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Document 62021CC0290

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 22. September 2022.
Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger Reg. Gen. mbH (AKM) gegen Canal+ Luxembourg Sàrl.
Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung – Richtlinie 93/83/EWG – Art. 1 Abs. 2 – Öffentliche Wiedergabe über Satellit – Begriff – Satellitenbouquet-Anbieter – Verbreitung von Programmen in einem anderen Mitgliedstaat – Ort der Verwertungshandlung, durch die der Anbieter an einer solchen Wiedergabe mitwirkt.
Rechtssache C-290/21.

Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:711

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 22. September 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑290/21

Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (AKM)

gegen

Canal+ Luxembourg Sàrl,

Beteiligte:

Tele 5 TM-TV GmbH,

Österreichische Rundfunksender GmbH & Co KG,

Seven.One Entertainment Group GmbH,

ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung – Richtlinie 93/83/EWG – Art. 1 Abs. 2 – Satellitenbouquet-Anbieter – Verbreitung von Programmen in einem anderen Mitgliedstaat – Ort der Verwertungshandlung – Entgeltliche Bereitstellung von Pay- und Free-TV-Programmen in High Definition – Verfügbarkeit dieser Programme in Standard Definition im Empfangsstaat auch über Satellit“

Einleitung

1.

„Wenn ich es noch einmal zu tun hätte, würde ich mit der Kultur beginnen“, soll Jean Monnet in Bezug auf den europäischen Einigungsprozess angeblich gesagt haben. Die Kultur wird jedoch – jedenfalls in ihrer wirtschaftlichen Dimension – größtenteils durch das Urheberrecht geregelt. Ein Umstand steht Fortschritten bei der Integration in diesem Bereich entgegen und trägt dazu bei, die Fragmentierung des Binnenmarkts entlang nationaler Grenzen zu zementieren: Der unverrückbare Grundsatz der Territorialität (im Sinne des nationalen Hoheitsgebiets) des Urheberrechts, ebenso wie die Praktiken der Marktakteure, einschließlich solcher der Verwertungsgesellschaften, die sich auf der Basis dieses Grundsatzes etabliert haben. Paradoxerweise macht sich das Hindernis des Grundsatzes der Territorialität des Urheberrechts umso deutlicher bemerkbar, je mehr die Technologie, insbesondere der Satellitenrundfunk, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht, und – in neuerer Zeit – das Internet, einen zwischenstaatlichen Kulturaustausch ermöglicht.

2.

Selbstverständlich gibt es für diese Fragmentierung des Marktes auch einen sachlichen Grund, nämlich die sprachliche Vielfalt, die ein grundlegender Aspekt im Kulturbereich ist. Die vorliegende Rechtssache zeigt jedoch, dass die Beteiligten – auch in Fällen, in denen keine Sprachbarriere besteht – den entlang nationaler, innerhalb des Binnenmarkts gleichwohl abgeschaffter Grenzen definierten Grundsatz der Territorialität unguibus et rostro verteidigen. Der Gerichtshof wird in der vorliegenden Rechtssache Gelegenheit haben, entsprechend dem Willen des Unionsgesetzgebers, der bereits vor beinahe 30 Jahren zum Ausdruck gebracht worden ist, zur Förderung der Integration Europas durch die Kultur beizutragen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3.

In Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung ( 2 ) heißt es:

„(2)   

a)

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet ‚öffentliche Wiedergabe über Satellit‘ die Handlung, mit der unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung die programmtragenden Signale, die für den öffentlichen Empfang bestimmt sind, in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, eingegeben werden.

b)

Die öffentliche Wiedergabe über Satellit findet nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt.

c)

Sind die programmtragenden Signale kodiert, so liegt eine öffentliche Wiedergabe über Satellit unter der Voraussetzung vor, dass die Mittel zur Dekodierung der Sendung durch das Sendeunternehmen selbst oder mit seiner Zustimmung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.“

4.

Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

„Gemäß den Bestimmungen dieses Kapitels sehen die Mitgliedstaaten für den Urheber das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken über Satellit zu erlauben.“

5.

Art. 4 der Richtlinie weitet den Schutz, der den ausübenden Künstlern, den Tonträgerherstellern und den Sendeunternehmen durch die Richtlinie 92/100/EWG ( 3 ) gewährt wird, auf die öffentliche Wiedergabe über Satellit aus.

6.

Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ( 4 ) sieht vor:

„Außer in den in Artikel 11 genannten Fällen[ ( 5 )] lässt diese Richtlinie die bestehenden [unions]rechtlichen Bestimmungen über folgende Bereiche unberührt und beeinträchtigt sie in keiner Weise:

c)

über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im Bereich des Satellitenrundfunks und der Kabelweiterverbreitung“.

7.

In Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke … zu erlauben oder zu verbieten.“

Österreichisches Recht

8.

§ 17b Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes vom 9. April 1936 in der auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung vom 27. Dezember 2018 ( 6 ) sieht vor:

„Im Fall der Rundfunksendung über Satellit liegt die dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung in der unter der Kontrolle und Verantwortung des Rundfunkunternehmers vorgenommenen Eingabe der programmtragenden Signale in eine ununterbrochene Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt. Die Rundfunksendung über Satellit findet daher vorbehaltlich des Abs. 2 nur in dem Staat statt, in dem diese Eingabe vorgenommen wird.“

Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

9.

Die AKM-Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger regGenmbH (im Folgenden: AKM) ist eine österreichische Gesellschaft zur kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten an Musikwerken.

10.

Die Canal+ Luxembourg Sàrl (im Folgenden: Canal+) ist eine Gesellschaft luxemburgischen Rechts, die gegen Entgelt in Österreich Pakete mit Programmen mehrerer Sendeunternehmen (im Folgenden: Satellitenbouquets) anbietet.

11.

Die Eingabe der jeweiligen programmtragenden Satellitensignale in die Kommunikationskette (Uplink) erfolgt zum überwiegenden Teil durch die Sendeunternehmen selbst, in wenigen Fällen durch Canal+, durchweg jedoch nicht in Österreich, sondern in anderen Mitgliedstaaten der Union. Versendet wird ein Sendestream, in dem das gesamte Programm in High-Definition-Qualität mitsamt allen zusätzlichen Informationen (wie Audiodaten, Untertiteldaten usw.) enthalten ist. Nach „Rücksendung“ durch den Satelliten wird der Stream mittels SAT‑Empfangsanlage innerhalb des Sendegebiets empfangen. Dabei wird der Stream geteilt, und die einzelnen Programme werden über ein Endgerät dem Nutzer zugänglich. Die Programme werden mit einem Code verschlüsselt und müssen von der Empfangsanlage dekodiert werden, um genutzt werden zu können. Canal+ stellt ihren Kunden mit Zustimmung der Sendeunternehmen Zugangsschlüssel zur Verfügung. Die „Bouquets“ entstehen durch die Kombination der Zugangsschlüssel für verschiedene Programme.

