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Document 62019CC0344

Schlussanträge des Generalanwalts G. Pitruzzella vom 6. Oktober 2020.
D. J. gegen Radiotelevizija Slovenija.
Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Richtlinie 2003/88/EG – Art. 2 – Begriff ‚Arbeitszeit‘ – Bereitschaftszeit in Form von Rufbereitschaft – Spezialisierte Arbeit in Bezug auf die Wartung von Fernsehsendern, die fernab der bewohnten Gebiete liegen – Richtlinie 89/391/EWG – Art. 5 und 6 – Psychosoziale Risiken – Vorsorgepflicht.
Rechtssache C-344/19.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2020:796

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

GIOVANNI PITRUZZELLA

vom 6. Oktober 2020 ( 1 )

Rechtssache C‑344/19

D. J.

gegen

Radiotelevizija Slovenija

(Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče Republike Slovenije [Oberster Gerichtshof, Slowenien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer – Arbeitszeitgestaltung – Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit – Rufbereitschaftsdienst – Bestimmte Arbeit in Bezug auf die Wartung von Fernsehsendern im Hochgebirge“

1.

Unter welchen Voraussetzungen kann die Zeit, die ein Arbeitnehmer in Rufbereitschaft verbringt, als Arbeitszeit angesehen werden?

2.

Kann der in der Richtlinie 2003/88/EG ( 2 ) enthaltene Begriff der Arbeitszeit so weit gehen, dass er Situationen umfasst, in denen der Arbeitnehmer, obwohl er nicht „arbeitet“, sich in einer Situation befindet, die ihm keine tatsächliche Ruhezeit ermöglicht? Was sind die Merkmale einer „tatsächlichen Ruhezeit“ im Einklang mit den Zielen dieser Richtlinie, die Gesundheit und Sicherheit des Arbeitnehmers zu schützen?

3.

Ist es denkbar, dass es „Grauzonen“ gibt, in denen sich der Arbeitnehmer nicht in der Arbeitszeit, aber auch nicht in Ruhezeit befindet?

4.

Diese Fragen sind der Hintergrund der vorliegenden Rechtssache, die im Rahmen einer mit der Rechtssache C‑580/19 koordinierten Prüfung dem Gerichtshof die Gelegenheit gibt, sich mit der rechtlichen Einstufung der Bereitschafts- und der Rufbereitschaftszeiten im Licht der Richtlinie 2003/88 zu befassen.

5.

Der Gerichtshof hat sich zu dieser Frage bereits mehrfach geäußert, doch erfordert die vorliegende Rechtssache wegen der Besonderheiten des konkreten Falls (besondere geografische Lage des Arbeitsplatzes) eine Überprüfung der bisher aufgestellten Grundsätze, um deren mögliche Entwicklungen zu beurteilen.

6.

Im Einzelnen geht es um die Frage, ob die Rufbereitschaftszeiten, in denen der Arbeitnehmer möglicherweise kontaktiert wird und gegebenenfalls innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz sein muss, als Arbeitszeit oder als Ruhezeit im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2003/88 anzusehen sind.

7.

Dabei ist insbesondere der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger, ein spezialisierter Sendetechniker eines Fernsehsenders, sich während dieser Rufbereitschaftszeiten wegen des erschwerten Zugangs und der Entfernung des Arbeitsplatzes von seinem Wohnort in der Nähe des Arbeitsplatzes aufhielt.

I. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

8.

Der fünfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 lautet:

„Alle Arbeitnehmer sollten angemessene Ruhezeiten erhalten. Der Begriff ‚Ruhezeit‘ muss in Zeiteinheiten ausgedrückt werden, d. h. in Tagen, Stunden und/oder Teilen davon. Arbeitnehmern in der Gemeinschaft müssen Mindestruhezeiten – je Tag, Woche und Jahr – sowie angemessene Ruhepausen zugestanden werden. In diesem Zusammenhang muss auch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt werden.“

9.

Art. 2 der Richtlinie 2003/88 sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

1.

Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;

2.

Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;

9.

ausreichende Ruhezeiten: [D]ie Arbeitnehmer müssen über regelmäßige und ausreichend lange und kontinuierliche Ruhezeiten verfügen, deren Dauer in Zeiteinheiten angegeben wird, damit sichergestellt ist, dass sie nicht wegen Übermüdung oder wegen eines unregelmäßigen Arbeitsrhythmus sich selbst, ihre Kollegen oder sonstige Personen verletzen und weder kurzfristig noch langfristig ihre Gesundheit schädigen.“

B.   Slowenisches Recht

10.

Art. 142 des Zakon o delovnih razmerjih (Gesetz über die Arbeitsverhältnisse, ZDR‑1, Uradni list RS Nr. 21/2013 ff.) sieht Folgendes vor:

„(1)   Arbeitszeit umfasst die effektive Arbeitszeit und die Ruhepause gemäß Art. 154 dieses Gesetzes sowie die Zeit der entschuldigten Abwesenheit von der Arbeit gemäß Gesetz und Tarifvertrag bzw. Allgemeinem Akt.

(2)   Effektive Arbeitszeit umfasst den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer arbeitet, was bedeutet, dass er dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Arbeitsverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag erfüllt.

(3)   Die effektive Arbeitszeit bildet die Grundlage für die Berechnung der Arbeitsproduktivität.“

11.

Art. 46 der Kolektivna pogodba za javni sektor (Tarifvertrag für den öffentlichen Sektor, KPJS, Uradni list RS Nr. 57/2008 ff.) bestimmt:

„Öffentlichen Bediensteten steht für Bereitschaftsdienst ein Zuschlag in Höhe von 20 % des Stundensatzes des Grundgehalts zu. Bei öffentlichen Bediensteten zählt der Bereitschaftsdienst nicht als Arbeitszeit.“

12.

Art. 6 der internen Arbeitszeitregelung von Radiotelevizija Slovenia vom 22. Dezember 2010 (im Folgenden: interne Arbeitszeitregelung) sieht Folgendes vor:

„In Einheiten oder Abteilungen kann Arbeitsbereitschaft oder eine andere Form von Bereitschaftsdienst eingeführt werden, wenn Arbeiten zum Schutz vor Natur- und anderen Katastrophen oder wegen außergewöhnlicher Umstände, die vom Willen des Arbeitgebers unabhängig sind und von ihm nicht verhindert werden können, ohne Unterbrechungen bzw. an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer bestimmten Frist durchgeführt werden müssen.“

13.

Art. 8 der internen Arbeitszeitregelung bestimmt:

„Arbeitsbereitschaft ist der Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer nicht frei über seine Zeit verfügen kann und an seinem Arbeitsplatz oder an einem anderen, vom Leiter der Gruppe bestimmten Arbeitsplatz zur Verfügung stehen muss, um seine normale Arbeit und/oder bestimmte im Zusammenhang mit der Arbeit stehende Tätigkeiten und Aufgaben aufzunehmen. Als Arbeitsbereitschaft gilt auch die Fahrt zum Arbeitsplatz als Beifahrer.“

14.

Art. 9 der internen Arbeitszeitregelung lautet:

„Die gesamte Zeit der Arbeitsbereitschaft zählt als Arbeitszeit.“

15.

Schließlich heißt es in Art. 16 der internen Arbeitszeitregelung:

„Nach Maßgabe des Arbeitsprozesses und der jährlichen Arbeitsverteilung auf dem Niveau von OE (Organisationseinheiten) bzw. PPE (programmbezogene Produktionseinheiten) kann Bereitschaftsdienst angeordnet werden. Bereitschaftsdienst bedeutet die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers außerhalb seiner Arbeitszeit per Telefon oder in anderer Weise, damit im Bedarfsfall die Anwesenheit am Arbeitsplatz gesichert ist. Die Zeit bis zur Ankunft am Arbeitsplatz darf maximal eine Stunde betragen. Der Bereitschaftsdienst muss mindestens zwei Tage im Voraus und mit Zustimmung des Arbeitnehmers schriftlich angeordnet werden. Die schriftliche Anordnung (Formular 5) von Bereitschaftsdienst kann monatlich, wöchentlich oder täglich erfolgen.

Die Zeit des Bereitschaftsdienstes zählt nicht als Arbeitszeit.“

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16.

Der Kläger war als spezialisierter Sendetechniker in den Sendeanlagen von Pohorje (Slowenien) und anschließend von Krvavec (Slowenien) vom 1. August 2008 bis zum 31. Januar 2015 beschäftigt.

17.

Die Art der Arbeit, die Entfernung dieser Sendeanlagen vom Wohnort des Klägers – aufgrund deren es selbst bei günstigsten Wetterbedingungen unmöglich war, jeden Tag von einer dieser Anlagen zum eigenen gewöhnlichen Wohnsitz zurückzukehren – sowie der zeitweise erschwerte Zugang zu den Sendeanlagen machten einen Aufenthalt des Klägers in den Sendeanlagen erforderlich.

18.

Daher ermöglichte der Arbeitgeber den Aufenthalt von D. J. und einem anderen Techniker, die in jeder dieser Sendeanlagen jeweils gleichzeitig anwesend waren, in den Gebäuden der Sendeanlagen (mit Küche, Aufenthaltsraum, Ruheraum und Badezimmer).

