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Document 62021CC0042

Schlussanträge des Generalanwalts A. Rantos vom 7. Juli 2022.
Lietuvos geležinkeliai AB gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel – Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Schienengüterverkehrsmarkt – Beschluss, mit dem ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird – Zugang dritter Unternehmen zu den vom staatlichen Bahnunternehmen Litauens betriebenen Infrastrukturen – Entfernung eines Gleisabschnitts – Begriff ‚Missbrauch‘ – Tatsächliche oder wahrscheinliche Verdrängung eines Wettbewerbers – Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht – Herabsetzung der Geldbuße.
Rechtssache C-42/21 P.

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:537

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ATHANASIOS RANTOS

vom 7. Juli 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑42/21 P

Lietuvos geležinkeliai AB

gegen

Europäische Kommission

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Schienengüterverkehrsmarkt – Beschluss, mit dem ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV festgestellt wird – Zugang zu den vom staatlichen Bahnunternehmen Litauens betriebenen Infrastrukturen – Entfernung eines Gleisabschnitts – Begriff des Missbrauchs – Bronner-Rechtsprechung – Unentbehrlichkeit des Zugangs – Wettbewerbswidrige Absicht – Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Herabsetzung der Geldbuße“

I. Einleitung

1.

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Lietuvos geležinkeliai AB (im Folgenden: LG) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 18. November 2020, Lietuvos geležinkeliai/Kommission (T‑814/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2020:545), mit dem das Gericht zum einen ihre Klage abgewiesen hat, soweit sie auf die Nichtigerklärung des Beschlusses C(2017) 6544 final der Kommission vom 2. Oktober 2017 in einem Verfahren nach Art. 102 AEUV (Sache AT.39813 – Baltic Rail) (im Folgenden: streitiger Beschluss) gerichtet war, und zum anderen in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Betrag der gegen LG durch den Beschluss verhängten Geldbuße auf 20068650 Euro herabgesetzt hat.

2.

Im vorliegenden Fall war im streitigen Beschluss der Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgestellt worden, der darin bestehe, dass LG als staatliches Bahnunternehmen Litauens und Betreiberin der litauischen Eisenbahninfrastruktur einen Gleisabschnitt von 19 km Länge entfernt habe, der sich in Litauen befinde und bis zur Grenze zu Lettland reiche (im Folgenden: Gleisabschnitt). Die Entfernung des Gleisabschnitts sei geeignet gewesen, ein in Lettland ansässiges konkurrierendes Bahnunternehmen am Eintritt in den litauischen Markt für die Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte zu hindern, oder habe den Markteintritt zumindest erschwert.

3.

Die drei ersten Rechtsmittelgründe des vorliegenden Rechtsmittels sind im Wesentlichen gegen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung des Vorliegens einer beherrschenden Stellung gerichtet. Der vierte Rechtsmittelgrund betrifft die Bemessung der Geldbuße.

4.

Das vorliegende Rechtsmittel gibt dem Gerichtshof zum einen Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu den für die Feststellung einer beherrschenden Stellung geltenden Kriterien zu präzisieren und speziell die Tragweite der Rechtsprechung weiter zu präzisieren, die auf das Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, im Folgenden: Urteil Bronner, EU:C:1998:569), zurückgeht und die Kriterien betrifft, anhand deren sich die Zugangs- oder Lieferverweigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung als „missbräuchliche Praxis“ einstufen lässt. Zum anderen eröffnet dieses Rechtsmittel die Möglichkeit, zweckdienliche Feststellungen zur Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung zu treffen.

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

5.

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und der Inhalt des streitigen Beschlusses sind in den Rn. 1 bis 48 des angefochtenen Urteils dargestellt. Für die Behandlung des vorliegenden Rechtsmittels lassen sie sich wie folgt zusammenfassen.

A. Sachverhalt

6.

LG ist das staatliche Bahnunternehmen Litauens, ein in Litauen ansässiges öffentliches Unternehmen, dessen alleiniger Aktionär der litauische Staat ist. Als vertikal integriertes Unternehmen ist LG gleichzeitig Betreiberin der Eisenbahninfrastrukturen, die jedoch im Eigentum des litauischen Staats verbleiben, und Erbringerin von Schienenverkehrsdiensten in Litauen.

7.

Orlen Lietuva AB (im Folgenden: Orlen) ist ein Unternehmen mit Sitz in Litauen), das auf die Erdölraffination und die Verteilung raffinierter Erdölprodukte spezialisiert ist. Orlen ist eine 100%ige Tochtergesellschaft des polnischen Unternehmens PKN Orlen SA. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten betreibt Orlen verschiedene Anlagen in Litauen, darunter eine wichtige Raffinerie (im Folgenden: Raffinerie) in Bugeniai im Distrikt Mažeikiai im Nordwesten Litauens in der Nähe der Grenze zu Lettland. Diese Raffinerie ist die einzige Anlage dieses Typs in den drei baltischen Staaten. Ende der 2000er Jahre wurden 90 % der in dieser Raffinerie erzeugten raffinierten Erdölprodukte über den Schienenweg transportiert, wodurch Orlen eine der wichtigsten Kundinnen von LG wurde.

8.

Damals erzeugte Orlen in der Raffinerie etwa 8 Mio. Tonnen raffinierter Erdölprodukte im Jahr. Drei Viertel der Produktion waren für den Export bestimmt, der hauptsächlich auf dem Seeweg in die Länder Westeuropas erfolgte. So wurden 4,5 bis 5,5 Mio. Tonnen raffinierter Erdölprodukte durch Litauen mit dem Zug zum Seehafen Klaipėda (Litauen) befördert. Der Rest der exportierten Produktion, d. h. etwa 1 bis 1,5 Mio. Tonnen, wurde – ebenfalls per Zug – nach oder durch Lettland befördert und war hauptsächlich für den Verbrauch auf den estnischen und lettischen Inlandsmärkten bestimmt. Etwa 60 % dieser per Zug nach oder durch Lettland transportierten Produktion wurde über die Bahnlinie „Bugeniai-Mažeikiai-Rengė“ befördert, deren Strecke von der in der Nähe des Gleisanschlusses von Mažeikiai gelegenen Raffinerie bis zur Stadt Rengė (Lettland) führte und auf 34 km durch Litauen verlief (im Folgenden: kurze Strecke nach Lettland). Der Rest der im Zug nach oder durch Lettland transportierten Produktion wurde über die Bahnlinie „Bugeniai-Kužiai-Joniškis-Meitene“ befördert, die eine längere Strecke beinhaltete und auf 152 km durch Litauen verlief (im Folgenden: lange Strecke nach Lettland).

9.

Um ihre Produkte auf der kurzen Strecke nach Lettland zu transportieren, nutzte Orlen die Dienste von LG für den litauischen Teil der Strecke, d. h. von der Raffinerie bis zur lettischen Grenze. LG hatte damals mit Latvijas dzelzceļš, dem staatlichen Bahnunternehmen Lettlands (im Folgenden: LDZ), einen Untervertrag über den Transport auf dem litauischen Abschnitt der Strecke geschlossen. Da LDZ nicht über die notwendigen Genehmigungen für die selbständige Ausübung ihrer Tätigkeiten auf litauischem Gebiet verfügte, wurde sie als Subunternehmerin von LG tätig. Nach dem Überqueren der litauischen Grenze führte LDZ den Transport der Produkte von Orlen auf lettischem Gebiet auf der Grundlage verschiedener Verträge durch.

10.

Die Geschäftsbeziehungen zwischen Orlen und LG in Bezug auf die Transportdienstleistungen von LG im litauischen Eisenbahnnetz, einschließlich der Transportdienste auf der kurzen Strecke nach Lettland, waren in einer im Lauf des Jahres 1999 unterzeichneten Vereinbarung (im Folgenden: Vereinbarung von 1999) geregelt. Neben der Regelung der Gebühren, die LG für die Transportdienste erhob, beinhaltete die Vereinbarung von 1999 u. a. eine besondere Verpflichtung von LG, die Fracht von Orlen während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung, d. h. bis 2024, auf der kurzen Strecke nach Lettland zu transportieren.

11.

Anfang 2008 kam es zwischen LG und Orlen zu geschäftlichen Differenzen über die Gebühren, die Orlen für den Transport ihrer Erdölprodukte zu entrichten hatte. Aufgrund dieser geschäftlichen Differenzen erwog Orlen die Möglichkeit, einen unmittelbaren Vertrag mit LDZ über die Leistungen zum Transport ihrer Fracht per Eisenbahn auf der kurzen Strecke nach Lettland zu schließen sowie ihre See-Exporttätigkeiten von Klaipėda in Litauen abzuziehen und auf die Seehäfen Riga und Ventspils in Lettland zu verlagern.

12.

Am 12. Juni 2008 fand ein Treffen zwischen LG und Orlen statt, bei dem dieses Vorhaben zur Verlagerung der Exporttätigkeiten von Orlen thematisiert wurde. Zudem leitete LG am 17. Juli 2008 ein schiedsgerichtliches Verfahren gegen Orlen ein, nachdem Letztere einseitig entschieden hatte, eine geringere als die von LG verlangte Gebühr zu zahlen.

13.

Am 28. Juli 2008 teilte LG Orlen die Kündigung der Vereinbarung von 1999 zum 1. September 2008 mit. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission erklärte Orlen, dass LG die Kündigung der Vereinbarung von 1999 zum 1. September 2008 ausgesprochen habe, nachdem Orlen drei Tage zuvor LDZ förmlich um einen Kostenvoranschlag ersucht habe, um die Dienste von LG für den Transport von etwa 4,5 bis 5 Mio. Tonnen raffinierter Erdölprodukte ab der Raffinerie und unter Nutzung der kurzen Strecke nach Lettland bis zu den Seehäfen in Lettland zu ersetzen. Orlen wies ferner darauf hin, dass LG möglicherweise unmittelbar von LDZ über die Anforderung des Kostenvoranschlags informiert worden sei.

14.

Am 2. September 2008 setzte LG, nachdem eine Verformung der Gleisstrecke von mehreren Dutzend Metern (im Folgenden: Verformung) festgestellt worden war, auf dem Gleisabschnitt zwischen Mažeikiai und der Grenze zu Lettland unter Berufung vor allem auf Sicherheitsgründe den Verkehr aus.

15.

Am 3. September 2008 berief LG einen Untersuchungsausschuss ein, der aus leitenden Angestellten ihrer örtlichen Tochtergesellschaft bestand, um die Ursachen der Verformung zu ermitteln. Der Untersuchungsausschuss legte zwei Berichte vor: den Untersuchungsbericht vom 5. September 2008 und den technischen Bericht desselben Tages.

16.

Dem Untersuchungsbericht vom 5. September 2008 zufolge war die Verformung durch eine physische Verschlechterung zahlreicher Bestandteile der Struktur des Gleisabschnitts verursacht worden. Im Untersuchungsbericht wurde darüber hinaus bestätigt, dass der Verkehr ausgesetzt werden müsse, „bis alle Wiederherstellungs- und Ausbesserungsmaßnahmen abgeschlossen sind“.

17.

Die Bemerkungen im Untersuchungsbericht vom 5. September 2008 wurden durch den technischen Bericht desselben Tages bestätigt, der sich ausschließlich auf die Stelle der Verformung bezog und als deren Ursache verschiedene Probleme im Zusammenhang mit der Struktur des Gleisabschnitts benannte. Im technischen Bericht wurde festgestellt, dass der Verkehrsunfall, der infolge einer Verformung des Gleisabschnitts eingetreten sei, als „Störung“ eingestuft werden müsse und der physischen Abnutzung der oberen Komponenten der Struktur des Gleisabschnitts geschuldet sei.

18.

Nach einer Besprechung am 22. September 2008 unterbreitete LDZ Orlen am 29. September 2008 ein Angebot für den Transport ihrer Erdölprodukte. Orlen zufolge war dieses Angebot „konkret und attraktiv“. Ab dem 3. Oktober 2008 wurde der Gleisabschnitt von LG vollständig entfernt. Ende Oktober 2008 war der Gleisabschnitt komplett abgebaut.

19.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 bestätigte Orlen LDZ ihre Absicht, etwa 4,5 Mio. Tonnen Erdölprodukte von der Raffinerie bis zu den lettischen Seehäfen zu befördern. Am 20. Februar 2009 fand ein Treffen statt, und weiter gehende Gespräche erfolgten im Frühjahr 2009.

20.

Im Januar 2009 wurde zwischen LG und Orlen eine neue allgemeine Transportvereinbarung für einen Zeitraum von 15 Jahren bis zum 1. Januar 2024 geschlossen (im Folgenden: Vereinbarung von 2009). Diese Vereinbarung ersetzte eine Zwischenvereinbarung, die am 1. Oktober 2008 unterzeichnet worden war.

21.

Die Verhandlungen zwischen Orlen und LDZ liefen bis Ende Juni 2009, als LDZ eine Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland beantragte.

22.

Am 10. November 2009 entschied das Schiedsgericht, dass die einseitige Kündigung der Vereinbarung von 1999 durch LG rechtswidrig sei und von einer Geltung der Vereinbarung bis zum 1. Oktober 2008 als dem Zeitpunkt, an dem Orlen und LG die oben in Nr. 20 dieser Schlussanträge genannte Zwischenvereinbarung getroffen hätten, auszugehen sei.

23.

Orlen zufolge sind die Gespräche mit LDZ Mitte 2010 abgebrochen worden, als sie schließlich zu der Auffassung gelangt sei, dass LG nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren. Zu diesem Zeitpunkt zog LDZ ihren Antrag auf eine Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland zurück.

B. Verwaltungsverfahren

24.

Am 14. Juli 2010 legte Orlen bei der Kommission gemäß Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 2 ) eine förmliche Beschwerde ein. In ihrer Beschwerde machte Orlen im Wesentlichen geltend, nach geschäftlichen Differenzen mit ihr habe LG den Gleisabschnitt entfernt, so dass die kurze Strecke nach Lettland nicht mehr zur Verfügung gestanden habe und Orlen gezwungen gewesen sei, die einzig verfügbare Strecke zu nutzen, d. h. die lange Strecke nach Lettland, um den Teil ihrer Produktion, der für einen Transport nach oder durch Lettland bestimmt sei, per Zug zu befördern.

25.

Nachdem die Kommission zum einen LG eine Mitteilung der Beschwerdepunkte und anschließend ein Sachverhaltsschreiben übermittelt hatte, zu denen die Parteien sich geäußert hatten, und zum anderen eine mündliche Anhörung abgehalten hatte, erließ sie am 2. Oktober 2017 den streitigen Beschluss.

C. Streitiger Beschluss

1.   Bestimmung der relevanten Märkte und beherrschende Stellung

26.

In dem Beschluss bestimmte die Kommission zwei sachlich relevante Märkte: zum einen den vorgelagerten Markt des Betriebs von Eisenbahninfrastrukturen und zum anderen den nachgelagerten Markt der Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte (im Folgenden: relevanter Markt).

27.

Als räumlich relevanter Markt für den Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen wird der nationale litauische Markt angesehen. Was den räumlich relevanten Markt für Schienentransportdienste für Erdölprodukte betrifft, vertrat die Kommission die Auffassung, dass es sich um einen Markt für Schienenfrachttransportdienste handle, dessen Ausgangspunkt die Raffinerie und dessen Zielort die drei Seehäfen Klaipėda, Riga und Ventspils seien.

28.

Die Kommission stellte fest, dass LG aufgrund der litauischen Rechtsvorschriften über ein gesetzliches Monopol auf dem vorgelagerten Markt für den Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen in Litauen verfüge. Insoweit bestimme die nationale Regelung, dass die öffentlichen Eisenbahninfrastrukturen Eigentum des litauischen Staats seien und LG zum Betrieb überlassen würden.

29.

Die Kommission stellte außerdem fest, dass LG im Grunde das einzige Unternehmen sei, das auf dem nachgelagerten Markt der Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte tätig sei, was ihr eine beherrschende Stellung auf diesem Markt verschaffe.