12.

Die Bouquets beinhalten Pay- und Free-TV-Programme. Letztere sind nicht kodiert und im österreichischen Hoheitsgebiet über Satellit ohnedies für jedermann in Standard-Definition-Qualität zu empfangen.

13.

AKM erhob Klage auf im Wesentlichen Unterlassung der Verbreitung der Satellitensignale in Österreich sowie auf Zahlung einer Entschädigung und machte geltend, sie habe dieser Verbreitung nicht zugestimmt. AKM vertritt nämlich die Ansicht, Canal+ müsse trotz der Zustimmung, die sie gegebenenfalls von den Sendeunternehmen für die öffentliche Wiedergabe der Werke über Satellit erhalten habe, auch selbst über eine solche Zustimmung verfügen, was sie nicht habe nachweisen können. Canal+ verletze mithin die von AKM wahrgenommenen Rechte.

14.

Vier Gesellschaften, darunter die Seven.One Entertainment Group GmbH, ein Sendeunternehmen mit Sitz in Deutschland, und die ProSiebenSat.1 PULS 4 GmbH, ein Sendeunternehmen mit Sitz in Österreich (im Folgenden zusammen: Nebenintervenientinnen), wurden im Ausgangsrechtsstreit als Nebenintervenientinnen zur Unterstützung von Canal+ zugelassen.

15.

Mit Urteil vom 30. Juni 2020 gab das Oberlandesgericht Wien (Österreich) der Klage im Berufungsverfahren teilweise statt. Es vertrat u. a. die Ansicht, die von Canal+ angebotenen Satellitenbouquets erreichten ein neues Publikum, d. h. ein Publikum, das sich von dem der frei zugänglichen Übertragungen der Sendeunternehmen unterscheide. Sowohl AKM als auch Canal+, unterstützt durch die Nebenintervenientinnen, legten beim vorlegenden Gericht Revision gegen dieses Urteil ein.

16.

Unter diesen Umständen hat der Oberste Gerichtshof (Österreich) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 dahin auszulegen, dass nicht nur das Sendeunternehmen, sondern auch ein an der unteilbaren und einheitlichen Sendehandlung mitwirkender Satellitenbouquet-Anbieter eine – allenfalls zustimmungsbedürftige – Nutzungshandlung bloß in jenem Staat setzt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt, dies mit der Folge, dass es durch die Mitwirkung des Satellitenbouquet-Anbieters an der Sendehandlung zu keiner Verletzung von Urheberrechten im Empfangsstaat kommen kann?

2.

Wenn Frage 1 verneint wird: Ist der Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und c der Richtlinie 93/83 sowie in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen, dass der während einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit als weiterer Akteur mitwirkende Satellitenbouquet-Anbieter, der mehrere verschlüsselte High-Definition-Signale von Free- und Pay-TV-Programmen verschiedener Sendeunternehmen nach seiner Vorstellung zu einem Paket bündelt und das auf diese Weise geschaffene eigenständige audiovisuelle Produkt seinen Kunden entgeltlich anbietet, eine gesonderte Erlaubnis des Inhabers der betroffenen Rechte auch hinsichtlich der geschützten Inhalte in den im Programmpaket enthaltenen Free-TV-Programmen benötigt, obwohl er seinen Kunden insoweit ohnedies bloß Zugang zu solchen Werken verschafft, die im Sendegebiet bereits für jedermann – wenngleich in schlechterer Standard-Definition-Qualität – frei zugänglich sind?

17.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 5. Mai 2021 eingegangen. AKM, Canal+, die Nebenintervenientinnen und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Verfahrensbeteiligten waren in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juni 2022 vertreten.

Würdigung

18.

Das vorlegende Gericht stellt zwei Vorlagefragen, wobei die zweite Frage von der Antwort auf die erste abhängt. Unter Berücksichtigung der Antwort, die ich auf diese erste Frage zu geben vorschlage, wird es, falls der Gerichtshof meiner Argumentation folgt, nicht erforderlich sein, auf die zweite zu antworten. Der Vollständigkeit halber werde ich sie jedoch kurz prüfen.

Erste Vorlagefrage

19.

Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 dahin auszulegen ist, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter verpflichtet ist, für eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte in dem Mitgliedstaat einzuholen, in dem die so wiedergegebenen Schutzgegenstände öffentlich zugänglich sind (Empfangsmitgliedstaat).

20.

Diese Frage bezieht sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, die sich u. a. aus dem Urteil vom 13. Oktober 2011, Airfield und Canal Digitaal (C‑431/09 und C‑432/09, im Folgenden: Urteil Airfield, EU:C:2011:648), ergibt, und betrifft in Wirklichkeit die Auslegung dieses Urteils.

21.

Bevor eine Analyse des Urteils Airfield vorgenommen wird, sind einige einleitende Bemerkungen zu machen.

Zur öffentlichen Wiedergabe über Satellit im Sinne der Richtlinie 93/83

22.

Im Anfangsstadium waren der Fernsehübertragung naturgemäß nationale Grenzen gesetzt – sie nutzte die Funkwellen, deren Frequenzen den Staaten zur Verfügung standen, die sie den Anbietern für eine auf das nationale Hoheitsgebiet beschränkte Sendung zuwiesen. Die Flächendeckung des Signals entsprach somit im Wesentlichen dem Hoheitsgebiet des Sendestaats, das gleichzeitig den Bereich der territorialen Anwendbarkeit des Urheberrechts dieses Staates darstellte.

23.

Das Aufkommen des Satellitenfernsehens hat diese Landschaft verändert und es ermöglicht, ein viel größeres Gebiet als das eines einzigen Staates abzudecken. Es hat sich somit die Frage gestellt, welches Urheberrecht anwendbar sei: Nur das Recht des Staates der Aussendung des Signals zum Satelliten oder auch das Recht des Staates bzw. der Staaten, in dem bzw. denen das Signal empfangen werden kann ( 7 )?

24.

Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 beantwortet diese Frage unter dem Gesichtspunkt des Unionsrechts. Obwohl die Vorschrift in der Rubrik „Definitionen“ enthalten ist, stellt sie eine der wichtigsten materiellen Regeln dieser Richtlinie auf, nämlich den Grundsatz des Sendemitgliedstaats. Nach diesem Grundsatz gilt eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, wie sie in der genannten Richtlinie definiert wird, als nur in dem Mitgliedstaat vorgenommen, in dem das Signal zum Satelliten gesendet worden ist. Somit dürfte für eine solche Handlung auch das Urheberrecht dieses Staates anwendbar sein.

25.

