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Document 62023CJ0538
Judgment of the Court (Second Chamber) of 22 May 2025.#ÖBB-Infrastruktur AG and WESTbahn Management GmbH v Schienen-Control Kommission.#Request for a preliminary ruling from the Bundesverwaltungsgericht.#Reference for a preliminary ruling – Rail transport – Directive 2012/34/EU – Levying of charges for the use of railway infrastructure – Establishing, determining and collecting charges – Article 29 – Exceptions to charging principles – Article 32 – Mark-ups – Modalities for calculation and publication – Article 56 – Functions of the regulatory body – Authorisation procedure for mark-ups, provided for by national law – Conditions.#Case C-538/23.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 22. Mai 2025.
ÖBB-Infrastruktur AG und WESTbahn Management GmbH gegen Schienen-Control Kommission.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Eisenbahnverkehr – Richtlinie 2012/34/EU – Erhebung von Wegeentgelten – Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten – Art. 29 – Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen – Art. 32 – Aufschläge – Modalitäten für die Berechnung und die Veröffentlichung – Art. 56 – Aufgaben der Regulierungsstelle – Im nationalen Recht vorgesehenes Verfahren zur Genehmigung von Aufschlägen – Voraussetzungen.
Rechtssache C-538/23.
Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 22. Mai 2025.
ÖBB-Infrastruktur AG und WESTbahn Management GmbH gegen Schienen-Control Kommission.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichts.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Eisenbahnverkehr – Richtlinie 2012/34/EU – Erhebung von Wegeentgelten – Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten – Art. 29 – Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen – Art. 32 – Aufschläge – Modalitäten für die Berechnung und die Veröffentlichung – Art. 56 – Aufgaben der Regulierungsstelle – Im nationalen Recht vorgesehenes Verfahren zur Genehmigung von Aufschlägen – Voraussetzungen.
Rechtssache C-538/23.
Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2025:367
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
22. Mai 2025 ( *1 )
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Eisenbahnverkehr – Richtlinie 2012/34/EU – Erhebung von Wegeentgelten – Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten – Art. 29 – Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen – Art. 32 – Aufschläge – Modalitäten für die Berechnung und die Veröffentlichung – Art. 56 – Aufgaben der Regulierungsstelle – Im nationalen Recht vorgesehenes Verfahren zur Genehmigung von Aufschlägen – Voraussetzungen“
In der Rechtssache C‑538/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Beschluss vom 21. August 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2023, in dem Verfahren
ÖBB‑Infrastruktur AG,
WESTbahn Management GmbH
gegen
Schienen-Control Kommission
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Zweiten Kammer sowie der Richter M. Gavalec, Z. Csehi (Berichterstatter) und F. Schalin,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– |
der ÖBB‑Infrastruktur AG, vertreten durch Rechtsanwalt K. Retter, |
– |
der WESTbahn Management GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt E. Lichtenberger |
– |
der Schienen-Control Kommission, vertreten durch R. Streller, Vorsitzender, |
– |
der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und G. Kunnert als Bevollmächtigte, |
– |
der niederländischen Regierung, vertreten durch E. M. M. Besselink und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte, |
– |
der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten, |
– |
der norwegischen Regierung, vertreten durch T. Aalia und G. G. Mostuen als Bevollmächtigte, |
– |
der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Messina und E. Schmidt als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. November 2024
folgendes
Urteil
1 |
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 4 und Art. 27 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (ABl. 2012, L 343, S. 32, berichtigt in ABl. 2015, L 67, S. 32) in der durch die Richtlinie (EU) 2016/2370 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 (ABl. 2016, L 352, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2012/34) in Verbindung mit Anhang IV und Art. 31 Abs. 3 und Art. 32 dieser Richtlinie sowie Art. 2 Nr. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/909 der Kommission vom 12. Juni 2015 über die Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen (ABl. 2015, L 148, S. 17). |
2 |
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ÖBB‑Infrastruktur AG (im Folgenden: ÖBB‑Infra), dem Hauptbetreiber der österreichischen Eisenbahninfrastruktur, und der WESTbahn Management GmbH (im Folgenden: WESTbahn), einem Eisenbahnunternehmen, auf der einen und der Schienen-Control Kommission (Österreich) (im Folgenden: SCK) auf der anderen Seite über die Genehmigung von Aufschlägen auf Wegeentgelte. |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2012/34
3 |
Die Erwägungsgründe 34, 43 und 70 der Richtlinie 2012/34 lauten:
…
…
|
4 |
Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie sieht vor: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
…
…“ |
5 |
Art. 4 („Unabhängigkeit der Eisenbahnunternehmen und Infrastrukturbetreiber“) der Richtlinie bestimmt: „(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Eisenbahnunternehmen, die direkt oder indirekt Eigentum von Mitgliedstaaten sind oder von ihnen kontrolliert werden, in Bezug auf die Geschäftsführung, die Verwaltung und die interne Kontrolle der Verwaltungs‑, Wirtschafts- und Rechnungsführungsfragen eine unabhängige Stellung haben, aufgrund deren sie insbesondere über ein Vermögen, einen Haushaltsplan und eine Rechnungsführung verfügen, die von Vermögen, Haushaltsplan und Rechnungsführung des Staates getrennt sind. (2) Der Infrastrukturbetreiber ist unter Beachtung der Rahmenbedingungen betreffend die Entgelterhebung und die Kapazitätszuweisung und der von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelvorschriften für seine eigene Geschäftsführung, Verwaltung und interne Kontrolle verantwortlich.“ |
6 |
Art. 8 („Finanzierung des Infrastrukturbetreibers“) Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass sich die Gewinn- und Verlustrechnung eines Infrastrukturbetreibers aus Wegeentgelten, dem Gewinn aus anderen wirtschaftlichen Tätigkeiten, nicht rückzahlbaren Zuschüssen aus privater Quelle und der staatlichen Finanzierung, wobei gegebenenfalls auch staatliche Vorauszahlungen eingeschlossen sind, einerseits und [den] Fahrwegausgaben andererseits unter normalen geschäftlichen Umständen und über einen angemessenen Zeitraum, der fünf Jahre nicht überschreitet, zumindest ausgleicht.“ |