2.   Missbräuchliches Verhalten

30.

Die Kommission stellte fest, dass LG ihre beherrschende Stellung als Betreiberin der litauischen Eisenbahninfrastrukturen missbraucht habe, indem sie den Gleisabschnitt entfernt habe, was geeignet gewesen sei, wettbewerbswidrige Auswirkungen in Form der Verdrängung von Wettbewerbern vom relevanten Markt zwischen der Raffinerie und den benachbarten Seehäfen hervorzurufen, indem Hindernisse für den Markteintritt errichtet worden seien, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt gewesen wäre. Die Kommission stellte insbesondere fest, dass LG durch die vollständige Entfernung des Gleisabschnitts wettbewerbswidrige Methoden angewandt habe.

31.

Insoweit wies die Kommission darauf hin, dass erstens LG sich bewusst gewesen sei, dass Orlen erwogen habe, auf die lettischen Seehäfen umzusteigen und dafür die Dienste von LDZ zu nutzen; zweitens LG die Entfernung des Gleisabschnitts in großer Eile vorgenommen habe, ohne zuvor sicherzustellen, dass die dafür erforderlichen Mittel bereitständen, und ohne die normalen Vorbereitungen für den Neubau des Gleisabschnitts zu treffen; drittens die Beseitigung des Gleisabschnitts nicht dem branchenüblichen Vorgehen entsprochen habe; viertens LG sich der Gefahr bewusst gewesen sei, im Fall eines Neubaus des Gleisabschnitts alle geschäftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Transport der Produkte von Orlen zu verlieren; und fünftens LG Schritte unternommen habe, um die litauische Regierung davon zu überzeugen, den Gleisabschnitt nicht wiederaufzubauen.

32.

Der Gleisabschnitt liege auf dem kürzesten und kostengünstigsten Weg von der Raffinerie zu einem lettischen Seehafen. Weil der Gleisabschnitt in der Nähe von Lettland und vom Logistikzentrum von LDZ liege, stelle er ferner eine sehr gute Möglichkeit für LDZ dar, in den litauischen Markt einzutreten.

33.

Zu den wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Verhaltens von LG stellte die Kommission fest, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts geeignet gewesen sei, den Markteintritt von LDZ zu verhindern oder zumindest erheblich zu erschweren, und dies, obwohl LDZ vor der Beseitigung des Gleisabschnitts glaubhaft die Möglichkeit gehabt habe, die für den See-Export bestimmten Erdölprodukte von Orlen über die kurze Strecke nach Lettland von der Raffinerie bis zu den lettischen Seehäfen zu transportieren. Nach der Beseitigung des Gleisabschnitts habe der Schienenverkehr von der Raffinerie zu einem lettischen Seehafen über wesentlich längere Strecken in Litauen geführt werden müssen. LDZ habe, um in Wettbewerb mit LG zu treten, nach der Beseitigung des Gleisabschnitts nur eine Option gehabt, nämlich zu versuchen, auf der Strecke nach Klaipėda oder auf der langen Strecke nach Lettland tätig zu werden. Somit hätte LDZ viel weiter von ihrem Logistikzentrum in Lettland entfernt agieren müssen, wobei sie zudem auf die Infrastrukturdienstleistungen ihrer Wettbewerberin LG angewiesen gewesen wäre. Unter diesen Umständen wären LDZ nach Auffassung der Kommission erhebliche finanzielle Risiken entstanden, die das Unternehmen wahrscheinlich nicht eingegangen wäre.

34.

Ferner stellte die Kommission fest, dass LG keine objektive Rechtfertigung für die Beseitigung des Gleisabschnitts vorgelegt habe, da ihre Erklärungen weder kohärent noch überzeugend seien und sich zum Teil widersprächen.

3.   Geldbuße und Anordnung

35.

Die Kommission verhängte gegen LG eine Geldbuße in Höhe von 27873000 Euro und wies sie an, die Zuwiderhandlung einzustellen und ihr innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des streitigen Beschlusses mitzuteilen, welche Maßnahmen das Unternehmen zu diesem Zweck vorschlage.

III. Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

36.

LG erhob vor dem Gericht Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses und hilfsweise auf Herabsetzung der verhängten Geldbuße.

37.

Sie stützte ihren Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses auf fünf Klagegründe. Der erste Klagegrund betraf offensichtliche Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV in Bezug auf die Missbräuchlichkeit des Verhaltens von LG, mit dem zweiten Klagegrund wurden Beurteilungs- und Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV in Bezug auf die Beurteilung der fraglichen Praxis gerügt, mit dem dritten Klagegrund wurde ein Verstoß gegen Art. 296 AEUV und Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wegen unzureichender Beweise und eines Begründungsmangels geltend gemacht, der vierte Klagegrund stützte sich – nur im ersten Teil – auf Fehler bei der Festsetzung der Geldbuße und der fünfte Klagegrund betraf Fehler bei der Anordnung einer Abhilfemaßnahme.

38.

Im Rahmen ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße machte LG mit mehreren Rügen und dem zweiten Teil des vierten Klagegrundes geltend, dass der Betrag der Geldbuße unverhältnismäßig sei, und sie beanstandete erstens den von der Kommission gemäß der Schwere der Zuwiderhandlung festgestellten Prozentsatz des Umsatzes, zweitens die Dauer der Zuwiderhandlung und drittens die Entscheidung, dem Grundbetrag zur Abschreckung einen zusätzlichen Betrag hinzuzurechnen.

39.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht sämtliche Klagegründe zurückgewiesen, die LG zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses sowie ihres Antrags auf Herabsetzung der Geldbuße vorgetragen hatte. In Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat das Gericht den Betrag der Geldbuße jedoch auf 20068650 Euro festgesetzt.

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

40.

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt LG,

das angefochtene Urteil ganz oder teilweise aufzuheben, soweit mit ihm ihre Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses abgewiesen worden ist;

den streitigen Beschluss ganz oder teilweise für nichtig zu erklären;

hilfsweise, die gegen sie verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder weiter herabzusetzen, und

der Kommission die Kosten des vorliegenden Verfahrens und der ersten Instanz aufzuerlegen.

41.

Die Kommission und Orlen beantragen,

das Rechtsmittel zurückzuweisen und

LG die Kosten aufzuerlegen.

V. Prüfung

42.

LG stützt ihr Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit ihren ersten drei Rechtsmittelgründen beanstandet sie im Wesentlichen die vom Gericht vorgenommene Beurteilung der Frage, ob ein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vorliegt. Der vierte Rechtsmittelgrund betrifft die vom Gericht vorgenommene Bemessung der gegen sie verhängten Geldbuße.

43.

Nach Ansicht der Kommission sind diese Rechtsmittelgründe zurückzuweisen. Orlen beantragt die Zurückweisung der drei ersten Rechtsmittelgründe. Zum vierten Rechtsmittelgrund hat Orlen nicht Stellung genommen.

44.

Bevor ich mit der Prüfung der einzelnen Rechtsmittelgründe beginne, sind einige verfahrensrechtliche Vorbemerkungen erforderlich.

A. Verfahrensrechtliche Vorbemerkungen

45.

Zum einen ist anzumerken, dass LG vor der Darstellung der von ihr geltend gemachten Rechtsmittelgründe den ihrer Meinung nach maßgeblichen Sachverhalt darlegt. Sowohl die Kommission als auch Orlen tragen jedoch vor, dass diese Beschreibung irreführend und fehlerhaft sei. Insoweit genügt die Feststellung, dass, da LG keine Verfälschung von Tatsachen und Beweisen geltend gemacht hat, diese Sachverhaltsbeschreibung nicht relevant ist, weil alle Tatsachenfragen bereits endgültig vom Gericht entschieden wurden. Somit ist nicht über den irreführenden Charakter oder die Fehlerhaftigkeit der genannten Sachverhaltsbeschreibung zu entscheiden.

46.

Zum anderen erwähnen sowohl die Kommission als auch Orlen in ihren schriftlichen Erklärungen eine vom derzeitigen Vorstandsvorsitzenden von LG herausgegebene Pressemitteilung vom 30. Dezember 2019, die das Ende des Neubaus des Gleisabschnitts bekannt gegeben und eine kritische Bewertung der fraglichen Ereignisse enthalten habe. Wie von der Kommission in der mündlichen Verhandlung anerkannt, hat dieses Dokument keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit, Tragweite oder Auslegung des streitigen Beschlusses und erst recht nicht des angefochtenen Urteils, da das Dokument zeitlich nach dem Sachverhalt des fraglichen Rechtsstreits entstanden ist.

B. Zum ersten Rechtsmittelgrund

47.

Mit dem ersten Rechtsmittelgrund macht LG im Wesentlichen geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es in den Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils bei der Feststellung, ob die Entfernung des Gleisabschnitts einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen könne, die im Urteil Bronner in Bezug auf die Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Infrastrukturen aufgestellten Kriterien nicht angewandt habe.

48.

Vorab stellt LG fest, das Gericht habe in Rn. 226 des angefochtenen Urteils die gleiche Auffassung wie die Kommission vertreten, nämlich dass die Entfernung des Gleisabschnitts einen Missbrauch darstelle, da sie zu einer Verdrängung von LDZ aus dem Markt habe führen können, weil dadurch, dass LDZ sich gezwungen gesehen habe, die lange Strecke nach Lettland zu nutzen, um Orlen zu bedienen, und die lange Strecke demselben Markt wie die kurze Strecke angehört habe, der Marktzugang von LDZ erschwert und an weniger vorteilhafte Bedingungen geknüpft worden sei. Somit lasse sich das rechtliche Problem des vorliegenden Falls in der Frage zusammenfassen, ob LG aufgrund von Art. 102 AEUV rechtlich verpflichtet sei, LDZ Zugang zum Gleisabschnitt zu gewähren.

49.

Dem Urteil Bronner sei jedoch zu entnehmen, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung nur dann verpflichtet sei, einen solchen Zugang zu gewähren, wenn die Weigerung geeignet sei, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt durch denjenigen, der Zugang begehrt, auszuschalten, nicht objektiv zu rechtfertigen sei und der Zugang selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Zugang begehrenden Unternehmens unentbehrlich sei. Diese drei kumulativen Kriterien seien in der vorliegenden Rechtssache nicht erfüllt, insbesondere weil der Zugang zum Gleisabschnitt für LDZ nicht „unentbehrlich“ sei, um auf dem relevanten Markt in Wettbewerb mit LG treten zu können. Das Gericht habe jedoch in den Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht relevant sei. Dadurch habe das Gericht vier Rechtsfehler begangen.

50.

Erstens existiere – entgegen den Feststellungen des Gerichts in Rn. 90 des angefochtenen Urteils – in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Regel, wonach die im Urteil Bronner aufgestellten Kriterien (im Folgenden: Bronner-Kriterien) nur anwendbar seien, wenn die Notwendigkeit bestehe, für ein Unternehmen in beherrschender Stellung den Anreiz aufrechtzuerhalten, in die Errichtung grundlegender Anlagen zu investieren. Auch den vom Gericht angeführten Schlussanträgen des Generalanwalts Jacobs ( 3 ) lasse sich nicht entnehmen, dass eine solche Regel existiere.

51.

Zweitens gebe es entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils keine Regel, wonach die Bronner-Kriterien nicht anwendbar seien, wenn der geltende Rechtsrahmen bereits (ex ante) eine Lieferverpflichtung enthalte. Zunächst würde die Nichtanwendung der Kriterien in einem solchen Fall nach Auffassung von LG nämlich bedeuten, dass das nationale Recht oder das abgeleitete Recht der Union den Anwendungsbereich des Primärrechts definiere, was mit dem Vorrang des Unionsrechts und dem Erfordernis einer kohärenten Anwendung des Wettbewerbsrechts der Union im gesamten Unionsgebiet nicht vereinbar wäre. Sodann macht LG geltend, dass die Ex-post-Kontrolle nach Art. 102 AEUV und die Ex-ante-Regelung unterschiedliche Ziele verfolgten. Zudem sei es nicht mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, wenn Unternehmen aus regulierten Wirtschaftszweigen unterschiedlichen rechtlichen Kriterien im Rahmen von Art. 102 AEUV unterlägen. Schließlich sei vorliegend LG zum Zeitpunkt der Entfernung des Gleisabschnitts nicht verpflichtet gewesen, LDZ Zugang zum Gleisabschnitt zu gewähren, da LDZ keine Lizenz für eine betriebliche Tätigkeit in Litauen beantragt oder erhalten habe. Insofern unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. Dezember 2018, Slovak Telekom/Kommission (T‑851/14, EU:T:2018:929), ergangen sei, in dem das Gericht festgestellt habe, dass die Bronner-Kriterien nicht anwendbar seien, wenn der geltende Rechtsrahmen bereits eine Lieferverpflichtung enthalte.

52.

Drittens gebe es unter den Bestimmungen des allgemeinen Rechtsrahmens, die das Gericht in den Rn. 96 und 97 des angefochtenen Urteils erwähne, keine Regelung, die dem Betreiber einer Infrastruktur, wie z. B. LG, die unbedingte gesetzliche Pflicht auferlege, Zugang zu jedem Gleisabschnitt seines Netzes zu gewähren, insbesondere wenn Alternativstrecken verfügbar seien. Ebenso wenig enthalte eine dieser Bestimmungen die unbedingte Verpflichtung, einen verfallenen Gleisabschnitt mit Hilfe einer Lösung wiederherzustellen, die der Betreiber der Infrastruktur als ineffizient und wirtschaftlich nicht vertretbar ansehe. Art. 5 der Richtlinie 2001/14/EG ( 4 ), gelesen im Licht des fünften Erwägungsgrundes der Richtlinie, sehe nämlich nur einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zu den bestehenden und in Betrieb befindlichen Eisenbahnfahrwegen vor. Ebenso enthalte Art. 29 Abs. 1 der Richtlinie nur eine allgemeine Verpflichtung, im Fall eines Eisenbahnverkehrsunfalls „alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die normale Situation wiederherzustellen“.

53.

Viertens gebe es entgegen den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 91 und 93 des angefochtenen Urteils keine rechtliche Regel, der zufolge die Bronner-Kriterien nicht anwendbar seien, wenn sich die beherrschende Stellung aus einem staatlichen Monopol ergebe. Eine solche Auffassung lasse sich nicht aus Rn. 23 des Urteils vom 27. März 2012, Post Danmark (C‑209/10, EU:C:2012:172), ableiten, die vom Gericht angeführt worden sei und nur eine allgemeine Bemerkung enthalte, wonach der Umstand, dass eine beherrschende Stellung aus einem ehemaligen gesetzlichen Monopol entstanden sei, berücksichtigt werden müsse. In einem Fall wie dem vorliegenden gehe es nicht darum, festzustellen, ob LG verpflichtet sei, Zugang zu einem funktionsfähigen Netz zu gewähren, das in der Vergangenheit mit öffentlichen Geldern errichtet worden sei, sondern darum, ob sie nach Art. 102 AEUV verpflichtet sei, eigene Mittel in die Ausbesserung und Ersetzung einer verfallenen Anlage zu investieren, um den Marktzugang für einen bestimmten Wettbewerber auf einem nachgelagerten Markt weniger beschwerlich und vorteilhafter zu gestalten. Die Abwägung der Interessen dieser beiden Unternehmen sei der zentrale Gedanke der Bronner-Kriterien. Dieses Ergebnis könne nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass auf eine niedrigere Schwelle verwiesen werde, die der Unionsrichter in Situationen festgelegt habe, die keine solche Interessenabwägung beinhalteten ( 5 ).

54.

Um die Prüfung des vorliegenden Rechtsmittelgrundes zu vereinfachen [Nr. 3], ist zunächst das Urteil Bronner in den normativen Kontext von Art. 102 AEUV einzubetten [Nr. 1] und anschließend die von LG beanstandete Würdigung durch das Gericht in Erinnerung zu rufen [Nr. 2].