Gleichzeitig bietet die Richtlinie 93/83 einen in allen Mitgliedstaaten gleichwertigen Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte, indem sie diesen Schutz in ihren Art. 2 und 4 harmonisiert und in ihrem Art. 3 Abs. 1 Zwangslizenzen ausschließt. Die Rechte der Inhaber an der Werknutzung in den Empfangsmitgliedstaaten werden somit in gleicher Weise nach dem Urheberrecht des Sendemitgliedstaats geschützt ( 8 ). Dabei haben die Rechteinhaber gemäß dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/83 sicherzustellen, dass die vertraglich vereinbarte Vergütung für die Nutzung dieser Rechte das gesamte potenzielle Publikum berücksichtigt.

26.

Das Hauptziel der Aufstellung des Grundsatzes des Sendemitgliedstaats hat darin bestanden, die grenzüberschreitende Übertragung von Radio- und Fernsehprogrammen über Satellit dadurch zu erleichtern, dass allen beteiligten Akteuren Rechtssicherheit und ein angemessenes Niveau für den Schutz ihrer Interessen geboten werden ( 9 ).

27.

Der Grundsatz des Sendemitgliedstaats betrifft jedoch nur die Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, wie sie in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 93/83 definiert wird. Diese Definition setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Erstens besteht die Wiedergabehandlung in der Eingabe programmtragender Signale in eine Kommunikationskette, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt. Zweitens hat die Eingabe unter der Kontrolle und auf Verantwortung eines Sendeunternehmens zu erfolgen. Drittens müssen die programmtragenden Signale für den öffentlichen Empfang bestimmt sein. Viertens muss die fragliche Kommunikationskette von der Eingabe der Signale bis zum (potenziellen ( 10 )) öffentlichen Empfang ununterbrochen sein. Fünftens schließlich müssen, wenn die Signale kodiert sind, die Mittel zur Dekodierung dieser Signale der Öffentlichkeit durch das Sendeunternehmen, unter dessen Kontrolle und auf dessen Verantwortung die Handlung stattfindet, oder mit seiner Zustimmung zugänglich gemacht werden ( 11 ).

28.

Eine Handlung, die diese Voraussetzungen erfüllt, stellt eine Handlung der „öffentlichen Wiedergabe über Satellit“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83 dar und kommt in den Genuss des Grundsatzes des Sendemitgliedstaats. Dieser Grundsatz deckt nicht nur die eigentliche Sendung ab, d. h. die Eingabe des programmtragenden Signals in die aufsteigende Verbindung zum Satelliten, sondern auch die gesamte Wiedergabe, einschließlich der Übertragung des Signals an die Endnutzer. Für die Wiedergabe insgesamt gilt somit nur das Recht des Sendemitgliedstaats. Dagegen kann eine Handlung der Verwertung der durch das Urheberrecht oder die verwandten Schutzrechte geschützten Gegenstände aus der Ferne, auch mithilfe eines Satelliten, die nicht die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und c der Richtlinie 93/83 erfüllt, nicht als „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ im Sinne der oben genannten Vorschrift eingestuft werden und kommt nicht in den Genuss des Grundsatzes des Sendemitgliedstaats.

Urteil Airfield und Anwendung auf den vorliegenden Fall

29.

Im Urteil Airfield hatte der Gerichtshof die mit der von Canal+ im vorliegenden Fall ausgeübten Tätigkeit vergleichbare Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters zu untersuchen. Er ist zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Tätigkeit eine öffentliche Wiedergabe über Satellit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83 darstellte ( 12 ).

30.

In der vorliegenden Rechtssache ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit Informationen über die technischen Einzelheiten der im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Wiedergabe vergleichsweise sparsam umgeht. Da sich die Vorlagefragen auf die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 und – indirekt – des Urteils Airfield beziehen, gehe ich jedoch von der Prämisse aus, dass die Schlussfolgerung, zu der der Gerichtshof in diesem Urteil betreffend die Einstufung der Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters gelangt ist, auf den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

31.

Das bedeutet, dass die programmtragenden Signale entweder von den Sendeunternehmen selbst oder von Canal+, aber mit Zustimmung der Sendeunternehmen, in eine Kommunikationskette eingegeben werden, die zum Satelliten und zurück zur Erde führt. Die Sendeunternehmen haben somit die Kontrolle und übernehmen die Verantwortung für diese Eingabe ( 13 ). Die Signale sind für den öffentlichen Empfang bestimmt. Das Ziel der fraglichen Tätigkeit besteht nämlich in der Übertragung von Programmen zum direkten öffentlichen Empfang ( 14 ). Die Kommunikationskette ist zwischen der Eingabe der Signale in die aufsteigende Verbindung zum Satelliten und dem potenziellen öffentlichen Empfang ununterbrochen. Etwaige Eingriffe in diese Signale wie beispielsweise die Kompression oder die Kodierung und Dekodierung, gehören zu den üblichen technischen Maßnahmen, mit denen die Signale für ihre Übertragung per Satellit vorbereitet werden, und stellen keine Unterbrechung der Kommunikationskette dar ( 15 ). Schließlich werden die Mittel zur Dekodierung der Öffentlichkeit unstreitig von Canal+ mit Zustimmung der jeweiligen Sendeunternehmen zugänglich gemacht.

32.

Ich teile voll und ganz die Analyse des Gerichtshofs im Urteil Airfield betreffend die Einstufung der Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters als öffentliche Wiedergabe über Satellit. Der einzige Punkt, hinsichtlich dessen ich in diesem Stadium Zweifel hege, ist die Feststellung, dass Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83 erstens nicht die gesamte Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, sondern allein die Eingabe der Signale in die Kommunikationskette betreffen, und zweitens geteilt werden können ( 16 ).

33.

Als Erstes bedeutet, wenn die programmtragenden Signale nach der vorerwähnten Vorschrift bereits bei ihrer Eingabe in die Kommunikationskette für den öffentlichen Empfang ( 17 ) bestimmt sein müssen und diese Kette ununterbrochen zu sein hat, eine Kontrolle der Eingabe der Signale zwangsläufig und automatisch eine Kontrolle der gesamten Handlung der öffentlichen Wiedergabe. Würde eine andere Person nach der Eingabe der Signale die Kontrolle übernehmen, beispielsweise um die Übertragung zeitlich aufzuschieben oder ihr Ziel zu ändern, würde das nämlich eine Unterbrechung der Kommunikationskette bedeuten.

34.

Gleiches gilt für die Verantwortung. In einer ununterbrochenen Kommunikationskette führt eine Entscheidung über die Eingabe der Signale zwangsläufig zur öffentlichen Zugänglichkeit dieser Signale, so dass das Sendeunternehmen seine Verantwortung für die öffentliche Wiedergabe der mit den Signalen übertragenen Programme nicht leugnen kann. Dies gilt auch für den Fall, dass die Signale kodiert sind, da die Mittel zur Dekodierung mit Zustimmung des Sendeunternehmens der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssen, damit eine öffentliche Wiedergabe über Satellit vorliegt, was dem Sendeunternehmen die Kontrolle über diesen Aspekt der Wiedergabehandlung verleiht. Da die Zustimmung freiwillig erteilt wird, schließt sie auch die Verantwortung mit ein.

