksamer bekämpft werden können, ohne dabei von anderen Partnern abhängig zu sein. Die Werte und Grundrechte der EU müssen weiterhin im Mittelpunkt aller künftigen Maßnahmen stehen.
Bei Europol wird ein Innovationszentrum und -labor eingerichtet, um den Mitgliedstaaten den Zugang zu den auf EU-Ebene entwickelten technischen Instrumenten und Kenntnissen zu erleichtern. Diese Initiative wird es auch ermöglichen, den Bedarf in den Mitgliedstaaten zu ermitteln, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit digitalen Ermittlungen zu bewältigen, was bei der Zuweisung von EU-Mitteln für Forschung, Innovation und Entwicklung von Polizeikapazitäten hilfreich sein wird.
Das Innovationszentrum und -labor wird den Mitgliedstaaten den Zugang zu den Ressourcen und Erfahrungen des Europäischen Zentrums zur Bekämpfung der Cyberkriminalität (EC3) von Europol weiter erleichtern. Das EC3 hat seit seiner Gründung eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Mitgliedstaaten im Kampf gegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gespielt. Diese Unterstützung erfolgt in unterschiedlicher Form. Beispiel:
·Das EC3 hat seit 2014 zur Identifizierung von Opfern beigetragen. Gemeinsame Maßnahmen mit den Mitgliedstaaten und Partnern aufgrund operativer Vereinbarungen über die Task Forces zur Identifizierung von Opfern von Europol und die Nutzung verschiedener Ermittlungsansätze, einschließlich der ICSE-Datenbank, haben zur Identifizierung von beinahe 360 Kindern und 150 Straftätern geführt.
·Europol hat (häufig in Zusammenarbeit mit Eurojust) zur Koordinierung zahlreicher erfolgreicher Ermittlungen beigetragen.
·Spezifische operative Aktionspläne (OAP) zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern werden jedes Jahr im Rahmen des EU-Politikzyklus/EMPACT zur Bekämpfung der schweren internationalen organisierten Kriminalität mit Unterstützung von Europol durchgeführt.
·Europol war maßgeblich an der Erhebungsarbeit, Zusammenstellung und Veröffentlichung von Berichten wie der Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität (SOCTA, auf EN: Serious and Organised Crime Threat Assessment) und der Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der organisierten Kriminalität im Internet (IOCTA, auf EN: Internet Organised Crime Threat Assessment) beteiligt‚ die spezifische Abschnitte über die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern enthalten.
·Europol hat neben drei wöchentlichen Erkenntnisberichten (Intelligence Reports) für bestimmte Zielgruppen gemeinsam mit internationalen Partnern auch einen Ratgeber für Eltern und Betreuer zum Thema Online-Sicherheit erstellt, damit Kinder während der COVID-19-Krise sicher im Internet unterwegs sein können.
ðBei Europol wird ein Innovationszentrum und -labor eingerichtet, und die Kommission wird Mittel zur Verfügung stellen, um die Entwicklung nationaler Kapazitäten zu fördern, die mit den technologischen Entwicklungen Schritt halten und eine wirksame Reaktion der Strafverfolgungsbehörden auf diese Verbrechen gewährleisten können.
5.Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verbesserung des Kinderschutzes durch Prävention
Einige der Artikel der Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern, bei denen die Mitgliedstaaten mit der vollständigen Umsetzung mehr in Rückstand geraten, sind solche, die die Einführung von Präventionsprogrammen erfordern‚ an denen verschiedene Akteure aktiv beteiligt sind.
Die Schwierigkeiten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der auf (potenzielle) Straftäter ausgerichteten Prävention betreffen Programme in allen Phasen: vor der ersten Straftat, während oder nach einem Strafverfahren sowie innerhalb und außerhalb des Gefängnisses.
Es gibt nur wenige, vereinzelte Forschungsarbeiten darüber, was Menschen dazu veranlasst, zum Täter zu werden, und die Kommunikation zwischen den Fachleuten vor Ort und Wissenschaftlern ist minimal:
·Das derzeitige Forschungsdefizit erschwert die Erstellung und Einführung wirksamer Programme für alle Phasen. Die wenigen bestehenden Programme werden nur selten in Bezug auf ihre Wirksamkeit bewertet.
·Darüber hinaus kommunizieren die verschiedenen in diesem Bereich tätigen Fachleute (z. B. zuständige Behörden, die Präventionsprogramme für Menschen anbieten, die befürchten, dass sie eine Straftat begehen könnten, für Präventionsprogramme in Gefängnissen zuständige Behörden, NRO, die Präventionsprogramme anbieten, um die Wiedereingliederung von Sexualstraftätern in die Gemeinschaft zu unterstützen) miteinander nicht ausreichend über die Wirksamkeit der Programme, die dabei gewonnenen Erfahrungen und über bewährte Verfahren.
Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen, wird die Kommission an der Einrichtung eines Präventionsnetzes aus einschlägigen und renommierten Praktikern und Forschern arbeiten, um die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen‚ nutzbare, einer strengen Bewertung unterzogene und wirksame Präventionsmaßnahmen einzuführen, die die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch von Kindern in der EU senken und den Austausch bewährter Verfahren erleichtern sollen. Konkret würde das Netz:
1.einen Erfolgszyklus zwischen Praxis und Forschung sowie zwischen Forschung und Praxis ermöglichen:
·Die Forscher würden den Fachleuten vor Ort wissenschaftlich geprüfte Maßnahmen an die Hand geben, und umgekehrt kontinuierliches Feedback zu den Präventionsinitiativen und damit einen weiteren Beitrag zur Stärkung der Evidenzbasis erhalten. Auch die Sichtweisen und Ansichten der Opfer würden in die Arbeit des Netzes einfließen.
·Die Arbeit des Netzes würde alle Bereiche im Zusammenhang mit der Prävention des sexuellen Missbrauchs von Kindern abdecken, wobei der Schwerpunkt jedoch auf Präventionsprogrammen für Straftäter und Menschen liegen würde, die befürchten, dass sie eine Straftat begehen könnten‚ da dieser Bereich den Mitgliedstaaten am meisten Schwierigkeiten bereitet.
·Bekanntermaßen weisen nicht alle Straftäter eine pädophile Störung auf (zu den anderen Beweggründen für eine Straftat zählt auch die Ausbeutung zum Zweck des finanziellen Gewinns), und nicht jeder, der eine pädophile Störung hat, wird zum Täter (einige Menschen suchen Hilfe im Umgang mit ihrer Pädophilie). Es bedarf umfangreicher Forschungsarbeit, um den Prozess zu verstehen, durch den eine Person zum Täter wird, einschließlich der Risikofaktoren und Auslöser. Einige Statistiken deuten darauf hin, dass bis zu 85 % der Personen, die Bilder von sexuellem Missbrauch von Kindern konsumieren, Kinder auch körperlich missbrauchen. Das Konsumieren von Material über sexuellen Kindesmissbrauch ist ebenfalls ein Straftatbestand, der die Nachfrage nach neuem Material und damit neuem körperlichen Missbrauch nach sich zieht.
·Das Netz würde einen wissenschaftlichen Ansatz in Bezug auf die Prävention verfolgen. Es liegen zwar kaum Prävalenzdaten vor, aus Studien geht jedoch hervor, dass etwa 3 % der männlichen Bevölkerung eine pädophile Störung aufweisen könnten. Fachleute vor Ort räumen ein, dass durch die Anerkennung dieser schwierigen Tatsache und die Einführung von Präventivmaßnahmen das Problem an der Wurzel gepackt werden kann und dies der wirksamste Weg ist, um Opfer zu schützen und die Arbeitsbelastung der Strafverfolgungsbehörden zu verringern.
2.Unterstützung der Mitgliedstaaten bei ihrer Sensibilisierungsarbeit durch gezielte Medienkampagnen und Schulungsmaterial:
·Das Netz würde den Austausch von Informationen über Schulungsmaterial und den Aufbau von Kapazitäten erleichtern und bewährte Verfahren bündeln, die in Medienkampagnen und Schulungen in allen Mitgliedstaaten einfließen könnten. Es würde dazu beitragen, Doppelarbeit zu vermeiden, und unter anderem die Anpassung von in anderen Mitgliedstaaten erstellten Materialien und deren Übertragung auf den jeweiligen nationalen Kontext erleichtern.
·Die Kommission würde mit Unterstützung des Netzes auch Sensibilisierungskampagnen einleiten und unterstützen, um Kinder, Eltern, Betreuer und Akteure im Bildungswesen über Risiken sowie Präventivmechanismen und -verfahren zu informieren. Diese würden in Zusammenarbeit mit dem Netz entwickelt.