19.

Nach Erbringung der Arbeitsverpflichtungen konnten die beiden Techniker sich im Aufenthaltsraum ausruhen oder in der Umgebung Freizeitaktivitäten im Rahmen der Möglichkeiten, die der jeweilige Standort bot, nachgehen.

20.

Die beiden Techniker wechselten sich bei der Arbeit turnusmäßig bzw. in Schichten ab: einer von 6.00 bis 18.00 Uhr und der andere von 12.00 bis 24.00 Uhr. D. J. übernahm hauptsächlich die zweite Schicht.

21.

Die Arbeit in diesem Zeitraum wurde als „reguläre Arbeit“ angesehen, die die Anwesenheit am Arbeitsplatz erforderte; im Durchschnitt umfasste sie zwei bis drei Stunden „effektive“ Arbeit. Die restliche Arbeitszeit bestand aus Sitzen vor dem Monitor, Beobachtung der laufenden Sendungen, Warten auf einen eventuellen Alarm und entsprechendes Eingreifen, wenn dies erforderlich war.

22.

Der Arbeitgeber rechnete das Gehalt von D. J. auf der Grundlage von zwölf Stunden regulärer Arbeit, nach der oben dargelegten Gestaltung, ab (für die persönliche Anwesenheit von D. J. am Arbeitsplatz) und wertete hingegen die Zeit von 0.00 bis 6.00 Uhr morgens als Ruhezeit, für die er ihm kein Gehalt zahlte. Die restlichen sechs Stunden des Tages (von 6.00 bis 12.00 Uhr) rechnete der Arbeitgeber als Rufbereitschaftsdienst ab.

23.

Während des Rufbereitschaftsdiensts konnte sich der Beschäftigte von der Sendeanlage entfernen und sich ohne Einschränkungen an einen anderen Ort begeben. Der Beschäftigte musste jedoch im Fall des Rufs zum Einsatz erreichbar und, falls erforderlich, innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz sein, wobei nur dringende Arbeiten sofort zu erledigen waren, während alle anderen Arbeiten auch am darauffolgenden Tag ausgeführt werden konnten.

24.

Für diese Rufbereitschaftsdienste zahlte der Arbeitgeber D. J. einen Zuschlag (Ausgleichszahlung) in Höhe von 20 % des Grundgehalts. Wenn während dieser Rufbereitschaftsdienste nach einem Ruf zum Einsatz ein tatsächliches Tätigwerden des Beschäftigten erforderlich wurde (mit Rückkehr an den Arbeitsplatz), wurde die hierfür in Anspruch genommene Zeit als reguläre Arbeit gemäß Art. 16 der internen Arbeitszeitregelung abgerechnet und vergütet.

25.

D. J. erhob für die Stunden, in denen er zur Rufbereitschaft (sechs Stunden pro Tag) verpflichtet wurde, Klage auf Bezahlung nach dem gleichen Tarif wie für Überstunden. Seine Forderung begründete er zunächst damit, dass er am Ort der Arbeitserbringung gelebt habe und dass aus diesem Grund davon auszugehen gewesen sei, dass er tatsächlich 24 Stunden am Tag am Arbeitsplatz anwesend gewesen sei. Insoweit habe er über seine Zeit nicht frei verfügen können, auch nicht während seiner freien Zeit, weil er während der Rufbereitschaftsdienste auf die Rufe zum Einsatz habe reagieren müssen und, wenn dies notwendig gewesen sei, innerhalb einer Stunde am Arbeitsplatz habe sein müssen. Außerdem habe es in der Nähe der Sendeanlagen nicht viele Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gegeben, und er habe sich infolgedessen in den meisten Fällen die ganze Zeit in den Räumlichkeiten der Sendeanlagen aufgehalten.

26.

Die Gerichte in erster und zweiter Instanz wiesen die Forderung von D. J. nach Vergütung der Überstunden zurück.

27.

Der Kläger legte sodann beim vorlegenden Gericht Revision ein mit der Begründung, der Begriff „effektive Arbeitszeit“ umfasse nicht nur die Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeitsleistungen erbringe, sondern auch die gesamte Zeit, in der er auf Anordnung des Arbeitgebers am Arbeitsplatz anwesend sei. Der Arbeitgeber habe dem Kläger in Wirklichkeit Arbeitsschichten von mehreren Tagen auferlegt und habe das Institut der Rufbereitschaft missbraucht, um ihn im Hinblick auf die Entlohnung für die Zeit, in der er zur Verfügung habe stehen müssen, zu benachteiligen.

28.

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits die Vergütung für die Zeit sei, die der Kläger in Rufbereitschaft verbracht habe. Wenngleich eine solche Frage nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88 falle, könne es über die Begründetheit des Anspruchs von D. J. erst nach der Beantwortung der Vorlagefragen entscheiden.

29.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts weist der vorliegende Rechtsstreit Aspekte auf, die sich von anderen Fällen, über die der Gerichtshof bereits befunden habe, unterschieden.

30.

Zunächst seien, anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap (C‑303/98, EU:C:2000:528), ergangen sei, die persönliche Anwesenheit von D. J. während des Rufbereitschaftsdiensts und seine Verfügbarkeit am Arbeitsplatz weder erforderlich noch verlangt gewesen, es sei denn, es wäre ein Tätigwerden erforderlich, und anders als in der Rechtssache, in der das Urteil vom 9. September 2003, Jaeger (C‑151/02, EU:C:2003:437), ergangen sei, seien wegen der geografischen Lage (und nicht wegen der Notwendigkeit, erreichbar zu sein) die Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten und sich den eigenen Interessen zu widmen, für D. J. stärker eingeschränkt gewesen.

31.

Außerdem unterscheide sich die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache, in der das Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578), ergangen sei, dadurch, dass die als Arbeitszeit einzustufenden Fahrzeiten zum Standort der Kunden nicht mit den Bereitschaftszeiten gleichgesetzt werden könnten.

32.

Schließlich unterscheide sich auch die Rechtssache, in der das Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82), ergangen sei, insoweit vom Fall im vorliegenden Rechtsstreit, als nicht nur von D. J. nicht verlangt worden sei, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, sondern auch der Zeitraum, innerhalb dessen sein etwaiges Tätigwerden erforderlich gewesen sei, wesentlich länger gewesen sei (eine Stunde statt acht Minuten).

33.

Unter diesen Umständen hat der Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) das Ausgangsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache der Bereitschaftsdienst, während dessen der in einer Rundfunk-Sendeanlage diensttuende Arbeitnehmer in der Zeit, in der er frei hat (seine persönliche Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht erforderlich ist), telefonisch erreichbar und erforderlichenfalls innerhalb von einer Stunde am Arbeitsplatz sein muss, als Arbeitszeit anzusehen ist?

2.

Wird die Bestimmung der Natur des Bereitschaftsdiensts unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache dadurch beeinflusst, dass der Arbeitnehmer in einer Unterkunft am Ort der Arbeitserbringung (Rundfunk-Sendeanlage) wohnt, weil die geografische Besonderheit des Ortes die tägliche Rückkehr nach Hause („ins Tal“) unmöglich macht (oder erschwert)?

3.

Fällt die Antwort auf die vorherigen Fragen anders aus, wenn es sich um einen Ort handelt, an dem die Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten aufgrund der geografischen Besonderheit des Ortes begrenzt sind bzw. der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Freizeit und der Verfolgung eigener Interessen mehr eingeschränkt ist, als er es wäre, wenn er sich zu Hause aufhielte?

III. Rechtliche Würdigung

A.   Vorbemerkungen

1. Zur Zulässigkeit

34.

Die auf Art. 153 Abs. 2 AEUV beruhende Richtlinie 2003/88 beschränkt sich darauf, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, und gilt nach Abs. 5 dieses Artikels nicht für Fragen des Arbeitsentgelts der Arbeitnehmer, die in ihren Anwendungsbereich fallen, mit Ausnahme des in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie geregelten besonderen Falles des bezahlten Jahresurlaubs ( 3 ); sie findet daher grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung der Arbeitnehmer.

35.

Der Umstand, dass der Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine Klage auf Gehaltszahlung für die Rufbereitschaftszeiten als Überstunden ist, bedeutet nicht, dass die dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Fragen nicht zu beantworten sind.

36.

Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass das nationale Gericht wissen möchte, wie Art. 2 der Richtlinie 2003/88 auszulegen ist, was seiner Auffassung nach erforderlich ist, um den Ausgangsrechtsstreit zu entscheiden. Darauf, dass es in diesem Rechtsstreit letztlich um eine Frage des Arbeitsentgelts geht, kommt es nicht an, da es Sache des nationalen Gerichts und nicht des Gerichtshofs ist, diese Frage im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits zu entscheiden ( 4 ).

37.

Ich bin daher der Ansicht, dass die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zulässig sind.

B.   Ziel der Richtlinie, Begriff der Arbeitszeit und des Bereitschaftsdiensts

38.

Ziel der Richtlinie 2003/88 ist es, Mindestvorschriften festzulegen, die dazu bestimmt sind, den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern, wobei dieses Ziel u. a. durch eine Angleichung der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften erreicht wird ( 5 ).