35.

Als Zweites stellen Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83 eine Voraussetzung dafür dar, dass die fragliche Handlung als Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit angesehen wird und in den Genuss der Bestimmungen dieser Richtlinie, insbesondere des Grundsatzes des Sendemitgliedstaats als Ort der Vornahme der Handlung, kommt.

36.

In Bezug auf die Kontrolle scheint mir auf der Hand zu liegen, dass es nicht genügt, wenn das Sendeunternehmen nur eine Teilkontrolle ausübt. Die Kontrolle muss umfassend sein, damit die Voraussetzung erfüllt ist.

37.

Selbstverständlich kommt das Kontrollerfordernis keiner Verpflichtung des Sendeunternehmens gleich, selbst alle Tätigkeiten vorzunehmen, die mit einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit einhergehen. Die Kontrolle kommt in vertraglichen Vereinbarungen mit Drittanbietern wie beispielsweise einem Satellitenbouquet-Anbieter zum Ausdruck. Diese Dritten werden somit als Vertreter des Sendeunternehmens tätig, das die Kontrolle über die Wiedergabehandlung behält.

38.

Es geht auch nicht um eine Kontrolle über alle – auch die kleinsten – Aspekte der Wiedergabe. Das Sendeunternehmen muss die Kontrolle über Elemente haben, die unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten von Bedeutung sind, insbesondere über die Tatsache, dass überhaupt eine Wiedergabe stattfindet, über den genauen Inhalt der Wiedergabe und über das Zielpublikum. Dagegen sind die technischen Fragen – etwa die Kompression des Signals oder der Standard, in dem dieses kodiert werden soll – irrelevant; über sie können die Anbieter entscheiden, denen das Sendeunternehmen die technische Ausführung der Wiedergabe anvertraut.

39.

Ebenso wenig ist die Verantwortung des Sendeunternehmens teilbar. In Art. 1 Abs. 2 Buchst. a bis c der Richtlinie 93/83 hat der Unionsgesetzgeber nicht nur die Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit als eine einzige Verwertungshandlung im Sinne des Urheberrechts sowie den Ort dieser Handlung definiert, sondern auch als ihren Urheber das Sendeunternehmen bezeichnet, das die Initiative zu dieser Wiedergabe ergreift ( 18 ). Das Sendeunternehmen ist u. a. den Inhabern der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte gegenüber für die Verwertung der Schutzgegenstände verantwortlich. Diese Verantwortung ist das Gegenstück des Grundsatzes des Sendestaats. Ziel der Richtlinie 93/83 war es nämlich nicht nur, die Übertragung von Programmen über Satellit durch die Beseitigung der Hindernisse im Zusammenhang mit der Territorialität des Urheberrechts zu erleichtern, sondern auch die Verteidigung der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte durch die Benennung eines für die gesamte Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit verantwortlichen Anbieters ( 19 ).

40.

Bei einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83 muss die volle Kontrolle über und die volle Verantwortung für die gesamte Handlung somit beim Sendeunternehmen liegen ( 20 ).

Zum Vorbringen von AKM zur Anwendbarkeit der Bestimmungen über die öffentliche Wiedergabe über Satellit auf Satellitenbouquet-Anbieter

41.

Die Feststellung, dass die Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters wie Canal+ unter die öffentliche Wiedergabe über Satellit fällt ( 21 ), ermöglicht mir, auf bestimmte Thesen zu reagieren, die AKM im vorliegenden Fall aufgestellt hat.

42.

Als Erstes trägt AKM vor, dass es das Wirtschaftsmodell der Satellitenbouquets zur Zeit des Erlasses der Richtlinie 93/83 noch nicht gegeben habe und eine Tätigkeit, die in der Bereitstellung solcher Bouquets bestehe, den Verfassern dieser Richtlinie nicht vor Augen gestanden habe. Die Bestimmungen der Richtlinie, insbesondere der Grundsatz des Sendemitgliedstaats, dürften somit keine Anwendung finden.

43.

Es ist durchaus möglich, dass die Verfasser der Richtlinie 93/83 das Modell der Satellitenbouquets nicht kannten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich die Tätigkeit der Anbieter solcher Bouquets perfekt in die der öffentlichen Wiedergabe über Satellit gewidmeten Bestimmungen dieser Richtlinie einfügt. Eine solche Wiedergabe muss nämlich nicht zwingend durch ein Sendeunternehmen erfolgen; es genügt, wenn dieses Unternehmen die Kontrolle darüber behält. Es kann bestimmte Aufgaben sehr wohl einem anderen Wirtschaftsteilnehmer, beispielsweise einem Satellitenbouquet-Anbieter, übertragen. Für die Bereitstellung solcher Bouquets muss auch nicht die Kommunikationskette zwischen der Eingabe der programmtragenden Signale und ihrem potenziellen öffentlichen Empfang unterbrochen werden. In Bezug auf die Kodierung und Dekodierung verlangen diese Vorschriften lediglich, dass sie mit Zustimmung des fraglichen Sendeunternehmens vorgenommen werden. Nichts steht somit einer Anwendung der Vorschriften auf eine Tätigkeit entgegen, die in der Bereitstellung von Satellitenbouquets besteht.

44.

Als Zweites führt AKM aus, die Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters müsse der Weiterverbreitung, wie sie in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 93/83 definiert sei, gleichgestellt werden. Das vorlegende Gericht weist diese Auffassung zurück und begründet das damit, dass eine Weiterverbreitung eine Erstsendung voraussetze, an der es im vorliegenden Fall fehle. Ich teile diese Ansicht. Auch wenn die Tätigkeit eines Satellitenbouquet-Anbieters unter die einheitliche Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit fällt, kann von einer Erstsendung und einer Weiterverbreitung keine Rede sein.

45.

Es trifft zwar zu, dass sich auf der Grundlage der neuen Richtlinie (EU) 2019/789 ( 22 ) gegebenenfalls eine andere Schlussfolgerung ziehen ließe und die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Tätigkeit je nach Methode zur Eingabe des Signals in die aufsteigende Verbindung zum Satelliten und je nachdem, ob das betreffende Sendeunternehmen die in einem Satellitenbouquet enthaltenen Programme unabhängig und frei zugänglich anbietet oder nicht, als „Übertragung von Programmen mittels Direkteinspeisung“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie oder aber als „Weiterverbreitung“ im Sinne von deren Art. 2 Nr. 2 eingestuft werden könnte. Es ginge mithin um eine stillschweigende Änderung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 93/83 – neben der ausdrücklichen Änderung von deren Art. 1 Abs. 3 gemäß Art. 9 der Richtlinie 2019/789.

46.

Wie die Kommission in ihren Erklärungen erläutert hat, ist die Richtlinie 2019/789 zeitlich jedoch nicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar. Außerdem ist sie weder im Vorabentscheidungsersuchen erwähnt noch zwischen den Parteien erörtert worden. Somit braucht diese Richtlinie bei der Beantwortung der Vorlagefragen in der vorliegenden Rechtssache nicht berücksichtigt zu werden.