·Präventionsmaßnahmen sind in Bezug auf Organisationen erforderlich, die mit Kindern arbeiten wie Sportzentren und -vereine, religiöse Einrichtungen, Gesundheitsdienste, Schulen, außerschulische Aktivitäten, um sie zu sensibilisieren und über Möglichkeiten zur Verhinderung von Missbrauch zu informieren, z. B. durch gezielte Schulungen, die Einführung geeigneter Verfahren und die Nutzung ihrer rechtlichen Befugnis nach EU-Recht, über das Europäische Strafregisterinformationssystem grenzüberschreitend Strafregister abzufragen. Dieses hochwirksame EU-System spielt bei der Prävention von sexuellem Missbrauch eine zentrale Rolle, da es die Möglichkeit schafft, vor der Besetzung von Stellen, bei denen es zu direkten und regelmäßigen Kontakten mit Kindern kommt, das Strafregister der Bewerber abzufragen. Fachkräfte aus allen Sektoren, die möglicherweise mit Kindern in Kontakt kommen, müssen geschult und mit Instrumenten ausgestattet sein, um mögliche Anzeichen sexueller Gewalt und sexuellen Missbrauchs frühzeitig zu erkennen und diese zu verhindern und mit Kindern und ihren Familien in geeigneter Weise zu interagieren, wobei die spezifischen Bedürfnisse und das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Dazu gehören auch Strafverfolgungsbehörden und die Justiz, wenn Opfer im Kindesalter an strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihre Täter beteiligt sind. Familien und Betreuer, Fachkräfte und die Gesellschaft im weiteren Sinne müssen die Schwere dieser Verbrechen und ihre verheerenden Auswirkungen auf Kinder verstehen und die erforderliche Unterstützung erhalten, um diese Straftaten zu melden und Opfer im Kindesalter zu unterstützen. Dies erfordert spezielle Informationen, Medienkampagnen und Schulungen.
·Kinder selbst müssen über das Wissen und die Instrumente verfügen, die ihnen helfen können, nach Möglichkeit nicht mit Missbrauch konfrontiert zu werden (z. B. über die sichere Nutzung des Internets), und sie müssen darüber informiert werden, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht hinnehmbar sind. Das von der Kommission finanzierte Netz von Safer-Internet-Zentren stärkt das Bewusstsein für Online-Sicherheit und bietet über Notrufnummern und Hotlines Informationen, Ressourcen und Unterstützung zu einer Vielzahl von Themen der digitalen Sicherheit, darunter Grooming und Sexting. Die Initiative „One in Five“ des Europarates und die Initiative „# SayNO!“ von Europol
sind weitere praktische Beispiele dafür. Wenn es zu Missbrauch kommt, müssen sich Kinder sicher und befähigt fühlen, das Wort zu ergreifen, zu reagieren und darüber zu erzählen, auch wenn der Missbrauch im Vertrauenskreis stattfindet (d. h. von Angehörigen oder anderen Personen, die sie kennen und denen sie vertrauen), wie dies häufig der Fall ist. Außerdem müssen sie Zugang zu sicheren, erreichbaren und altersgerechten Kanälen haben, um Missbrauch ohne Angst zu melden. Bei den Präventionsmaßnahmen müssen auch die spezifischen Umstände und Bedürfnisse verschiedener Gruppen von Kindern berücksichtigt werden, die in besonderem Maße dem Risiko sexuellen Missbrauchs ausgesetzt sind, darunter Kinder mit Behinderungen, minderjährige Migranten (insbesondere unbegleitete Minderjährige) und Kinder, die Opfer von Menschenhandel geworden sind (mehrheitlich Mädchen).
Ziel ist es, das Netz in Arbeitsgruppen zu organisieren, die den Austausch bewährter Verfahren und die Arbeit an konkreten Initiativen, die greifbare Ergebnisse liefern, erleichtern. Die Arbeitsgruppen könnten nach Tätigkeitsbereichen (d. h. nach beruflichem Hintergrund, z. B. Angehörige der Gesundheitsberufe, Sozialarbeiter, Lehrkräfte, Bedienstete der Strafverfolgungs-, Justiz- und Strafvollzugsbehörden, politische Entscheidungsträger und Forscher) und Programmen (d. h. nach der Art der Zielgruppe des Präventionsprogramms, z. B. Straftäter und Personen, die befürchten, dass sie eine Straftat begehen könnten, oder Schulungs- und Sensibilisierungsprogramme für Kinder, Familien und Gemeinschaften) organisiert werden.
Es ist unbedingt erforderlich, dass die Maßnahmen zur Verhinderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern ausgeweitet werden. Die exponentielle Zunahme der Meldungen über sexuellen Missbrauch von Kindern hat die Strafverfolgung in der EU und weltweit überfordert und die einhellige Meinung der Fachleute (auch im Bereich der Strafverfolgung) bestätigt, dass dieses Problem nicht allein durch Strafverfolgungsmaßnahmen gelöst werden kann, sondern eine Koordination aller Akteure erfordert.