39.

Dieses Streben ist ein Schlüsselelement bei der Gestaltung des europäischen Sozialrechts. Nachdem der Gesetzgeber auf der Grundlage von Art. 153 AEUV in der Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 die allgemeinen Grundsätze für den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer festgelegt hatte, konkretisierte er diese Leitlinien mittels einer Reihe von Einzelrichtlinien. Dazu gehört die Richtlinie 2003/88, mit der die vorherige Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 kodifiziert wurde ( 6 ).

40.

Für die Erreichung dieser Ziele legt die Richtlinie 2003/88 tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten sowie eine durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden einschließlich der Überstunden fest.

41.

Über diese Bestimmungen wird Art. 31 der Charta der Grundrechte umgesetzt, der, nachdem er in Abs. 1 anerkennt, dass „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen [hat]“, in Abs. 2 bestimmt, dass „[j]ede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub [hat]“. Dieses Recht steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Achtung der Menschenwürde, die in Titel I der Charta allgemein geschützt ist ( 7 ).

42.

In diesem systematischen Rahmen hat der Gerichtshof bestätigt, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2003/88 besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Union sind, die jedem Arbeitnehmer als ein zum Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit bestimmter Mindestanspruch zugutekommen müssen ( 8 ), wobei dieser Schutz nicht nur im individuellen Interesse des Arbeitnehmers, sondern auch im Interesse seines Arbeitgebers sowie der Allgemeinheit liegt ( 9 ).

43.

Eine erste Folgerung, die meines Erachtens aus dem instrumentalen Zusammenhang zwischen der Richtlinie 2003/88 und den von der Charta anerkannten sozialen Grundrechten gezogen werden kann, ist, dass die Auslegung der Richtlinie 2003/88 und die Bestimmung ihres Anwendungsbereichs die umfassende und tatsächliche Inanspruchnahme der von ihr den Arbeitnehmern zuerkannten subjektiven Rechte ermöglichen müssen, wobei jedes Hindernis zu beseitigen ist, das diese Inanspruchnahme tatsächlich begrenzen oder beeinträchtigen kann ( 10 ).

44.

Zu diesem Zweck ist bei der Auslegung und Umsetzung der Richtlinie 2003/88 zu berücksichtigen, dass, wie der Gerichtshof mehrmals festgestellt hat, der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann ( 11 ).

45.

Daher stellte der Schutzzweck den Orientierungspunkt dar, von dem sich der Gerichtshof bei der Auslegung der Richtlinie 2003/88 leiten ließ.

46.

Ein klares und aussagekräftiges Beispiel für die teleologisch orientierte Auslegung des Gerichtshofs findet sich zunächst in seiner Auslegung der Definitionen von „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“; eine Auslegung, die schwerwiegende Auswirkungen auf die regulatorischen Gleichgewichte in mehreren Mitgliedstaaten gehabt hat ( 12 ).

47.

Die Richtlinie definiert nämlich den Begriff Arbeitszeit für Zwecke der Anwendung des in ihr vorgesehenen Schutzes als „jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer … arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt ( 13 )“. Spiegelbildlich ist die Ruhezeit„jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit“ (Art. 2 Nrn. 1 und 2).

48.

Der Gerichtshof hat mehrmals entschieden, dass die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“ im Sinne der Richtlinie 2003/88 unionsrechtliche Begriffe darstellen, die anhand objektiver Merkmale unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des Zwecks der Richtlinie zu bestimmen sind, der darin besteht, Mindestvorschriften zur Verbesserung der Lebens‑ und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer aufzustellen ( 14 ). Daher „dürfen [sie] … nicht nach Maßgabe der Vorschriften der Regelungen der verschiedenen Mitgliedstaaten ausgelegt werden … Nur eine solche autonome Auslegung kann die volle Wirksamkeit dieser Richtlinie und eine einheitliche Anwendung der genannten Begriffe in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherstellen. … Der Umstand, dass die Definition des Begriffes Arbeitszeit auf die ‚einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten‘ verweist, bedeutet daher nicht, dass die Mitgliedstaaten den Inhalt dieses Begriffes einseitig festlegen können. Die Mitgliedstaaten dürfen den Anspruch des Arbeitnehmers auf ordnungsgemäße Berücksichtigung der Arbeitszeiten und dementsprechend der Ruhezeiten somit keinerlei Bedingungen unterwerfen, da dieser Anspruch sich unmittelbar aus den Vorschriften dieser Richtlinie ergibt. Jede andere Auslegung würde dem Ziel der Richtlinie 93/104[ ( 15 )] zuwiderlaufen, [durch Mindestvorschriften] den Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu harmonisieren“ ( 16 ).

49.

Der Gerichtshof vertritt daher entschieden einen zweigleisigen Ansatz: Die Zeit des Arbeitnehmers ist entweder Arbeitszeit oder Ruhezeit.

50.

Die Begriffe „Arbeitszeit“ und „Ruhezeit“„[schließen] einander aus…“ ( 17 ). Beim derzeitigen Stand des Unionsrechts „[ist] die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer im Rahmen seiner für seinen Arbeitgeber erbrachten Tätigkeiten verbringt, entweder als ‚Arbeitszeit‘ oder als ‚Ruhezeit‘ einzuordnen“ ( 18 ).

51.

In der Lehre wurde die Ansicht vertreten, dass „dieses zweigleisige System den Vorteil der Einfachheit hat, doch ist es nicht ohne Nachteile“ ( 19 ). Es wurde nämlich u. a. ausgeführt, dass während des Rufbereitschaftsdiensts, auch wenn der Arbeitnehmer keine Arbeit verrichte, seine Bewegungsfreiheit, die Qualität seiner Ruhezeit, die Fähigkeit, sich den eigenen Interessen zu widmen, beschränkt, wenn auch nicht völlig ausgeschlossen, sei; es könne vorkommen, dass er, wenn die Rufbereitschaftsdienste als Ruhezeit eingestuft würden, systematisch zwischen zwei Arbeitszeiten in Bereitschaft wäre.

52.

In der Lehre fand insoweit eine umfassende Diskussion über die Möglichkeit statt, ein tertium genus zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit zu bestimmen ( 20 ).

53.

Beim derzeitigen Stand kann meines Erachtens eine Überwindung der bestehenden starren Dichotomie, auch wenn ich Verständnis für die den Vorschlägen zu ihrer Überwindung zugrunde liegenden Erfordernisse habe ( 21 ), gegebenenfalls nur vom europäischen Gesetzgeber eingeführt werden.

54.

Insoweit weise ich darauf hin, dass ich bei der etwaigen Einführung einer „Grauzone“ zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit ( 22 ) gewisse Risiken hinsichtlich der konkreten Anwendung in allen Ländern und damit der Rechtssicherheit sehe.

55.

Es erscheint mir jedenfalls sehr schwierig, diese Überwindung im Wege der Auslegung zu erreichen, da die Norm klar und eindeutig ist: Jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit ist Ruhezeit ( 23 ).

56.

Um nun wieder zu den in Art. 2 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Elementen zurückzukehren, die den Begriff Arbeitszeit kennzeichnen, wurden diese gut zusammengefasst in: 1) ein räumliches (am Arbeitsplatz sein), 2) ein weisungsbezogenes (dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen) und 3) ein berufsbezogenes Kriterium (seine Tätigkeit ausüben oder seine Aufgaben wahrnehmen) ( 24 ).

57.

Wie wir sehen werden, hat der Gerichtshof im Hinblick auf eine teleologische Auslegung von einer wörtlichen Auslegung dieser Bestimmung der Richtlinie abgehen müssen ( 25 ).

58.

In den Urteilen im Bereich des Bereitschaftsdiensts ist der Gerichtshof nämlich einer kohärenten Entwicklung gefolgt, um einen soliden Rahmen für die Auslegung der Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit zu bieten, mit dem Zweck, die von den Arbeitnehmern in dieser besonderen Situation zurückgelegten Zeiten dem einen oder dem anderen Begriff zuzuordnen.

59.

Der Gerichtshof hat bereits in den ersten Urteilen zu diesem Thema ( 26 ) zwei Fälle unterschieden: 1) Bereitschaftsdienst in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsplatz (Arbeitsbereitschaft am Arbeitsplatz); 2) Bereitschaftsdienst in der Weise, dass die Arbeitnehmer ständig erreichbar sind, ohne jedoch zur Anwesenheit am Arbeitsplatz verpflichtet zu sein (Rufbereitschaft).

60.

Der erste Fall wirft kein besonderes Auslegungsproblem auf, da nunmehr unstreitig ist, dass bei einem Arbeitnehmer, der verpflichtet ist, sich zur Erbringung seiner beruflichen Leistungen am Arbeitsplatz aufzuhalten und verfügbar zu sein, davon auszugehen ist, dass er sich in Wahrnehmung seiner Aufgaben befindet, und daher in Arbeitszeit ( 27 ), auch für den Zeitraum, in dem er keine konkrete berufliche Tätigkeit ausübt.

61.

Der zweite Fall, der auch der Fall ist, um den es in der vorliegenden Rechtssache geht, ist unter dem Gesichtspunkt der Auslegung sicher komplexer.

