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Document 62021CC0154

Schlussanträge des Generalanwalts G. Pitruzzella vom 9. Juni 2022.
RW gegen Österreichische Post AG.
Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 15 Abs. 1 Buchst. c – Auskunftsrecht der betroffenen Person über ihre Daten – Informationen über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden – Einschränkungen.
Rechtssache C-154/21.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:452

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 9. Juni 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑154/21

RW

gegen

Österreichische Post AG

(Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Gerichtshofs [Österreich])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz personenbezogener Daten – Verordnung (EU) 2016/679 – Art. 15 Abs. 1 Buchst. c – Auskunftsrecht der betroffenen Person – Auskunft über den konkreten Empfänger oder über die Kategorien der Empfänger, denen gegenüber die Daten offengelegt wurden“

1.

Bedeutet das Auskunftsrecht einer Person, deren personenbezogene Daten Gegenstand einer Verarbeitung sind, wenn sie vom Verantwortlichen Auskunft über Dritte erhalten will, gegenüber denen diese Daten offengelegt wurden, notwendigerweise, dass diese Person Auskunft über die konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten erhält oder kann sich der Verantwortliche darauf beschränken, lediglich Auskunft über die Kategorien der Empfänger dieser Offenlegungen zu erteilen?

2.

Das ist im Wesentlichen die Frage, die im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren betreffend die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ( 2 ) (im Folgenden: DSGVO) vom Obersten Gerichtshof (Österreich) an den Gerichtshof gerichtet wird.

3.

Die Frage des vorlegenden Gerichts stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen RW, einer natürlichen Person, und der Österreichischen Post, Hauptbetreiber von Post- und Logistikdiensten in Österreich, die auf einen Antrag von RW auf Auskunft über seine personenbezogenen Daten diesem Antragsteller keine Auskunft über die konkreten Empfänger der Offenlegungen seiner personenbezogenen Daten gab.

I. Rechtlicher Kontext

4.

Art. 15 („Auskunftsrecht der betroffenen Person“) Abs. 1 Buchst. c DSGVO bestimmt:

„(1)   Die betroffene Person hat das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen:

c)

die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;

…“

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

5.

Am 15. Januar 2019 wandte sich RW, Kläger des Ausgangsverfahrens, an die Österreichische Post mit dem Ersuchen, gemäß Art. 15 DSGVO u. a. Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten zu erhalten, die von der Österreichischen Post zu diesem Zeitpunkt gespeichert werden oder die von dieser in der Vergangenheit gespeichert wurden, sowie im Fall der Offenlegung dieser Daten gegenüber Dritten, Auskunft über die Person der Empfänger dieser Offenlegungen zu erhalten.

6.

In ihrem Antwortschreiben teilte die Österreichische Post mit, sie verwende Daten, soweit das rechtlich zulässig sei, im Rahmen ihrer Tätigkeit als Adressverlag und biete diese Daten Geschäftskunden für Marketingzwecke an. Des Weiteren verwies sie auf eine Website, auf der allgemeine Informationen über die Zwecke der Datenverarbeitung von RW geboten wurden und in der auf eine weitere Website weiterverwiesen wurde. Diese weitere Website enthielt ihrerseits allgemeine Mitteilungen über den Datenschutz und ermöglichte es, allgemein von den Kategorien von Empfängern Kenntnis zu erlangen, denen gegenüber von der Österreichischen Post personenbezogene Daten offengelegt werden. Zu keinem Zeitpunkt teilte die Österreichische Post RW jedoch die konkreten Empfänger der Offenlegungen seiner Daten mit.

7.

RW erhob Klage, mit der er beantragte, die Österreichische Post zu verurteilen, gemäß Art 15 DSGVO eine verbesserte Auskunft über eine mögliche Weitergabe seiner Daten an Dritte sowie gegebenenfalls über den/die konkreten Empfänger, gegenüber dem/denen seine personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, zu erteilen. RW ist der Meinung, die Angaben der Österreichischen Post entsprächen nicht den gesetzlichen Anforderungen von Art. 15 DSGVO, weil daraus nicht hervorgehe, ob die Österreichische Post seine personenbezogenen Daten an Dritte weitergegeben habe und, falls eine tatsächliche Weitergabe erfolgt sei, wer die konkreten Empfänger dieser Offenlegungen gewesen seien.

8.