Zur Frage der Haftung eines Satellitenbouquet-Anbieters für die Wiedergabe an ein neues Publikum

47.

Auch wenn der Gerichtshof in seinem Urteil Airfield festgestellt hat, dass die Ausstrahlung und die Verbreitung von Fernsehprogrammen über Satellit durch einen Satellitenbouquet-Anbieter eine einzige und unteilbare öffentliche Wiedergabe über Satellit darstellen ( 23 ), hat er anschließend seine Analyse betreffend die urheberrechtliche Haftung eines solchen Anbieters fortgesetzt. So hat er das Konzept entwickelt, wonach der Satellitenbouquet-Anbieter, obwohl an einer einzigen und unteilbaren Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit beteiligt, verpflichtet sein soll, unabhängig vom Sendeunternehmen bei den Inhabern der Urheberrechte und der verwandten Schutzrechte eine Erlaubnis für das neue Publikum einzuholen, dem er Zugang zu den so wiedergegebenen Schutzgegenständen gewährt haben soll ( 24 ).

48.

Diese Analyse des Gerichtshofs halte ich für problematisch, da sie meiner Ansicht nach unvereinbar ist mit dem einheitlichen und unteilbaren Charakter der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, der im Urteil Airfield festgestellt worden ist, wobei dieser einheitliche und unteilbare Charakter wiederum eine Voraussetzung für die Einstufung einer Handlung als „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ im Sinne der Richtlinie 93/83 ist. Diesen Gedanken werde ich im weiteren Verlauf der vorliegenden Schlussanträge näher ausführen.

– Zum Begriff „neues Publikum“

49.

Der Gerichtshof hat den Begriff „neues Publikum“ mit seinem Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764), in seine Rechtsprechung eingeführt. Dieser Begriff ist dort definiert als „anderes Publikum als das der ursprünglichen Wiedergabe des Werkes“ ( 25 ). Der Gerichtshof hat sich dabei am WIPO-Leitfaden zur Berner Übereinkunft ( 26 ) orientiert, den er wie folgt auslegt:

„… will der Urheber, wenn er seine Erlaubnis zur Übertragung seines Werkes durch den Rundfunk gibt, nur die unmittelbare Zuhörerschaft erfassen …, d. h. die Besitzer von Empfangsgeräten, die die Sendung allein oder im privaten bzw. familiären Kreis empfangen. Erfolgt dieser Empfang zu dem Zweck, einen weiteren Kreis, oft gegen Vergütung, zu unterhalten, so wird gemäß dem WIPO-Leitfaden ein zusätzlicher Teil der Öffentlichkeit in die Lage versetzt, das Werk anzuhören oder anzusehen[,] und die Wiedergabe der Sendung über Lautsprecher oder eine ähnliche Vorrichtung ist nicht mehr nur der Empfang der Sendung selbst, sondern eine eigenständige Handlung, durch die das gesendete Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Wie der WIPO-Leitfaden erläutert, gründet sich auf diesen öffentlichen Empfang das ausschließliche Recht des Urhebers, diesen zu erlauben“ ( 27 ).

50.

Der Begriff „neues Publikum“ ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anschließend definiert worden als sich auf „ein Publikum [beziehend], das von den Urhebern der geschützten Werke nicht berücksichtigt worden ist, als sie deren Nutzung für die Wiedergabe für das ursprüngliche Publikum zugestimmt haben“ ( 28 ). In diesem Sinne wird er bis heute verwendet ( 29 ).

51.

Aus der vorstehenden Definition, ausgelegt im Licht der Passage des WIPO-Leitfadens zur Berner Übereinkunft, die dem Gerichtshof bei der Ausarbeitung des Begriffs „neues Publikum“ im Urheberrecht der Union als Inspiration gedient hat, gehen zwei wichtige Elemente hervor. Zunächst macht die Verwendung dieses Begriffs nur Sinn, wenn zwei aufeinanderfolgende ( 30 ) öffentliche Wiedergaben vorliegen – die auch als „Erstsendung“ bezeichnete primäre Wiedergabe, für die die Inhaber der Urheberrechte ihre Erlaubnis gegeben haben, und die sekundäre Wiedergabe, die in der Erstsendung ihren Ursprung hat und das fragliche neue Publikum anspricht. Sodann hängt diese sekundäre Wiedergabe zwar von der Erstsendung ab, stellt aber eine gesonderte Verwertungshandlung dar und erfordert deshalb eine gesonderte Erlaubnis.

52.

Die Existenz eines neuen Publikums ist mithin nur ein Kriterium, mit dem sich das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit feststellen lässt, die sich von der Erstsendung unterscheidet.

– Zum Publikum einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit

53.

Bei einer Direktausstrahlung über Satellit (d. h. einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit im Sinne der Richtlinie 93/83) ist das Publikum ein unteilbares Ganzes – ebenso wie die Handlung, mit der dieses Publikum die Wiedergabe der Schutzgegenstände empfängt. Bei einer frei zugänglichen Ausstrahlung besteht dieses Publikum aus Personen, die sich im Empfangsgebiet (Fußabdruck) des Satelliten befinden. Ist die Ausstrahlung kodiert, besteht das Publikum aus Personen, denen die Mittel zur Dekodierung vom Sendeunternehmen oder mit dessen Zustimmung zugänglich gemacht worden sind.

54.

Zu behaupten, dass es für eine einzige Wiedergabehandlung zwei unterschiedliche Zielgruppen gibt, wäre ein Widerspruch in sich, da das Publikum gerade in Bezug auf eine Wiedergabe definiert wird. Das mit dieser Wiedergabe angesprochene Publikum stellt das Publikum der Wiedergabe dar, ein zusätzliches Publikum (neues Publikum) setzt notwendigerweise eine neue Wiedergabehandlung voraus.

55.

Es ist somit widersprüchlich, wenn einerseits der einheitliche und unteilbare Charakter einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit festgestellt und andererseits behauptet wird, dass es ein zusätzliches Publikum dieser Wiedergabe gibt, das von den Inhabern der Urheberrechte nicht berücksichtigt worden sein soll. In einem Fall wie dem, um den es in der Rechtssache geht, in der das Urteil Airfield ergangen ist, und dem, der uns hier beschäftigt, d. h. einer kodierten Ausstrahlung über Satellit, an der ein Satellitenbouquet-Anbieter beteiligt ist, besteht das Publikum aus Personen, denen dieser Anbieter gegen Zahlung des Abonnements und mit Zustimmung der Sendeunternehmen, unter deren Kontrolle die tragenden Signale für die Programme, aus denen die Bouquets bestehen, in die Kommunikationskette eingegeben worden sind, die Mittel zur Dekodierung zugänglich macht.

56.