62.

Für den Fall von Rufbereitschaft hat der Gerichtshof nämlich, auch aufgrund der gestellten Vorlagefragen, unterschiedliche Grundsätze aufgestellt, die jedoch kohärent auf den oben angeführten teleologischen Ansatz zurückgeführt werden können.

63.

Den Ausgangspunkt bildete das Urteil Simap, das Ärzte in Teams zur medizinischen Grundversorgung im Bereitschaftsdienst betraf, die in einer Gesundheitseinrichtung arbeiteten. Einen Teil dieses Dienstes mussten sie durch persönliche Anwesenheit an ihrem Arbeitsplatz leisten, während sie in der restlichen Zeit lediglich in „Rufbereitschaft“ sein mussten.

64.

Im zweiten Fall konnten die Ärzte, auch wenn sie ihrem Arbeitgeber insoweit zur Verfügung standen, als sie erreichbar sein mussten, freier über ihre Zeit verfügen und eigenen Interessen nachgehen. Diese Zeit fiel daher in die Kategorie „Ruhezeit“, mit Ausnahme der Zeit, die nach dem Ruf des Arbeitgebers tatsächlich im Dienst geleistet wurde.

65.

Der Fall Matzak ( 28 ) unterscheidet sich von Simap dadurch, dass sich der Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz befindet, um sofort auf den Ruf zu reagieren, sondern sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort ( 29 ) aufhält (in diesem Fall dem Wohnsitz des Arbeitnehmers) und der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten.

66.

Im Wesentlichen hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Rufbereitschaftsdienst wie der von Herrn Matzak in vollem Umfang als Arbeitszeit anzusehen ist, da er, auch wenn er nicht am Arbeitsplatz geleistet wurde, geografischen Einschränkungen (Rufbereitschaft an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort) und zeitlichen Einschränkungen (Verpflichtung, nach einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums an den Arbeitsplatz zurückzukehren) unterworfen war, die die Freiheit des Arbeitnehmers erheblich einschränken können, sich in der Ruhezeit seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.

67.

Den Aufenthalt an einem „vom Arbeitgeber bestimmten Ort“ hat der Gerichtshof als gleichbedeutend mit dem Aufenthalt „am Arbeitsplatz“ angesehen, da er mit dem Umstand verbunden war, dass die Reaktion auf den Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb einer so kurzen Zeit erfolgen musste, dass sie fast eine „sofortige“ Reaktion war.

68.

Der Gerichtshof hat daher, wie bereits in Bezug auf die am Arbeitsplatz geleisteten Bereitschaftsdienste ( 30 ), aus dem Nebeneinanderbestehen von zwei Elementen des Begriffs Arbeitszeit das Vorliegen des dritten abgeleitet: An einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein und für die Ausübung der Arbeit bereit zu sein bedeuten nur dann auch die Ausübung der eigenen Arbeit, wenn die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers besonders kurz ist.

69.

Der Rechtsprechung des Gerichtshofs lässt sich daher entnehmen, dass drei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um den Rufbereitschaftsdienst als Arbeitszeit anzusehen: 1) Der Arbeitnehmer hält sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort auf, 2) der Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber zur Verfügung, um einem Ruf Folge zu leisten, und 3) die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers ist besonders kurz.

70.

Der Gerichtshof wird heute ersucht, zu beurteilen, ob das Vorliegen dieser Elemente im Hinblick auf die mehrmals angeführte teleologische Auslegung der Richtlinie 2003/88 stets erforderlich ist, um die Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit einzustufen, und ob diese Verpflichtungen konkret im Licht der Einschränkungen zu beurteilen sind, denen der Arbeitnehmer unterliegt, um festzustellen, ob diese es verhindern können, dass er sich in der Ruhezeit tatsächlich seinen eigenen Interessen widmen kann.

C.   Vorlagefragen: vom Arbeitgeber auferlegte Einschränkungen und tatsächliche Ruhezeit

71.

Mit seinen drei Vorlagefragen möchte das nationale Gericht wissen, ob Art. 2 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass die dem Arbeitnehmer angeordnete Rufbereitschaft unter den Umständen des vorliegenden Falls als „Arbeitszeit“ oder im Gegenteil als „Ruhezeit“ im Sinne der Begriffsbestimmungen dieser Richtlinie einzustufen ist.

72.

Die vom vorlegenden Gericht dargelegten besonderen Umstände, die es dazu veranlasst haben, daran zu zweifeln, ob ein Fall wie der von ihm zu beurteilende möglicherweise von den Situationen, die der Gerichtshof bereits geprüft hat, umfasst ist, sind folgende: a) der Umstand, dass der Arbeitnehmer telefonisch erreichbar und erforderlichenfalls innerhalb von einer Stunde am Arbeitsplatz sein muss, b) der Umstand, dass der Arbeitnehmer in einer Unterkunft am Ort der Arbeitserbringung wohnt, weil die geografischen Besonderheiten des Ortes die tägliche Rückkehr nach Hause unmöglich machten (oder erschwerten), und c) der Umstand, dass es sich um einen Ort handelt, an dem die Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten aufgrund der geografischen Besonderheiten des Ortes begrenzt waren.

73.

Die nach alledem vorzunehmenden Beurteilungen betreffen: den Ort, an dem sich der Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft befinden muss; die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers; die geografischen Besonderheiten des Arbeitsplatzes.

74.

Was das erste Element, das räumliche, betrifft, so geht aus den Akten klar hervor, und dieser Umstand ist auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden, dass der Arbeitnehmer rechtlich nicht verpflichtet war, während der Zeit der Rufbereitschaft am Arbeitsplatz oder an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu bleiben: Es stand ihm nämlich frei, seine Zeit dort zu verbringen, wo er wollte, und die einzige Einschränkung, die ihm auferlegt wurde, war es, innerhalb einer Stunde auf den Ruf des Arbeitgebers zu reagieren.

75.

Das zweite Element, das zeitliche, scheint weit davon entfernt zu sein, als eine fast „sofortige“ Reaktion angesehen werden zu können: Eine Stunde erscheint nämlich als eine ausreichende Reaktionszeit, um eine Planung einer Ruhezeit in Erwartung eines Rufs des Arbeitgebers zum Einsatz zu ermöglichen.

76.

Wie sich aus den Vorlagefragen ergibt, lässt das dritte Element, bezüglich der geografischen Besonderheiten des Arbeitsorts, das nationale Gericht daran zweifeln, ob die vom Arbeitnehmer in Rufbereitschaft verbrachte Zeit tatsächlich den Ruhezeiten zugerechnet werden kann. Aus der Akte geht nämlich hervor, dass sich der Fernsehsender, bei dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, im Hochgebirge befindet, von Wohngebieten weit entfernt ist und mit dem Tal mit einer Seilbahn verbunden ist, die nur zu bestimmten Zeiten in Betrieb ist; dass der Arbeitnehmer über kein selbständiges Beförderungsmittel verfügt, da er zu Beginn und am Ende des Zeitraums, den er im Fernsehsender verbringen wird, mit Mitteln des Arbeitgebers hingebracht und wieder abgeholt wird; dass der Wohnsitz des Arbeitnehmers am selben Tag für den Arbeitnehmer nicht erreichbar ist und er daher gehalten ist, sich im gesamten Zeitraum in Nebenräumen des Fernsehsenders aufzuhalten, in einer Unterkunft, die ihm vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.

77.

Meines Erachtens kann ein solcher Umstand, die geografische Besonderheit des Arbeitsorts, nichts an der Einstufung der Zeiten der Rufbereitschaft, von Ruhezeit in Arbeitszeit, ändern, weder unter dem Gesichtspunkt der Entfernung und der damit verbundenen schwierigen Erreichbarkeit seiner Wohnung durch den Arbeitnehmer noch unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung der Möglichkeiten des Arbeitnehmers für Freizeitaktivitäten.

78.

Der Arbeitsort gehört zu den organisatorischen Entscheidungen des Unternehmers, und die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu dem einen oder anderen Standort unterliegt der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer ist daher verpflichtet, seine Arbeitsverpflichtungen im Interesse des Unternehmens an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort zu erfüllen.

79.

Unter dem ersten Gesichtspunkt ist der Umstand, dass die Arbeitsleistung an einem Ort zu erbringen ist, der von der Wohnung des Arbeitnehmers weit entfernt ist, nach allgemeiner Lebenserfahrung relativ häufig ( 31 ), und in vielen Fällen ist es für den Arbeitnehmer unmöglich oder besonders schwierig, am Ende des Arbeitstags nach Hause zu kommen.

80.

In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer die Wahl, seinen Wohnsitz entsprechend den Erfordernissen der Arbeit zu ändern oder einen Teil der Woche oder auch längere Zeiträume von zu Hause entfernt zu verbringen. Der Arbeitgeber kann nicht verpflichtet werden, den Arbeitsplatz nach dem Wohnsitz des Arbeitnehmers festzulegen.

81.