7 |
Art. 27 („Schienennetz-Nutzungsbedingungen“) Abs. 2 und 4 der Richtlinie bestimmt: „(2) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten Angaben zum Fahrweg, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht, und zu den Zugangsbedingungen für den betreffenden Fahrweg. Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten ferner Informationen zu den Bedingungen für den Zugang zu Serviceeinrichtungen, die an das Netz des Infrastrukturbetreibers angeschlossen sind, und für die Erbringung der Leistungen in diesen Einrichtungen oder verweisen auf eine Website, auf der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Anhang IV enthält den Inhalt der Schienennetz-Nutzungsbedingungen. … (4) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen.“ |
8 |
Art. 29 („Festsetzung, Berechnung und Erhebung von Entgelten“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt: „Die Mitgliedstaaten schaffen eine Entgeltrahmenregelung, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 zu wahren ist. Vorbehaltlich dieser Bedingung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Infrastrukturbetreiber. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung enthalten oder auf eine Website verweisen, auf der die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung veröffentlicht sind. Der Infrastrukturbetreiber nimmt die Berechnung und Erhebung des Wegeentgeltes gemäß den geltenden Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Entgelterhebung vor. …“ |
9 |
Art. 31 („Entgeltgrundsätze“) Abs. 3 der Richtlinie sieht vor: „Unbeschadet der Absätze 4 und 5 dieses Artikels und unbeschadet des Artikels 32 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen. Die [Europäische] Kommission erlässt vor dem 16. Juni 2015 … Maßnahmen zur Festlegung der Modalitäten für die Berechnung der Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem Prüfverfahren nach Artikel 62 Absatz 3 erlassen. Der Infrastrukturbetreiber kann beschließen, diese Modalitäten schrittweise zu übernehmen; hierfür steht ihm ein Zeitraum von höchstens vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Durchführungsrechtsakte zur Verfügung.“ |
10 |
Art. 32 („Ausnahmen von den Entgeltgrundsätzen“) Abs. 1 und 6 der Richtlinie lautet: „(1) Um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, kann ein Mitgliedstaat, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Entgeltregelung muss dem von den Eisenbahnunternehmen erzielten Produktivitätszuwachs Rechnung tragen. Die Höhe der Entgelte darf jedoch nicht die Nutzung der Fahrwege durch Marktsegmente ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, sowie eine Rendite, die der Markt tragen kann, erbringen können. Bevor die Mitgliedstaaten solche Aufschläge genehmigen, stellen sie sicher, dass die Infrastrukturbetreiber prüfen, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind; dabei ziehen sie mindestens die in Anhang VI Nummer 1 genannten Verkehrsdienst-Paare in Betracht und wählen die zutreffenden aus. Die Liste der von den Infrastrukturbetreibern festgelegten Marktsegmente umfasst mindestens die drei folgenden Segmente: Güterverkehrsdienste, Personenverkehrsdienste im Rahmen eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags und andere Personenverkehrsdienste. Die Infrastrukturbetreiber können Marktsegmente je nach Art der Güter- oder Personenbeförderung weiter untergliedern. Marktsegmente, in denen Eisenbahnunternehmen gegenwärtig nicht tätig sind, in denen sie aber möglicherweise während der Laufzeit der Entgeltregelung Leistungen erbringen, werden ebenfalls festgelegt. Die Infrastrukturbetreiber nehmen in die Entgeltregelung für diese Marktsegmente keine Aufschläge auf. Die Liste der Marktsegmente wird in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht und mindestens alle fünf Jahre überprüft. Die Regulierungsstelle nach Artikel 55 überwacht diese Liste gemäß Artikel 56. … (6) Beabsichtigt ein Infrastrukturbetreiber, die wesentlichen Bestandteile der in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannten Entgeltregelung zu ändern, veröffentlicht er diese mindestens drei Monate vor Ablauf der in Artikel 27 Absatz 4 genannten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen.“ |
11 |
Art. 56 („Aufgaben der Regulierungsstelle“) Abs. 1, 2, 6, 9 und 10 der Richtlinie 2012/34 bestimmt: „(1) Ist ein Antragsteller der Auffassung, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein, so hat er unbeschadet des Artikels 46 Absatz 6 das Recht, die Regulierungsstelle zu befassen, und zwar insbesondere gegen Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers oder gegebenenfalls des Eisenbahnunternehmens oder des Betreibers einer Serviceeinrichtung betreffend:
(2) Unbeschadet der Befugnisse der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten ist die Regulierungsstelle berechtigt, die Wettbewerbssituation in den Schienenverkehrsmärkten zu überwachen, insbesondere auch den Markt für Hochgeschwindigkeits-Personenverkehrsdienste und die Tätigkeiten der Infrastrukturbetreiber in Bezug auf Absatz 1 Buchstaben a bis j. Die Regulierungsstelle überprüft von sich aus insbesondere die Einhaltung der in Absatz 1 Buchstaben a bis j genannten Punkte, um der Diskriminierung von Antragstellern vorzubeugen. Sie prüft insbesondere, ob die Schienennetz-Nutzungsbedingungen diskriminierende Bestimmungen enthalten oder den Infrastrukturbetreibern einen Ermessensspielraum geben, der zur Diskriminierung von Antragstellern genutzt werden kann. … (6) Die Regulierungsstelle gewährleistet, dass die vom Infrastrukturbetreiber festgesetzten Entgelte dem Kapitel IV Abschnitt 2 entsprechen und nichtdiskriminierend sind. Verhandlungen zwischen Antragstellern und einem Infrastrukturbetreiber über die Höhe von Wegeentgelten sind nur zulässig, sofern sie unter Aufsicht der Regulierungsstelle erfolgen. Die Regulierungsstelle hat einzugreifen, wenn bei den Verhandlungen ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieses Kapitels droht. … (9) Binnen eines Monats ab Erhalt einer Beschwerde prüft die Regulierungsstelle die Beschwerde und fordert gegebenenfalls einschlägige Auskünfte an und leitet Gespräche mit allen Betroffenen ein. Innerhalb einer vorab bestimmten angemessenen