1.   Das Urteil Bronner im normativen Kontext von Art. 102 AEUV

55.

Vorab ist festzustellen, dass Art. 102 AEUV die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen für unvereinbar mit dem Binnenmarkt erklärt und verbietet, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Unternehmen, das eine beherrschende Stellung innehat, trägt daher eine besondere Verantwortung dafür, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Binnenmarkt nicht beeinträchtigt ( 6 ).

56.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht der Begriff „missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung“ im Sinne von Art. 102 AEUV auf einer objektiven Beurteilung des fraglichen Verhaltens. Der Begriff ist auf die Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung gerichtet, die auf einem Markt, auf dem der Grad an Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Grades an Wettbewerb oder die Entwicklung des Wettbewerbs durch den Einsatz von anderen Mitteln behindern als denjenigen eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Wirtschaftsteilnehmer ( 7 ).

57.

Insoweit geht in Bezug auf Verdrängungspraktiken, zu denen das fragliche Verhalten zählt, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass diese Praktiken insbesondere dann als missbräuchlich eingestuft werden können, wenn sie geeignet waren, den Wettbewerb zu beschränken und insbesondere die beanstandeten Verdrängungswirkungen zu erzeugen, was unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände dieses Verhaltens zu beurteilen ist ( 8 ).

58.

Auf der Grundlage dieser allgemeinen Vorbemerkungen erfolgt eine Analyse der Rechtsprechung zu Infrastrukturen, die als „wesentliche Einrichtungen“ (essential facilities) in dem Sinne eingestuft werden, dass sie für die Ausübung einer Tätigkeit auf einem Markt unerlässlich sind, weil es keinen tatsächlichen oder potenziellen Ersatz für sie gibt, so dass die Verweigerung des Zugangs zur Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs führen kann ( 9 ). Diese Rechtsprechung betrifft im Wesentlichen die Umstände, unter denen eine „Lieferverweigerung“ ( 10 ) durch ein Unternehmen in beherrschender Stellung gegenüber Wettbewerbern als Missbrauch einer beherrschenden Stellung angesehen werden kann. Die Rechtsprechung beruht auf der sogenannten Lehre von den „wesentlichen Einrichtungen“ ( 11 ) und bezieht sich auf Fälle, in denen die freie Ausübung eines ausschließlichen Rechts im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt begrenzt werden kann ( 12 ).

59.

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass der Unionsrichter üblicherweise die Auffassung vertreten hat, dass eine Lieferverweigerung als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann ( 13 ). Denn nur unter außergewöhnlichen Umständen kann diese Weigerung, die durch Ausübung des Eigentumsrechts erfolgt, zu einem solchen Missbrauch führen. Während die ersten Urteile des Gerichtshofs es ermöglichten, den Ausnahmecharakter der Lieferverpflichtung zu umreißen ( 14 ), hat das Urteil Bronner zu einer Konsolidierung der in diesem Bereich maßgeblichen Kriterien geführt.

60.

Zur Erinnerung: Das Urteil Bronner betraf die Frage, ob es einen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellt, wenn ein Presseunternehmen, das einen überwiegenden Anteil am Tageszeitungsmarkt in einem Mitgliedstaat hat und das einzige in diesem Mitgliedstaat bestehende landesweite System der Hauszustellung von Zeitungen betreibt, sich weigert, dem Verleger einer Konkurrenztageszeitung, der wegen der geringen Auflagenhöhe dieser Zeitung nicht in der Lage ist, unter wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Verlegern ein eigenes Hauszustellungssystem aufzubauen und zu betreiben, gegen angemessenes Entgelt Zugang zum genannten System zu gewähren.

61.

In Beantwortung dieser Frage und unter Berufung auf seine frühere Rechtsprechung ( 15 ) hat der Gerichtshof in Rn. 41 des Urteils Bronner festgestellt, dass die Weigerung eines Unternehmens in beherrschender Stellung, Zugang zu einer Dienstleistung zu gewähren, nur dann einen Missbrauch im Sinne des [Artikels 102 AEUV] darstellen kann, wenn i) die Verweigerung geeignet wäre, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt durch denjenigen, der die Dienstleistung begehrt, auszuschalten, ii) die Verweigerung nicht objektiv zu rechtfertigen wäre und iii) die Dienstleistung selbst für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich wäre, dass kein tatsächlicher oder potenzieller Ersatz für das Hauszustellungssystem bestünde (Bronner-Kriterien).

62.

Was insbesondere das Kriterium der Unentbehrlichkeit betrifft, ist den Rn. 43 und 44 des Urteils Bronner zu entnehmen, dass zur Beantwortung der Frage, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung unentbehrlich für ein konkurrierendes Unternehmen ist, das auf einem bestimmten Markt tätig werden will, zu untersuchen ist, ob es Produkte oder Dienstleistungen gibt, die Alternativlösungen darstellen, auch wenn sie weniger günstig sind, und ob technische, rechtliche oder wirtschaftliche Hindernisse bestehen, die geeignet sind, jedem konkurrierenden Unternehmen, das auf diesem Markt tätig zu werden beabsichtigt, die Entwicklung – gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Wirtschaftsteilnehmern – von Alternativprodukten oder ‑dienstleistungen unmöglich zu machen oder zumindest unzumutbar zu erschweren. Nach Rn. 46 des Urteils muss für die Annahme wirtschaftlicher Hindernisse zumindest dargetan sein, dass die Entwicklung dieser Produkte oder Dienstleistungen unrentabel wäre, wenn sie in vergleichbarem Umfang hergestellt bzw. erbracht würden wie von dem Unternehmen, das die bereits existierenden Produkte oder Dienstleistungen kontrolliert.

63.

Wie von Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bronner im Wesentlichen dargelegt ( 16 ), werden mit der Wahl des Kriteriums der Unentbehrlichkeit sowie des Kriteriums, das die Gefahr der Ausschaltung jeglichen Wettbewerbs betrifft, zwei Ziele verfolgt.

64.

Zum einen dient, rechtlich gesehen, die Festlegung solcher Kriterien, die beweisrechtlich anspruchsvoll sind, dem Schutz des Rechts eines Unternehmens, den Handelspartner auszuwählen und über das Eigentum frei zu verfügen, da es sich dabei um allgemein anerkannte Grundsätze der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten handelt, die in manchen Fällen verfassungsrechtlichen Status haben. Ausgangspunkt jeder Prüfung einer Lieferverweigerung muss nämlich der Grundsatz sein, dass ein Unternehmen, unabhängig davon, ob es eine beherrschende Stellung einnimmt, das Recht haben muss, seine Vertragspartner frei auszuwählen und frei über seine Waren zu verfügen. Folglich ist jede Maßnahme gemäß Art. 102 AEUV, die darin besteht, einem beherrschenden Unternehmen eine (umfassende oder teilweise) Lieferverpflichtung gegenüber seinen Wettbewerbern aufzuerlegen, eindeutig geeignet, dieses Recht zu beeinträchtigen, und deshalb sorgfältig abzuwägen und zu begründen ( 17 ). Wie der Gerichtshof im Urteil Slovak Telekom ausgeführt hat, „bedeutet die Feststellung, dass ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dadurch missbraucht hat, dass es sich geweigert hat, mit einem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen, letztlich, dass das Unternehmen gezwungen wird, mit dem Wettbewerber einen Vertrag zu schließen. Eine solche Verpflichtung stellt jedoch einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht des Unternehmens in beherrschender Stellung dar, da es einem Unternehmen, auch wenn es eine beherrschende Stellung innehat, grundsätzlich freisteht, den Abschluss eines Vertrags zu verweigern und die von ihm aufgebaute Infrastruktur für eigene Zwecke zu nutzen“ ( 18 ). Somit würde jeder Ansatz, der aus einer strengen Auslegung und Anwendung des Urteils besteht, meiner Meinung nach diese zugrunde liegende Zielsetzung missachten ( 19 ).

65.

Zum anderen sollen, wirtschaftlich betrachtet, die Bronner-Kriterien im Interesse der Verbraucher langfristig den Wettbewerb fördern, indem einem Unternehmen erlaubt wird, die von ihm entwickelten Einrichtungen nur selbst zu verwenden. Ziel der Bronner-Kriterien ist es somit, sicherzustellen, dass die einem Unternehmen in beherrschender Stellung auferlegte Verpflichtung, Zugang zu seiner Infrastruktur zu gewährleisten, nicht letztlich dadurch den Wettbewerb beeinträchtigt, dass die ursprüngliche Motivation des Unternehmens, eine solche Infrastruktur zu errichten, verringert wird. Für ein marktbeherrschendes Unternehmen wäre nämlich der Anreiz, Investitionen in Infrastrukturen zu tätigen, gemindert, wenn seine Wettbewerber auf ihr Ersuchen hin in die Lage versetzt würden, an den Gewinnen teilzuhaben. Insoweit darf nicht übersehen werden, dass es der Hauptzweck von Art. 102 AEUV ist, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern – und insbesondere die Interessen der Verbraucher zu wahren –, und nicht, die Situation einzelner Wettbewerber zu schützen ( 20 ). Eine Berufung auf die Lieferverpflichtung nach Art. 102 AEUV ist somit nur dann möglich, wenn die Lieferverweigerung geeignet ist, dem Wettbewerb und, genauer gesagt, den Interessen der Verbraucher hinreichend schwer zu schaden. So hat der Gerichtshof wiederholt im Hinblick auf den Wettbewerb anerkannt, dass die Verurteilung eines Unternehmens wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung durch die Weigerung, mit einem Wettbewerber Verträge abzuschließen, den Wettbewerb zwar kurzfristig fördert, es langfristig aber im Allgemeinen gut für den Wettbewerb ist und im Interesse der Verbraucher liegt, es einem Unternehmen zu ermöglichen, die Infrastruktur, die es für seine Tätigkeit entwickelt hat, seinem eigenen Gebrauch vorzubehalten. Das Bestehen einer solchen Lieferverpflichtung gegenüber Wettbewerbern kann für sich genommen Unternehmen davon abhalten, Investitionen zu tätigen und Innovationen vorzunehmen, und somit die Verbraucher schädigen. Genau genommen kann das Wissen, dass sie verpflichtet sein könnten, gegen ihren Willen zu liefern, Unternehmen (die marktbeherrschend sind oder erwarten, eine marktbeherrschende Stellung einzunehmen) dazu veranlassen, nicht oder weniger in die fragliche Tätigkeit zu investieren. Auch könnten Wettbewerber versucht sein, sich die Investitionen des beherrschenden Unternehmens unkompliziert und kostenlos zunutze zu machen (Free Riding, Trittbrettfahren), anstatt selbst zu investieren. Keine dieser Folgen wäre langfristig im Interesse der Verbraucher. Somit lässt sich die Entscheidung, ein Unternehmen in beherrschender Stellung, das sich weigert, Zugang zu einer Infrastruktur zu gewähren, die es für seine eigene Tätigkeit aufgebaut hat, zu verpflichten, Zugang zu dieser Infrastruktur zu gewähren, wettbewerbspolitisch nur in Fällen rechtfertigen, in denen das marktbeherrschende Unternehmen den betreffenden Markt fest in seinem Griff hält ( 21 ).

66.

Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen von LG zu prüfen, mit dem sie die Auffassung des Gerichts beanstandet, die Kommission habe zu Recht nicht untersucht, ob das streitige Verhalten die Bronner-Kriterien erfülle.

2.   Analyse des Gerichts

67.

Ich erinnere daran, dass das Vorbringen, die Kommission sei verpflichtet gewesen, im streitigen Beschluss die Bronner-Kriterien anzuwenden, auch im ersten Rechtszug geltend gemacht wurde ( 22 ). Das Gericht hat insoweit festgestellt, dass die Kommission keinen Fehler begangen habe, als sie nicht geprüft habe, ob das streitige Verhalten die Bronner-Kriterien erfülle, und dass vorbehaltlich einer etwaigen objektiven Rechtfertigung der Nachweis ausreichend gewesen sei, dass es sich um ein Verhalten gehandelt habe, das den Wettbewerb beschränken und insbesondere ein Hindernis für den Markteintritt darstellen könne ( 23 ).

68.

Das Gericht hat diese Feststellung folgendermaßen begründet: Zunächst hat das Gericht im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass das Ziel der Bronner-Kriterien darin bestehe, sicherzustellen, dass die einem Unternehmen in beherrschender Stellung auferlegte Verpflichtung, Zugang zu seiner Infrastruktur zu gewährleisten, nicht letztlich dadurch den Wettbewerb beeinträchtige, dass die ursprüngliche Motivation des Unternehmens, eine solche Infrastruktur zu errichten, verringert werde ( 24 ). Das Erfordernis, für das beherrschende Unternehmen den Anreiz aufrechtzuerhalten, in die Errichtung grundlegender Anlagen zu investieren, entfalle jedoch, wenn der geltende Rechtsrahmen dem Unternehmen in beherrschender Stellung bereits eine Lieferverpflichtung auferlege oder sich die beherrschende Stellung, die das Unternehmen auf dem Markt erlangt habe, aus einem ehemaligen staatlichen Monopol ergebe ( 25 ). Dies sei hier der Fall.

69.

Genauer gesagt seien zum einen die Bronner-Kriterien nur anwendbar, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu einer Dienstleistung oder einer Ware bestehe, da bei Vorhandensein einer solchen Verpflichtung die notwendige Abwägung der wirtschaftlichen Anreize bereits vom Gesetzgeber zu dem Zeitpunkt vorgenommen worden sei, als er die Lieferverpflichtung festgelegt habe. Im vorliegenden Fall sei jedoch LG in ihrer Eigenschaft als Betreiberin der litauischen Eisenbahninfrastrukturen sowohl nach dem Unionsrecht als auch nach dem innerstaatlichen Recht u. a. damit beauftragt, Zugang zu öffentlichen Eisenbahninfrastrukturen zu gewähren ( 26 ).

70.

Zum anderen entfalle das Erfordernis, den Investitionsanreiz aufrechtzuerhalten, wenn sich, wie vorliegend, die beherrschende Stellung aus einem gesetzlichen Monopol ergebe und das Unternehmen nicht in die Errichtung der Infrastruktur investiert habe, da diese mit öffentlichen Mitteln errichtet und entwickelt worden sei ( 27 ).

3.   Zur Begründetheit des ersten Rechtsmittelgrundes

71.

Als Erstes ist im Rahmen der Beurteilung der Stichhaltigkeit der Analyse des Gerichts zu prüfen, ob die Annahme richtig ist, auf die sich die gesamte Argumentation von LG stützt, nämlich dass sich das rechtliche Problem des vorliegenden Falls in der Frage zusammenfassen lasse, ob LG aufgrund von Art. 102 AEUV rechtlich verpflichtet sei, LDZ Zugang zum Gleisabschnitt zu gewähren ( 28 ). Mit anderen Worten ist zu entscheiden, ob der vorliegenden Fallkonstellation ein Sachverhalt zugrunde liegt, bei dem ein Verhalten in Rede steht, das eine „Lieferverweigerung“ darstellt, so dass die Bronner-Kriterien anzuwenden wären.

72.

Das Gericht hat die Einstufung des im streitigen Beschluss beanstandeten Verhaltens bestätigt (vgl. Rn. 84 des angefochtenen Urteils) und festgestellt, dass dieses Verhalten aus der Beseitigung des Gleisabschnitts als solcher bestehe, unabhängig von der Aussetzung des Verkehrs auf diesem Gleisabschnitt am 2. September 2008 und der unterlassenen Instandsetzung. Somit hat das Gericht die Beseitigung des Gleisabschnitts implizit als eine eigenständige Form des Missbrauchs behandelt, die sich von der „Verweigerung des Zugangs“ unterscheidet ( 29 ). Insoweit weist das Gericht zu Recht in Rn. 85 des angefochtenen Urteils darauf hin, dass die Aufzählung der missbräuchlichen Verhaltensweisen in Art. 102 AEUV nicht abschließend ist; es handelt sich bei der in dieser Bestimmung enthaltenen Aufzählung missbräuchlicher Praktiken also um keine erschöpfende Wiedergabe der Arten der nach dem Unionsrecht verbotenen Ausnutzung einer beherrschenden Stellung.