Das Netz soll die Kapazitäten in der EU zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern stärken‚ und es soll über eine globale Reichweite verfügen‚ um das gesamte einschlägige Fachwissen innerhalb und außerhalb der EU zu nutzen. Außerdem soll es über eine gewichtige Online-Präsenz verfügen, um den Austausch seiner Arbeit innerhalb der EU und weltweit zu erleichtern, damit alle Länder von Forschung und Ansätzen auf dem neuesten Stand profitieren können.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Präventionsnetz Folgendes ermöglichen würde: a) wirksamere Maßnahmen zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern (online und offline) in der EU, b) wirksamere und effizientere Nutzung der in der EU vorhandenen (begrenzten) Ressourcen, die für die Verhinderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern bereitgestellt sind, c) wirksamere Zusammenarbeit mit Partnern auf der ganzen Welt‚ damit die EU von weltweitem Fachwissen profitieren kann, ohne Doppelarbeit zu leisten.
Leitaktion:
ðDie Kommission wird unverzüglich mit der Vorbereitung eines Präventionsnetzes auf EU-Ebene beginnen, um den Austausch bewährter Verfahren zu erleichtern und die Mitgliedstaaten bei der Einführung nutzbarer, einer strengen Bewertung unterzogener und wirksamer Präventionsmaßnahmen zu unterstützen, die die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch von Kindern in der EU senken sollen.
6.Ein Europäische Zentrum zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
Die Kommission wird auf der Grundlage einer eingehenden Studie und Folgenabschätzung mit der Arbeit an der möglichen Einrichtung eines Europäischen Zentrums zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern beginnen. Das Zentrum soll die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern – online und offline – umfassend unterstützen und eine Koordinierung sicherstellen, um die effiziente Nutzung der Ressourcen zu maximieren und Doppelarbeit zu vermeiden.
Das Europäische Parlament forderte in seiner Entschließung vom November 2019 die Schaffung eines Zentrums, während die Mitgliedstaaten in den Schlussfolgerungen des Rates vom Oktober 2019 die Notwendigkeit eines koordinierten Multi-Stakeholder-Ansatzes betonten. Das Zentrum könnte auf bewährten Verfahren und Erfahrungen ähnlicher Zentren weltweit – National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in den USA, Canadian Centre for Child Protection in Kanada und Australian Centre to Counter Child Exploitation in Australien – aufbauen.
Um eine umfassende Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern zu gewährleisten, könnten sich die Aufgaben des Zentrums vorbehaltlich einer weiteren Bewertung auf drei Bereiche erstrecken:
1.Strafverfolgung: Europol ist ein wichtiger Akteur im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch, insbesondere durch die Analyse und Weiterleitung von Missbrauchsmeldungen aus den USA. Aufbauend auf der Rolle und den Erfahrungen von Europol könnte das Zentrum mit den Strafverfolgungsbehörden in der EU und in Drittländern zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Opfer so schnell wie möglich identifiziert und unterstützt werden und die Täter vor Gericht gestellt werden. Es könnte die Mitgliedstaaten in der Weise unterstützen, dass es Meldungen über sexuellen Kindesmissbrauch in der EU von Unternehmen, die ihre Dienstleistungen in der EU anbieten, entgegennimmt, die Relevanz dieser Meldungen sicherstellt und sie an die Strafverfolgungsbehörden zur Ergreifung von Maßnahmen weiterleitet. Das Zentrum könnte auch Unternehmen unterstützen, indem es beispielsweise in der EU eine gemeinsame Datenbank mit bekanntem Material über sexuellen Kindesmissbrauch unterhält, um dessen Aufdeckung in den Systemen der Unternehmen unter Einhaltung der EU-Datenschutzvorschriften zu erleichtern. Darüber hinaus könnte das Zentrum auch die Strafverfolgung unterstützen, indem es die Entfernung von über Hotlines identifiziertem Material über sexuellen Kindesmissbrauch koordiniert und erleichtert.
Das Zentrum könnte nach strengen Kontrollmechanismen arbeiten, um Rechenschaftspflicht und Transparenz zu gewährleisten. Insbesondere könnte das Zentrum dazu beitragen, dass Inhalte nicht irrtümlich entfernt werden oder die Suchwerkzeuge nicht für die Meldung rechtmäßiger Inhalte (einschließlich des Missbrauchs der Werkzeuge für andere Zwecke als die Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern) missbraucht werden, und es könnte Beschwerden von Nutzern entgegennehmen‚ die der Ansicht sind, dass ihr Inhalt fälschlicherweise entfernt wurde. Rechenschaftspflicht und Transparenz werden bei den Rechtsvorschriften im Rahmen der Leitaktionen der Initiative Nr. 2 eine zentrale Rolle spielen.