Sodann ist in bestimmten Situationen der Ort, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird, seiner Natur nach von Wohngebieten weit entfernt und kann den Arbeitnehmer auch über sehr lange Zeiträume von zu Hause fernhalten: Zu denken ist z. B. an die Arbeit auf See oder auf Ölplattformen.

82.

Schließlich hängt ein solcher Umstand nicht unmittelbar von der Verpflichtung zur Rufbereitschaft ab: Die in den Akten beschriebenen Merkmale scheinen nämlich die Möglichkeit auszuschließen, dass der Arbeitnehmer, auch ohne eine Verpflichtung zur Rufbereitschaft, jeden Tag nach Hause zurückkehren hätte können.

83.

Daraus folgt, dass die Entfernung vom Arbeitsplatz, insbesondere, wenn er vorübergehend ist, vom Wohnsitz des Arbeitnehmers für die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft keine Rolle spielen kann.

84.

Außerdem ermöglichen es die modernen Technologien viel mehr als in der Vergangenheit, auch von Weitem mit seinen Familienangehörigen und seinen Neigungen „verbunden“ zu bleiben.

85.

Unter dem zweiten Gesichtspunkt scheinen die beschränkten Möglichkeiten des Arbeitnehmers für Freizeitaktivitäten ein Kriterium zu sein, das keinen Einfluss auf die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft haben kann.

86.

Das Unionsrecht gewährleistet dem Arbeitnehmer nämlich den Anspruch, abwechselnd mit der Arbeitszeit in den Genuss von Ruhezeiten zu kommen, die es ihm ermöglichen, psychische und physische Energie zurückzuerlangen. Auch der Begriff „ausreichende Ruhezeiten“ ( 32 ) beschränkt sich darauf, sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer über regelmäßige und ausreichend lange und durchgehende Ruhezeiten verfügen müssen, damit sichergestellt ist, dass sie nicht wegen Übermüdung oder wegen eines unregelmäßigen Arbeitsrhythmus sich selbst, ihre Kollegen oder sonstige Personen verletzen und weder kurzfristig noch langfristig ihre Gesundheit schädigen.

87.

Der bloße Umstand, dass der Arbeitnehmer darin beschränkt, aber nicht vollständig daran gehindert ist, sich Freizeitaktivitäten zu widmen, scheint ohne Weiteres mit dem oben angeführten Begriff der angemessenen Ruhezeit vereinbar.

88.

Im vorliegenden Fall geht aus den Akten und auch aus einigen Erläuterungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung hervor, dass der Arbeitnehmer, wenn auch in einem besonderen geografischen Kontext, in der Lage war, sich während der Zeit der Rufbereitschaft zahlreichen Tätigkeiten zu widmen ( 33 ).

89.

Was schließlich die Überlassung einer Unterkunft für den Arbeitnehmer in der Nähe des Arbeitsplatzes anbelangt, so kann dieser Umstand keinen Einfluss auf die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft haben: Der Gerichtshof hat in der Rechtssache Grigore die Frage bereits dahin beantwortet, dass die Qualifizierung eines Zeitraums der Rufbereitschaft als „Arbeitszeit“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88 unabhängig von der Überlassung einer Dienstwohnung ist ( 34 ).

90.

Im vorliegenden Fall kann man meines Erachtens daher den Schluss ziehen, dass vorbehaltlich der Tatsachenfeststellungen, die Sache des nationalen Gericht sind, die teilweisen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und der Freiheit, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, sich nicht unmittelbar aus vom Arbeitgeber auferlegten Einschränkungen ergeben, sondern aus objektiven besonderen Umständen, die nicht in die vertragliche Verantwortlichkeit des Arbeitgebers fallen und nicht geeignet sind, die tatsächliche Ruhezeit des Arbeitnehmers während der Zeit der Rufbereitschaft zu beeinträchtigen.

91.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falls finden daher die Grundsätze Bestätigung, die der Gerichtshof bisher aufgestellt hat: Die entscheidenden Faktoren für die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit sind die vom Arbeitgeber auferlegten Einschränkungen, die es dem Arbeitnehmer nicht erlauben, eine angemessene Ruhezeit in Anspruch zu nehmen ( 35 ).

92.

Das letzte Element, das der Gerichtshof heute, ebenfalls im Hinblick auf den mehrfach angeführten teleologischen Ansatz bei der Auslegung der in der Richtlinie 2003/88 enthaltenen Begriffe, hinzufügen könnte, besteht darin, es nicht als notwendiges Element für die Eigenschaft der Rufbereitschaft als Arbeitszeit anzusehen, dass sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhält, sondern dass der Umstand ausreicht, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums tätig werden muss, um seine tatsächliche Arbeit zu verrichten.

93.

Der Gerichtshof hat, wie im kürzlich ergangenen Urteil Matzak, den von der Richtlinie verwendeten Ausdruck flexibel ausgelegt, der unter die Anforderungen an die Arbeitszeit diejenige einführt, zu „arbeiten“, die sich nicht nur auf den Arbeitsplatz, sondern auch auf einen anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort bezieht.

94.

Befindet sich der Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz, spielen, auch in einigen früheren vom Gerichtshof geprüften Fällen, die Unterworfenheit unter die vom Arbeitgeber auferlegten Einschränkungen und insbesondere die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers eine entscheidende Rolle, und nicht bereits der Umstand, dass er sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort oder in der Nähe des Arbeitsorts befindet.

95.

In den Rechtssachen Grigore und Tyco wurde nämlich der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer an einem bestimmten, vom Arbeitgeber festgelegten, Ort oder in der Nähe des Arbeitsplatzes aufhielt, in Bezug auf die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als neutral angesehen.

96.

In der Rechtssache Grigore hat der Gerichtshof, vor dem Hintergrund, dass die Überlassung einer Dienstwohnung in der Nähe des Arbeitsplatzes kein entscheidender Faktor für die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit oder Ruhezeit darstellte, dem nationalen Gericht jedoch die Beurteilung anhand des folgenden Kriteriums überlassen: Die Zeit der Rufbereitschaft könnte als Arbeitszeit angesehen werden, wenn festgestellt würde, dass „Verpflichtungen [bestehen], aufgrund deren der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort während der Wartezeiten nicht frei bestimmen kann“. Sie sind nämlich, wenn sie nachgewiesen sind, „als Bestandteil der Wahrnehmung seiner Aufgaben anzusehen“ ( 36 ).

97.

In der Rechtssache Tyco ( 37 ) hat der Gerichtshof hingegen entschieden, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Fahrzeit von Arbeitnehmern, die keinen festen Arbeitsort haben, zwischen ihrer Wohnung und den vom Arbeitgeber benannten Kunden als Arbeitszeit anzusehen ist, da diese Arbeitnehmer, obwohl sie während der Fahrt über einen gewissen Grad an Freiheit verfügen, gleichwohl nach den besonderen Anweisungen des Arbeitgebers handeln mussten.

98.

Die fühere Rechtsprechung des Gerichtshofs führt mich daher im Hinblick auf eine teleologische Auslegung, auf die ich bereits mehrfach Bezug genommen habe, zu der Annahme, dass der entscheidende Faktor bei der Einstufung der Zeiten der Rufbereitschaft die Intensität der Einschränkungen ist, die sich aus der Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Weisungen des Arbeitgebers ergeben, insbesondere die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers.

99.

Die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers ist der entscheidende Faktor, weil sie die Freiheit des Arbeitnehmers, sich seinen eigenen Interessen zu widmen und sich im Wesentlichen auszuruhen, unmittelbar objektiv und eindeutig beeinflusst: Eine Reaktionszeit von wenigen Minuten auf den Ruf des Arbeitgebers gestattet keine, auch nur veränderbare, Planung der eigenen Ruhezeit.

100.

Dagegen ermöglicht es eine angemessene Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer, sich während der Zeit der Rufbereitschaft anderen Tätigkeiten zu widmen, auch wenn er sich bewusst ist, dass ein Ruf in den Dienst möglich ist.

101.

Die Reaktionszeit wirkt sich meines Erachtens auch auf den Ort aus, an dem sich der Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft befinden muss ( 38 ): Es liegt auf der Hand, dass eine sehr kurze Reaktionszeit vom Arbeitnehmer verlangt, sich während der Rufbereitschaft in einem bestimmten geografischen Umkreis, der im Wesentlichen vom Arbeitgeber bestimmt wird, aufzuhalten ( 39 ). Der Arbeitgeber, auch wenn er den Arbeitnehmer nicht verpflichtete, an einem bestimmten Ort zu bleiben, würde ihm daher, wenn er ihm eine sehr kurze Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz auferlegte, tatsächlich auch eine erhebliche Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit auferlegen.

102.

Ich bin daher der Ansicht, dass nicht so sehr der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft befindet, eine entscheidende Rolle für die Einstufung dieser Zeit als Ruhezeit oder Arbeitszeit spielt, sondern die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers selbst, die sich aus der auferlegten Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz ergibt.

103.

Ich sehe nämlich keine großen Unterschiede hinsichtlich der Einschränkungen des Arbeitnehmers zwischen der Situation, in der er während der Zeit der Rufbereitschaft zu Hause bleiben muss, und derjenigen, dass er diese Verpflichtung nicht hat, aber verpflichtet ist, dem Ruf des Arbeitgebers innerhalb einer besonders kurzen Zeit Folge zu leisten.