73.

Diese Einstufung des fraglichen Verhaltens erscheint mir zutreffend. Zum einen konnte nämlich LDZ, die potenzielle Wettbewerberin von LG auf dem fraglichen Markt, technisch gesehen sogar nach der Beseitigung des Gleisabschnitts auf anderem Weg Zugang zum litauischen Eisenbahnnetz erlangen. Zum anderen ist der Vorgeschichte des Rechtsstreits zu entnehmen, dass LG den Zugang zu Dienstleistungen für die Erbringung von Schienentransportdiensten für Erdölprodukte in Bezug auf den räumlich relevanten Markt keineswegs verweigert hat ( 30 ).

74.

In Ermangelung einer ausdrücklichen Zugangsverweigerung stellt sich die Frage, ob das Verhalten die gleiche Problematik wie die eine „Verweigerung des Zugangs“ betreffenden Rechtssachen aufwirft, da nach der Beseitigung des Gleisabschnitts der Schienenverkehr von der Raffinerie zu einem lettischen Seehafen über wesentlich längere Strecken in Litauen geführt werden musste, so dass LDZ finanzielle Risiken entstanden, die das Unternehmen wahrscheinlich nicht eingegangen wäre. Von diesem Standpunkt aus könnte das fragliche Verhalten als eine implizite Zugangsverweigerung (constructive refusal to supply) angesehen werden, d. h. ein Verhalten, das de facto zum gleichen Ergebnis führt wie eine (explizite) Zugangsverweigerung.

75.

Wenn das fragliche Verhalten die gleiche Problematik wie die eine „Verweigerung des Zugangs“ betreffenden Rechtssachen aufwirft, insbesondere da es die gleichen Ausschlusswirkungen haben kann, ist zu prüfen, ob auch die Tatbestandsmerkmale einer Verweigerung im Sinne des Urteils Bronner gegeben sind, so dass das Verhalten unter dem Blickwinkel jenes Urteils zu analysieren ist. Somit ist zu prüfen, ob ein solches Verhalten, das technisch betrachtet keine „Zugangsverweigerung“ darstellt, dennoch den im Urteil Bronner aufgestellten Kriterien genügen muss, um als missbräuchlich eingestuft werden zu können, oder ob es, wie das Gericht in Rn. 98 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, für diese Einstufung ausreicht, dass das fragliche Verhalten geeignet war, wettbewerbswidrige Auswirkungen zu entfalten.

76.

Zunächst ist anzumerken, dass eine Streitigkeit, die den teilweisen oder vollständigen Zugang betrifft, nicht zwangsläufig die Anwendung der Kriterien impliziert, die im Urteil Bronner zur Zugangsverweigerung aufgestellt wurden. Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil Slovak Telekom festgestellt, dass in Fällen, in denen ein Unternehmen in beherrschender Stellung Zugang zu seiner Infrastruktur gewährt, den Zugang oder die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Erzeugnissen aber unangemessenen Bedingungen unterwirft, die Bronner-Kriterien nicht zum Tragen kommen. Ist der Zugang zu einer solchen Infrastruktur für die Wettbewerber des Unternehmens in beherrschender Stellung unerlässlich, um auf einem nachgelagerten Markt rentabel zu operieren, ist es umso wahrscheinlicher, dass unbillige Praktiken auf diesem Markt zumindest potenziell wettbewerbswidrige Wirkungen haben und einen Missbrauch im Sinne von Art. 102 AEUV darstellen. Bei Verhaltensweisen, die keine Zugangsverweigerung darstellen, ist das Fehlen der Unerlässlichkeit für die Prüfung von potenziell missbräuchlichen Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung als solches jedoch nicht ausschlaggebend ( 31 ). Wie der Gerichtshof festgestellt hat, ist dem Urteil Bronner nicht zu entnehmen, dass die für den Nachweis einer missbräuchlichen Lieferverweigerung notwendigen Voraussetzungen zwangsläufig auch für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens gelten, das darin besteht, für die Erbringung von Dienstleistungen oder den Verkauf von Waren Bedingungen aufzustellen, die für den Empfänger nachteilig sind oder nicht von Interesse sein können, da derartige Verhaltensweisen als solche eine eigenständige Form des Missbrauchs sein können, die sich von der Lieferverweigerung unterscheidet ( 32 ).

77.

Genau dies ist in der vorliegenden Rechtssache der Fall.

78.

Erstens ist auf der Grundlage der Beschreibung des fraglichen Verhaltens festzustellen, dass die Entfernung des Gleisabschnitts eine unabhängige Zerstörung von Infrastrukturen darstellte, die nicht nur die Nutzung durch Wettbewerber wie LDZ, sondern auch die Nutzung durch LG selbst verhinderte. Somit unterscheidet sich dieser Fall deutlich von Rechtssachen, die eine Zugangsverweigerung betreffen, ohne dass das beherrschende Unternehmen einen Verlust von Infrastrukturen erleidet. Vielmehr scheint dieses Verhalten, so wie es sich laut den Verfahrensakten darstellt, keinen anderen Zweck zu verfolgen, als Wettbewerbern zu schaden. Folglich entspringt das Verhalten nicht dem Leistungswettbewerb, und meines Erachtens weist es Ähnlichkeiten mit Beispielen auf, die in der wettbewerbsrechtlichen Lehre als „reine Beschränkungen“ („naked restrictions“) bezeichnet werden ( 33 ).

79.

Zweitens ist, wie Orlen zu Recht vorbringt, das fragliche Verhalten im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass es der Logik von „Verdrängungspreisen“ folgt. Wie im Fall von Verdrängungspreisen entschied sich LG dafür, einen Vermögenswert, den Gleisabschnitt, zu zerstören und somit zu opfern, indem sie sich selbst die Möglichkeit nahm, ihn zu benutzen, und indem sie dafür sorgte, dass sie ihn nicht mehr in Betrieb nehmen konnte und mit ihm keine Einnahmen mehr erzielen konnte, wobei sie gleichzeitig verhinderte, dass dritte Wettbewerber ihn nutzten. Genau wie bei Verdrängungspreisen ( 34 ) bestand die einzige rationale Erklärung für das Vorgehen von LG in dem Vorteil der Monopolstellung, die das Unternehmen durch den Marktausschluss von LDZ wahren konnte. Somit folgt die vorliegende Rechtssache nicht der gleichen Logik wie die Rechtssachen, die eine Lieferverweigerung betreffen. Im vorliegenden Fall manifestieren sich die wettbewerbswidrigen Wirkungen in Form der Verdrängung von Wettbewerbern nämlich auf der Grundlage einer Strategie, mit der kurzfristig Verluste in Kauf genommen werden, um mittel- und langfristig zu profitieren, während die Rechtssachen, die Lieferverweigerungen betreffen, zwangsläufig einer Logik des unmittelbaren Vorteils folgen.

80.

Drittens sind, wie unlängst in Rn. 47 des Urteils Slovak Telekom bestätigt, die Bronner-Kriterien anwendbar, soweit es „im Allgemeinen gut für den Wettbewerb ist und im Interesse der Verbraucher liegt, es einem Unternehmen zu ermöglichen, die Infrastruktur, die es für seine Tätigkeit entwickelt hat, seinem eigenen Gebrauch vorzubehalten“ ( 35 ). Somit fußt die Logik der Bronner-Kriterien auf der Beibehaltung einer Infrastruktur. Im vorliegenden Fall kann die freiwillige Zerstörung einer Infrastruktur, die nicht ersetzt wird, naturgemäß nicht der Logik entsprechen, die den genannten Kriterien innewohnt, da LG keinen Vorteil aus der Investition zieht, die sie in ihre eigenen Infrastrukturen getätigt hat.

81.

Viertens war es im vorliegenden Fall nicht erforderlich, dass LG, um den fraglichen Missbrauch zu beenden, ein Wirtschaftsgut abtritt oder Verträge mit Personen schließt, die sie nicht ausgewählt hat. Die Kommission hat im streitigen Beschluss nämlich eine Geldbuße gegen LG verhängt und sie angewiesen, die Zuwiderhandlung einzustellen. Sie hat LG jedoch nicht verpflichtet, LDZ Zugang zum fraglichen Markt zu gewähren ( 36 ). Somit hat die Feststellung eines Missbrauchs nicht zur Folge, dass das Unternehmen gezwungen ist, mit der Wettbewerberin einen Vertrag zu schließen, was im Sinne des Urteils Slovak Telekom „einen schweren Eingriff in die Vertragsfreiheit und das Eigentumsrecht“ ( 37 ) darstellen würde.

82.

Folglich kann die Beseitigung des Gleisabschnitts, auch wenn sie eine ähnliche Problematik aufweist wie Fälle von Verweigerung mit vergleichbarer Verdrängungswirkung, nicht unter Anwendung der Bronner-Kriterien geprüft werden.

83.

Aus diesem Grund schlage ich vor, den ersten Rechtsmittelgrund, da er sich ausschließlich auf eine rechtsfehlerhafte Annahme stützt, nämlich dass das fragliche Verhalten eine „Lieferverweigerung“ im Sinne des Urteils Bronner darstellt, insgesamt zurückzuweisen, ohne die Rügen von LG zu prüfen, da sie zwangsläufig ins Leere gehen.

84.

Als Zweites und ergänzend weise ich darauf hin, dass die Nichtanwendbarkeit der Bronner-Kriterien im vorliegenden Fall auch angesichts der mit ihnen verfolgten Ziele gerechtfertigt ist.

85.

Was zum einen die Sichtweise betrifft, die auf den Schutz des Eigentumsrechts des beherrschenden Unternehmens ausgerichtet ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Urteils Bronner und der späteren Rechtsprechung, dass die in jenem Urteil festgelegten Kriterien für Infrastrukturen gelten, deren Eigentümer das Unternehmen in beherrschender Stellung ist und die grundsätzlich seine eigene Investition widerspiegeln ( 38 ). Wie das Gericht in den Rn. 94 und 95 des angefochtenen Urteils dargelegt hat, steht im vorliegenden Fall jedoch fest, dass erstens die betreffende Infrastruktur keine Anlage ist, die LG gehört (LG steht keine freie Ausübung eines ausschließlichen Eigentumsrechts zu, da sie lediglich Betreiberin öffentlicher Eisenbahninfrastrukturen ist, die dem litauischen Staat gehören), und zweitens LG nicht in das litauische Eisenbahnnetz investiert hat, da es mit öffentlichen Mitteln errichtet und entwickelt wurde. Folglich gibt es keine Gründe, die es rechtfertigen würden, dass höhere, dem Schutz des Eigentumsrechts dienende Beweisanforderungen angewandt werden, wie die durch die Bronner-Kriterien festgelegten Anforderungen. Ebenso wenig plausibel ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit ab dem Zeitpunkt, in dem LG als Betreiberin von Eisenbahninfrastrukturen tätig wurde, wodurch sie insbesondere verpflichtet ist, Zugang zu den öffentlichen Eisenbahninfrastrukturen zu gewähren.

86.

Was zum anderen die wirtschaftliche Perspektive betrifft, ist, wie das Gericht zu Recht in den Rn. 91 und 92 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, der Schutz des Anreizes für das beherrschende Unternehmen, in die Errichtung grundlegender Anlagen zu investieren, erheblich betroffen, wenn der geltende Rechtsrahmen bereits eine Lieferverpflichtung auferlegt. Genauer gesagt setzt die in Rede stehende Regelung voraus, dass der Anreiz für ein beherrschendes Unternehmen, in die Entwicklung von Waren und Dienstleistungen zu investieren, gewahrt bleibt ( 39 ). Der geltende Rechtsrahmen kann in dieser Hinsicht die Anwendung von Art. 102 AEUV nicht beschränken ( 40 ) und ist ein relevanter Umstand für die Beurteilung der Frage, ob die Verhaltensweise eines Unternehmens in beherrschender Stellung missbräuchlich ist, da er zur Bestimmung der Wettbewerbsbedingungen beiträgt, unter denen das Unternehmen agiert ( 41 ). Unabhängig von den verfolgten Zielen stellen die nachträglichen wettbewerbsrechtlichen Kontrollen eine Ergänzung der Vorabregulierung durch den Rechtsrahmen dar ( 42 ).

87.

Angesichts der vorstehenden Erwägungen, die nicht alle ausdrücklich ihren Niederschlag im angefochtenen Urteil gefunden haben, bin ich der Auffassung, dass das Gericht keinen Rechtsfehler begangen hat, als es in den Rn. 90 bis 99 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass die Bronner-Kriterien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar seien. Unter diesen Umständen ist der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.

C. Zum zweiten Rechtsmittelgrund

88.

Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund macht LG geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es die Beseitigung des Gleisabschnitts als „Missbrauch“ im Sinne von Art. 102 AEUV eingestuft habe. Genauer gesagt habe das Gericht in den Rn. 168, 170, 177, 197, 204 und 231 des angefochtenen Urteils das Ergebnis der Kommission, die Beseitigung des Gleisabschnitts sei missbräuchlich, „nur“ in Bezug auf zwei kumulative Umstände bestätigt, nämlich dass die Beseitigung von LG „in großer Eile“ ( 43 ) und „ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben“ ( 44 ) vollzogen worden sei. Keiner dieser beiden Umstände rechtfertige jedoch eine solche Beurteilung, zumal die Beseitigung des Gleisabschnitts „die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung“ gewesen sei, wie das Gericht in Rn. 168 des angefochtenen Urteils anerkannt habe.

1.   Zur Schlüssigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes

89.

Soweit Orlen geltend macht, dieser Rechtsmittelgrund sei nicht schlüssig, weise ich darauf hin, dass die Schlüssigkeit eines Klagegrundes seine Eignung bezeichnet, das vom Kläger angestrebte Ergebnis herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft ( 45 ).

90.

Im vorliegenden Fall beanstandet LG mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund die Einstufung der Beseitigung des Gleisabschnitts als „Missbrauch“ im Sinne von Art. 102 AEUV, indem sie zwei Gesichtspunkte in Frage stellt, auf die sich die Kommission und später das Gericht ausschließlich gestützt hätten.

91.

Wie jedoch insbesondere aus den Rn. 42 und 194 des angefochtenen Urteils hervorgeht, stellte die Kommission im streitigen Beschluss fest, dass LG durch die vollständige Entfernung des Gleisabschnitts auf Methoden zurückgegriffen habe, die sich von den im normalen Wettbewerb üblichen Methoden unterschieden. Diese Feststellung stützte sich auf ein Bündel rechtlicher und tatsächlicher Umstände (die Umstände sind in fünf Kategorien zusammengefasst und in Nr. 31 dieser Schlussanträge aufgeführt) ( 46 ).

92.

Entgegen dem Vorbringen von LG beruht die beanstandete Missbräuchlichkeit ihres Verhaltens somit nicht „nur auf zwei vom Gericht festgestellten kumulativen Umständen, nämlich einer Beseitigung ‚in großer Eile‘ und ‚ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben‘“. Die genannten Umstände sind nämlich nur ein Ausschnitt aus dem Bündel von Tatsachen, auf die sich die Kommission und später das Gericht berufen, um das fragliche Verhalten als Missbrauch einzustufen. Diese Praxis entspricht der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die Beurteilung der Missbräuchlichkeit eines Verhaltens unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände erfolgen muss ( 47 ).

93.

Somit stellt sich die Frage, ob der zweite Rechtsmittelgrund als schlüssig angesehen werden kann, soweit LG nur einen Teil der Umstände beanstandet, die die Kommission berücksichtigte, als sie das Verhalten als missbräuchlich einstufte.