Dieses Publikum ist von den Sendeunternehmen notwendigerweise berücksichtigt worden, da die Sendeunternehmen der Überlassung der Mittel zur Dekodierung an das besagte Publikum zugestimmt haben. Es kann zwar vorkommen, dass die Sendeunternehmen mit den Inhabern der Urheberrechte nicht transparent genug umgegangen sind und diesen ein anderes Publikum als das vor Augen gestanden hat, für das die Wiedergabe tatsächlich bestimmt war. In einem solchen Fall ist jedoch die gesamte öffentliche Wiedergabe über Satellit rechtswidrig, weil sie ohne Zustimmung der Rechteinhaber vorgenommen worden ist. Es ist mithin Sache der Sendeunternehmen, diese Zustimmung im Herkunftsmitgliedstaat der Wiedergabe einzuholen ( 31 ). Daraus erwächst den Rechteinhabern hingegen kein Recht, sich der Tätigkeit des Satellitenbouquet-Anbieters im Empfangsmitgliedstaat zu widersetzen.

57.

Auch die verschiedenen Dienstleistungen dieses Anbieters, die der Gerichtshof im Urteil Airfield aufgezählt hat, ändern nichts an dieser Schlussfolgerung.

58.

Denn erstens fällt, was die Kodierung des Signals und die Tatsache angeht, dass die Mittel zur Dekodierung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden ( 32 ), eine solche Dienstleistung, wenn sie mit Zustimmung des Sendeunternehmens erbracht wird, gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 93/83 unter die einzige und unteilbare Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit. Wenn der Satellitenbouquet-Anbieter Mitgliedern der Öffentlichkeit Zugang zu den Schutzgegenständen gewährt, indem er diesen Mitgliedern die Dekodierung der Programme ermöglicht, handelt es sich daher um Mitglieder des Publikums der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, d. h. solche des Publikums, das von den Sendeunternehmen, auf die diese Wiedergabe zurückgeht, berücksichtigt worden ist.

59.

Zweitens weist der Gerichtshof – was die Tatsache betrifft, dass der Satellitenbouquet-Anbieter das Entgelt für das Abonnement erhält – selbst darauf hin, dass es sich dabei um das Entgelt für den Zugang zur öffentlichen Wiedergabe über Satellit ( 33 ) und damit das Publikum dieser Wiedergabe handelt.

60.

Drittens schließlich ist in Bezug auf die Tatsache, dass der Satellitenbouquet-Anbieter mehrere Programme der Sendeunternehmen in einem neuen audiovisuellen Produkt zusammenfasst ( 34 ), Folgendes zu beachten: Das Urheberrecht geht weder von audiovisuellen Produkten noch von Satellitenbouquets und nicht einmal von ausgestrahlten Programmen, sondern von Schutzgegenständen, d. h. Werken und Gegenständen der Leistungsschutzrechte, aus, da die Rechteinhaber ihre ausschließlichen Rechte im Verhältnis zu diesen Gegenständen ausüben. Auch wenn die Aufnahme eines Programms, das einen Schutzgegenstand enthält, in das Satellitenbouquet eines bestimmten Anbieters den Preis für die Zustimmung zur öffentlichen Wiedergabe dieses Gegenstands beeinflussen kann, da dieser Preis möglicherweise anhand der erwarteten Einnahmen aus der Verwertung des fraglichen Gegenstands festgelegt wird, stellt sie demnach keinesfalls eine Handlung dar, die unter die durch das Urheberrecht garantierten Ausschließlichkeitsrechte fällt. Daher spielt die Zusammenfassung der verschiedenen Programme verschiedener Sendeunternehmen in einem Satellitenbouquet für die Frage, ob eine der Zustimmung durch die Inhaber der Urheberrechte unterliegende Handlung vorliegt, keine Rolle.

61.

Folglich erweitert der Anbieter der Satellitenbouquets den Kreis der Personen, die Zugang zu den Programmen haben, aus denen diese Bouquets bestehen, entgegen den vom Gerichtshof im Urteil Airfield getroffenen Feststellungen ( 35 ) mit den vorstehend beschriebenen Handlungen nicht gegenüber Personen, die von der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, die unter der Kontrolle und auf Verantwortung der diese Programme produzierenden Sendeunternehmen erfolgt, angesprochen werden. Seine Tätigkeit bedarf somit keiner Zustimmung seitens der Inhaber der Urheberrechte und der verwandten Schutzrechte für ein wie auch immer geartetes neues Publikum.

62.

Etwas anderes würde nur gelten, wenn davon auszugehen wäre, dass der Satellitenbouquet-Anbieter eine Wiedergabehandlung für sein eigenes Publikum vornimmt ( 36 ). Es würde sich mithin nicht um eine öffentliche Wiedergabe über Satellit im Sinne der Richtlinie 93/83 handeln, da diese notwendigerweise unter der Kontrolle und auf Verantwortung eines Sendeunternehmens erfolgt, sondern um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. In diesem Fall würde der in Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 eingeführte Grundsatz des Sendemitgliedstaats somit nicht zur Anwendung gelangen; die Handlung würde gemäß dem Grundsatz der Territorialität des Urheberrechts als im Empfangsmitgliedstaat vorgenommen gelten.

63.

Eine solche Lösung würde jedoch mit den in den Rn. 51 bis 69 des Urteils Airfield getroffenen Feststellungen des Gerichtshofs zum einheitlichen und unteilbaren Charakter einer öffentlichen Wiedergabe über Satellit unter Beteiligung eines Sattelitenbouquet-Anbieters kollidieren. Sie stünde meiner Meinung nach auch im Widerspruch zum Wortlaut der Richtlinie 93/83, die dazu verpflichtet, eine Wiedergabe, die die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und c dieser Richtlinie genannten Voraussetzungen erfüllt, als „öffentliche Wiedergabe über Satellit“ und damit als einzige Handlung einzustufen, die in dem Mitgliedstaat stattfindet, in dem das programmtragende Signal in die Kommunikationskette eingegeben wird.

– Zum Verhältnis zwischen frei zugänglicher und kodierter Ausstrahlung

64.

Die Verwirrung rührt vielleicht daher, dass bestimmte Fernsehprogramme zur gleichen Zeit am selben Ort sowohl in frei zugänglicher als auch – oftmals in besserer Qualität – in kodierter Form (über Satellit) ausgestrahlt werden, was eine zusätzliche Zahlung für ihren Empfang verlangt. Es könnte somit so aussehen, als würde die kodierte Ausstrahlung eine Weiterverbreitung der frei zugänglichen Ausstrahlung darstellen und sei folglich für ein gegenüber dem von letzterer Ausstrahlung angesprochenen Publikum neues Publikum bestimmt. So scheint das Berufungsgericht im Ausgangsverfahren entschieden zu haben.

65.