Das erstinstanzliche Gericht und das Berufungsgericht wiesen das Klagebegehren von RW im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO mit seinem Verweis auf die Empfänger oder Kategorien von Empfängern dem Verantwortlichen die Wahlmöglichkeit einräume, sich darauf zu beschränken, gegenüber der betroffenen Person die Kategorien von Empfängern offenzulegen, ohne namentlich angeben zu müssen, wer die konkreten Empfänger der Offenlegungen der personenbezogenen Daten von RW seien.

9.

RW hält sein Klagebegehren im Rahmen seiner vor dem vorlegenden Gericht erhobenen Revisionsklage aufrecht.

10.

Im Lauf des Verfahrens vor diesem Gericht teilte die Österreichische Post RW mit, seine Daten seien im Rahmen des Adressverlags zu Marketingzwecken verarbeitet und an Geschäftskunden weitergegeben worden, zu denen auch werbetreibende Unternehmen im Versandhandel und stationären Handel, IT‑Unternehmen, Adressverlage und Vereine wie Spendenorganisationen, NGOs oder Parteien gehört hätten. Dagegen ist vonseiten der Österreichischen Post eine Mitteilung der konkreten Empfänger der Offenlegungen der Daten von RW unterblieben.

11.

In diesem Kontext hegt das vorlegende Gericht Zweifel an der Auslegung von Art. 15 DSGVO durch die Tatsachengerichte, weshalb es beschloss, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfrage zu unterbreiten:

Ist Art 15 Abs 1 lit c DSGVO dahin gehend auszulegen, dass sich der Anspruch auf die Auskunft über Empfängerkategorien beschränkt, wenn konkrete Empfänger bei geplanten Offenlegungen noch nicht feststehen, der Auskunftsanspruch sich aber zwingend auch auf Empfänger dieser Offenlegungen erstrecken muss, wenn Daten bereits offengelegt worden sind?

III. Rechtliche Würdigung

12.

Die an den Gerichtshof gerichtete Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO hinsichtlich der Tragweite des dort vorgesehenen Rechts der betroffenen Person, von dem Verantwortlichen Auskunft über die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen ihre personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, zu erhalten.

13.

Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass hinsichtlich der Tragweite dieses Rechts auf Auskunft der betroffenen Person danach zu unterscheiden ist, ob die Daten bereits offengelegt wurden – in diesem Fall müsse dieses Recht auf die konkreten Empfänger dieser Offenlegungen ausgedehnt werden – oder ob die konkreten Empfänger zukünftiger Offenlegungen noch nicht bestimmt sind – in diesem Fall müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Recht auf Auskunft über Kategorien von Empfängern beschränkt sei.

14.

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 15 DSGVO das Recht der betroffenen Person regelt, vom Verantwortlichen Auskunft über sie betreffende und der Verarbeitung unterliegende personenbezogene Daten sowie über eine Reihe von Informationen zu erhalten, die sich insbesondere auf diese Verarbeitung beziehen. Diese Bestimmung konkretisiert und spezifiziert das in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Recht einer jeden Person, Auskunft über die sie betreffenden Daten zu erhalten ( 3 ).

15.

Konkret hat die betroffene Person gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO erstens das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Im Fall einer Verarbeitung hat die betroffene Person das Recht auf Auskunft über die personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, sowie über weitere Informationen, die im Einzelnen in den Buchst. a bis h dieser Vorschrift aufgeführt sind. In diesem Kontext hat die betroffene Person gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO das Recht auf Auskunft über „die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen“.

16.

Die Beantwortung der Vorlagefrage des vorlegenden Gerichts erfordert eine Auslegung der Bestimmung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO zur Ermittlung der genauen Tragweite des dort vorgesehenen Rechts der betroffenen Person auf Erhalt von Informationen über die Empfänger der Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten.

17.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsrechtsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziele zu berücksichtigen sind ( 4 ).

18.

Ferner ist festzustellen, dass die Bestimmungen der DSGVO, da sie die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen kann, notwendigerweise im Licht der durch die Charta garantierten Grundrechte auszulegen sind ( 5 ).

19.

Des Weiteren folgt aus der ständigen Rechtsprechung, dass bei verschiedenen möglichen Auslegungen einer Vorschrift des Unionsrechts derjenigen der Vorzug zu geben ist, die die praktische Wirksamkeit der Vorschrift zu wahren geeignet ist ( 6 ).

20.