94.

In den Rn. 168, 170, 204 und 231 des angefochtenen Urteils, gegen die sich der vorliegende Rechtsmittelgrund richtet, hat sich das Gericht darauf beschränkt, Beanstandungen zurückzuweisen, die LG im Hinblick auf bestimmte Tatsachenwürdigungen geltend macht, die nicht Teil der Begründung des streitigen Beschlusses sind ( 48 ). Allein aus dieser Feststellung lässt sich jedoch nicht ableiten, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund nicht die Schlussfolgerung entkräften kann, dass das fragliche Verhalten missbräuchlich sei.

95.

Soweit nämlich diese zwei Umstände Teil eines Bündels von Umständen sind, die die Kommission (in den Erwägungsgründen 184 bis 193 des streitigen Beschlusses) berücksichtigte und das Gericht (in den Rn. 164 bis 177 des angefochtenen Urteils) bestätigt hat, und angesichts der Tatsache, dass die Bedeutung dieser zwei Umstände nicht unterschiedlich gewichtet ist und sie in keinem hierarchischen Verhältnis zueinander stehen, lässt sich meiner Meinung nach nicht mit Sicherheit und im Voraus feststellen, dass die Kommission, wenn die Beseitigung des Gleisabschnitts nicht übereilt erfolgt wäre oder LG sie erst nach Erhalt der benötigten Mittel durchgeführt hätte, das Verhalten dennoch als missbräuchlich eingestuft hätte.

96.

Deshalb bin ich der Auffassung, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund als schlüssig anzusehen ist.

2.   Zur Zulässigkeit und Begründetheit des zweiten Rechtsmittelgrundes

97.

Die Kommission und Orlen machen im Wesentlichen geltend, dass der zweite Rechtsmittelgrund als unzulässig zurückzuweisen sei, soweit er sich gegen die Beurteilung des Sachverhalts richte, ohne einen Rechtsfehler darzulegen.

98.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof, wenn das Gericht die Tatsachen festgestellt oder gewürdigt hat, gemäß Art. 256 AEUV lediglich zur Kontrolle ihrer rechtlichen Qualifizierung und der daraus gezogenen rechtlichen Konsequenzen befugt. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweise nicht verfälscht wurden, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt ( 49 ).

99.

LG macht im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes nicht geltend, dass die vom Gericht geprüften Beweise für eine Beseitigung des Gleisabschnitts „in großer Eile“ und „ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben“ verfälscht worden seien, und es ist nicht Sache des Gerichtshofs, den Beweiswert dieser Beweismittel zu überprüfen. Sie trägt lediglich vor, das Gericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Kommission bei der Feststellung eines Missbrauchs auf diese zwei Umstände gestützt habe. Auf den ersten Blick hat es somit den Anschein, dass LG keine neue Würdigung der Tatsachen durch den Gerichtshof, sondern eine Überprüfung ihrer rechtlichen Qualifikation erreichen will. Eine genauere Analyse des Vorbringens von LG offenbart jedoch, dass sie in Wirklichkeit den Gerichtshof um eine neue Würdigung der vom Gericht festgestellten Tatsachen ersucht ( 50 ).

100.

Was nämlich als Erstes das Vorbringen von LG zu ihrer übereilten Entscheidung über die Beseitigung des Gleisabschnitts betrifft, hat zum einen, entgegen der Auffassung von LG, das Gericht in Rn. 168 des angefochtenen Urteils nicht „anerkannt“, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts „die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung“ gewesen sei. In Rn. 168 hat das Gericht lediglich ein hypothetisches Argument eingebracht – was ganz offensichtlich der einleitenden Formulierung „[s]elbst wenn man nämlich annimmt, dass, wie die Klägerin geltend macht, die Option 2 die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei“ ( 51 ) zu entnehmen ist –, um festzustellen, dass selbst im Rahmen von Option 2 die Beseitigung des Gleisabschnitts aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Sicherheit des Eisenbahnverkehrs nicht erforderlich gewesen sei ( 52 ). Mir scheint daher, dass LG eine Umdeutung der vom Gericht vorgenommenen Tatsachenwürdigung erreichen will, damit der Gerichtshof anerkennt, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei.

101.

Zum anderen geht, entgegen dem Vorbringen von LG, nicht aus dem angefochtenen Urteil hervor, dass „für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels somit als erwiesen angesehen werden kann, dass LG früher oder später den gesamten Gleisabschnitt entfernen musste“. Diese Behauptung, auf die sich das Vorbringen von LG stützt, wird nämlich durch die Tatsachenwürdigungen in den Rn. 164 bis 166 des angefochtenen Urteils widerlegt ( 53 ). Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass, wie LG geltend macht, der ihr vorgeworfene Missbrauch „deshalb eher in dem Zeitpunkt zu sehen ist, an dem sie die Beseitigung des Gleisabschnitts vornahm“. Das Vorbringen ist demnach implizit auf eine Umdeutung des Sachverhalts gerichtet, damit die rechtliche Einstufung angefochten werden kann.

102.

Was als Zweites die nicht erhaltenen finanziellen Mittel betrifft, wird meines Erachtens das Vorbringen von LG, sie sei „davon ausgegangen, die Mittel für den Wiederaufbau des Gleisabschnitts zu erhalten“, das ihrem zweiten Argument zugrunde liegt, eindeutig durch die Tatsachenwürdigungen widerlegt, die das Gericht insbesondere in den Rn. 151, 173, 175, 176, 177 und 181 des angefochtenen Urteils vorgenommen hat. Da LG keine Verfälschung von Tatsachen geltend macht, müssen diese Würdigungen somit für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels als endgültig festgestellt angesehen werden.

103.

Nach alledem schlage ich vor, den zweiten Rechtsmittelgrund als unzulässig oder zumindest als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

D. Zum dritten Rechtsmittelgrund

104.

Mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund macht LG geltend, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, als es die Beseitigung des Gleisabschnitts als Praxis angesehen habe, die ab dem 3. Oktober 2008 wettbewerbswidrige Wirkungen habe entfalten können, obwohl der Eisenbahnverkehr auf diesem Gleisabschnitt bereits seit dem 2. September 2008 ausgesetzt gewesen sei. Dieser Rechtsmittelgrund, der aus vier Teilen besteht ( 54 ), richtet sich im Wesentlichen gegen die Rn. 219 bis 233 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht das Vorbringen von LG zurückgewiesen habe, wonach die Kommission zu Unrecht der Auffassung gewesen sei, die Beseitigung des Gleisabschnitts sei als solche und unabhängig von der vorherigen Aussetzung des Verkehrs auf diesem Gleisabschnitt geeignet gewesen, wettbewerbswidrige Wirkungen auf dem Markt zu entfalten.

105.

Insoweit hat das Gericht in Rn. 226 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Beseitigung des Gleisabschnitts durch LG trotz der vorherigen Aussetzung des Verkehrs „zu einer Verdrängung vom Markt führen [konnte], da sie den Marktzugang dadurch erschwerte, dass er weniger vorteilhaften Bedingungen unterlag“. Im Einzelnen hat das Gericht im Rahmen einer Entgegnung auf dieses von LG im ersten Rechtszug geltend gemachte Argument in Rn. 227 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Klägerin mache zu Unrecht geltend, dass sich die Wettbewerbssituation im Rahmen des alternativen Szenarios nicht vom Status quo unterschieden hätte. Nach Auffassung des Gerichts hätte die Situation nämlich anders sein können, da die Beseitigung des Gleisabschnitts – die in großer Eile erfolgt sei, ohne die für seinen Neubau benötigten Mittel sicherzustellen – zum einen die zum Zeitpunkt der Aussetzung des Verkehrs bestehende Situation verschlimmert habe, da sie die Aussetzung des Verkehrs, die naturgemäß vorübergehend gewesen sei, in eine Situation überführt habe, in der die Benutzung des Gleisabschnitts völlig unmöglich geworden sei, und zum anderen die Reparatur des Gleisabschnitts erschwert habe, da die Option, die aus zielgerichteten Anfangsreparaturen gefolgt von einem anschließenden vollständigen Neubau des gesamten Gleisabschnitts innerhalb von fünf Jahren bestanden habe (im Folgenden: Option 1), unmöglich geworden sei und die Option, die aus einem sofortigen vollständigen Neubau des Gleisabschnitts bestanden habe (im Folgenden: Option 2), nicht vollständig habe durchgeführt werden können.

106.

Keines der Argumente, die LG im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes vorträgt, eignet sich meines Erachtens für die Feststellung, dass die Würdigung des Gerichts rechtsfehlerhaft oder widersprüchlich ist.

1.   Zum ersten Teil

107.

Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes rügt LG erstens, dass der Ansatz des Gerichts auf einer falschen Annahme beruhe, die aus den Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils hervorgehe. Option 1 sei eine relevante und wirtschaftlich sinnvolle Alternative zu Option 2. Das Gericht habe den in den Rn. 150, 151 und 167 des angefochtenen Urteils zusammengefassten Standpunkt von LG, wonach Option 2 die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei, nicht zurückgewiesen, sondern sich in Rn. 168 des Urteils damit begnügt, diese Frage unbeantwortet zu lassen. Folglich seien die Rn. 223, 225 und 227 des Urteils widersprüchlich und nicht mit der Wahl von Option 2 vereinbar. Mit ihrer zweiten Rüge macht LG geltend, die Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils beruhten auf der falschen Annahme, der Gleisabschnitt hätte „kurzfristig“ durch die Anfangsreparaturen der Option 1 wieder in Betrieb genommen werden können. Dies sei nicht der Fall, da für solche Reparaturen das gleiche Verfahren, u. a. um Gelder der Republik Litauen oder der Union zu erhalten, hätte befolgt werden müssen wie für Option 2. Das Gericht habe dies nicht berücksichtigt und sich somit widersprochen.

108.

Was die erste Rüge betrifft, hat zum einen das Gericht in den Rn. 223, 225 und 227 des angefochtenen Urteils nicht beanstandet, dass LG die Option 2 gewählt hat, sondern es hat sich in Rn. 225 des Urteils auf die Feststellung beschränkt, dass „es aufgrund der Beseitigung des Gleisabschnitts de facto unmöglich [war], die Option 1 durchzuführen, da deren erste Maßnahme, d. h. Anfangsreparaturen an den Stellen des Gleisabschnitts, die keinen sicheren Schienenverkehr ermöglichten, nicht mehr in Betracht kam“. Denn wie das Gericht in Rn. 229 des angefochtenen Urteils erläutert hat, wirft „[d]ie Kommission … der Klägerin … nicht vor, dass sie sich statt der Option 1 für die Option 2 entschied, sondern sie beanstandet die Modalitäten der Durchführung der Option 2“. Zum anderen hat sich das Gericht in Rn. 168 des angefochtenen Urteils darauf beschränkt, zu erläutern, warum die Behauptung von LG, Option 2 sei die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen, nicht geeignet sei, um zu beweisen, dass eine Beseitigung des Gleisabschnitts in großer Eile notwendig gewesen sei. Da somit kein Widerspruch oder Beurteilungsfehler in dem von LG vorgetragenen Sinne vorliegt, schlage ich vor, die erste Rüge als unbegründet zurückzuweisen.

109.

Was die zweite Rüge betrifft, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass die Durchführung von Option 1 das gleiche Verfahren für den Erhalt von Geldern vorausgesetzt hätte wie Option 2, bin ich der Auffassung, dass LG mit diesem Argument, das aus der Wiederholung der im ersten Rechtszug vorgetragenen Argumentation besteht ( 55 ), im Wesentlichen Tatsachenfeststellungen beanstandet, was keine Rechtsfrage darstellt, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterläge ( 56 ). Überdies beruft sich LG im vorliegenden Fall nicht auf eine Verfälschung von Tatsachen, und sie legt nicht dar, wie sich eine neue Tatsachenwürdigung in offensichtlicher Weise ergeben müsste. Selbst wenn ein Versäumnis des Gerichts vorläge, stünde dies jedenfalls nicht im Widerspruch zu einer kurzfristigen Wiederaufnahme des sicheren Verkehrs, da das Gericht in Rn. 176 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass LG Unionsmittel für den Wiederaufbau des Gleisabschnitts hätte erhalten können, wenn sie das hierfür erforderliche administrative Vorverfahren rechtzeitig eingeleitet hätte.

110.

Ich schlage daher vor, den ersten Teil als teilweise unbegründet und teilweise unzulässig zurückzuweisen.

2.   Zum zweiten Teil

111.

Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht LG geltend, das Gericht habe sich widersprochen, als es in Rn. 225 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Durchführung von Option 1 mit „Anfangsreparaturen an den Stellen des Gleisabschnitts, die keinen sicheren Schienenverkehr ermöglichten“ verbunden sei, während es in Rn. 164 des Urteils anerkannt habe, dass Reparaturen „entlang des gesamten Gleisabschnitts“ erforderlich gewesen seien.

112.

Es fällt mir schwer, einen Widerspruch zwischen diesen beiden Punkten zu erkennen. In Rn. 164 des angefochtenen Urteils hat das Gericht nämlich lediglich den Inhalt eines internen Schreibens von LG ( 57 ) wiedergegeben, wonach u. a. die Reparatur des Gleisabschnitts im Rahmen von Option 1 „die vollständige und sofortige Entfernung des Gleisabschnitts voraussetzte“, obwohl „der Gleisabschnitt innerhalb von fünf Jahren vollständig repariert werden müsse“, während das Gericht in Rn. 225 des Urteils nur festgestellt hat, dass die erste Maßnahme der Durchführung von Option 1 aus „Anfangsreparaturen an den Stellen des Gleisabschnitts, die keinen sicheren Schienenverkehr ermöglichten“ bestanden habe.

113.

Daher schlage ich vor, den zweiten Teil als unbegründet zurückzuweisen.

3.   Zum dritten Teil

114.

Mit dem dritten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes macht LG geltend, entgegen der Darstellung des Gerichts in den Rn. 221 bis 223 des angefochtenen Urteils habe ihr keine unbedingte gesetzliche Pflicht oblegen, durch Vornahme der Anfangsreparaturen im Rahmen von Option 1 den Normalbetrieb des Gleisabschnitts wiederherzustellen, vielmehr sei sie berechtigt gewesen, sich für Option 2 zu entscheiden. Diese habe eine Wiederherstellung des Normalbetriebs erlaubt, und der Zeitpunkt der bei der Durchführung von Option 2 unvermeidbaren Beseitigung des Gleisabschnitts habe keine Relevanz.

115.

Zunächst möchte ich insoweit darauf hinweisen, dass, wie im Rahmen des ersten Teils dargelegt, das Vorbringen auf der falschen Annahme beruht, das Gericht habe die Auffassung vertreten, dass LG nach dem Unionsrecht und dem nationalen Recht eine unbedingte gesetzliche Pflicht obliege, durch Vornahme der Anfangsreparaturen im Rahmen von Option 1 den Normalbetrieb wiederherzustellen, und dass sie nicht berechtigt gewesen sei, sich für Option 2 zu entscheiden.

116.

Sodann mache ich darauf aufmerksam, dass die Beurteilungen in Bezug auf den geltenden Rechtsrahmen und insbesondere die Verpflichtungen, die er den Betreibern von Eisenbahninfrastrukturen auferlegt, in Rn. 222 des angefochtenen Urteils dargelegt worden sind, insbesondere um festzustellen, dass zum einen dem Betreiber von Infrastrukturen aufgrund des geltenden Rechtsrahmens nicht nur die Verpflichtung obliegt, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, sondern er auch verpflichtet ist, „Störungen des Eisenbahnnetzes gering zu halten und nach einer Störung des Eisenbahnverkehrs den Normalbetrieb wiederherzustellen“, und zum anderen „die Beseitigung des gesamten Gleisabschnitts nicht allein mit Sicherheitserwägungen gerechtfertigt werden [konnte], da die Sicherheit bereits durch die Aussetzung des Verkehrs am 2. September 2008 hinreichend gewährleistet worden war“. Zudem hat das Gericht in Rn. 223 des Urteils festgestellt, LG hätte aufgrund ihrer beherrschenden Stellung auf dem relevanten Markt gemäß Art. 102 AEUV „vermeiden müssen, dass jegliche Chance auf eine kurzfristige Wiederinbetriebnahme des Gleisabschnitts mittels eines stufenweisen Neubaus verbaut würde, und insoweit ihrer Verpflichtung nachkommen müssen, Störungen auf dem Eisenbahnnetz möglichst gering zu halten und nach einer Störung den Normalbetrieb wiederherzustellen“.