Frist, in jedem Fall aber binnen sechs Wochen nach Erhalt aller sachdienlichen Informationen entscheidet sie über die betreffenden Beschwerden, trifft Abhilfemaßnahmen und setzt die Betroffenen über ihre begründete Entscheidung in Kenntnis. Unbeschadet der Zuständigkeiten der nationalen Wettbewerbsbehörden für die Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten entscheidet sie gegebenenfalls von sich aus über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Antragstellern, Marktverzerrung und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten, insbesondere in Bezug auf Absatz 1 Buchstaben a bis j. Entscheidungen der Regulierungsstelle sind für alle davon Betroffenen verbindlich und unterliegen keiner Kontrolle durch eine andere Verwaltungsinstanz. Die Regulierungsstelle muss ihre Entscheidungen durchsetzen können und geeignete Sanktionen, einschließlich Geldbußen, verhängen können. Wird die Regulierungsstelle mit einer Beschwerde wegen der Verweigerung der Zuweisung von Fahrwegkapazität oder wegen der Bedingungen eines Angebots an Fahrwegkapazität befasst, entscheidet die Regulierungsstelle entweder, dass keine Änderung der Entscheidung des Infrastrukturbetreibers erforderlich ist, oder schreibt eine Änderung dieser Entscheidung gemäß den Vorgaben der Regulierungsstelle vor. (10) Die Mitgliedstaaten gewährleisten die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle. Die Beschwerde kann nur dann aufschiebende Wirkung auf die Entscheidung der Regulierungsstelle haben, wenn die Entscheidung der Regulierungsstelle dem Beschwerdeführer unmittelbar irreversiblen oder offensichtlich unverhältnismäßigen Schaden zufügen kann. Diese Bestimmung lässt die etwaigen durch Verfassungsrecht übertragenen Befugnisse des mit der Beschwerde befassten Gerichts unberührt.“ |
12 |
Anhang IV der Richtlinie 2012/34 führt die Angaben auf, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen gemäß Art. 27 dieser Richtlinie enthalten sind. |
Durchführungsverordnung 2015/909
13 |
Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Durchführungsverordnung 2015/909 sieht vor: „Für die Zwecke dieser Verordnung gelten die folgenden Begriffsbestimmungen:
…“ |
14 |
Die Art. 3 und 4 dieser Durchführungsverordnung legen für die Zwecke der Berechnung der direkten Kosten die „Direkte[n] Kosten des gesamten Netzes“ und die „Nicht geltend zu machende[n] Kosten“ fest. |
15 |
Art. 3 Abs. 1 der Durchführungsverordnung bestimmt: „Die direkten Kosten für das gesamte Netz errechnen sich aus der Differenz zwischen den Kosten für die Erbringung der Dienste des Mindestzugangspakets und für den Zugang zu den Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, einerseits und andererseits den in Artikel 4 genannten Kosten, die nicht geltend gemacht werden können.“ |
Österreichisches Recht
16 |
Das Bundesgesetz über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz) vom 7. März 1957 (BGBl. 60/1957) enthält den § 67d, in der Fassung vom 27. November 2015 (BGBl. I 137/2015), der in seinen Abs. 1 und 6 vorsieht: „(1) Sofern die Wegeentgelte und sonstige Erlöse aus dem Betreiben der Eisenbahninfrastruktur nicht ausreichen, um eine volle Deckung der Kosten zu erreichen, können hierzu weitere Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze festgesetzt werden, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Die Höhe der Wegeentgelte darf jedoch die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur durch Marktsegmente nicht ausschließen, die mindestens die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebes anfallen, sowie eine marktgerechte Rendite erbringen können. … (6) Die Festsetzung weiterer Aufschläge bedarf der Genehmigung der [SCK], die zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. …“ |
17 |
§ 42 Abs. 1 des Bundesgesetzes zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen (Bundesbahngesetz) vom 29. Dezember 1992 (BGBl. I 825/1992) in der Fassung vom 19. August 2009 (BGBl. I 95/2009) bestimmt: „Die [ÖBB‑Infra] trägt die Kosten für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Der Bund leistet der [ÖBB‑Infra] über deren Ersuchen insbesondere für den Betrieb der Schieneninfrastruktur und deren Bereitstellung an die Nutzer insoweit und solange einen Zuschuss, als die unter den jeweiligen Marktbedingungen von den Nutzern der Schieneninfrastruktur zu erzielenden Erlöse die bei sparsamer und wirtschaftlicher Geschäftsführung anfallenden Aufwendungen nicht abdecken.“ |
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
18 |
Die ÖBB‑Infra ist der Hauptbetreiber der Eisenbahninfrastruktur in Österreich. Sie berechnet die Wegeentgelte für diese Infrastruktur und erhebt diese und veröffentlicht die diesbezüglichen Informationen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen. Diese Entgelte bestehen u. a. aus Entgelten für die direkten Kosten für die Nutzung der Infrastruktur sowie aus Aufschlägen auf diese Entgelte. Solche Aufschläge sind nach § 67d des Bundesgesetzes über Eisenbahnen, Schienenfahrzeuge auf Eisenbahnen und den Verkehr auf Eisenbahnen (Eisenbahngesetz) in der Fassung vom 27. November 2015 der SCK zur Genehmigung vorzulegen. |
19 |
Am 12. August 2016 beantragte die ÖBB‑Infra bei der SCK, ihr Aufschläge zu den Wegeentgelten für die Netzfahrplanperiode 2018, d. h. für den Zeitraum vom 10. Dezember 2017 bis zum 8. Dezember 2018, zu genehmigen. Dies war der erste Antrag der ÖBB‑Infra in diesem Sinne. |
20 |
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2016 genehmigte die SCK diese Aufschläge. Die WESTbahn erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (Österreich), dem vorlegenden Gericht. Dieses hob den Bescheid mit Beschluss vom 5. Juli 2017 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die SCK zurück. |
21 |
Am 18. August 2017 beantragte die ÖBB‑Infra bei der SCK, ihr Aufschläge zu den Wegeentgelten für die Netzfahrplanperiode 2019, d. h. für den Zeitraum vom 9. Dezember 2018 bis zum 7. Dezember 2019, zu genehmigen. Dieser Antrag mit der Geschäftszahl SCK‑17‑009 wurde von der SCK mit dem Verfahren SCK‑16‑012 für die Genehmigung von Aufschlägen für die Netzfahrplanperiode 2018 verbunden. |
22 |
Weiters leitete die SCK unter der Geschäftszahl SCK‑18‑010 ein Verfahren zur Prüfung der direkten Kosten der ÖBB‑Infra ein und verband dieses gleichermaßen mit den genannten Verfahren SCK‑16‑012 und SCK‑17‑009. |
23 |