2.Prävention: Aufbauend auf der Arbeit des Präventionsnetzes könnte das Zentrum die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, nutzbare, einer strengen Bewertung unterzogene und wirksame multidisziplinäre Präventionsmaßnahmen einzuführen, um die Häufigkeit von sexuellem Missbrauch von Kindern in der EU zu senken, wobei der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit von Kindern je nach Alter, Geschlecht, Entwicklung und spezifischen Umständen Rechnung zu tragen ist. Es könnte die Koordinierung erleichtern, um die effizienteste Nutzung der investierten Ressourcen und des verfügbaren Fachwissens im Bereich Prävention EU-weit zu unterstützen und Doppelarbeit zu vermeiden. Als Drehscheibe für die Vernetzung, Entwicklung und Verbreitung von Forschungsarbeiten und Fachwissen könnte es den Dialog zwischen allen einschlägigen Akteuren erleichtern und fördern und zur Entwicklung von Spitzenforschung und -wissen, einschließlich besserer Daten‚ beitragen. Es könnte auch Input für politische Entscheidungsträger auf nationaler und EU-Ebene zu Präventionslücken und möglichen Lösungen für deren Behebung geben.
3.Unterstützung der Opfer: Das Zentrum könnte eng mit nationalen Behörden und internationalen Experten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Opfer eine angemessene, umfassende Betreuung erhalten, wie es die Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und die Opferschutzrichtlinie vorschreibt. Es könnte sich auch für die Förderung des Austauschs bewährter Verfahren im Bereich von Schutzmaßnahmen für Opfer im Kindesalter einsetzen. Es könnte die Mitgliedstaaten auch unterstützen‚ indem es Forschungsarbeiten durchführt (z. B. zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen des sexuellen Missbrauchs von Kindern auf die Opfer), um eine faktengestützte Politik der Unterstützung und Betreuung der Opfer zu fördern, und als Drehscheibe für Fachwissen dient, um zu einer besseren Koordinierung und zur Vermeidung von Doppelarbeit beizutragen. Das Zentrum könnte die Opfer auch dabei unterstützen, ihre Bilder und Videos zu entfernen‚ um ihre Privatsphäre zu schützen, unter anderem durch proaktive Suche im Internet und die Benachrichtigung von Unternehmen.
Das Zentrum könnte alle Initiativen dieser Strategie zusammenführen und eine wirksamere Zusammenarbeit zwischen den Behörden (einschließlich der Strafverfolgungsbehörden), den Unternehmen und der Zivilgesellschaft in der EU und weltweit ermöglichen, sodass es zur Referenzstelle für Fachwissen in diesem Bereich in der EU wird:
·Auf die Gesetzgebung ausgerichtete Initiativen: Das Zentrum könnte die Kommission mit ihrem Fachwissen bei ihrer Aufgabe, den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie über sexuellen Missbrauch von Kindern Hilfestellung zu geben, unterstützen. Dieses Fachwissen, das im Laufe der Zeit anwachsen würde, da das Zentrum weiterhin Lücken und bewährte Verfahren in der EU und darüber hinaus ermittelt, würde der Kommission eine faktengestützte Politik erleichtern, die auch sicherstellen könnte, dass die EU-Rechtsvorschriften auf dem neuesten Stand sind und eine wirksame Reaktion ermöglichen.
·Auf Zusammenarbeit und Finanzierung ausgerichtete Initiativen: In enger Zusammenarbeit mit der Kommission, ähnlichen Zentren in anderen Ländern und der WePROTECT Global Alliance zur Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet, könnte das Zentrum sicherstellen, dass alle Mitgliedstaaten unmittelbaren und zentralisierten Zugang zu weltweit bewährten Verfahren haben und Kinder in der ganzen Welt von den bewährten Verfahren der EU profitieren können. Das Zentrum könnte sich auch auf die Ergebnisse des Präventionsnetzes und die Erfahrungen der Safer-Internet-Zentren stützen.
Die Kommission wird eng mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die verschiedenen Umsetzungsoptionen zu prüfen und im Hinblick auf die Maximierung von Mehrwert, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Zentrums gegebenenfalls bestehende Strukturen für die Aufgaben des Zentrums zu nutzen. Die Kommission wird eine Folgenabschätzung durchführen und unverzüglich eine Studie in Auftrag geben, um zu ermitteln, wie am besten weiter vorzugehen ist, einschließlich im Hinblick auf die Finanzierungsmechanismen und die Rechtsform des Zentrums.