Was zunächst den Wortlaut der fraglichen Bestimmung anbelangt, ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des vorlegenden Gerichts und mehrerer als Streithelfer im Verfahren vor dem Gerichtshof aufgetretener Beteiligter festzustellen, dass sich anhand des Wortlauts der Bestimmung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO nicht abschließend beantworten lässt, ob das dort vorgesehene Recht auf Auskunft der betroffenen Person notwendigerweise dahin gehend einzustufen ist, dass es die Auskunft über die konkreten Empfänger der Offenlegungen von sie betreffenden personenbezogenen Daten umfasst oder ob diese Auskunft ausschließlich auf Informationen über Kategorien von Empfängern beschränkt werden kann. In dieser Bestimmung sind nämlich die Begriffe „Empfänger“ und „Kategorien von Empfängern“ neutral nebeneinander aufgeführt, ohne dass daraus geschlossen werden kann, dass zwischen diesen Begriffen ein Vorrangverhältnis besteht. Ebenso wenig trifft diese Bestimmung eine ausdrückliche Aussage, ob von den vorgesehenen zwei möglichen Kategorien von Informationen (nämlich die „Empfänger“ oder „Kategorien von Empfängern“) eine Kategorie gewählt werden kann, und auch nicht darüber, wer (nämlich die betroffene Person oder der Verantwortliche) gegebenenfalls zu entscheiden hat, hinsichtlich welcher Art von Information Auskunft zu gewähren ist.

21.

Auch ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des vorlegenden Gerichts jedenfalls festzustellen, dass die Struktur von Art. 15 Abs. 1 DSGVO meines Erachtens dafür spricht, einer Auslegung der fraglichen Bestimmung den Vorzug zu geben, wonach es der betroffenen Person (und somit entgegen den Feststellungen der beiden Tatsachengerichte in diesem Fall nicht dem Verantwortlichen) obliegt, die Wahl zwischen den beiden dort vorgesehenen Alternativen zu treffen. Im Gegensatz zu anderen Bestimmungen der DSGVO, wie z. B. den Art. 13 und 14 ( 7 ), die so aufgebaut sind, dass sie eine Informationspflicht des Verantwortlichen vorsehen, sieht die fragliche Bestimmung ein tatsächliches Auskunftsrecht zugunsten der betroffenen Person vor. Die Ausübung dieses Auskunftsrechts durch die betroffene Person setzt logischerweise voraus, dass dem Inhaber dieses Rechts die Wahlmöglichkeit eröffnet wird, ob er Auskunft über die Informationen erhalten möchte, die, soweit möglich, die konkreten Empfänger betreffen, denen die Daten bereits offengelegt wurden oder noch offengelegt werden sollen, oder ob er, alternativ, sich damit zufriedengibt, Informationen über Kategorien von Empfängern zu verlangen.

22.

Eine Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO dahin, dass er ein Auskunftsrecht der betroffenen Person vorsieht, wonach diese Person, soweit möglich, Auskunft über Informationen betreffend die konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten verlangen kann, findet im Übrigen ihre Bestätigung in einer Würdigung sowohl des Kontexts, in den sich diese Bestimmung einfügt, als auch des Zwecks dieser Bestimmung, betrachtet im Licht der Ziele und dem allgemeinen Aufbau der DSGVO.

23.

Insoweit stelle ich zunächst fest, dass der 63. Erwägungsgrund der DSGVO ausdrücklich vorsieht, dass die betroffene Person „ein Anrecht darauf haben [sollte,] zu wissen und zu erfahren, insbesondere … wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind“. Dieser Erwägungsgrund, in dessen Licht die fragliche Bestimmung auszulegen ist, verweist auf das Recht der betroffenen Person auf Auskunft über die konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten und erwähnt in keiner Weise, dass dieses Recht nach dem Ermessen des Verantwortlichen auf die Kategorien der Empfänger beschränkt werden kann.

24.

Darüber hinaus folgt aus der Rechtsprechung ausdrücklich, dass die DSGVO, wie sich aus ihrem zehnten Erwägungsgrund ergibt, namentlich darauf abzielt, innerhalb der Union ein hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und zu diesem Zweck für eine unionsweit gleichmäßige und einheitliche Anwendung der Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu sorgen ( 8 ).

25.