In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 wurde für jedes Marktsegment lediglich das zu entrichtende Gesamtentgelt je gefahrenen Zugkilometer ausgewiesen. In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2019 wurden hingegen für jedes Marktsegment die Entgelte für die direkten Kosten und die Aufschläge je gefahrenen Zugkilometer sowie das zu entrichtende Gesamtentgelt je gefahrenen Zugkilometer als Summe aus Kosten und Aufschlägen separat ausgewiesen. |
24 |
In Bezug auf die Aufschläge wurde in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 und 2019 darauf hingewiesen, dass die Verfahren zu ihrer Genehmigung noch im Gange seien. In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2019 hieß es darüber hinaus, dass für den Fall, dass die rechtskräftige Entscheidung in diesem Verfahren erst nach Beginn der Netzfahrplanperiode vorliegen sollte, gegebenenfalls eine Nach- bzw. Rückverrechnung von zu viel oder zu wenig verrechneten Wegeentgelten erfolgen werde. |
25 |
Am 24. Juni 2019 beantragte die ÖBB‑Infra Änderungen hinsichtlich ihrer Anträge in Bezug auf die Aufschläge für 2018 und 2019 mit der Begründung, wenn die direkten Kosten im Rahmen des Verfahrens SCK‑18‑010 von der SCK niedriger als von der ÖBB‑Infra geplant angesetzt würden, die Marktaufschläge höher angesetzt werden müssten, um das vom Verkehrsministerium (Österreich) vorgegebene Erlösziel zu erreichen. |
26 |
In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die ÖBB‑Infra für die Jahre 2018 und 2019 staatliche Zuschüsse erhalten habe und dass das Verkehrsministerium der ÖBB‑Infra für jede Netzfahrplanperiode den Gesamtbetrag der Entgelte mitgeteilt habe, die die ÖBB‑Infra aus den Wegeentgelten zuzüglich der Aufschläge zu erwirtschaften habe. Die SCK stütze ihre Berechnung der Aufschläge auf dieses Erlösziel. |
27 |
Erst mit Bescheid vom 17. Dezember 2020 setzte die SCK die Entgelte für die direkten Kosten und die Aufschläge sowie das pro gefahrenen Zugkilometer zu entrichtende Gesamtentgelt für die Netzfahrplanperioden 2018 und 2019 fest. |
28 |
Die ÖBB‑Infra und die WESTbahn erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde beim vorlegenden Gericht. Die ÖBB‑Infra wendet sich gegen den genannten Bescheid und beantragt im Wesentlichen höhere Aufschläge als die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 und 2019 veröffentlichten. |
29 |
In diesem Zusammenhang fragt sich das vorlegende Gericht erstens, ob die Entgeltaufschläge auch noch nach Ablauf der betroffenen Netzfahrplanperiode genehmigt werden können. Zweitens hat es Zweifel hinsichtlich der Reihenfolge, in der die Veröffentlichung dieser Aufschläge in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen und die Genehmigung dieser Aufschläge erfolgen müssen, und drittens auch hinsichtlich des Umfangs der erforderlichen Veröffentlichung. Viertens möchte es wissen, ob der Mitgliedstaat an die Höhe der ihm zur Genehmigung vorgelegten Entgeltaufschläge gebunden sei. Fünftens wünscht es eine Klärung der Frage, welche etwaigen Auswirkungen ein vom Mitgliedstaat festgelegtes „Erlösziel“ auf die Berechnung dieser Aufschläge haben könnte. |
30 |
Unter diesen Umständen hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
31 |
Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2012/34, insbesondere ihr Art. 32, dahin auszulegen ist, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, die Erhebung von Aufschlägen auf die vom Betreiber der Eisenbahninfrastruktur festgesetzten Wegeentgelte einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen, und, wenn ja, ob der am Ende dieses Verfahrens erlassene Bescheid zwangsläufig vor Beginn der Netzfahrplanperiode ergehen muss, für die diese Aufschläge beantragt wurden. Ferner möchte das Gericht wissen, ob eine solche Genehmigung als rechtskräftig anzusehen ist. |
32 |
Gemäß Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34 kann ein Mitgliedstaat, um eine volle Deckung der dem Infrastrukturbetreiber entstehenden Kosten zu erhalten, sofern der Markt dies tragen kann, Aufschläge auf der Grundlage effizienter, transparenter und nichtdiskriminierender Grundsätze erheben, wobei die bestmögliche Wettbewerbsfähigkeit der Segmente des Eisenbahnmarktes zu gewährleisten ist. Nach Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 3 stellt der Mitgliedstaat, bevor er solche Aufschläge genehmigt, sicher, dass der Infrastrukturbetreiber prüft, inwieweit die Aufschläge für bestimmte Marktsegmente relevant sind. Dabei zieht er mindestens die in Anhang VI Nr. 1 dieser Richtlinie genannten Verkehrsdienst-Paare in Betracht und wählt die zutreffenden aus. |
33 |
Diese Aufschläge werden zusätzlich zu den Entgelten für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn und von Serviceeinrichtungen erhoben, die einen Grundbestandteil der Regelung der Erhebung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr darstellen, wie sie in Kapitel IV Abschnitt 2 der Richtlinie 2012/34 niedergelegt ist. |
34 |
Innerhalb dieses Abschnitts 2 wird in Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34 verlangt, dass die Mitgliedstaaten im Interesse des reibungslosen Funktionierens dieser Wegeentgeltregelung eine „Entgeltrahmenregelung“ schaffen, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur gemäß Art. 4 der Richtlinie zu wahren ist. Nach Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 4 der Richtlinie nimmt der Infrastrukturbetreiber die Berechnung und Erhebung des Wegeentgelts gemäß dieser Entgeltrahmenregelung und den Vorschriften für die Entgelterhebung vor. |
35 |
Somit nimmt Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 in Bezug auf die Entgeltregelungen eine Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur vor. Es ist nämlich Sache der Mitgliedstaaten, eine Entgeltrahmenregelung zu schaffen, während die Berechnung und Erhebung des Entgelts grundsätzlich vom Betreiber der Infrastruktur vorgenommen wird (Urteil vom 9. September 2021, LatRailNet und Latvijas dzelzceļš, C‑144/20, EU:C:2021:717, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
36 |
Da Art. 32 der Richtlinie 2012/34 im selben Abschnitt des Kapitels IV wie ihr Art. 29 enthalten ist, kann für die Berechnung von Aufschlägen trotz des Verweises auf eine Genehmigung der Erhebung solcher Aufschläge durch den Mitgliedstaat in Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie nichts anderes gelten, zumal die in der letztgenannten Bestimmung festgelegte Aufteilung der Zuständigkeiten Art. 4 der Richtlinie entspricht. |
37 |
Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 56 Abs. 1 Buchst. d und e der Richtlinie 2012/34, dass die Entscheidungen des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur betreffend die Entgeltregelung und die Höhe oder die Struktur der Wegeentgelte der Kontrolle durch die Regulierungsstelle unterliegen. |
38 |
In diesem Zusammenhang steht erstens fest, dass diese Stelle nach Art. 56 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2012/34 entweder auf Antrag eines Antragstellers im Sinne von Art. 3 Nr. 19 dieser Richtlinie oder von sich aus tätig wird. Darüber hinaus gewährleistet diese Stelle gemäß Art. 56 Abs. 6 der Richtlinie, dass die vom Infrastrukturbetreiber festgesetzten Entgelte dem Kapitel IV Abschnitt 2 der Richtlinie entsprechen und nichtdiskriminierend sind. |
39 |
Zweitens sind nach Art. 56 Abs. 9 Unterabs. 2 und Abs. 10 der Richtlinie 2012/34 die Entscheidungen der Regulierungsstelle für alle davon Betroffenen verbindlich, unterliegen keiner Kontrolle durch eine andere Verwaltungsinstanz und sind gerichtlich nachprüfbar. |
40 |
Drittens hängt die Zuständigkeit der Regulierungsstelle für die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Wegeentgelte nicht davon ab, ob sie vor oder nach Ablauf der jeweiligen Geltungszeiträume der Entgelte befasst worden ist. Diese Stelle kann nicht nur ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der in der Vergangenheit erhobenen Wegeentgelte nicht verneinen, sondern eine solche Befugnis impliziert im Übrigen zwangsläufig, dass die Regulierungsstelle die Unwirksamkeit der Entgelte gegebenenfalls mit Ex‑tunc-Wirkung feststellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Oktober 2022, DB Station & Service, C‑721/20, EU:C:2022:832, Rn. 87, und vom 7. März 2024, Die Länderbahn u. a., C‑582/22, EU:C:2024:213, Rn. 49 und 55). |
41 |
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die mit der Richtlinie 2012/34 eingeführte Entgeltregelung auf dem Grundsatz beruht, dass es Sache des Mitgliedstaats ist, eine Entgeltrahmenregelung zu schaffen, die u. a. die allgemeinen Entgeltregeln betrifft, dass es dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur obliegt, diese Rahmenregelung umzusetzen, indem er die Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn und von Serviceeinrichtungen sowie etwaige Aufschläge auf diese Entgelte berechnet und erhebt, und dass die Entscheidungen dieses Betreibers der Kontrolle durch die Regulierungsstelle unterliegen, die nachträglich erfolgt und deren Entscheidungen Rückwirkung entfalten können. |
42 |
Hingegen sieht die Richtlinie 2012/34, insbesondere ihr Kapitel IV, weder für Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn und von Serviceeinrichtungen noch für etwaige Aufschläge auf diese Entgelte ein Verfahren zur vorherigen Genehmigung vor. |
43 |
Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 56 der Richtlinie 2012/34 ebenso wie aus dem Wortlaut des ihm vorausgegangenen Art. 30 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. 2001, L 75, S. 29), dass dieser Art. 56 kein Verfahren zur vorherigen Genehmigung der Wegeentgelte vorsieht. In Art. 56 wird nicht verlangt, dass die Betreiber der Infrastruktur die Wegeentgelte, die sie zu erheben gedenken, oder die Variablen, mit denen diese berechnet werden sollen, der Regulierungsstelle zur Genehmigung vorlegen. Art. 56 sieht vielmehr nur eine Kontrolle der bereits festgesetzten Entgelte vor, was sich u. a. aus Art. 56 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 ergibt. Diese Prüfung obliegt der Regulierungsstelle, die entweder im Rahmen eines Rechtsbehelfs oder von Amts wegen entscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Februar 2022, ORLEN KolTrans, C‑563/20, EU:C:2022:113, Rn. 43 und 50). |
44 |
Da die Richtlinie 2012/34, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, kein Verfahren zur vorherigen Genehmigung der Wegeentgelte oder der Variablen vorsieht, mit denen diese Entgelte berechnet werden sollen, kann sie auch nicht die Modalitäten eines solchen Verfahrens bestimmen (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Februar 2022, ORLEN KolTrans, C‑563/20, EU:C:2022:113, Rn. 54). |
45 |
Angesichts des Umstands, dass die Regulierungsstelle nach Art. 56 der Richtlinie 2012/34 von sich aus entscheiden kann und gemäß Art. 56 Abs. 6 gewährleistet, dass die vom Infrastrukturbetreiber festgesetzten Entgelte dem Kapitel IV Abschnitt 2 dieser Richtlinie entsprechen, kann diese Richtlinie jedoch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie es einem Mitgliedstaat verwehrt, von der Regulierungsstelle zu verlangen, dass sie in allen Fällen von Amts wegen die Entscheidungen eines Betreibers der Eisenbahninfrastruktur über die Entgelterhebung prüft. |
46 |
Daher hindert sie einen Mitgliedstaat auch nicht daran, im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2012/34 in sein nationales Recht vorzusehen, dass eine solche systematische Prüfung erfolgt, sobald der Infrastrukturbetreiber die Regulierungsstelle über seine Absicht informiert, Entgelte zu erheben oder zu ändern. |
47 |
Ein solches Genehmigungsverfahren darf jedoch weder die wirksame Umsetzung der durch Kapitel IV der Richtlinie 2012/34 eingeführten Entgeltregelung noch andere Bestimmungen dieser Richtlinie, ihre Kohärenz oder die mit ihr verfolgten Ziele beeinträchtigen. |
48 |
Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die mit der Richtlinie 2012/34 eingeführte Regelung die Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Betreibers der Infrastruktur gewährleisten soll. Damit eine solche Unabhängigkeit gewährleistet ist, ist es erforderlich, dass der Betreiber der Infrastruktur in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügt, um hiervon als Geschäftsführungsinstrument Gebrauch machen zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, LatRailNet und Latvijas dzelzceļš, C‑144/20, EU:C:2021:717, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
49 |
Folglich muss sich die von der Regulierungsstelle im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens vorgenommene Prüfung darauf beschränken, Unvereinbarkeiten im Hinblick auf Kapitel IV Abschnitt 2 der Richtlinie 2012/34 oder den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu beseitigen. Die Regulierungsstelle ist daher nicht befugt, den Betreiber dazu zu zwingen, sich ihrer Zweckmäßigkeitsbeurteilung zu fügen, da die Regulierungsstelle dadurch den Spielraum beeinträchtigen würde, über den dieser Betreiber verfügen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, LatRailNet und Latvijas dzelzceļš, C‑144/20, EU:C:2021:717, Rn. 46 und 47). |