117.

Aus den Feststellungen in den genannten Randnummern des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass das Gericht nicht der Auffassung gewesen ist, LG obliege eine unbedingte gesetzliche Pflicht, die Anfangsreparaturen im Rahmen von Option 1 durchzuführen, und dass jedenfalls die Feststellungen zu den Pflichten der Betreiber von Eisenbahninfrastrukturen im Wesentlichen auf die besondere Verantwortung von LG gemäß Art. 102 AEUV gestützt worden sind.

118.

Daher schlage ich vor, den dritten Teil als unbegründet zurückzuweisen.

4.   Zum vierten Teil

119.

Mit dem vierten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht LG geltend, die Behauptung in Rn. 225 des angefochtenen Urteils, es sei dadurch, dass LDZ ihren Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die Nutzung des litauischen Teils der kurzen Strecke nach Lettland zurückgezogen habe, als Orlen zu der Auffassung gelangt sei, dass die Klägerin nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren, zu einer Verdrängungswirkung gekommen, sei im Hinblick auf die Rn. 24 und 25 des Urteils widersprüchlich, in denen das Gericht festgestellt habe, dass LDZ die Lizenz „Ende Juni 2009“, d. h. nach Beseitigung des Gleisabschnitts, beantragt habe. Folglich habe die Beseitigung keinen Einfluss auf die Entscheidung, den Antrag auf Lizenzerteilung zurückzuziehen. Diese Entscheidung sei in Wirklichkeit darauf zurückzuführen, dass Orlen Mitte 2010 zu der Auffassung gelangt sei, dass LG nicht beabsichtige, den Gleisabschnitt kurzfristig zu reparieren, wie Rn. 26 des angefochtenen Urteils zu entnehmen sei.

120.

Insoweit möchte ich darauf hinweisen, dass in der Tat basierend auf einer Zusammenschau der Rn. 24, 25 und 225 des angefochtenen Urteils argumentiert werden könnte, dass zwischen der Beseitigung des Gleisabschnitts und der Entscheidung von LDZ, den Antrag auf Lizenzerteilung zurückzuziehen, kein kausaler Zusammenhang bestehe.

121.

Die Bezugnahme auf den von LDZ zurückgezogenen Antrag in Rn. 225 des angefochtenen Urteils ist jedoch in ihrem ganz speziellen Kontext zu betrachten. Das Gericht hat sich nämlich auf den Antrag von LDZ bezogen, um die Feststellung im vorhergehenden Satz zu veranschaulichen, in dem es heißt: „Die Überführung eines Übergangszustands in einen Dauerzustand kann jedoch Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation haben, da sich potenzielle Wettbewerber unterschiedlich verhalten, je nachdem, ob sie davon ausgehen, dass eine Wiederherstellung des ‚Normalbetriebs‘ kurz- oder mittelfristig oder überhaupt nicht eintreten wird.“ Der Umstand, dass LDZ ihren Antrag für eine Tätigkeit in Litauen zurückzog, als klar wurde, dass der Gleisabschnitt kurzfristig nicht repariert werden würde, veranschaulicht diese allgemeine Feststellung zum Verhalten von Wettbewerbern, unabhängig vom Zeitpunkt, zu dem der fragliche Antrag zurückgezogen wurde. Daher schlage ich vor, den vierten Teil als unbegründet zurückzuweisen.

122.

Falls der Gerichtshof zu dem Schluss kommen sollte, dass die in Rn. 225 des angefochtenen Urteils enthaltene Begründung einen inneren Widerspruch aufweist, könnte dieser Widerspruch meines Erachtens nicht das Ergebnis des Gerichts entkräften, wonach „die Beseitigung des Gleisabschnitts, die in großer Eile und ohne vorherige Bewilligung der für den Neubau benötigten Mittel vorgenommen wurde, das im vorliegenden Fall eingetretene Risiko [erhöhte], dass ein sicherer Schienenverkehr auf der kurzen Strecke erst mehr als zehn Jahre später wiederhergestellt würde“. Insofern ginge der vierte Teil des dritten Rechtsmittelgrundes ins Leere.

123.

Nach alledem schlage ich vor, den vierten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes und folglich den dritten Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

E. Zum vierten Rechtsmittelgrund

124.

Mit dem vierten Rechtsmittelgrund, der aus zwei Teilen besteht, beanstandet LG, das Gericht habe bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der gegen sie verhängten Geldbuße Rechts- und Beurteilungsfehler begangen.

125.

Mit dem ersten Teil macht LG geltend, die Begründung des angefochtenen Urteils sei widersprüchlich, da das Gericht u. a. in Rn. 196 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass „sich die Kommission keineswegs auf die Absicht, die wettbewerbsfeindliche Strategie oder die Bösgläubigkeit von LG stützte, um ihr Ergebnis zum Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes zu begründen“ ( 58 ), während es in den folgenden Abschnitten des Urteils, in denen es sich mit den Klagegründen beschäftigt habe, die die Festsetzung des Betrags der Geldbuße beträfen, auf eine angeblich wettbewerbsfeindliche Absicht von LG Bezug genommen habe. Da nichts darauf hindeute, dass das Gericht die Feststellungen in Rn. 196 des angefochtenen Urteils habe modifizieren wollen, offenbare dieser Widerspruch in zweierlei Hinsicht einen Beurteilungsfehler. Zum einen habe das Gericht in Rn. 339 des angefochtenen Urteils einen Beurteilungsfehler begangen, als es bei der Prüfung der Neuartigkeit der dem streitigen Beschluss zugrunde liegenden Rechtslehre das fragliche Verhalten dahin gehend beschrieben habe, dass es „darauf gerichtet ist, die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten“. Zum anderen habe das Gericht diese Beschreibung des fraglichen Verhaltens bei der Prüfung der beanstandeten Unverhältnismäßigkeit des von der Kommission festgestellten Schwerekoeffizienten zu Unrecht wiederholt, insbesondere in Rn. 368 des angefochtenen Urteils (unter Verweis auf die genannte Rn. 339) und Rn. 374 des Urteils in Form einer Bezugnahme auf „die Beseitigung des Gleisabschnitts mit dem Ziel, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, indem ihnen der Zugang zum Markt zu weniger vorteilhaften Bedingungen gewährt wurde“. Diese Beurteilungsfehler des Gerichts hätten sich sowohl auf die Beurteilung der Notwendigkeit, eine Geldbuße zu verhängen, als auch gegebenenfalls auf den Betrag der Geldbuße ausgewirkt.

126.

Mit dem zweiten Teil macht LG geltend, ohne ihr Vorbringen näher darzulegen, die von ihr behauptete Neuartigkeit des fraglichen Verhaltens und das Fehlen einer wettbewerbswidrigen Absicht hätten die Analyse des Gerichts im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung beeinflussen können. Hierzu habe LG in der mündlichen Verhandlung zwei Klarstellungen vorgenommen. Zum einen sei das Fehlen einer wettbewerbswidrigen Absicht insoweit relevant, als das Gericht in den Rn. 398 und 404 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Festsetzung des Betrags der Geldbuße im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung insbesondere auf der Grundlage „angemessener Berücksichtigung der Schwere … der Zuwiderhandlung“ erfolgt sei, und die wettbewerbswidrige Absicht ein zentraler Gesichtspunkt für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung sei. Zum anderen habe das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung überschritten, da es durch die Annahme einer wettbewerbswidrigen Absicht als ein für die Beurteilung der Schwere relevanter Gesichtspunkt die Tatbestandsmerkmale der von der Kommission rechtmäßig festgestellten Zuwiderhandlung geändert habe.

1.   Zur Schlüssigkeit des vierten Rechtsmittelgrundes

127.

Nach Auffassung der Kommission ist der vierte Rechtsmittelgrund als unschlüssig zurückzuweisen ( 59 ), da das Gericht zum einen seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt habe und seine eigene Beurteilung der Geldbuße an die Stelle der Beurteilung der Kommission gesetzt habe und zum anderen im Rahmen dieser Beurteilung nicht auf eine wettbewerbswidrige Absicht von LG Bezug genommen habe.

128.

Vorliegend möchte LG mit dem vierten Rechtsmittelgrund eine weitere Herabsetzung des Betrags der gegen sie verhängten Geldbuße erreichen, indem sie einen Beurteilungsfehler des Gerichts bei der Behandlung der Rechtsmittelgründe, die die Festsetzung des Betrags der Geldbuße betreffen, geltend macht. Der Umstand, dass das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt hat und seine eigene Bemessung des Betrags der Geldbuße an die Stelle der Bemessung der Kommission gesetzt hat, kann jedoch nicht zur Folge haben, dass dieser Rechtsmittelgrund ins Leere geht. Denn dieser Umstand schließt für sich genommen nicht aus, dass zum einen der vierte Rechtsmittelgrund, wenn er begründet wäre, eine spätere Herabsetzung des Betrags der ursprünglich von der Kommission verhängten Geldbuße zur Folge haben könnte, da sich ein Beurteilungsfehler, der die Absicht betrifft, in der Tat auf bestimmte Parameter der Geldbuße und insbesondere den Schweregrad auswirken könnte, und zum anderen diese Herabsetzung wiederum dazu geführt hätte, dass das Gericht es nicht mehr für angemessen gehalten hätte, seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auszuüben. Diese Möglichkeit ist umso plausibler, als das Gericht zum einen offenbar aus eigener Initiative und in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine Neubewertung des Betrags der Geldbuße vorgenommen hat, die dazu führte, dass es den Betrag deutlich niedriger festgesetzt hat als die Kommission, und zum anderen nicht die Gründe für die Änderung des Endbetrags der verhängten Geldbuße dargelegt hat, obwohl es alle Klagegründe, die auf die Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses gerichtet waren, und alle Rügen, auf die sich LGs Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße stützte, zurückgewiesen hat.

129.

Aus alledem folgt, dass dieser Rechtsmittelgrund nicht von vornherein als unschlüssig zurückgewiesen werden kann. Daher ist seine Begründetheit zu prüfen.

2.   Zur Begründetheit des vierten Rechtsmittelgrundes

130.

Vorab weise ich darauf hin, dass der vierte Rechtsmittelgrund zwangsläufig auf der Annahme beruht, das Gericht habe sowohl im Rahmen der Überprüfung der Festsetzung der Geldbuße, wie sie durch die Kommission erfolgte, als auch bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine angeblich wettbewerbswidrige Absicht von LG berücksichtigt. LG stützt sich nämlich auf diese Annahme, um geltend zu machen, dass das Urteil insoweit einen inneren Widerspruch aufweise, als das Gericht bestätigt habe, dass die wettbewerbswidrige Absicht von LG bei der Einstufung des Verhaltens als Missbrauch nicht berücksichtigt worden sei.

131.

Hierzu ist zunächst anzumerken, dass das Gericht in den Rn. 196 und 197 des angefochtenen Urteils ( 60 ) festgestellt hat, dass sich die Kommission im streitigen Beschluss nicht auf die Absicht, die wettbewerbsfeindliche Strategie oder die Bösgläubigkeit von LG stützte, um ihr Ergebnis zum Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes zu begründen. Damit hat das Gericht ausdrücklich das Vorbringen von LG zurückgewiesen, dem zufolge der streitige Beschluss insoweit rechtsfehlerhaft sei, als sich die Kommission bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Praxis u. a. auf ihre wettbewerbsfeindliche Absicht gestützt habe ( 61 ).

132.

Sodann stelle ich fest, dass keiner der Teile des Urteils, auf die sich der vierte Rechtsmittelgrund richtet, ausdrücklich auf eine wettbewerbsfeindliche Absicht von LG Bezug nimmt. Die einzigen Gesichtspunkte, die somit die Behauptung von LG stützen könnten, das Gericht habe ihre angeblich wettbewerbswidrige Absicht berücksichtigt, sind LG zufolge zum einen die Verwendung von Formulierungen, die auf eine solche Absicht anspielten (in den Rn. 339, 368 und 374 des angefochtenen Urteils, im Rahmen des ersten Teils), und zum anderen – noch impliziter – der Verweis auf eine angemessene Berücksichtigung der Schwere der Zuwiderhandlung, soweit die wettbewerbswidrige Absicht in diesem Zusammenhang relevant wäre (in den Rn. 398 und 404 des angefochtenen Urteils, im Rahmen des zweiten Teils).

133.

Aus den nachstehenden Gründen bin ich der Auffassung, dass keiner dieser beiden Gesichtspunkte ausreicht, um nachzuweisen, dass das Gericht eine wettbewerbswidrige Absicht von LG berücksichtigt hat, und dass folglich die zwei Teile des vierten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen sind.

a)   Zum ersten Teil

134.

Mit dem ersten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht LG geltend, das Gericht habe bei seiner Prüfung der Rechtmäßigkeit der von der Kommission verhängten Geldbuße einen Beurteilungsfehler begangen. Sie erhebt insoweit zwei Rügen: Erstens rügt sie einen Beurteilungsfehler in Rn. 339 des angefochtenen Urteils im Rahmen der Prüfung der Neuartigkeit der dem streitigen Beschluss zugrunde liegenden Rechtslehre, und zweitens beanstandet sie einen Beurteilungsfehler in den Rn. 368 und 374 des angefochtenen Urteils im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit des Schwerekoeffizienten.

135.

Als Erstes stelle ich in Bezug auf die Rüge betreffend Rn. 339 des angefochtenen Urteils fest, dass das Gericht diese Randnummer im Zusammenhang mit LGs Rüge geprüft hat, die Kommission habe einen Rechts- und Beurteilungsfehler begangen, als sie eine Geldbuße gegen LG verhängt habe, da das im streitigen Beschluss beanstandete Verhalten eine neue Missbrauchskategorie darstelle, deren Rechtswidrigkeit LG nicht bekannt gewesen sei. Das Gericht hat nämlich darauf hingewiesen, dass das fragliche Verhalten „geeignet sei, potenzielle wettbewerbswidrige Auswirkungen in Form des Ausschlusses von Wettbewerb auf dem [betreffenden] Markt … hervorzurufen, da Hindernisse für den Markteintritt errichtet würden, ohne dass dies objektiv gerechtfertigt sei“. Im Licht dieser Feststellung und als Entgegnung auf das Vorbringen, die Missbräuchlichkeit des Verhaltens sei als neuartig anzusehen, hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass „[d]ie Missbräuchlichkeit eines Verhaltens wie desjenigen der Klägerin, das darauf gerichtet ist, die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten, … mehrfach von den Unionsgerichten für rechtswidrig erklärt worden [ist]“ ( 62 ).

136.

Die Formulierung „[ein Verhalten,] das darauf gerichtet ist, die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten“ (in der englischen Fassung, d. h. in der Verfahrenssprache, heißt es: „conduct … seeking to keep competitors away from the market“) ist zwar nicht eindeutig und könnte – ohne Kontext – in der Tat so verstanden werden, als wenn sie auf das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Absicht anspielte. Sie ist jedoch in ihrem speziellen Kontext zu würdigen ( 63 ).

137.