Meiner Meinung nach ist das jedoch nicht der Fall. Die frei zugängliche Ausstrahlung wird nicht empfangen, um anschließend in kodierter Form weiterverbreitet zu werden, und Letztere (d. h. die kodierte Ausstrahlung) kann sehr wohl ohne Erstere bestehen. Es handelt sich um zwei unterschiedliche und unabhängige Ausstrahlungen, die beide als primär eingestuft werden müssen, aber für unterschiedliche Zielgruppen bestimmt sind. Dies gilt umso mehr, als die kodierte Ausstrahlung normalerweise in besserer Qualität – insbesondere in High Definition – als die frei zugängliche Ausstrahlung erfolgt. Im Fall der frei zugänglichen Ausstrahlung besteht das Publikum aus sämtlichen Personen, die sich im Empfangsgebiet befinden, während es im Fall der kodierten Ausstrahlung aus Personen besteht, die im Besitz der Mittel zur Dekodierung sind. Es kann somit keine Rede davon sein, dass eine dieser Ausstrahlungen ein Publikum hat, das gegenüber dem Publikum der anderen neu ist. Werden die Ausstrahlungen unter den in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und c der Richtlinie 93/83 genannten Voraussetzungen vorgenommen, handelt es sich um zwei unterschiedliche Handlungen der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, wobei beide dem Sendeunternehmen zugerechnet werden können, unter dessen Kontrolle und auf dessen Verantwortung das programmtragende Signal in die Kommunikationskette eingegeben worden ist.

66.

Dass das die beiden Ausstrahlungen tragende Signal komprimiert und für den Transport zum Satelliten in einem einzigen Strahl gebündelt werden kann ( 37 ), ändert nichts an der vorstehenden Feststellung. Aus rechtlicher Sicht kommt es nur auf die Wiedergabe eines Schutzgegenstands nach einem bestimmten technischen Modus, im vorliegenden Fall per Satellit, für ein bestimmtes Publikum an. Die technischen Einzelheiten des Transports des den Gegenstand enthaltenden Signals zum Publikum spielen unter diesem Gesichtspunkt keine Rolle.

67.

Bei der Tatsache, dass der Anbieter der Satellitenbouquets frei zugängliche Programme in diese Bouquets aufnimmt, handelt es sich lediglich um eine kommerzielle Kommunikation an seine Kunden, die dazu dient, die Zahl der im Rahmen der Bouquets verfügbaren Programme größer erscheinen zu lassen. In Bezug auf die frei zugänglichen Programme tritt der Satellitenbouquet-Anbieter jedoch höchstens als Dienstleister für technische Ausrüstungen, die ihren Empfang ermöglichen, d. h. für einen Empfänger und gegebenenfalls eine Satellitenantenne, auf. Dagegen sind seine anderen Dienstleistungen für diesen Empfang keineswegs notwendig ( 38 ).

Ergebnis und Antwort auf die erste Vorlagefrage

68.

Im Einklang mit dem Vorstehenden könnte ein Satellitenbouquet-Anbieter gegenüber den Inhabern der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte für die Wiedergabe an ein neues Publikum nur für den Fall haften, dass seine Tätigkeit als eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe angesehen wird, die sich von der öffentlichen Wiedergabe über Satellit unterscheidet, die dem Sendeunternehmen zugerechnet werden kann, unter dessen Kontrolle und auf dessen Verantwortung das programmtragende Signal in die Kommunikationskette eingegeben worden ist. In diesem Fall fände die öffentliche Wiedergabe durch einen Satellitenbouquet-Anbieter im Empfangsmitgliedstaat statt. Allerdings ist dem nach meiner Meinung, die durch den ersten Teil des Urteils Airfield bestätigt wird, nicht so, da der Satellitenbouquet-Anbieter an einer einzigen und unteilbaren Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit mitwirkt. Es wird somit kein neues Publikum angesprochen.

69.

Ich werde die Frage, ob der Satellitenbouquet-Anbieter gegebenenfalls gemeinsam mit dem Sendeunternehmen, von dem die Wiedergabe ausgeht, aus anderen Gründen als der Wiedergabe an ein neues Publikum haftbar gemacht werden könnte, nicht ausführlicher prüfen. Auch wenn ich diese Auffassung nicht teile, ist sie für die Antwort auf die erste Vorlagefrage irrelevant. Mit der Vorlagefrage soll nämlich nicht geklärt werden, ob der Satellitenbouquet-Anbieter gegenüber den Inhabern der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte haftet, sondern, ob er im Empfangsmitgliedstaat haftet. Eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit gilt gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 aber nur als im Sendemitgliedstaat vorgenommen. In diesem Mitgliedstaat können die Inhaber der Urheberrechte somit gegebenenfalls ihre Rechte gegenüber dem Satellitenbouquet-Anbieter ausüben.

70.

Ich schlage daher vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83 dahin auszulegen ist, dass ein Satellitenbouquet-Anbieter nicht verpflichtet ist, für eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte in dem Mitgliedstaat einzuholen, in dem die so wiedergegebenen Schutzgegenstände öffentlich zugänglich sind.

Zweite Vorlagefrage

71.

Mit seiner zweiten Vorlagefrage, ausgelegt im Licht der im Vorlagebeschluss enthaltenen Erläuterungen, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Doktrin des neuen Publikums dahin auszulegen ist, dass es, falls Rundfunkprogramme in Standard-Definition-Qualität im Empfangsgebiet des Satelliten frei zugänglich sind, keine Wiedergabe an ein neues Publikum darstellt, wenn ein Satellitenbouquet-Anbieter die gleichen Programme in High-Definition-Qualität in ein Bouquet aufnimmt, das für ein im selben Gebiet befindliches Publikum bestimmt ist.

72.

Diese Frage ist nur für den Fall gestellt worden, dass sich aus der Antwort des Gerichtshofs auf die erste Vorlagefrage ergibt, dass der Satellitenbouquet-Anbieter im Empfangsmitgliedstaat Schutzgegenstände an ein neues Publikum wiedergegeben hat. Sollte der Gerichtshof meinem Vorschlag für eine Antwort auf die erste Vorlagefrage folgen, bräuchte die zweite nicht beantwortet zu werden. Die folgenden Ausführungen zu dieser zweiten Frage werden daher nur der Vollständigkeit halber gemacht.

73.

Erstens macht der Begriff „neues Publikum“, wie ich bereits erläutert habe, nur Sinn, wenn zwei öffentliche Wiedergaben vorliegen, die derart miteinander verbunden sind, dass eine von ihnen die primäre Wiedergabe (Erstsendung) und die andere die sekundäre Wiedergabe ist, die von der ersten abhängt. Es ist jedoch nur schwer vorstellbar, dass die Verbreitung eines Fernsehprogramms in hoher Auflösung die Weiterverbreitung einer Sendung in Standardauflösung darstellen kann. Der Urheber einer solchen Verbreitung müsste nämlich durch eine andere Quelle als die Verbreitung in Standard-Definition-Qualität Zugang zum Programm in High-Definition-Qualität haben. Es würde sich somit nicht um eine sekundäre Wiedergabe handeln, und der Begriff „neues Publikum“ bräuchte nicht bemüht zu werden ( 39 ).