Leitaktion:
ðDie Kommission wird unverzüglich eine Studie im Hinblick auf die Einrichtung eines Europäischen Zentrums zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Auftrag geben, um eine umfassende und wirksame Reaktion der EU auf den sexuellen Missbrauch von Kindern online und offline zu ermöglichen.
7.Mobilisierung von Bemühungen der Branche‚ den Schutz von Kindern im Rahmen ihrer Produkte zu gewährleisten
Anbieter bestimmter Online-Dienste haben die besten Voraussetzungen‚ um sexuellen Missbrauch von Kindern, der unter Verwendung ihrer Infrastruktur oder Dienste stattfindet, zu verhindern, aufzudecken und zu melden.
Derzeit decken zahlreiche Unternehmen freiwillig den sexuellen Missbrauch von Kindern auf. Das NCMEC erhielt allein im Jahr 2019 fast 17 Millionen Meldungen über sexuellen Kindesmissbrauch von diesen Unternehmen. Diese Meldungen umfassen nicht nur Missbrauchsbilder und -videos, sondern auch Situationen, die eine unmittelbare Gefahr für Kinder darstellen (z. B. Einzelheiten zu Vorkehrungen, um das Kind körperlich zu missbrauchen, oder Selbstmorddrohungen durch das Kind nach Erpressung durch den Täter). Diese Meldungen tragen seit Jahren dazu bei, Kinder in der EU aus anhaltenden Missbrauchssituationen zu retten. Sie haben beispielsweise zu folgenden Ergebnissen geführt:
·Rettung von 11 Kindern, von denen einige erst 2 Jahre alt waren und die von einem Netz von Kinderschändern in Schweden ausgebeutet wurden
·bisher größte Einzelmaßnahme zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Dänemark
·Rettung eines 9-jährigen Mädchens in Rumänien, das von ihrem Vater seit über einem Jahr missbraucht wurde
·Rettung eines 4-jährigen Mädchens und ihres 10-jährigen Bruders in Deutschland, die von ihrem Vater missbraucht worden waren
·Festnahme eines Straftäters in Frankreich, der Kontakt zu 100 Kindern aufgenommen hatte, um von ihnen Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu erhalten
·Rettung von 2 Mädchen in Tschechien, die von einem 52-jährigen Mann missbraucht wurden, der den Missbrauch aufgezeichnet und online verbreitet hat
Die Anstrengungen, die Unternehmen leisten, um sexuellen Missbrauch von Kindern aufzudecken und zu melden, sind sehr unterschiedlich. 2019 übermittelte ein einziges Unternehmen – Facebook – fast 16 Millionen Meldungen (94 % aller Meldungen in diesem Jahr), während andere in den USA ansässige Unternehmen weniger als 1000 Meldungen und einige weniger als 10 Meldungen übermittelten.
Im vergangenen Jahr kündigte Facebook Pläne an, bei seinem Instant-Messaging-Dienst standardmäßig End-zu-End-Verschlüsselung einzuführen. Dadurch könnte ohne Begleitmaßnahmen Schätzungen zufolge die Gesamtzahl der Meldungen von sexuellem Missbrauch von Kindern in der EU (und weltweit) um mehr als die Hälfte und um bis zu zwei Drittel zurückgehen, da die derzeit verwendeten Aufdeckungsinstrumente bei End-zu-End-verschlüsselter Kommunikation nicht funktionieren.
Angesichts der Schlüsselrolle, die bestimmte Online-Dienste bei der Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch spielen, und der aktuellen und potenziellen Bedeutung der Branche im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch, ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Branche im Einklang mit den Grundrechten der EU, einschließlich des Schutzes der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten, im Rahmen ihrer Produkte Verantwortung für den Schutz von Kindern übernimmt.
2020 hat die Kommission im Rahmen des EU-Internetforums mit den Arbeiten zur Unterstützung der Bemühungen der Branche bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet begonnen. Das Forum, an dem sich alle EU-Innenminister, hochrangige Vertreter großer Internetunternehmen, das Europäische Parlament und Europol beteiligen, dient seit 2015 als Vorbild für eine erfolgreiche sektorübergreifende Zusammenarbeit bei der Bekämpfung terroristischer Online-Inhalte und wurde nun auch auf den sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet ausgeweitet.
Neben der weiteren Unterstützung zur Bekämpfung terroristischer Online-Inhalte wird das EU-Internetforum einen gemeinsamen Raum für den Austausch von bewährten Verfahren und über die Herausforderungen privater und öffentlicher Akteure bei der Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet bieten, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern und gemeinsam Lösungen zu finden. Es wird auch eine politische Koordinierung auf höchster Ebene ermöglichen, um die Effizienz und Wirksamkeit der Maßnahmen in der gesamten EU zu maximieren.