Anknüpfungspunkt für diese Formulierung ist Rn. 164 des Urteils AstraZeneca/Kommission ( 64 ), in der der Gerichtshof u. a. im Rahmen der Beurteilung der Neuartigkeit der fraglichen Zuwiderhandlungen und ihrer Wirkungen festgestellt hat, dass AstraZeneca „von der ausgeprägten Wettbewerbsfeindlichkeit ihres Verhaltens wusste und sie davon hätte ausgehen müssen, dass es mit dem Wettbewerbsrecht der Union unvereinbar war“ ( 65 ). Der Begriff der Absicht hat im Rahmen dieser Rechtsprechung somit eine andere Nuance als der Absichtsbegriff, der als das Vorliegen einer „Geschäftsstrategie des Unternehmens“ verstanden wird. Wenn das Gericht nämlich in den Rn. 196 und 197 des angefochtenen Urteils auf die Absicht Bezug nimmt, stützt es sich dabei auf „subjektive Faktoren …, nämlich die Motive, die der betreffenden Geschäftsstrategie zugrunde liegen“ (vgl. Rn. 191 des angefochtenen Urteils) ( 66 ). Dagegen handelt es sich bei dem Verweis auf ein Verhalten, „das darauf gerichtet ist, die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten“, um eine objektive Beurteilung im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Verhalten angesichts aller maßgeblichen Umstände geeignet ist, den Wettbewerb zu beschränken.

138.

Daher bin ich der Auffassung, dass die erste Rüge des ersten Teils, die sich auf einen Beurteilungsfehler in Rn. 339 des angefochtenen Urteils im Rahmen der Prüfung zur Einstufung des fraglichen Verhaltens als neuartig stützt, zurückzuweisen ist.

139.

Was als Zweites die Rüge in Bezug auf die Rn. 368 und 374 des angefochtenen Urteils betrifft, stelle ich fest, dass das Gericht diese Randnummern im Rahmen der Rüge untersucht hat, die die beanstandete Unverhältnismäßigkeit des Schwerekoeffizienten betrifft, den die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße feststellte.

140.

Insoweit weise ich vorab darauf hin, dass das Gericht in Rn. 366 des angefochtenen Urteils daran erinnert hat, dass die Kommission bei der Ermittlung des Schweregrads der fraglichen Zuwiderhandlung vier Gesichtspunkte berücksichtigte: die Art der Zuwiderhandlung, die Lage auf den relevanten Märkten von LG, die geografische Tragweite der Zuwiderhandlung und die Modalitäten der tatsächlichen Durchführung der Zuwiderhandlung. Es gibt kein subjektives Element, wie die Absichtlichkeit des Verhaltens, das im Rahmen dieser Gesichtspunkte bei der Ermittlung des Schweregrads von der Kommission berücksichtigt wurde ( 67 ).

141.

Dieses Ergebnis kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass LG geltend macht, es gebe zwei Textstellen, und zwar die Rn. 368 und 374 des angefochtenen Urteils, die isoliert betrachtet die Berücksichtigung eines subjektiven Elements nahelegten, das auf eine Absicht hindeute.

142.

Konkret hat das Gericht zum einen in Rn. 368 des angefochtenen Urteils ebenso wie in dessen Rn. 339 festgestellt, dass „die Missbräuchlichkeit eines Verhaltens wie desjenigen [von LG], das darauf gerichtet ist, die Konkurrenten vom Markt fernzuhalten, mehrfach von den Unionsgerichten für rechtswidrig erklärt worden ist“. Diese Bezugnahme auf die gleiche Formulierung in der oben untersuchten Rn. 339 des angefochtenen Urteils ist dem Umstand geschuldet, dass sich LG auf das Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes zur vorgeblichen Neuartigkeit und Beispiellosigkeit der Rechtssache beruft, um die behauptete Unverhältnismäßigkeit des von der Kommission festgestellten Schwerekoeffizienten zu beanstanden. Folglich gilt die Analyse in den Nrn. 135 und 136 dieser Schlussanträge entsprechend.

143.

Zum anderen geht das Gericht in Rn. 374 des angefochtenen Urteils auf das Vorbringen von LG ein, wonach der Schwerekoeffizient auch im Licht der Praxis der Kommission in vergleichbaren Fällen zur Anwendung von Art. 102 AEUV unverhältnismäßig sei und insoweit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße. In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass „die Beseitigung des Gleisabschnitts mit dem Ziel, Wettbewerber vom Markt fernzuhalten, indem ihnen der Zugang zum Markt zu weniger vorteilhaften Bedingungen gewährt wurde, nicht als eine … Weigerung[, Zugang zu einer grundlegenden Infrastruktur zu gewähren,] angesehen werden kann“ ( 68 ).

144.

Zwar ist die Formulierung „mit dem Ziel“ in der Tat nicht eindeutig, so dass sie als Hinweis auf eine wettbewerbswidrige Absicht verstanden werden könnte, doch handelt es sich hierbei meines Erachtens um eine unglückliche Wortwahl des Gerichts, da es in diesem Teil des angefochtenen Urteils nur seine Analyse zur Einstufung des Verhaltens als Missbrauch einer beherrschenden Stellung wiederholt, der zufolge das fragliche Verhalten nicht als „Zugangsverweigerung“ angesehen werden könne. Aus eben diesem Grund wird der Satz mit der Formulierung eingeleitet, dass „die Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben hat“.

145.

Somit hat das Gericht in Rn. 374 des angefochtenen Urteils die Frage, ob die Zuwiderhandlung absichtlich begangen wurde, nicht im Rahmen einer neuen Beurteilung, die als widersprüchlich angesehen werden könnte, untersucht, sondern sich darauf beschränkt, die Schlussfolgerung zu wiederholen, die es bereits bei der Prüfung des ersten Klagegrundes und insbesondere in Rn. 98 des angefochtenen Urteils gezogen hatte, wonach „das fragliche Verhalten … nicht im Licht der gefestigten Rechtsprechung zur Verweigerung des Zugangs zu wesentlichen Infrastrukturen analysiert werden darf“.

146.

Als Drittes ist der Vollständigkeit halber zu erwähnen, dass es für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels nicht erforderlich ist, den Vorwurf der widersprüchlichen Begründung im Hinblick auf einen Verstoß des Gerichts gegen die Begründungspflicht zu prüfen, da sich der Begründung des angefochtenen Urteils klar und eindeutig entnehmen lässt, dass subjektive Gesichtspunkte, wie die Absicht, die wettbewerbsfeindliche Strategie oder die Bösgläubigkeit von LG, bei der Feststellung des Vorliegens einer Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt worden sind. Somit liegt kein innerer Widerspruch vor, der das Verständnis der Gründe, die der Analyse des Gerichts zugrunde liegen, erschwert ( 69 ).

147.

Nach alledem schlage ich vor, die zweite Rüge des ersten Teils, die sich auf einen Beurteilungsfehler im Rahmen der Prüfung der behaupteten Unverhältnismäßigkeit des von der Kommission festgestellten Schwerekoeffizienten stützt, sowie den ersten Teil insgesamt zurückzuweisen.

b)   Zum zweiten Teil

148.

Mit dem zweiten Teil des vierten Rechtsmittelgrundes macht LG im Wesentlichen geltend, das Gericht habe bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung einen Beurteilungsfehler begangen, als es bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung eine wettbewerbswidrige Absicht angenommen habe.

1) Zur Beurteilung der wettbewerbswidrigen Absicht

149.

Zunächst weise ich darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung, auf die sich das Gericht ausdrücklich in Rn. 390 des angefochtenen Urteils bezieht, der Unionsrichter, wenn er seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausübt, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus befugt ist, die Beurteilung der Kommission, der Urheberin des Rechtsakts, in dem der Betrag dieser Zwangsmaßnahme ursprünglich festgelegt wurde, im Hinblick auf die Festsetzung dieses Betrags durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen, jedoch unter Ausschluss jeder Änderung der Tatbestandsmerkmale der Zuwiderhandlung, die die Kommission in der Entscheidung, über die das Gericht zu befinden hat, rechtmäßig festgestellt hat ( 70 ).

150.

Folglich ist das Gericht, soweit es in den Rn. 196 und 197 des angefochtenen Urteils ( 71 ) festgestellt hat, dass sich die Kommission im streitigen Beschluss zu Recht nicht auf die wettbewerbswidrige Absicht von LG gestützt habe, um ihr Ergebnis zum Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes zu begründen, nicht befugt, ein solches „Tatbestandsmerkmal der Zuwiderhandlung“ zu ändern, indem es im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung eine wettbewerbswidrige Absicht berücksichtigt.

151.

Wie bereits dargelegt, insbesondere in Nr. 132 dieser Schlussanträge, wird in dem Teil des Urteils, der sich mit der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung beschäftigt, d. h. den Rn. 389 bis 406 des angefochtenen Urteils, an keiner Stelle der Begriff „Absicht“ verwendet. Zudem hat LG in ihrer Rechtsmittelschrift nicht angegeben, welcher Teil der Analyse des Gerichts Erwägungen zur Absichtlichkeit des fraglichen Verhaltens enthält, sondern in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass Erwägungen zur Absicht untrennbar mit der Beurteilung der Schwere des Verhaltens verbunden seien.

152.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ermächtigt die dem Unionsrichter in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 im Einklang mit Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Auch wenn die Ausübung dieser Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und das Verfahren ein streitiges ist, ist der Unionsrichter verpflichtet, bei der Ausübung der in den Art. 261 und 263 AEUV vorgesehenen Befugnisse jede Rechts- oder Sachrüge zu prüfen, mit der dargetan werden soll, dass die Höhe der Geldbuße nicht der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung angemessen ist ( 72 ). Somit setzt die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Berücksichtigung der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung unter Wahrung der Grundsätze u. a. der Verhältnismäßigkeit, der individuellen Sanktionsfestsetzung und der Gleichbehandlung voraus ( 73 ). In der Tat hat das Gericht sein Ermessen auf der Grundlage dieser beiden Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung ausgeübt ( 74 ).

153.

Was die Schwere der Zuwiderhandlung als relevantes Kriterium im Rahmen des vorliegenden Teils betrifft, geht aus Rn. 399 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht es für angezeigt gehalten hat, drei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, nämlich die Art der Zuwiderhandlung, die Position von LG auf den relevanten Märkten sowie die geografische Tragweite der Zuwiderhandlung. Allerdings kann die Frage, ob die Zuwiderhandlung absichtlich begangen wurde, naturgemäß nur im Rahmen der Beurteilung des ersten Gesichtspunkts, d. h. der Art der Zuwiderhandlung, eine Rolle spielen.

154.

Das Gericht hat sich jedoch in Rn. 400 des angefochtenen Urteils, in der es seine Analyse der Art der Zuwiderhandlung dargelegt hat, auf objektive Erwägungen gestützt, die in keinem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit einer wettbewerbswidrigen Absicht stehen.

155.

Somit hat sich das Gericht entgegen dem Vorbringen von LG nicht auf eine wettbewerbswidrige Absicht gestützt, um eine „angemessene Berücksichtigung der Schwere der Zuwiderhandlung“ vorzunehmen, und folglich ist der zweite Teil des vierten Rechtsmittelgrundes ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

156.

Ergänzend und der Vollständigkeit halber möchte ich jedoch zwei Klarstellungen zur Beurteilung der Angemessenheit der Geldbuße und zur Begründungspflicht im Rahmen der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vornehmen.

2) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Geldbuße

157.

Zum einen ist es nach ständiger Rechtsprechung nicht Sache des Gerichtshofs, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Würdigung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der gegen Unternehmen wegen eines Verstoßes gegen das Unionsrecht festgesetzten Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Würdigung zu ersetzen. Nur wenn der Gerichtshof der Ansicht wäre, dass die Höhe der Sanktion nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass sie unverhältnismäßig wird, wäre ein Rechtsfehler des Gerichts wegen der unangemessenen Höhe einer Geldbuße festzustellen ( 75 ).

158.

Vorliegend beanstandet LG die Beurteilung, die das Gericht in Bezug auf den Betrag der verhängten Geldbuße in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falls vorgenommen hat, ohne jedoch nachzuweisen oder auch nur darzutun, dass der Betrag nicht nur unangemessen, sondern auch dermaßen überhöht ist, dass er unverhältnismäßig wird. Folglich könnte der Gerichtshof diesen Teil auch als unzulässig zurückweisen.

3) Zur Begründungspflicht

159.

Zum anderen ist das Gericht nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch bestimmte Pflichten gebunden. Dazu zählt die Begründungspflicht gemäß Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Gericht anwendbar ist ( 76 ).

160.

Im vorliegenden Fall hat sich das Gericht in den Rn. 400 bis 402 des angefochtenen Urteils mit einer ausgesprochen vagen Begründung begnügt, der sich nur schwer entnehmen lässt, wie das Gericht zu einer erheblichen Herabsetzung des Betrags der verhängten Geldbuße kommen konnte. Diese fehlende Begründung ist umso erstaunlicher, als das Gericht den streitigen Beschluss bestätigt hat und alle Klagegründe von LG zurückgewiesen hat. Zwar kann das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den angefochtenen Rechtsakt abändern, u. a. durch Herabsetzung des Betrags der verhängten Geldbuße, selbst wenn der Rechtsakt nicht für nichtig erklärt wird, doch muss eine Änderung der Geldbuße so begründet sein, dass die Gründe erkannt werden können, die die Änderung der Geldbuße rechtfertigen, ohne dass es jedoch eines streng mathematischen Vorgangs bedarf.

161.

Im vorliegenden Fall hat LG keinen Begründungsmangel geltend gemacht, und die Kommission, die ebenfalls ein berechtigtes Interesse daran hätte, einen Verstoß gegen die Begründungspflicht zu beanstanden, hat kein auf die Beanstandung der Geldbuße beschränktes Anschlussrechtsmittel eingelegt.

162.

In dieser besonderen Konstellation sollte der Gerichtshof meines Erachtens nicht von Amts wegen den Verstoß gegen die Begründungspflicht feststellen. Sollte er es jedoch für zweckmäßig erachten, darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung an einem Begründungsmangel leidet, soweit es dem Gericht obliegt, die Schwere von rechtswidrigen Verhaltensweisen zu beurteilen, ist die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es seine Berechnung genauer begründet ( 77 ). Allerdings darf das Gericht in einem solchen Fall, in Ermangelung einer Beanstandung durch die Kommission, den Betrag der Geldbuße nicht höher ansetzen als den Betrag, der durch das angefochtene Urteil verhängt worden ist, damit der Grundsatz des Verbots der reformatio in peius ( 78 ) sowie die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gewahrt bleiben.

VI. Kosten

163.

Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der gemäß deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da LG meines Erachtens mit ihrem Vorbringen unterliegen muss, schlage ich vor, ihr die Kosten im Zusammenhang mit dem Rechtsmittel aufzuerlegen.

VII. Ergebnis

164.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen, und

Lietuvos geležinkeliai AB trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

( 3 ) Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner (C‑7/97, im Folgenden: Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner, EU:C:1998:264).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung (ABl. 2001, L 75, S. 29).

( 5 ) LG verweist insoweit auf das Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266).

( 6 ) Urteil vom 25. März 2021, Slovak Telekom/Kommission (C‑165/19 P, im Folgenden: Urteil Slovak Telekom, EU:C:2021:239, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Urteil vom 12. Mai 2022, Servizio Elettrico Nazionale u. a. (C‑377/20, EU:C:2022:379, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 8 ) Vgl. Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige (C‑52/09 EU:C:2011:83, Rn. 68), und vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 154).

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 1998, European Night Services u. a./Kommission (T‑374/94, T‑375/94, T‑384/94 und T‑388/94, EU:T:1998:198, Rn. 208 und 212 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 10. November 2021, Google und Alphabet/Kommission (Google Shopping) (T‑612/17, im Folgenden: Urteil Google Shopping, EU:T:2021:763, Rn. 215, zurzeit mit Rechtsmittel angefochten).