104.

Wie oben ausgeführt, ist es meines Erachtens daher die Intensität der Einschränkungen, die sich aus der Unterwerfung unter die Weisungen des Arbeitgebers ergeben, die eine entscheidende Rolle für die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit oder Ruhezeit spielen. Die sich aus einer solchen Unterwerfung ergebenden Einschränkungen können die unterschiedlichsten sein, jedoch ist in erster Linie die Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz als entscheidend anzusehen.

105.

Die Auferlegung eines Ortes, an dem die Zeit der Rufbereitschaft zu verbringen ist, kann als Symptom der angeführten Intensität der Unterwerfung unter die Weisungen des Arbeitgebers nur im Rahmen einer Gesamtbeurteilung eine Rolle spielen.

106.

Auch wenn man die Situation aus der Sicht des Arbeitgebers untersucht, macht es die Möglichkeit, den Arbeitnehmer mit tragbaren elektronischen Mitteln (Mobiltelefone, Tablets, tragbare Computer) zu erreichen, die es ermöglichen, mit ihm jederzeit Kontakt aufzunehmen, weniger gerechtfertigt und verständlich, dass der Arbeitgeber verlangt, dass der Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft physisch an einem von ihm bestimmten Ort anwesend ist. Entscheidend für den Arbeitgeber ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Arbeitnehmer von dort, wo er sich gerade befindet, den ihm vom Arbeitgeber zugewiesenen Ort erreichen können muss.

107.

Nachdem der entscheidende Faktor für die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als Arbeits- oder Ruhezeit bestimmt ist, müssen den nationalen Gerichten einige zusätzliche Kriterien angeboten werden, die zu verwenden sind, wenn die hauptsächliche Einschränkung, die Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz, offensichtlich nicht so kurz ist, dass eine tatsächliche Ruhezeit des Arbeitnehmers verhindert wird.

108.

Wenn nämlich die Reaktionszeit auf den Ruf zum Einsatz offensichtlich kurz ist, nämlich auf wenige Minuten beschränkt, bin ich der Ansicht, dass dies genügt, um die Zeit der Rufbereitschaft ohne weitere Feststellungen aufgrund der vorstehenden Erwägungen als Arbeitszeit einzustufen: die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers ist in diesem Fall so beschränkt, dass davon auszugehen ist, dass auch der Aufenthaltsort durch die Vorschriften des Arbeitgebers eingeschränkt ist.

109.

Für den Fall, dass hingegen die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers kurz ist, aber nicht so kurz, dass die freie Wahl des Ortes, an dem der Arbeitnehmer die Zeit der Rufbereitschaft verbringt, fast völlig verhindert wird, können zusätzliche Kriterien herangezogen werden, die gemeinsam zu prüfen sind, wobei die Gesamtwirkung zu berücksichtigen ist, die alle Bedingungen der Durchführung in einem System der Rufbereitschaft auf die Ruhezeit des Arbeitnehmers haben können: Begrenzen die insgesamt auferlegten Einschränkungen daher die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, seine persönlichen und familiären Interessen und seine Freiheit, sich vom Arbeitsplatz wegzubewegen, wahrzunehmen, oder sind sie geeignet, diesen nahezu absolut entgegenzustehen? Es ist nämlich natürlich, dass die Zeit der Rufbereitschaft die Freiheit des Arbeitnehmers in gewissem Umfang einschränkt und begrenzt. Ziel des Unionsrechts ist es, zu verhindern, dass diese Beschränkungen derart einschneidend sind, dass sie dem Arbeitnehmer keine tatsächliche Ruhezeit ermöglichen.

110.

In diesem Sinne verstehe ich die Aufmerksamkeit, die der tatsächlichen Ruhezeit des Arbeitnehmers zu widmen ist. Dagegen wäre ich vorsichtiger, als Kriterium, auch wenn es von maßgeblicher Seite vorgeschlagen wurde ( 40 ), das der „Qualität der verbrachten Zeit“, die der Arbeitnehmer während eines Rufbereitschaftsdienstes genießen kann, zu verwenden. Meines Erachtens kann sich ein solches Kriterium nämlich als übermäßig subjektiv erweisen und daher unterschiedliche Auslegungen durch die nationalen Gerichte zulassen, auch aufgrund der unterschiedlichen Sensibilitäten in den einzelnen Ländern, was der Rechtssicherheit nicht zuträglich wäre.

111.

In ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ( 41 ) zahlreiche Kriterien vorgeschlagen, die in Einschränkungen bestehen, von denen die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft als Arbeits- oder Ruhezeit abhängen könnte: ob die Reaktion auf den Ruf des Arbeitgebers zwingend ist oder nicht; Handlungsspielraum des Arbeitnehmers gegenüber diesem Ruf (Möglichkeit des Tätigwerdens von außerhalb, etwaige Möglichkeit des Ersatzes durch einen anderen Arbeitnehmer); die Festsetzung von Sanktionen für das unterlassene Tätigwerden oder die Verspätung auf den Ruf zum Einsatz; Grad der Dringlichkeit des Tätigwerdens, Grad der Verantwortung des Arbeitnehmers, besondere Merkmale des Berufs, Entfernung zwischen dem Ort, an dem sich der Arbeitnehmer befindet, und dem Ort seines Dienstantritts, geografische Einschränkungen, die die Fahrt zu seinem Arbeitsplatz verlangsamen können, Notwendigkeit, Arbeitskleidung zu tragen, Verfügbarkeit eines Dienstfahrzeugs.

112.

Dazu kommt das Kriterium der vernünftigen Erwartung, in den Dienst gerufen zu werden, das Gegenstand der zweiten Vorlagefrage in der Rechtssache C‑580/19 ist, das darauf Bezug zu nehmen scheint, wie sich die Häufigkeit der Einsätze auf die Natur der tatsächlichen Ruhezeit in der Zeit der Rufbereitschaft auswirkt.

113.

Meines Erachtens sollte sich der Gerichtshof darauf beschränken, allgemeine und objektive Kriterien aufzustellen, ohne zu sehr auf die Besonderheit bestimmter Situationen einzugehen, und hingegen den nationalen Gerichten die Würdigung aller tatsächlichen Umstände überlassen.

114.

Ich glaube daher, dass man sich auf die Erläuterung einiger ergänzender Kriterien beschränken sollte, die wie oben dargestellt in Zweifelsfällen zu verwenden sind, die sich jedoch aus der Ausübung der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers ergeben – und dem damit verbundenen Zustand der Abhängigkeit des Arbeitnehmers, der in der Beziehung der Schwächere ist – und die sich nicht aus objektiven Situationen ergeben, die nichts mit dem Kontrollbereich des Arbeitgebers zu tun haben.

115.

Ich würde daher ausschließen, dass Umstände wie die für die Erreichung des Orts der Arbeitserbringung zu überwindende Entfernung (es sei denn, er unterscheidet sich vom gewöhnlichen Ort und ist somit nicht vom konkreten Willen des Arbeitgebers abhängig) oder auch geografische Einschränkungen, über die wie gesagt der Arbeitgeber nicht entscheiden kann, einer Beurteilung unterzogen werden können.

116.

Ich würde es auch ausschließen, dem Grad der Verantwortung und den erledigten spezifischen Aufgaben besondere Bedeutung beizumessen: die Rufbereitschaft ist eine Art der Gestaltung der Arbeit, die der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers überlassen ist. Für den Arbeitnehmer stellt die Reaktion auf den Ruf des Arbeitgebers die Erfüllung der Arbeitsverpflichtung dar, bei der er die normale Sorgfalt walten lassen muss. Ich bin daher der Ansicht, dass die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer zugunsten des Unternehmens, und zwar unabhängig von der erfolgten Einstufung und dem Grad der Verantwortung, mit demselben Einsatz zu erbringen ist. Es wäre nämlich schwierig, das Interesse des Unternehmens objektiv zu beurteilen, da das, was für ein Unternehmen von geringer Bedeutung sein kann, für ein anderes äußerst relevant sein kann. Das Gleiche gilt für das Kriterium des Grades der Dringlichkeit des Tätigwerdens sowie für die Natur und Bedeutung der mit der ausgeübten Tätigkeit verbundenen Interessen.

117.

Zwar kann der Grad des psychologischen Drucks auf den Arbeitnehmer je nach dem Grad der Verantwortung variieren, doch handelt es sich hierbei meines Erachtens um ein zu subjektives Element, um bei der Einstufung eine Rolle spielen zu können.

118.

Etwas anderes muss meines Erachtens bei einigen Kriterien gelten, die sich auf die Umstände beziehen, über die der Arbeitgeber entscheiden kann: der Handlungsspielraum des Arbeitnehmers gegenüber dem Ruf des Arbeitgebers könnte z. B. dann als ergänzendes Kriterium verwendet werden, wenn er in einer Flexibilität bei der Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers besteht oder wenn er in der Möglichkeit besteht, von außerhalb einzugreifen, ohne sich an den Arbeitsplatz zu begeben, oder auch, wenn der Arbeitnehmer damit rechnen kann, dass sein Ersatz durch einen anderen Arbeitnehmer möglich ist, der bereits am Arbeitsplatz ist oder diesen leichter erreichen kann.