Eine der spezifischen Initiativen im Rahmen des EU-Internetforums im Jahr 2020 ist die Einrichtung eines technischen Expertenprozesses, um eine Bestandsaufnahme und Bewertung möglicher Lösungen vorzunehmen, die es Unternehmen ermöglichen könnten, sexuellen Missbrauch von Kindern in End-zu-End-verschlüsselter elektronischer Kommunikation unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte aufzudecken und zu melden, ohne dass neue Schwachstellen entstehen, die von Kriminellen ausgenutzt werden könnten. Technische Experten aus Wissenschaft, Industrie, Behörden und Organisationen der Zivilgesellschaft werden mögliche am Gerät, Server bzw. Verschlüsselungsprotokoll ansetzende Lösungen prüfen, die die Privatsphäre der elektronischen Kommunikation und den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch und sexueller Ausbeutung gewährleisten könnten.
Leitaktion:
ðIm Rahmen des EU-Internetforums hat die Kommission mit den Akteuren der Branche einen Expertenprozess eingeleitet, um bis Ende 2020 eine Bestandsaufnahme und vorläufige Bewertung möglicher technischer Lösungen zur Aufdeckung und Meldung von sexuellem Kindesmissbrauch in End-zu-End-verschlüsselter elektronischer Kommunikation vorzunehmen und die regulatorischen und operativen Herausforderungen und Möglichkeiten im Kampf gegen diese Verbrechen anzugehen.
8.Verbesserung des Schutzes von Kindern weltweit durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure
Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine weltweite Realität, die alle Länder und gesellschaftlichen Gruppen betrifft und sowohl offline als auch online stattfindet. Schätzungen zufolge sind weltweit zu jedem Zeitpunkt mehr als 750 000 potenzielle Täter online, die Material über sexuellem Missbrauch von Kindern austauschen‚ Missbrauch von Kindern live streamen, Kinder nötigen, sexuelles Material anzufertigen, oder zum Zweck künftigen sexuellen Missbrauchs Kontakt mit Kindern aufnehmen.
Die folgende Karte zeigt die Downloads in Echtzeit einer Stichprobe von Material über sexuellen Kindesmissbrauch an einem bestimmten Tag:
Ferner gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Straftäter in Drittländer reisen‚ um mildere Rechtsrahmen oder geringere Durchsetzungskapazitäten auszunutzen und Missbrauch zu begehen, ohne Strafverfolgung zu befürchten. Die Möglichkeit, von Sexualstraftätern zu verlangen, dass sie sich registrieren lassen und bestimmte Auflagen erfüllen, die ihnen das Gericht oder die Bewährungshilfe nach ihrer Freilassung aus der Haft auferlegt haben, spielt eine wichtige Rolle beim Schutz von Kindern.
Die Kommission unterstützt seit Jahren die weltweiten Bemühungen im Rahmen der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure in der Erkenntnis, dass es eines Netzes bedarf, um ein Netz zu zerschlagen. Ein Beispiel hierfür ist die von der Kommission finanzierte und bei Interpol angesiedelte ICSE-Datenbank, die mehr als 1,5 Millionen Bilder und Videos enthält und dazu beigetragen hat, dass durch gemeinsame Anstrengungen der über 60 angeschlossenen Länder (und von Europol) weltweit 20 000 Opfer identifiziert werden konnten. Darüber hinaus kofinanziert die Kommission das INHOPE-Netz aus mehr als 40 Ländern, um die Entfernung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch zu erleichtern, das von der Öffentlichkeit anonym gemeldet wird. Die Kommission wird weiterhin weltweite Maßnahmen finanziell unterstützen, um die internationale Zusammenarbeit zu verbessern. Die EU wird insbesondere in fünf Regionen der Welt weiterhin die Spotlight-Initiative der Europäischen Union und der Vereinten Nationen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen unterstützen.