( 10 ) In der wettbewerbsrechtlichen Praxis deckt das Konzept der „Lieferverweigerung“ eine große Bandbreite von Verhaltensweisen ab, so z. B. die Weigerung, Produkte an bereits vorhandene oder neue Abnehmer zu liefern, die Weigerung, eine Lizenz für Rechte an geistigem Eigentum zu erteilen, auch wenn diese Lizenz notwendig ist, um Schnittstelleninformationen zur Verfügung zu stellen, oder die Weigerung, den Zugang zu einer wesentlichen Einrichtung (essential facility) oder einem Netz zu gewähren (Rn. 78 der Mitteilung der Kommission „Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel 82 [EG] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen“ [ABl. 2009, C 45, S. 7, im Folgenden: Erläuterungen]).

( 11 ) Für einen Überblick zur Lehre von den wesentlichen Einrichtungen, wie sie ursprünglich im US-amerikanischen Antitrust-Recht entwickelt wurde, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner (Nrn. 45 bis 47).

( 12 ) Vgl. Urteil vom 1. Juli 2010, AstraZeneca/Kommission (T‑321/05, EU:T:2010:266, Rn. 679).

( 13 ) Vgl. Urteile vom 5. Oktober 1988, Volvo (238/87, EU:C:1988:477, Rn. 8), und vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, EU:T:2007:289, Rn. 331).

( 14 ) In seiner Rechtsprechung vor dem Urteil Bronner hatte der Gerichtshof die Weigerung eines beherrschenden Unternehmens, einem Unternehmen auf einem benachbarten Markt Rohstoffe zu liefern (Urteil vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission [6/73 und 7/73, EU:C:1974:18, Rn. 25]) oder Dienstleistungen zu erbringen (Urteil vom 3. Oktober 1985, CBEM [311/84, EU:C:1985:394, Rn. 26]), die für die Tätigkeiten des Unternehmens unerlässlich sind, nur insoweit als missbräuchlich beurteilt, als das fragliche Verhalten geeignet war, jeglichen Wettbewerb durch das Unternehmen auszuschalten. Dieser Ansatz, wonach die Ausübung eines ausschließlichen Rechts, wie die Verweigerung einer Lizenz durch den Inhaber eines Immaterialgüterrechts, nur unter „außergewöhnlichen Umständen“ ein missbräuchliches Verhalten darstellen kann, ist im Urteil vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission (C‑241/91 P und C‑242/91 P, EU:C:1995:98, Rn. 49 und 50), bestätigt worden.

( 15 ) Siehe vorherige Fußnote.

( 16 ) Vgl. Nrn. 56, 57 und 62 der genannten Schlussanträge.

( 17 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner (Nr. 56).

( 18 ) Urteil Slovak Telekom (Rn. 46).

( 19 ) Zwar hat Generalanwalt Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen in den Rechtssachen Deutsche Telekom/Kommission und Slovak Telekom/Kommission (C‑152/19 P und C‑165/19 P, EU:C:2020:678) ausgeführt, dass „das Urteil Bronner im normativen Umfeld von Art. 102 AEUV ein Sonderfall ist“, dessen „Tragweite … eng auszulegen [ist], um die praktische Wirksamkeit von Art. 102 AEUV zu wahren“ (Nr. 55 der Schlussanträge unter Verweis auf Rn. 58 des Urteils vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige, C‑52/09, EU:C:2011:83), doch bin ich im Gegensatz dazu der Auffassung, dass das Urteil Bronner den Ausgangspunkt jeglicher wettbewerbsrechtlichen Prüfung im Bereich der Lieferverweigerung gegenüber Wettbewerbern darstellt (und schon immer dargestellt hat). Das Urteil Bronner müsste somit das Grundsatzurteil sein und die Regel bilden, nicht die Ausnahme. Die darin aufgestellten Kriterien dürfen nicht restriktiv ausgelegt werden.

( 20 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner (Nr. 58) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Servizio Elettrico Nazionale u. a. (C‑377/20, EU:C:2021:998, Nrn. 87 bis 108).

( 21 ) Urteil Slovak Telekom (Rn. 48) sowie die Nrn. 57 und 65 der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner.

( 22 ) Vgl. Rn. 70 des angefochtenen Urteils.

( 23 ) Vgl. Rn. 99 und 103 des angefochtenen Urteils.

( 24 ) Vgl. Rn. 90 des angefochtenen Urteils.

( 25 ) Vgl. Rn. 91 des angefochtenen Urteils.

( 26 ) Vgl. Rn. 91, 92, 95 und 96 des angefochtenen Urteils.

( 27 ) Vgl. Rn. 91 und 94 des angefochtenen Urteils.

( 28 ) Siehe oben, Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge.

( 29 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 96), und Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in den Rechtssachen Deutsche Telekom/Kommission und Slovak Telekom/Kommission (C‑152/19 P und C‑165/19 P, EU:C:2020:678, Nr. 106).

( 30 ) Ich möchte anmerken, dass das Urteil Bronner anscheinend für Fälle gilt, in denen eine „Verweigerung“ des Zugangs vorliegt, was einen „Antrag“ oder jedenfalls den Ausdruck eines Wunsches nach Zugang und eine darauf bezogene „Verweigerung“ voraussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Google Shopping, Rn. 232 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 31 ) Urteil Slovak Telekom (Rn. 50).

( 32 ) Dies trifft u. a. auf den Missbrauch zu, der in der Beschneidung der Margen konkurrierender Wirtschaftsteilnehmer auf einem nachgelagerten Markt besteht (vgl. Urteile vom 17. Februar 2011, TeliaSonera Sverige [C‑52/09, EU:C:2011:83, Rn. 58], vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission [C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 75 und 96], und Slovak Telekom [Rn. 52 und 53]).

( 33 ) Vgl. in diesem Sinne Erläuterungen, Rn. 22.

( 34 ) Urteil vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C‑62/86, EU:C:1991:286, Rn. 69).

( 35 ) Hervorhebung nur hier.

( 36 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission (T‑65/98, EU:T:2003:281, Rn. 161).

( 37 ) Siehe oben, Nr. 64 dieser Schlussanträge.

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Bronner (Rn. 37) sowie Slovak Telekom (Rn. 43, 45, 46, 48 und 49). Ich weise darauf hin, dass Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bronner (C‑7/97, EU:C:1998:264, Nr. 66) in Erwägung ziehen konnte, die Bronner-Kriterien auf einen Fall anzuwenden, in dem die betreffende Einrichtung unter wettbewerbsfreien Voraussetzungen, teilweise mittels öffentlicher Finanzierung, geschaffen wurde.

( 39 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Slovak Telekom (Rn. 47 und 48); Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in den Rechtssachen Deutsche Telekom/Kommission und Slovak Telekom/Kommission (C‑152/19 P und C‑165/19 P, EU:C:2020:678, Nrn. 75 bis 78).

( 40 ) Urteil vom 10. Juli 2014, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2014:2062, Rn. 128).

( 41 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Slovak Telekom (Rn. 42 und 57).

( 42 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, EU:C:2010:603, Rn. 92).

( 43 ) Unter Verweis auf die Rn. 148, 164 und 168 des angefochtenen Urteils macht LG geltend, das Gericht habe anerkannt, dass ihr die Möglichkeit offengestanden habe, sich für die Beseitigung des Gleisabschnitts zu entscheiden, statt Teilreparaturen vorzunehmen, die zu seiner späteren Ersetzung geführt hätten. Somit sei der ihr vorgeworfene Missbrauch allein im Zeitpunkt der Beseitigung, ab dem 3. Oktober 2008, zu sehen. Da der Zeitpunkt der Beseitigung jedoch keine Auswirkungen auf deren Kosten gehabt habe, sei die Entscheidung, die Beseitigung sofort durchzuführen, eine vernünftige Managemententscheidung gewesen. Überdies habe das Gericht in den Rn. 197, 204 und 209 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass LG keine wettbewerbsfeindliche Absicht verfolgt habe. Folglich sei die Beseitigung des Gleisabschnitts, die jedenfalls später notwendig geworden wäre, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen, eine vernünftige Managemententscheidung gewesen, die nicht als Missbrauch eingestuft werden könne.

( 44 ) LG macht geltend, auch der Umstand, dass der Gleisabschnitt beseitigt worden sei, „ohne die benötigten Mittel erhalten zu haben“, stelle keinen Missbrauch dar, da sie davon ausgegangen sei, die Mittel für den Wiederaufbau des Gleisabschnitts zum Zeitpunkt der Durchführung des Hauptteils der Arbeiten zu erhalten. Unter Verweis auf die Rn. 152, 153, 160, 171, 174 bis 176 und 196 des angefochtenen Urteils trägt sie vor, dass sie am 2. Oktober 2008 vor Beginn der Arbeiten zur Beseitigung des Gleisabschnitts eine Finanzierung beantragt habe, europäische Mittel zu diesem Zeitpunkt verfügbar gewesen seien und sie somit nicht in wettbewerbsfeindlicher Absicht gehandelt habe. Die Umstände, auf die sich das Gericht bezogen habe, um einen Missbrauch festzustellen, seien im Wesentlichen nach dem 3. Oktober 2008 eingetreten. Das Gericht habe insoweit einen Rechtsfehler begangen, als es ihr in den Rn. 164, 165, 170 und 178 des angefochtenen Urteils auferlegt habe, den Zeitpunkt der Beseitigung des Gleisabschnitts zu belegen oder zu rechtfertigen, obwohl es der Kommission obliege, den Missbrauch nachzuweisen. Außerdem habe das Gericht in den Rn. 152 und 170 des angefochtenen Urteils versäumt, das Vorbringen von LG zur Zwischenlagerung der wiederverwendbaren Teile des Gleisabschnitts und zu ihrer Wiederverwendung für andere Gleisabschnitte vor Wintereinbruch konkret zu prüfen. Jedenfalls sei es für den Beginn der Vorbereitungen eines Projekts nicht notwendig, zuvor die für das gesamte Projekt benötigten Mittel „erhalten“ zu haben.

( 45 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. September 2000, EFMA/Rat (C‑46/98 P, EU:C:2000:474, Rn. 38).

( 46 ) Vgl. in diesem Sinne auch Rn. 83, 193, 196 und 224 des angefochtenen Urteils.

( 47 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Mai 2022, Servizio Elettrico Nazionale u. a. (C‑377/20, EU:C:2022:379, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 48 ) Im Einzelnen betrifft i) Rn. 168 die von LG vorgetragene Hypothese, wonach Option 2 die einzig relevante und wirtschaftlich sinnvolle Lösung gewesen sei; ii) Rn. 170 das Vorbringen, die geeigneten Materialien des Gleisabschnitts hätten geborgen werden müssen, damit sie im Winter keinen Schaden nähmen; iii) Rn. 204 den Einfluss, den die schiedsgerichtliche Entscheidung vom 17. Dezember 2010 auf die Entscheidung, den Gleisabschnitt nicht wiederaufzubauen, gehabt haben soll, und iv) Rn. 231 das Vorbringen von LG, wonach Option 1 weniger effizient sei als Option 2.

( 49 ) Urteil vom 25. März 2021, Deutschland/Kommission (C‑152/19 P, EU:C:2021:238, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 50 ) Zur Schwierigkeit „die Trennungslinie zwischen tatsächlichen Fragen und Rechtsfragen zu ziehen“, insbesondere in Wettbewerbssachen, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Hilti/Kommission (C‑53/92 P, nicht veröffentlicht, EU:C:1993:875, Rn. 46 und 47).

( 51 ) Hervorhebung nur hier.

( 52 ) Ich weise darauf hin, dass LG in ihrer Rechtsmittelschrift anerkennt, dass „sich das Gericht damit begnügt, diese Frage nicht zu entscheiden, und keinen gegenteiligen Sachverhalt feststellt“.

( 53 ) Genauer gesagt hat das Gericht festgestellt, dass LG „nicht nachgewiesen hat, dass sich der Gleisabschnitt nach Auftreten der Verformung und nach der detaillierten Bewertung des Zustands des gesamten Gleisabschnitts in einem Zustand befunden habe, der seine sofortige vollständige Entfernung gerechtfertigt habe“ (Rn. 164) und „das Vorbringen, wonach die Mängel … an zahlreichen anderen Stellen auf dem gesamten Gleisabschnitt festgestellt worden seien, nicht ausreichend untermauert [hat]“ (Rn. 165). Hervorhebung nur hier.

( 54 ) Aufgrund ihrer technischen Natur und zum besseren Verständnis werde ich im Rahmen meiner Analyse des dritten Rechtsmittelgrundes jeden der vier Teile gesondert prüfen.

( 55 ) Vgl. Zusammenfassung des Vorbringens von LG in Rn. 216 des angefochtenen Urteils.

( 56 ) Siehe oben, Nrn. 98 bis 101 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Urteil vom 28. Januar 2021, Qualcomm und Qualcomm Europe/Kommission (C‑466/19 P, EU:C:2021:76, Rn. 42 und 43 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 57 ) Schreiben vom 18. September 2008 der Direktion für Eisenbahninfrastrukturen von LG an den Rat für strategische Planung von LG, das auf der Grundlage des Sonderprüfungsberichts vom 12. September 2008 erstellt worden war.

( 58 ) Hervorhebung nur hier.

( 59 ) Wie in Nr. 89 dieser Schlussanträge dargelegt, bezeichnet die Schlüssigkeit eines Klagegrundes seine Eignung, das vom Kläger angestrebte Ergebnis herbeizuführen, sofern das entsprechende Vorbringen zutrifft.

( 60 ) Vgl. u. a. Rn. 204 und 209 des angefochtenen Urteils.

( 61 ) Vgl. Rn. 185 des angefochtenen Urteils.

( 62 ) Hervorhebung nur hier.

( 63 ) Hervorhebung nur hier.

( 64 ) Urteil vom 6. Dezember 2012, AstraZeneca/Kommission (C‑457/10 P, EU:C:2012:770).

( 65 ) Hervorhebung nur hier.

( 66 ) Vgl. in demselben Sinne Urteile vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission (C‑549/10 P, EU:C:2012:221, Rn. 20 und 21), und vom 30. Januar 2020, Generics (UK) u. a. (C‑307/18, EU:C:2020:52, Rn. 162).

( 67 ) Im Zusammenhang mit der „Art der Zuwiderhandlung“, die in Rn. 366 des angefochtenen Urteils genannt wird, hat das Gericht den Umstand berücksichtigt, „dass das aus der Beseitigung eines zwischen zwei Mitgliedstaaten befindlichen öffentlichen Gleisabschnitts bestehende Verhalten die Konsolidierung des Binnenmarkts beeinträchtige, insbesondere des einheitlichen europäischen Eisenbahnraums“.

( 68 ) Hervorhebung nur hier.

( 69 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2015, Cargolux Airlines/Kommission (T‑39/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:991, Rn. 31).

( 70 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energía España u. a./Kommission (C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 75 bis 77).

( 71 ) Vgl. auch Rn. 204 und 209 des angefochtenen Urteils.

( 72 ) Urteil vom 16. Juli 2020, Nexans France und Nexans/Kommission (C‑606/18 P, EU:C:2020:571, Rn. 96 und 97 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 73 ) Urteil vom 21. Januar 2016, Galp Energia España u. a./Kommission (C‑603/13 P, EU:C:2016:38, Rn. 90).

( 74 ) Vgl. Rn. 395 und 397 des angefochtenen Urteils.

( 75 ) Urteil vom 25. März 2021, Lundbeck/Kommission (C‑591/16 P, EU:C:2021:243, Rn. 197 und 198 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

( 76 ) Urteil vom 18. März 2021, Pometon/Kommission (C‑440/19 P, EU:C:2021:214, Rn. 138).

( 77 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Nexans France und Nexans/Kommission (C‑606/18 P, EU:C:2020:571, Rn. 95 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 78 ) Vgl. hierzu Nr. 273 der Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in den verbundenen Rechtssachen Fresh Del Monte Produce/Kommission und Kommission/Fresh Del Monte Produce (C‑293/13 P und C‑294/13 P, EU:C:2014:2439).

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