119.

Gleiches gilt für die Folgen, die im Fall der Verspätung oder des unterlassenen Tätigwerdens bei einem Ruf zum Einsatz während der Zeit der Rufbereitschaft vorgesehen sind.

120.

Wie ich bereits ausgeführt habe, besteht die Reaktion auf den Ruf des Arbeitgebers im Fall der Rufbereitschaft für den Arbeitnehmer in der Erfüllung der Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber kann jedoch für die mangelhafte Erfüllung mehr oder weniger schwerwiegende Folgen vorsehen. Der Umstand, dass keine ausdrücklichen Sanktionen für die Nichterfüllung oder die verspätete Erfüllung vorgesehen sind, sowie die Höhe etwaiger vorgesehener Sanktionen könnten bei der Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft eine Rolle spielen.

121.

Auch Umstände, die offensichtlich weniger bedeutend sind, wie die Notwendigkeit, Funktionskleidung für die Arbeit zu tragen, und die Verfügbarkeit eines Dienstwagens für die Erreichung des Einsatzorts könnten eine Rolle bei der Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft spielen, insbesondere bei der Beurteilung der Angemessenheit der Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers.

122.

Wenn der Arbeitnehmer nämlich über eine relativ kurze Zeit verfügte, um während der Rufbereitschaft auf den Ruf zum Dienst zu reagieren, und wenn der Arbeitgeber ihn verpflichtete, innerhalb desselben Zeitraums eine spezifische, besonders komplexe Kleidung anzuziehen, bei der das Ankleiden besonders lange dauerte, könnte sich dieser Umstand auf die angeführte Beurteilung der Angemessenheit auswirken.

123.

Ebenso könnte sich im Gegenteil die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber zur Erreichung des Einsatzorts im Fall eines Rufs zum Einsatz, mit dem allenfalls aufgrund der Bedeutung der vom Einsatz betroffenen Interessen von der Einhaltung bestimmter Vorschriften der Straßenverkehrsordnung abgewichen werden kann, auf die Beurteilung der Angemessenheit im Sinne einer Erleichterung auswirken und somit könnte auch eine Reaktionszeit als angemessen anzusehen sein, die ohne diesen Umstand unangemessen scheinen könnte, um eine tatsächliche Ruhezeit zu gestatten.

124.

Ein anderer Umstand, über den der Arbeitgeber allerdings entscheiden kann, der sich meines Erachtens in Zweifelsfällen auf die Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft auswirken kann, betrifft die zeitliche Festlegung und die Dauer der Rufbereitschaft. Wenn dieser nämlich häufig in der Nacht oder an Feiertagen oder besonders lang ist, ist der Grad der Unannehmlichkeit für den Arbeitnehmer größer, als wenn sie tagsüber oder an Werktagen stattfindet.

125.

Was schließlich den Umstand der wahrscheinlichen Häufigkeit der Einsätze betrifft, der, wie dargelegt, insbesondere Gegenstand der zweiten Vorlagefrage in der verbundenen Rechtssache C‑580/19 ist, so kann dieser meines Erachtens zu den Umständen gehören, die in Zweifelsfällen bewertet werden können, jedoch ohne jeden Automatismus: eine geringe Häufigkeit von Einsätzen erlaubt es nicht, die Zeit der Rufbereitschaft als Ruhezeit einzustufen, so wie eine andere Häufigkeit es nicht gestattet, sie als Arbeitszeit anzusehen.

126.

Das Element, das bei einer Gesamtbeurteilung eine Rolle spielen kann, ist, ob und inwieweit der Arbeitnehmer normalerweise damit rechnen muss, während des Bereitschaftsdiensts zum Einsatz gerufen zu werden ( 42 ).

127.

Über diesen Umstand kann der Arbeitgeber, der in seiner betrieblichen Organisation Prognosen zum Erfordernis des Tätigwerdens vornehmen kann, zumindest teilweise im Rahmen seiner Weisungsbefugnis entscheiden.

128.

Wiederholen sich die Einsätze während der Zeiten der Rufbereitschaft häufig, so wird die Einbindung des Arbeitnehmers so umfassend, dass sie seine Möglichkeit, die Freizeit während dieser Zeiten zu planen, fast auf null reduziert, und sie könnten, wenn noch der Umstand einer kurzen Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers hinzukommt, seine tatsächliche Ruhezeit ernsthaft gefährden.

129.

Auf der Grundlage der bisher dargelegten Kriterien wird es Sache der nationalen Gerichte sein, nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls mit einem Ansatz, der darauf abzielt, die Gesamtwirkung zu berücksichtigen, die alle Bedingungen der Durchführung eines Systems der Rufbereitschaft auf die tatsächliche Ruhezeit des Arbeitnehmers haben können, die vom Arbeitnehmer in Rufbereitschaft verbrachte Zeit als Arbeitszeit oder als Ruhezeit einzustufen. Sie müssen konkret feststellen, ob die in Rufbereitschaft verbrachte Zeit, wie in der Regel, Ruhezeit ist oder ob sie aufgrund von besonders strengen Einschränkungen, die der Arbeitgeber eingeführt hat, ihre natürlichen Konturen verliert und sich in Arbeitszeit wandelt.

IV. Ergebnis

130.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Fragen des vorlegenden Gerichts wie folgt zu antworten:

1.

Art. 2 der Richtlinie 2003/88 ist dahin auszulegen, dass für die Einstufung einer Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit oder Ruhezeit der entscheidende Faktor die Intensität der Einschränkungen ist, die sich aus der Unterwerfung des Arbeitnehmers unter die Weisungen des Arbeitgebers ergeben, und insbesondere die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers.

Für den Fall, dass die Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers kurz, aber nicht so kurz ist, dass die freie Wahl des Ortes, an dem der Arbeitnehmer die Zeit der Rufbereitschaft verbringt, völlig verhindert wird, können zusätzliche Kriterien herangezogen werden, die insgesamt zu prüfen sind, wobei die Gesamtwirkung zu berücksichtigen ist, die alle Bedingungen der Durchführung in einem System der Rufbereitschaft auf die Ruhezeit des Arbeitnehmers haben können.

Diese ergänzenden Kriterien müssen sich aus der Ausübung der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers ergeben – und dem damit verbundenen Zustand der Abhängigkeit des Arbeitnehmers, der in der Beziehung der Schwächere ist – und dürfen sich nicht aus objektiven Situationen ergeben, die nichts mit dem Kontrollbereich des Arbeitgebers zu tun haben.

Sie können z. B. bestehen im Handlungsspielraum des Arbeitnehmers gegenüber dem Ruf des Arbeitgebers, in den Folgen, die im Fall der Verspätung oder des unterlassenen Tätigwerdens bei einem Ruf zum Einsatz vorgesehen sind, in der Notwendigkeit, Funktionskleidung für die Arbeit zu tragen, in der Verfügbarkeit eines Dienstwagens für die Erreichung des Einsatzorts, in der zeitlichen Festlegung und der Dauer der Zeit der Rufbereitschaft sowie in der mutmaßlichen Häufigkeit der Einsätze.

Unter den Umständen des vorliegenden Falls dürfte die Zeit der Rufbereitschaft eines Arbeitnehmers, der an einem Ort, der schwierig zu erreichen ist, arbeitet, ohne dass der Arbeitgeber ihm örtliche Einschränkungen auferlegt und bei einer Reaktionszeit auf den Ruf des Arbeitgebers von einer Stunde, vorbehaltlich der Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage der oben dargelegten Kriterien Sache des nationalen Gerichts sind, nicht als „Arbeitszeit“ einzustufen sein.

2.

Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer für bestimmte Zeiträume in einer Unterkunft in der Nähe des Ortes seiner Arbeitserbringung (Rundfunk-Sendeanlage) aufhält, weil die geografische Besonderheit des Ortes die tägliche Rückkehr nach Hause unmöglich macht (oder erschwert), beeinflusst die rechtliche Einstufung der Zeit der Rufbereitschaft nicht.

3.

Die Antwort auf die vorstehenden Fragen fällt, vorbehaltlich der Tatsachenfeststellungen, die auf der Grundlage der oben dargelegten Kriterien Sache des nationalen Gerichts sind, nicht anders aus, wenn es sich um einen Ort handelt, an dem die Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten aufgrund der geografischen Besonderheiten des Ortes begrenzt sind bzw. der Arbeitnehmer bei der Gestaltung seiner Freizeit und der Verfolgung eigener Interessen mehr eingeschränkt ist, als er es wäre, wenn er sich zu Hause aufhielte.


( 1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 2 ) Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).

( 3 ) Vgl. zuletzt Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 23 und 24), sowie bereits Urteil vom 26. Juli 2017, Hälvä u. a. (C‑175/16, EU:C:2017:617, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 4 ) Vgl. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 26).

( 5 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. November 2017, Maio Marques da Rosa (C‑306/16, EU:C:2017:844, Rn. 45), und vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578 Rn. 23).