Zu diesem Zweck müssen bei jeder Verarbeitung personenbezogener Daten die in Art. 5 dieser Verordnung aufgestellten Grundsätze beachtet werden ( 9 ). Insbesondere folgt aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO, dass die personenbezogenen Daten in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden müssen ( 10 ). In diesem Kontext stellt Art. 15 DSGVO, der das Auskunftsrecht der betroffenen Person regelt, eine grundlegende Bestimmung dafür dar, dass gewährleistet wird, dass die Modalitäten, anhand deren die Daten verarbeitet werden, für die betroffenen Personen transparent gestaltet sind.

26.

Nach dem 63. Erwägungsgrund der DSGVO ( 11 ) ist es erstens Ziel dieses Auskunftsrechts, die betroffene Person in eine Lage zu versetzen, in der sie sich der Verarbeitung bewusst sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann ( 12 ). Die Ausübung dieses Rechts muss es der betroffenen Person insbesondere ermöglichen, sich nicht nur zu vergewissern, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden, sondern auch, dass diese an Empfänger gerichtet sind, die zu ihrer Verarbeitung befugt sind ( 13 ). Das setzt grundsätzlich voraus, dass die Mitteilung von Informationen so präzise wie möglich erfolgt.

27.

In diesem Kontext ist festzustellen, dass, wenn in Übereinstimmung mit der Kommission verneint würde, dass das Auskunftsrecht der betroffenen Person gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO die konkreten Empfänger einschließt, und dieses Recht auf die Mitteilung der bloßen Kategorien von Empfängern beschränkt würde, dies bedeuten würde, dass der betroffenen Person die Möglichkeit genommen würde, in vollem Umfang die Rechtmäßigkeit der vom Verantwortlichen vorgenommenen Verarbeitung und insbesondere die Rechtmäßigkeit der bereits erfolgten Offenlegungen von Daten überprüfen zu können. Bei einer solchen Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung könnte die betroffene Person nicht überprüfen, ob ihre Daten – unter Verstoß gegen die in der vorstehenden Nummer dargestellten Anforderungen – nur an befugte Empfänger weitergeleitet wurden.

28.

Zum Zweiten ist dieses Auskunftsrecht, wie es im Übrigen vom Gerichtshof bereits festgestellt worden ist, im Hinblick auf das erste Ziel erforderlich, damit die betroffene Person die ihr durch die Art. 16, 17 und 18 DSGVO eingeräumten Rechte auf Berichtigung, Löschung („Recht auf Vergessenwerden“) und Einschränkung der Verarbeitung ausüben kann ( 14 ). Ferner hat der Gerichtshof klargestellt, dass das Auskunftsrecht auch notwendig ist, um der betroffenen Person die Inanspruchnahme des in Art. 21 DSGVO enthaltenen Rechts auf Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten oder des in den Art. 79 und 82 DSGVO vorgesehenen gerichtlichen Rechtsschutzes im Schadensfall zu ermöglichen ( 15 ).

29.

Eine Auslegung der fraglichen Bestimmung, die dahin ginge, der betroffenen Person die Möglichkeit zu nehmen, Informationen über die konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten zu erhalten, hätte zur Folge, dass diese Person, weil sie keine Kenntnis hat, um welche Personen es sich bei diesen Empfängern handelt, die ihr gemäß den oben genannten Bestimmungen der DSGVO verliehenen Rechte gegenüber diesen Empfängern entweder gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ausüben könnte ( 16 ). Bei dieser Auslegung würde in einer solchen Situation diesen Bestimmungen und den von ihnen verliehenen Rechten ihre praktische Wirksamkeit genommen.

30.

In kontextueller Hinsicht findet die oben dargestellte Auslegung von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO im Übrigen ihre Bestätigung auch in Art. 19 dieser Verordnung. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, dass „[d]er Verantwortliche … allen Empfängern, denen personenbezogene… Daten offengelegt wurden, jede Berichtigung oder Löschung der personenbezogenen Daten oder eine Einschränkung der Verarbeitung nach Art. 16, Art. 17 Abs. 1 und Art. 18 mit[teilt], es sei denn, dies erweist sich als unmöglich oder ist mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden“.

31.