2012 gründete die Kommission gemeinsam mit den zuständigen US-Behörden die Global Alliance gegen sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet, an dem 54 Länder beteiligt sind, um den Opferschutz zu verbessern, Straftäter zu ermitteln und zu verfolgen, das Bewusstsein zu schärfen und zu erreichen, dass weniger Material über sexuellen Kindesmissbrauch im Internet verfügbar ist. Diese Initiative schloss sich mit einer ähnlichen Initiative aus dem Vereinigten Königreich zusammen, die 2014 unter dem Namen WePROTECT ins Leben gerufen wurde und Regierungen mit Branchenakteuren und NRO zusammenbrachte. 2016 vereinbarten die beiden Initiativen, ihre Kräfte zu bündeln und die WePROTECT Global Alliance zur Beendigung der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet zu bilden, die derzeit 97 Regierungen, 32 globale Technologieunternehmen, 33 Organisationen der Zivilgesellschaft und internationale Organisationen sowie 5 regionale Organisationen umfasst. Ende 2019 wurde die Organisation in eine eigenständige juristische Person in Form einer in den Niederlanden gegründeten Stiftung mit beschränkter Haftung umgewandelt.
Die WePROTECT Global Alliance hat das Engagement der Länder für eine besser koordinierte Reaktion auf die weltweite Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern auf der Grundlage globaler Bedrohungsanalysen und eines Modells für nationale Reaktionsmaßnahmen vorangebracht. Diese haben dazu beigetragen, die Herausforderungen zu präzisieren und die Mitgliedstaaten bei der Festlegung erreichbarer praktischer Ziele zu unterstützen.
Die Kommission wird das Bündnis angesichts seines Mitgründerstatus weiterhin, auch finanziell, als Mitglied im Policy Board unterstützen. Damit kann die Kommission die Kohärenz mit weltweiten Initiativen (insbesondere gesetzgeberischen) gewährleisten‚ die im Gegenzug die Wirksamkeit von Maßnahmen innerhalb der EU unterstützen und verstärken, da die Mitgliedstaaten so Zugang zu weltweit bewährten Verfahren erhalten. Insbesondere durch ihre Mitwirkung im Policy Board der WePROTECT Global Alliance trägt die Kommission aktiv dazu bei, die Standards für den Schutz von Kindern, die Identifizierung potenzieller Täter und die Unterstützung der Opfer im Kindesalter weltweit zu erhöhen. Dadurch werden die Bemühungen der EU erleichtert, mit den nationalen Behörden in Drittländern bewährte Verfahren auszutauschen und diese bei der Umsetzung internationaler Standards im Online-Raum (z. B. Schutz von Kindern) im Einklang mit dem EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020-2024 zu unterstützen. Die Kommission unterstützt diese Art der internationalen Zusammenarbeit seit Jahren und betrachtet die WePROTECT Global Alliance als die zentrale Organisation für die Koordinierung und Straffung weltweiter Bemühungen und regulatorischer Verbesserungen sowie die Verwirklichung einer wirksameren globalen Reaktion.
Leitaktion:
ðDie Kommission wird auch weiterhin dazu beitragen, die weltweiten Standards für den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch durch die Förderung der Zusammenarbeit verschiedener Akteure im Rahmen der WePROTECT Global Alliance und durch gezielte Finanzierung zu erhöhen.
NÄCHSTE SCHRITTE
Diese Strategie bildet die Grundlage für eine umfassende Reaktion auf die zunehmende Bedrohung durch den sexuellen Missbrauch von Kindern, sowohl online als auch offline, und wird im Zeitraum 2020-2025 als Bezugsrahmen für EU-Maßnahmen im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch dienen. Gleichzeitig wird sie auch einen Beitrag zu relevanten Initiativen der Kommission wie z. B. der EU-Kinderrechtsstrategie, die Anfang 2021 angenommen werden soll, leisten.
Die Kommission wird in den kommenden Monaten und Jahren eng mit Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft, Hochschulen, Fachkräften vor Ort, Forschern, Strafverfolgungsbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen sowie anderen einschlägigen Interessenträgern in der EU (einschließlich des Europäischen Parlaments und des Rates) und weltweit zusammenarbeiten, um eine effektive Prüfung und Umsetzung der acht in der Strategie vorgestellten Initiativen zu gewährleisten.
Es sollte ein geeigneter Rechtsrahmen eingeführt werden, der auch in Bezug auf Ermittlungen, Prävention und Unterstützung der Opfer eine wirksame Reaktion der relevanten Akteure, einschließlich Unternehmen, ermöglicht.
Sexueller Missbrauch von Kindern ist ein komplexes Thema, das die größtmögliche Zusammenarbeit aller Akteure erfordert, die in der Lage, willens und bereit sein müssen, zu handeln. Angesichts der Dringlichkeit wirksamer Maßnahmen wird die Kommission keine Mühen scheuen, um sicherzustellen, dass dies der Fall ist.
Unsere Kinder sind unsere Gegenwart und unsere Zukunft. Die Kommission wird weiterhin alle verfügbaren Instrumente nutzen, um sicherzustellen, dass nichts ihnen diese Zukunft stiehlt.