50 |
Zweitens legt die Richtlinie 2012/34, wie sich aus Rn. 44 des vorliegenden Urteils ergibt, zwar nicht die Modalitäten eines etwaigen Genehmigungsverfahrens fest, doch dürfen solche Modalitäten nicht in die Befugnisse der beteiligten Akteure eingreifen und insbesondere den Betreiber der Eisenbahninfrastruktur nicht daran hindern, die in Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34 vorgesehene Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen einzuhalten. |
51 |
Zudem darf ein Genehmigungsverfahren die Möglichkeit der in Art. 56 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 genannten Personen nicht einschränken, gegen Entscheidungen des Infrastrukturbetreibers oder gegebenenfalls des Eisenbahnunternehmens oder des Betreibers einer Serviceeinrichtung, insbesondere durch Einlegung einer Beschwerde, ihre Rechte geltend zu machen, wenn sie der Auffassung sind, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in ihren Rechten verletzt worden zu sein. |
52 |
Drittens darf ein Genehmigungsverfahren die Regulierungsstelle weder daran hindern, ihre Aufgaben gemäß Art. 56 der Richtlinie 2012/34 wahrzunehmen, noch den damit verbundenen Schutz von Antragstellern unterminieren. |
53 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 56 Abs. 10 dieser Richtlinie die Entscheidungen der Regulierungsstelle einer gerichtlichen Nachprüfung zugänglich sein müssen. |
54 |
Daher kann eine von der Regulierungsstelle im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens getroffene Entscheidung nur auf administrativer Ebene bestandskräftig sein und nicht von einer gerichtlichen Kontrolle ausgenommen sein. |
55 |
Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 sowie die Art. 32 und 56 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht verwehren, die Erhebung von Aufschlägen auf die vom Betreiber der Eisenbahninfrastruktur festgesetzten Wegeentgelte einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen, sofern ein solches Verfahren den Spielraum wahrt, über den der Betreiber dieser Infrastruktur bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen muss, um hiervon als Geschäftsführungsinstrument Gebrauch machen zu können, nicht in die Befugnisse der beteiligten Akteure eingreift und die Regulierungsstelle nicht daran hindert, ihre Aufgaben nach Art. 56 wahrzunehmen. |
Zur zweiten und zur dritten Frage
56 |
Die zweite und die dritte Frage des vorlegenden Gerichts betreffen die Bedeutung der in Art. 27 der Richtlinie 2012/34 geregelten Verpflichtung zur Veröffentlichung von Schienennetz-Nutzungsbedingungen im Zusammenhang mit Aufschlägen auf Entgelte, die auf der Grundlage von Art. 32 dieser Richtlinie berechnet werden. Beide Fragen sind zusammen zu behandeln. |
57 |
Mit ihnen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 27 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen sind, dass erstens die Entgeltaufschläge zwangsläufig vor ihrer Genehmigung durch die Regulierungsstelle in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht werden müssen, zweitens diese Bedingungen für jedes betroffene Marktsegment Informationen zu den Aufschlägen enthalten müssen, die zu den Entgelten für die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten hinzukommen, und drittens die bloße Änderung der Höhe dieser Aufschläge eine Änderung eines wesentlichen Bestandteils der Entgeltregelung im Sinne von Art. 32 Abs. 6 dieser Richtlinie darstellt. |
58 |
Das vorlegende Gericht fragt sich erstens, in welchem Verhältnis die Verpflichtung zur Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu dem im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren zur Genehmigung von Entgeltaufschlägen steht. |
59 |
Insoweit ergibt sich aus der Antwort auf die erste Frage, dass die Richtlinie 2012/34, da sie kein Genehmigungsverfahren vorsieht, folglich nicht die Modalitäten regelt, die ein solches Verfahren beachten müsste. |
60 |
Allerdings sind die im Rahmen der Beantwortung der ersten Frage dargelegten Vorbehalte auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Die im nationalen Recht für ein solches Genehmigungsverfahren vorgegebenen Modalitäten dürfen mithin nicht in die Befugnisse der beteiligten Akteure eingreifen und es insbesondere dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur nicht unmöglich machen, die in Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie 2012/34 vorgesehene Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen einzuhalten. |
61 |
Daraus folgt, dass die Entscheidung eines Mitgliedstaats, die Aufschläge auf die Wegeentgelte einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen, den Betreiber der Infrastruktur nicht daran hindern kann, in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen die Informationen zu den von ihm berechneten Aufschlägen zu veröffentlichen, ohne den Ausgang dieses Verfahrens abwarten zu müssen, gegebenenfalls mit einem Hinweis darauf, dass ein solches Verfahren im Gange ist. |
62 |
Das vorlegende Gericht fragt sich zweitens, ob es im Hinblick auf Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34 genügt, dass in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen ein zu entrichtendes Gesamtentgelt je gefahrenen Zugkilometer ausgewiesen ist, das sowohl die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten gemäß Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie als auch die gemäß Art. 32 der Richtlinie berechneten Aufschläge deckt, oder ob in diesen Bedingungen zwingend für jedes betroffene Marktsegment die Höhe der Aufschläge angegeben werden muss, die zu den Entgelten für die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten hinzukommen. |
63 |
Insoweit ist festzustellen, dass Art. 3 Nr. 26 der Richtlinie 2012/34 die „Schienennetz-Nutzungsbedingungen“ als eine „detaillierte Darlegung der allgemeinen Regeln, Fristen, Verfahren und Kriterien für die Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen einschließlich der zusätzlichen Informationen, die für die Beantragung von Fahrwegkapazität benötigt werden“, definiert. |
64 |
Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34 sieht vor, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen Angaben zu den Zugangsbedingungen für den betreffenden Fahrweg sowie Informationen zu den Bedingungen für den Zugang zu Serviceeinrichtungen, die an das Netz des Infrastrukturbetreibers angeschlossen sind, und für die Erbringung der Leistungen in diesen Einrichtungen enthalten muss, wobei Anhang IV den Inhalt dieser Bedingungen enthält. |