( 6 ) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die vom Gerichtshof vorgenommene Auslegung der Art. 1 bis 8 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 1993, L 307, S. 18) in der durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. 2000, L 195, S. 41) geänderten Fassung auf die Art. 1 bis 8 der Richtlinie 2003/88 übertragbar, da deren Wortlaut im Wesentlichen identisch ist; vgl. u. a. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 32), sowie Beschluss vom 4. März 2011, Grigore (C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 7 ) Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Tanchev in der Rechtssache King (C‑214/16, EU:C:2017:439, Nr. 36).

( 8 ) Vgl. Urteile vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones Obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 24), und vom 1. Dezember 2005, Dellas u. a. (C‑14/04, EU:C:2005:728, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung); Beschluss vom 4. März 2011, Grigore (C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 41).

( 9 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:338, Nr. 52).

( 10 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache CCOO (C‑55/18, EU:C:2019:87, Nr. 39).

( 11 ) Vgl. Urteil vom 25. November 2010, Fuß (C‑429/09, EU:C:2010:717, Rn. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Urteil vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 41).

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne in der Lehre Leccese, V., „Directive 2003/88/EC concerning certain aspects of the organisation of working time“, in E. Ales, M. Bell, O. Deinert, S. Robin-Olivier (Hrsg.), International and European Labour Law. Article-by-Article Commentary, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2018, S. 1285-1332, insbesondere S. 1291.

( 13 ) Hervorhebung nur hier.

( 14 ) Vgl. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 62), und Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 27).

( 15 ) Dasselbe Ziel wie das der Richtlinie 2003/88, wie oben ausgeführt, für die daher die früheren Auslegungen der vorherigen Richtlinie durch den Gerichtshof gültig bleiben.

( 16 ) Vgl. Urteil vom 9. September 2003, Jaeger (C‑151/02, EU:C:2003:437, Rn. 58 und 59).

( 17 ) Vgl. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 55), Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap (C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 47), Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578, Rn. 26).

( 18 ) Vgl. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 55).

( 19 ) Kéfer, F., und Clesse, J., „Le temps de garde inactif, entre le temps de travail et le temps de repos“, in Revue de la Faculté de droit de l’Université Liège, 2006, S. 161.

( 20 ) Vgl. statt aller Supiot, A., Alla ricerca della concordanza dei tempi (le disavventure europee del ‚tempo di lavoro‘)“, in Lav. dir., 1997, S. 15 ff.; in der italienischen Lehre bereits Ichino, P., „L’orario di lavoro e i riposi. Artt. 2107-2109“, in P. Schlesinger (Hrsg.), Il Codice Civile. Commentario, Giuffrè Editore, Mailand, 1987, S. 27. In jüngerer Zeit Ray, J.‑E., „Les astreintes, un temps du troisième type“, in Dr. soc. (F), 1999, S. 250; Barthelemy, J., „Temps de travail et de repos: l’apport du droit communautaire“, in Dr. soc. (F), 2001, S. 78.

( 21 ) Vgl. Mitrus, L., „Potential implications of the Matzak judgement (quality of rest time, right to disconnect)“, in European Labour Law Journal, 2019, S. 393, wonach „das zweigleisige Verhältnis zwischen ‚Arbeitszeit‘ und ‚Ruhezeit‘ nicht immer die Erfordernisse des derzeitigen Arbeitsmarktes erfüllt“.

( 22 ) Alle in der mündlichen Verhandlung vertretenen Beteiligten haben sich gegen die Einführung eines tertium genus zwischen Arbeitszeit und Ruhezeit ausgesprochen.

( 23 ) Der einzige Ansatzpunkt, der außerhalb der Ziele der Richtlinie 2003/88 liegt und der von den nationalen Gesetzgebern für eine weitere Flexibilisierung des Begriffs der Arbeitszeit in dem Sinne genutzt werden kann, dass die Beschränkungen vergütet werden, die dem Arbeitnehmer während des Rufbereitschaftsdiensts auferlegt werden, ist das Entgelt. Der Gerichtshof hat nämlich den Grundsatz bekräftigt, dass die nationalen Rechtsordnungen die Freiheit haben, unterschiedliche Arbeitsentgelte vorzusehen, um Situationen zu vergüten, in denen sich der Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst befindet; vgl. Urteil vom 21. Februar 2018, Matzak (C‑518/15, EU:C:2018:82, Rn. 52), wo es heißt, „dass Art. 2 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, das Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten zu Hause wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in Abhängigkeit davon festzulegen, ob diese Zeiten als ‚Arbeitszeit‘ oder als ‚Ruhezeit‘ eingestuft werden“; vgl. Beschluss vom 4. März 2011, Grigore (C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 84), in dem es heißt, dass „die Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass eine Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung des Gehalts oder eines diesem entsprechenden Betrags für die Zeit, in der der Förster die Aufsicht über das Forstrevier, für das er verantwortlich ist, zu gewährleisten hat, nicht dieser Richtlinie, sondern den einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts unterliegt“.

( 24 ) Vgl. Schlussanträge des Generalanwalt Bot in der Rechtssache Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:391, Nr. 31) und die dort in Fn. 12 angeführte Lehre.

( 25 ) In diesem Sinne auch die Kommission in Rn. 40 ihrer schriftlichen Erklärungen.

( 26 ) Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap (C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 48 bis 50).

( 27 ) Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2000, Simap (C‑303/98, EU:C:2000:528, Rn. 48).

( 28 ) Der bekanntlich den Rufbereitschaftsdienst eines freiwilligen Feuerwehrmanns betrifft, der während der Rufbereitschaft verpflichtet war, zu Hause zu bleiben, in Erwartung eines Rufs des Arbeitgebers zum Einsatz, dem er unter Androhung von Disziplinarmaßnahmen Folge zu leisten hatte, indem er innerhalb von acht Minuten bereits in Arbeitskleidung die Feuerwehrkaserne erreichte.

( 29 ) Hervorhebung nur hier.

( 30 ) Wo er aus dem Nebeneinanderbestehen von zwei Elementen des in Art. 2 der Richtlinie 2003/88 enthaltenen Begriffs Arbeitszeit (dem räumlichen, d. h. die Anwesenheit am Arbeitsplatz, und dem weisungsbezogenen, d. h. dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen) das Vorliegen des dritten abgeleitet hatte (das berufsbezogene, d. h., seine Tätigkeit ausüben oder seine Aufgaben wahrnehmen).

( 31 ) In diesem Sinne auch die Kommission in Rn. 61 ihrer schriftlichen Erklärungen.

( 32 ) Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2003/88.

( 33 ) Der Arbeitgeber hat nämlich vorgebracht, im Ausgangsverfahren habe sich ergeben, dass die Arbeitnehmer während der Zeit der Rufbereitschaft verschiedenen Interessen und Tätigkeiten nachgegangen seien: Einige seien Ski gefahren, gewandert, andere seien mit der Seilbahn ins Tal gefahren, hätten eingekauft oder Filme und Serien angeschaut (Sitzungsprotokoll, S. 6).

( 34 ) Vgl. Beschluss vom 4. März 2011, Grigore (C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 70).

( 35 ) In diesem Sinne auch V. Leccese, „Il diritto del lavoro europeo: l’orario di lavoro. Un focus sulla giurisprudenza della Corte di giustizia“, 2016, S. 7, soweit ersichtlich unveröffentlicht, aber verfügbar unter http://giustizia.lazio.it/appello.it/form_conv_didattico/Leccese%20-%20Diritto%20lavoro%20europeo%20e%20orario%20lavoroLECCESE.pdf, wonach „kein Zweifel [besteht], dass der Eckstein der gesamten Erwägungen in einer teleologischen Beurteilung liegt, die auf die Angemessenheit der dem Arbeitnehmer gewährten Ruhezeit im Hinblick auf das von der Richtlinie verfolgte Ziel abstellt“.

( 36 ) Vgl. Beschluss vom 4. März 2011, Grigore (C‑258/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:122, Rn. 68).

( 37 ) Vgl. Urteil vom 10. September 2015, Federación de Servicios Privados del sindicato Comisiones obreras (C‑266/14, EU:C:2015:578).

( 38 ) Die Verpflichtung, dem Ruf des Arbeitgebers innerhalb einer besonders kurzen Reaktionszeit Folge zu leisten, „schränkt die Freiheit des Arbeitnehmers ein, seine Zeit zu planen. Dies beschränkt die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sowohl räumlich als auch zeitlich“; so Mitrus, L., „Potential implications of the Matzak judgment (quality of rest time, right to disconnect)“, in European Labour Law Journal, 2019, S. 391.

( 39 ) Frankart, A., und Glorieux, M., „Temps de garde: regards rétrospectifs et prospectifs à la lumière des développements européens“, in La loi sur le travail – 40 ans d’application de la loi du 16 mars 1971 (sous la coordination scientifique de S. Gilson et L. Dear), Anthémis, Limal, 2011, S. 374.

( 40 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Matzak (C‑518/15, EU:C:2017:619, Nr. 57).

( 41 ) Insbesondere in der Rechtssache C‑580/19, in der gemeinsamen mündlichen Verhandlung.

( 42 ) So die finnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen in der verbundenen Rechtssache C‑580/19 (Rn. 22).

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