74.

Zweitens kann die Bildqualität – insbesondere im Fall audiovisueller Werke – ein wichtiger Faktor der Attraktivität des Werks für das Publikum sein und sich demnach auf den Preis auswirken, den die Inhaber der Urheberrechte für ihre Zustimmung zur Verwertung dieses Werks verlangen können. So sind die Urheberrechtsinhaber berechtigt, ihre Zustimmung auf eine bestimmte Sendequalität wie beispielsweise die Ausstrahlung in Standard Definition zu beschränken. Die bloße Tatsache, dass das Werk für dasselbe Publikum in schlechterer Bildqualität zugänglich ist, befreit den Verwerter dieses Werks somit nicht automatisch von der Verpflichtung, die Zustimmung der Rechteinhaber zu seiner Verbreitung in besserer Qualität einzuholen.

75.

Das von Canal+ insoweit vorgebrachte Argument, wonach AKM im vorliegenden Fall Inhaber von Musikwerken vertrete und die Tonspur des Fernsehsignals bei der Ausstrahlung in High Definition die gleiche sei wie bei der Ausstrahlung in Standard Definition, ändert meiner Ansicht nach nichts an dieser Feststellung. Bei Fernsehprogrammen sind Musikwerke nämlich für gewöhnlich in audiovisuellen Werken integriert und werden zusammen mit diesen verwertet, so dass ihre Attraktivität auch von der Bildqualität der Ausstrahlung insgesamt abhängen kann.

76.

Vor diesem Hintergrund vertrete ich die Auffassung, dass die Doktrin des neuen Publikums im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, werde aber davon absehen, eine Antwort auf die zweite Vorlagefrage vorzuschlagen.

Ergebnis

77.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt auf die Vorlagefragen des Obersten Gerichtshofs (Österreich) zu antworten:

Art. 1 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung

ist dahin auszulegen, dass

ein Satellitenbouquet-Anbieter nicht verpflichtet ist, für eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe über Satellit, an der er mitwirkt, die Zustimmung der Inhaber der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte in dem Mitgliedstaat einzuholen, in dem die so wiedergegebenen Schutzgegenstände öffentlich zugänglich sind.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 1993, L 248, S. 15.

( 3 ) Richtlinie des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. 1992, L 346, S. 61). Diese Richtlinie ist durch die Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl. 2006, L 376, S. 28) aufgehoben und ersetzt worden.

( 4 ) ABl. 2001, L 167, S. 10.

( 5 ) Änderungen für die vorliegende Rechtssache irrelevant.

( 6 ) BGBl. I Nr. 105/2018.

( 7 ) Vgl. siebter Erwägungsgrund der Richtlinie 93/83.

( 8 ) Die Verwertungsgesellschaften, die in der Praxis sehr häufig für diesen Schutz zuständig sind, vertreten – über Kooperationsverträge – die Interessen sowohl der inländischen als auch der ausländischen Rechteinhaber.

( 9 ) Vgl. u. a. Erwägungsgründe 3 bis 5 der Richtlinie 93/83.

( 10 ) Der tatsächliche öffentliche Empfang ist im Urheberrecht keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe.

( 11 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Airfield (Rn. 52).

( 12 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 69).

( 13 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Airfield (Rn. 53 bis 55).

( 14 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Airfield (Rn. 65 bis 67).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Airfield (Rn. 60 und 61).

( 16 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 56).

( 17 ) Das heißt für einen direkten öffentlichen Empfang.

( 18 ) Was auch der Gerichtshof in Rn. 75 des Urteils Airfield anzuerkennen scheint.

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne fünfter Erwägungsgrund der Richtlinie 93/83. Vgl. auch Pollaud-Dulian, F., Le droit d’auteur, Economica, Paris, 2014, S. 765.

( 20 ) Vgl. zur Kontrolle und Verantwortung des Sendeunternehmens Dreier, T., in Walter, M. M., und von Lewinski, S., European Copyright Law. A Commentary, Oxford University Press, Oxford, 2010, S. 412 f.

( 21 ) Siehe Nrn. 31 und 32 der vorliegenden Schlussanträge.

( 22 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der Richtlinie 93/83/EWG des Rates (ABl. 2019, L 130, S. 82).

( 23 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 69).

( 24 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 71 bis 83).

( 25 ) Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 40).

( 26 ) Leitfaden zur Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung von 1971), Weltorganisation für geistiges Eigentum, Genf, 1978, S. 80. Dieser Leitfaden ist von C. Masouyé erstellt worden.

( 27 ) Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 41).

( 28 ) Urteil vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a. (C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 197).

( 29 ) Vgl. unlängst Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando (C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 70).

( 30 ) Aufeinanderfolgend im funktionalen Sinne, d. h. dass eine von ihnen von der anderen abhängt. Sie können jedoch zeitlich simultan sein.

( 31 ) Worauf der Gerichtshof in Rn. 75 des Urteils Airfield zu Recht hingewiesen hat.

( 32 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 78).

( 33 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 80).

( 34 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 81).

( 35 ) Vgl. Urteil Airfield (Rn. 82).

( 36 ) Dies war die in den Schlussanträgen des Generalanwalts Jääskinen in den verbundenen Rechtssachen Airfield und Canal Digitaal (C‑431/09 und C‑432/09, EU:C:2011:157) befürwortete Lösung. AKM schlägt in der vorliegenden Rechtssache eine ähnliche Lösung vor und zieht dabei eine Analogie zur Kabelweiterverbreitung.

( 37 ) Was das vorlegende Gericht als „Mitreisen“ einstuft.

( 38 ) Zwar trifft es zu, dass ein eigener Empfangsdecoder, der von einem Satellitenbouquet-Anbieter bereitgestellt wird, für gewöhnlich nur unter der Voraussetzung funktioniert, dass ein aktives Abonnement besteht; dies führt jedoch zu keinem anderen Ergebnis, da das Mitglied des interessierten Publikums ebenso gut eine sogenannte „Free-to-air“-Ausrüstung erwerben kann, um die frei zugänglichen Programme zu empfangen.

( 39 ) Ich möchte hervorheben, dass sich die Frage der Qualität einer Fernsehsendung von der Frage unterscheidet, in welcher Qualität das Publikum diese Sendung infolge der in seinem Besitz befindlichen technischen Ausrüstung empfängt. Es liegt auf der Hand, dass eine Sendung in High Definition auf einem inkompatiblen Fernsehgerät wie eine Sendung in Standard Definition empfangen werden dürfte. Das ist jedoch irrelevant, da es bei der Beurteilung der Frage, ob eine Handlung der öffentlichen Wiedergabe vorliegt, nicht darauf ankommt, ob und wie das Publikum diese Wiedergabe tatsächlich empfängt.

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