65 |
Nach Nr. 2 des Anhangs IV müssen die Schienennetz-Nutzungsbedingungen aber einen Abschnitt mit einer Darlegung der Entgeltgrundsätze und der Tarife enthalten, der u. a. hinreichende Einzelheiten der Entgeltregelung sowie ausreichende Informationen zu den Entgelten umfasst. Darin ist in diesem Zusammenhang im Einzelnen auszuführen, welche Verfahren, Regeln und gegebenenfalls Tabellen zur Durchführung der Art. 31 bis 36 der Richtlinie 2012/34 in Bezug sowohl auf Kosten als auch auf Entgelte angewandt werden. |
66 |
Im Übrigen geht aus dem 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2012/34 hervor, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen bezwecken, den Eisenbahnunternehmen alle erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihr Recht auf Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen und Leistungen in Serviceeinrichtungen in nichtdiskriminierender und transparenter Weise ausüben können. |
67 |
Aus dem 34. Erwägungsgrund sowie aus dem Wortlaut von Art. 3 Nr. 26, Art. 27 Abs. 2 und Anhang IV Nr. 2 der Richtlinie 2012/34 ergibt sich, dass es, um den in diesen Bestimmungen genannten Anforderungen zu genügen und das mit ihnen verfolgte Ziel zu erreichen, nicht ausreicht, dass der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen ein Gesamtentgelt pro gefahrenen Zugkilometer angibt, das die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten sowie etwaige Aufschläge umfasst. |
68 |
Zudem sind, wie sich aus den Rn. 37 und 38 des vorliegenden Urteils ergibt, die Eisenbahnunternehmen berechtigt, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlichten Entgelte, die gegen die in der Richtlinie 2012/34 aufgestellten Regeln und Grundsätze verstoßen, bei der Regulierungsstelle anzufechten. Da die Aufschläge, wie die Generalanwältin in Nr. 97 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, durch Vorschriften geregelt werden, die von den Grundsätzen für die Entgelte für die Nutzung der Fahrwege der Eisenbahn und von Serviceeinrichtungen abweichen, wäre das Recht der Eisenbahnunternehmen auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beeinträchtigt, wenn in diesen Bedingungen die Informationen über die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten und über die Aufschläge nicht separat ausgewiesen würden. |
69 |
Daraus folgt, dass dann, wenn der Infrastrukturbetreiber gemäß Art. 32 der Richtlinie 2012/34 Aufschläge festsetzt, die Schienennetz-Nutzungsbedingungen für jedes betroffene Marktsegment Informationen zu den Aufschlägen enthalten müssen, die zu den Entgelten für die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten hinzukommen. |
70 |
Das vorlegende Gericht fragt sich drittens, wie Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34 auszulegen ist, wonach ein Infrastrukturbetreiber, wenn er beabsichtigt, die wesentlichen Bestandteile der in Art. 32 Abs. 1 genannten Entgeltregelung zu ändern, diese mindestens drei Monate vor Ablauf der in Art. 27 Abs. 4 der Richtlinie genannten Frist für die Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht. |
71 |
Die letztgenannte Bestimmung sieht vor, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen sind. |
72 |
Im Fall der Änderung eines „wesentlichen Bestandteils“ der Entgeltregelung kommen somit die in Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie 2012/34 vorgesehenen drei Monate zu den in Art. 27 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen vier Monaten hinzu und bieten damit den betroffenen Betreibern zusätzliche Zeit, um in Kenntnis der voraussichtlichen von ihnen zu tragenden Kosten ihre geschäftliche Entscheidung im Hinblick auf die Beantragung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn vorzubereiten. |
73 |
Zwar definiert die Richtlinie 2012/34 nicht, was als „wesentlicher Bestandteil“ der Entgeltregelung anzusehen ist, doch kann aus dem mit der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen verfolgten Ziel, der Begriffsbestimmung dieser Bedingungen und der Beschreibung der Informationen, die darin unbedingt enthalten sein müssen, wie sie in den Rn. 63 bis 66 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, abgeleitet werden, dass die „wesentlichen Bestandteile der Entgeltregelung“ im Sinne von Art. 32 Abs. 6 der Richtlinie die Bestandteile der Berechnung der Aufschläge und die angewandte Methode umfassen, aber nicht zwangsläufig das Ergebnis dieser Berechnung. |
74 |
Hat sich nur die Höhe der Aufschläge in Relation zur Netzfahrplanperiode des Vorjahres geändert, ohne dass insbesondere die Grundsätze für ihre Berechnung geändert wurden, ist daher, wie die polnische Regierung und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, eine solche Änderung nicht als Änderung eines wesentlichen Bestandteils der Entgeltregelung anzusehen. |
75 |
Daher ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 27 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 1 und 6 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen sind, dass erstens die Informationen über Entgeltaufschläge nicht zwangsläufig vor deren Genehmigung durch die Regulierungsstelle in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht werden müssen, zweitens diese Bedingungen für jedes betroffene Marktsegment Informationen zu den Aufschlägen enthalten müssen, die zu den Entgelten für die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten hinzukommen, und drittens die bloße Änderung der Höhe dieser Aufschläge keine Änderung eines wesentlichen Bestandteils der Entgeltregelung im Sinne von Art. 32 Abs. 6 dieser Richtlinie darstellt. |
Zur vierten Frage
76 |
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen ist, dass die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für die betroffene Netzfahrplanperiode veröffentlichten Informationen über Aufschläge die Regulierungsstelle bei der Ausübung der ihr von einem Mitgliedstaat übertragenen Genehmigungsbefugnis binden. |
77 |
Wie sich aus der Antwort auf die erste Frage ergibt, ist es nach der in der Richtlinie 2012/34 vorgesehenen Aufteilung der Zuständigkeiten Sache des Betreibers der Eisenbahninfrastruktur, die Entgelte für die Nutzung dieser Infrastruktur, einschließlich etwaiger Aufschläge, im Einklang mit der geltenden Entgeltrahmenregelung und den Vorschriften für die Entgelterhebung zu berechnen und zu erheben. Zudem kann die Erhebung dieser Aufschläge zwar einem Genehmigungsverfahren unterworfen werden, dieses muss aber die Aufgaben der Regulierungsstelle, wie sie in Art. 56 der Richtlinie gewährleistet sind, beachten. |