Art. 19 DSGVO verpflichtet demnach den Verantwortlichen, alle Empfänger, an die er die personenbezogenen Daten weitergegeben hat, über alle von ihm zu befolgenden Anträge auf Berichtigung, Löschung oder Beschränkung der Verarbeitung dieser Daten zu informieren. Alle Empfänger, die auf diese Weise informiert werden, sind somit verpflichtet, umgehend eine Berichtigung, Löschung oder Beschränkung der Verarbeitung vorzunehmen, soweit sich die Daten noch in Bearbeitung befinden. Im Rahmen der Verfolgung des Ziels der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus, wie es oben in Nr. 24 dargestellt worden ist, soll Art. 19 DSGVO somit die betroffene Person von der Pflicht befreien, – nach der Beantragung von Informationen im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO – weitere entsprechende Anträge auf Berichtigung, Löschung oder Beschränkung der Verarbeitung an die betroffenen Empfänger zu übermitteln. Jedoch muss die betroffene Person in der Lage sein, zu überprüfen, ob die Berichtigung, Löschung oder Beschränkung tatsächlich nach der Mitteilung durch den Verantwortlichen vorgenommen wurde. Insoweit sieht Art. 19 DSGVO daher vor, dass der Verantwortliche der betroffenen Person auf ihren Antrag diese Empfänger mitteilen muss.

32.

Die Bestimmung des Art. 19 DSGVO bestätigt, dass die betroffene Person zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit ihrer in den Art. 16, 17 und 18 DSGVO vorgesehenen Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Beschränkung der Verarbeitung grundsätzlich über ein Recht auf Offenlegung der Person der konkreten Empfänger verfügen muss, wenn ihre Daten bereits offengelegt wurden. Nur auf diese Weise kann die betroffene Person ihre Rechte diesen gegenüber geltend machen.

33.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Auskunftsrecht im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO bei der Ausübung der anderen in der DSGVO vorgesehenen Befugnisse der betroffenen Person eine funktionale und instrumentale Rolle spielt. Deshalb ist diese Bestimmung im Hinblick auf das Ziel der Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit aller oben genannten Bestimmungen der DSGVO dahin auszulegen, dass das von dieser Bestimmung vorgesehene Auskunftsrecht grundsätzlich zwingend der Möglichkeit Rechnung tragen muss, vom Verantwortlichen Auskunft über die konkreten Empfänger von Offenlegungen der personenbezogenen Daten der betroffenen Person zu erlangen.

34.

Die Erstreckung des Auskunftsrechts im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c DSGVO auf die konkreten Empfänger dieser Offenlegungen stößt jedoch meines Erachtens zumindest in zwei Fällen an Grenzen.

35.

Zum Ersten kann es in einem Fall, in dem aus tatsächlichen Gründen die Erteilung einer Auskunft über konkrete Empfänger nicht möglich ist, z. B. wenn diese tatsächlich noch nicht identifiziert wurden, vom Verantwortlichen zweifellos nicht verlangt werden, dass er Informationen mitteilt, die noch nicht vorliegen. Deshalb kann sich das Auskunftsrecht in einem solchen Fall, der explizit in der Vorlagefrage angeführt wird, nur auf die Kategorien von Empfängern beziehen.

36.

Zum Zweiten sind, wie von der italienischen Regierung vorgetragen, die Ausübung des Auskunftsrechts der betroffenen Person und die Erfüllung der entsprechenden Verpflichtung des Aufraggebers anhand der Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen.

37.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen können, sondern im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden müssen ( 17 ).

38.

In diesem Kontext folgt zum einen explizit aus Art. 12 Abs. 5 DSGVO, der ausdrücklich auch auf die Bestimmung anzuwenden ist, die Gegenstand der Vorlagefrage ist, dass die Anträge der betroffenen Person keinen offensichtlich unbegründeten oder exzessiven Charakter haben dürfen und dass der Verantwortliche, wenn dies der Fall ist, es auch ablehnen kann, dem Antrag zu entsprechen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich aber auch, dass der Verantwortliche „den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen“ hat.

39.

Zum anderen hat der Gerichtshof bereits bei früherer Gelegenheit klargestellt, dass für einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse der betroffenen Person am Schutz ihrer Privatsphäre, insbesondere mit Hilfe der in Kapitel III der DSGVO verankerten Rechte und der Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, auf der einen Seite und den Belastungen, die der Verantwortliche zu tragen hat, auf der anderen zu sorgen ist ( 18 ). Mit einem solchen gerechten Ausgleich soll erreicht werden, dass dem Schutz der Daten und der Privatsphäre der betroffenen Person eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet wird, was sich insbesondere darin zeigt, dass, um den Antrag auf Auskunft der betroffenen Person ablehnen zu können, der Nachweis zu erbringen ist, dass dieser Antrag offensichtlich unbegründet oder exzessiv ist.

IV. Ergebnis

40.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage des Obersten Gerichtshofs (Österreich) zu antworten:

Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Auskunftsrecht der betroffenen Person auf deren Antrag notwendigerweise auf die Angabe der konkreten Empfänger der Offenlegungen ihrer personenbezogenen Daten zu erstrecken ist. Dieses Auskunftsrecht kann nur dann auf die Angabe von Kategorien von Empfängern beschränkt werden, wenn es aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist, die konkreten Empfänger der Offenlegungen der die betroffene Person betreffenden personenbezogenen Daten zu bestimmen, oder wenn der Verantwortliche nachweist, dass die Anträge der betroffenen Person im Sinne von Art. 12 Abs. 5 der Verordnung 2016/679 offensichtlich unbegründet oder exzessiv sind.


( 1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 2 ) ABl. 2016, L 119, S. 1.

( 3 ) Wie ich bereits feststellen konnte, setzt die DSGVO die Anforderungen, die sich aus dem durch Art. 8 der Charta geschützten Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten ergeben, und insbesondere jene um, die in Art. 8 Abs. 2 der Charta ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. insoweit meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen WM und Sovim, C‑37/20 und C‑601/20, EU:C:2022:43, Nr. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung). Was insbesondere das Recht einer Person auf Auskunft über sie betreffende Daten anbelangt, vgl., in Bezug auf die durch die DSGVO aufgehobene Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31), Urteil vom 17. Juli 2014, YS und Minister voor Immigratie, Integratie en Asiel (C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 4 ) Vgl. Urteil vom 15. März 2022, A (C‑302/20, EU:C:2022:190, Rn. 63), und in diesem Sinne Urteil vom 24. März 2022, Autoriteit Persoonsgegevens (C‑245/20, EU:C:2022:216, Rn. 28).

( 5 ) Vgl., in Bezug auf die Richtlinie 95/46, Urteil vom 9. März 2017, Manni (C‑398/15, EU:C:2017:197, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 6 ) Vgl. Urteil vom 7. März 2018, Sucrerie de Toury (C‑31/17, EU:C:2018:168, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Art. 13 DSGVO betrifft die Auskunft, die der Verantwortliche erteilen muss, wenn die personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person erhoben werden. Art. 14 DSGVO bezieht sich dagegen auf die Auskunft, die der Verantwortliche erteilen muss, wenn die personenbezogenen Daten nicht von der betroffenen Person erlangt wurden.

( 8 ) Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 207), vom 24. Februar 2022, Valsts ieņēmumu dienests (C‑175/20, EU:C:2022:124, Rn. 49), und vom 28. April 2022, Meta Platforms Ireland (C‑319/20, EU:C:2022:322, Rn. 52).

( 9 ) Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a. (C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 208), und vom 22. Juni 2021, Latvijas Republikas Saeima (C‑439/19, EU:C:2021:504, Rn. 96).

( 10 ) Zum Grundsatz der Transparenz vgl. auch 39. Erwägungsgrund der DSGVO.

( 11 ) Der erste Satz dieses Erwägungsgrundes sieht vor, dass „[e]ine betroffene Person … ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen [sollte] …, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können.“

( 12 ) Vgl., in Bezug auf die Richtlinie 95/46, Urteile vom 17. Juli 2014, YS und Minister voor Immigratie, Integratie en Asiel (C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 44), und vom 20. Dezember 2017, Nowak (C‑434/16, EU:C:2017:994, Rn. 57).

( 13 ) Vgl., in Bezug auf die Richtlinie 95/46, Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer (C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 49).

( 14 ) Vgl., in Bezug auf die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 95/46, Urteile vom 7. Mai 2009, Rijkeboer (C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 51 und 52), vom 17. Juli 2014, YS und Minister voor Immigratie, Integratie en Asiel (C‑141/12 und C‑372/12, EU:C:2014:2081, Rn. 44), und vom 20. Dezember 2017, Nowak (C‑434/16, EU:C:2017:994, Rn. 57).

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 95/46, Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer (C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 52).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die Richtlinie 95/46, Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer (C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 51).

( 17 ) Vgl. u. a. Urteil vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems (C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 172 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 18 ) Vgl. in diesem Sinne, in Bezug auf die Richtlinie 95/46, Urteil vom 7. Mai 2009, Rijkeboer (C‑553/07, EU:C:2009:293, Rn. 64).

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