78 |
Sodann obliegt es nach Art. 56 der Richtlinie 2012/34 der Regulierungsstelle, auf Antrag eines Antragstellers oder von sich aus zu prüfen, ob die Entgelte mit dieser Richtlinie und den zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Vorschriften im Einklang stehen. Was insbesondere die Aufschläge anbelangt, ist es Sache der Regulierungsstelle, zu prüfen, ob die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlichten Informationen über Aufschläge der vom Mitgliedstaat gemäß Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie festgelegten Entgeltrahmenregelung und der vom Betreiber der Eisenbahninfrastruktur gemäß Art. 32 Abs. 1 und 6 der Richtlinie festgelegten Entgeltregelung entsprechen. |
79 |
Somit ist die Regulierungsstelle im Rahmen dieser Prüfung befugt, dem betroffenen Betreiber der Eisenbahninfrastruktur die Änderungen anzuzeigen, die an der Entgeltregelung vorgenommen werden müssen, um die Unvereinbarkeiten dieser Regelung mit den Anforderungen der Richtlinie 2012/34 zu beseitigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2021, LatRailNet und Latvijas dzelzceļš, C‑144/20, EU:C:2021:717, Rn. 38 und 45). |
80 |
Solche Änderungen können zwar je nach Fall zu einer Erhöhung oder Verringerung der Aufschläge führen, sie müssen sich jedoch darauf beschränken, solche Unvereinbarkeiten zu beseitigen. Die Regulierungsstelle ist nämlich nicht befugt, den Betreiber der Eisenbahninfrastruktur dazu zu zwingen, sich ihrer Zweckmäßigkeitsbeurteilung zu fügen, da die Regulierungsstelle, wäre dies der Fall, den Spielraum beeinträchtigen würde, über den dieser Betreiber verfügen muss, wie in Rn. 49 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist. |
81 |
Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 29 Abs. 1 sowie die Art. 32 und 56 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen sind, dass die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für die betroffene Netzfahrplanperiode veröffentlichten Informationen über Aufschläge die Regulierungsstelle bei der Ausübung der ihr von einem Mitgliedstaat übertragenen Genehmigungsbefugnis in dem Sinne binden, dass die Änderungen, die sie von dem Infrastrukturbetreiber an diesen Aufschlägen verlangt, sich darauf beschränken müssen, Unvereinbarkeiten mit dieser Richtlinie zu beseitigen, und keine Zweckmäßigkeitserwägungen dieser Stelle enthalten dürfen. |
Zur fünften Frage
82 |
Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass bei der Berechnung von Aufschlägen ein dem Infrastrukturbetreiber durch den Mitgliedstaat vorgegebener zu erzielender Gesamterlös zu berücksichtigen ist, und ob bei der Berechnung der Gesamtkosten des Infrastrukturbetreibers andere Einnahmen des Infrastrukturbetreibers, insbesondere staatliche Zuschüsse, zu berücksichtigen sind. |
83 |
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Infrastrukturbetreiber, wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils festgestellt, zur Gewährleistung des Ziels der Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung, wie es in Art. 4 der Richtlinie 2012/34 vorgesehen ist, über einen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen muss. |
84 |
Unabhängig davon, ob der Markt, wie in Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 verlangt, Aufschläge tragen kann, führt aber die Festsetzung eines Gesamterlöses durch einen Mitgliedstaat, zu dessen Erzielung der Infrastrukturbetreiber verpflichtet ist, zu einer Einschränkung dieses Spielraums des Infrastrukturbetreibers in einem nicht mit diesem Ziel vereinbaren Umfang (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juli 2013, Kommission/Tschechische Republik, C‑545/10, EU:C:2013:509, Rn. 36). |
85 |
Die Verpflichtung, einen solchen Gesamterlös zu erreichen, kann den Betreiber der Eisenbahninfrastruktur nämlich dazu veranlassen, der Erzielung von Einnahmen Vorrang einzuräumen, während unter Berücksichtigung des 43. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2012/34 die Entgeltregelungen den Betreibern der Eisenbahninfrastruktur einen Anreiz geben müssen, die Nutzung ihrer Fahrwege zu optimieren. |
86 |
Zur Berechnung der Höhe der Aufschläge ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2012/34 die Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen, durch das Entgelt für das Mindestzugangspaket und für den Zugang zu Infrastrukturen, durch die Serviceeinrichtungen angebunden werden, gedeckt werden. Im Rahmen der vom Mitgliedstaat festgelegten Entgeltregelung kann die Differenz zwischen diesen Kosten und den Gesamtkosten im Zusammenhang mit diesem Betrieb, die dem Infrastrukturbetreiber entstehen, gemäß Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie durch Aufschläge ausgeglichen werden. |
87 |
In Anbetracht der so in der Richtlinie 2012/34 festgelegten Entgeltgrundsätze sind etwaige Einnahmen des Infrastrukturbetreibers, die nicht mit der Bereitstellung der Eisenbahninfrastruktur zusammenhängen, für die Berechnung der Gesamtkosten des Infrastrukturbetreibers unerheblich. |
88 |
Dagegen sind, wie die Generalanwältin in den Nrn. 115 bis 118 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, die staatlichen Zuschüsse, die der Betreiber der Eisenbahninfrastruktur zur Deckung der mit der Bereitstellung der Eisenbahninfrastruktur verbundenen Kosten erhält, von dem Betrag der Gesamtkosten abzuziehen, der als Berechnungsgrundlage für die Aufschläge dienen soll. Solche Zuschüsse sollen nämlich gerade die Kosten decken, die auch Gegenstand dieser Aufschläge sein können, wobei diese nicht der Erzielung von Gewinnen dienen dürfen. |
89 |
Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 4 und Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2012/34 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen, dass bei der Berechnung von Aufschlägen ein dem Infrastrukturbetreiber durch den Mitgliedstaat vorgegebener zu erzielender Gesamterlös zu berücksichtigen ist. Bei der Berechnung der Gesamtkosten des Betreibers sind gegebenenfalls die staatlichen Zuschüsse zu berücksichtigen, die er erhalten hat, um die mit der Bereitstellung der Infrastruktur verbundenen Kosten zu decken. |
Kosten
90 |
Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt: |
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Jürimäe Lenaerts Gavalec Csehi Schalin Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Mai 2025. Der Kanzler A. Calot Escobar Die Kammerpräsidentin K. Jürimäe |
( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.