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Document 62017CC0379

Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 20. Juni 2018.
Verfahren auf Betreiben der Società Immobiliare Al Bosco Srl.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehene Frist für die Vollziehung eines Arrestbefehls – Anwendbarkeit dieser Frist auf einen in einem anderen Mitgliedstaat erlangten und im Vollstreckungsmitgliedstaat für vollstreckbar erklärten Arresttitel.
Rechtssache C-379/17.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2018:472

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 20. Juni 2018 ( 1 )

Rechtssache C‑379/17

Società Immobiliare Al Bosco Srl

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs [Deutschland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen – Im Recht des ersuchten Staates vorgesehene Vollziehungsfrist – Anwendbarkeit dieser Frist auf einen in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen und im ersuchten Staat für vollstreckbar erklärten Titel“

I. Einleitung

1.

Im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ( 2 ) kann eine in einem Mitgliedstaat angeordnete Sicherstellungsbeschlagnahme in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich vollstreckt werden, nachdem sie in diesem für vollstreckbar erklärt worden ist. Allerdings weist die Art und Weise der Vollziehung der Sicherstellungsbeschlagnahmen erhebliche Unterschiede auf. Daher ist nicht offensichtlich, welche Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem die Vollstreckung begehrt wird, bei der Vollziehung ausländischer Entscheidungen anzuwenden sind. Dies ist der Kontext des Ausgangsverfahrens.

2.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen wird es dem Gerichtshof ermöglichen, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob nach der Verordnung Nr. 44/2001 eine Vorschrift des nationalen Rechts des um Vollstreckung ersuchten Mitgliedstaats, welche die Frist festsetzt, innerhalb deren ein Gläubiger die Vollziehung einer Sicherstellungsbeschlagnahme vornehmen muss, für derartige Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten gilt.

3.

Konkret hegt das vorlegende Gericht Zweifel an der Anwendbarkeit einer deutschen Rechtsvorschrift, nämlich § 929 Abs. 2 ZPO, im Rahmen des Ausgangsverfahrens, in dem es um die Vollziehung einer von italienischen Stellen angeordneten Sicherstellungsbeschlagnahme geht ( 3 ).

4.

Allerdings geht die Bedeutung des vom Gerichtshof im vorliegenden Fall zu erlassenden Urteils über den Rahmen der in der vorliegenden Rechtssache betroffenen Staaten hinaus. Es handelt sich nämlich um eine Problematik, die für alle Mitgliedstaaten von Bedeutung sein kann, deren nationales Recht eine Frist für die Stellung eines Antrags auf Vollziehung einer Sicherstellungsbeschlagnahme vorsieht. Im Übrigen würde sich diese Problematik auch im Rahmen der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ( 4 ) stellen, welche an die Stelle der Verordnung Nr. 44/2001 getreten ist.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Verordnung Nr. 44/2001

5.

Kapitel III der Verordnung Nr. 44/2001, das die Art. 32 bis 58 dieser Verordnung umfasst, regelt im Wesentlichen die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten, einschließlich des Exequaturverfahrens.

6.

Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.“

2. Verordnung Nr. 1215/2012

7.

Kapitel III der Verordnung Nr. 1215/2012, das die Art. 36 bis 57 dieser Verordnung umfasst, betrifft die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten. Allerdings hat der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung Nr. 1215/2012 beschlossen, das System der automatischen Anerkennung und Vollstreckung einzuführen. Zu diesem Zweck sieht Art. 39 der Verordnung Nr. 1215/2012 vor, dass die in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen vollstreckt werden können, ohne dass es der Anwendung des Exequaturverfahrens bedarf.

8.

Im Übrigen bestimmt Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012:

„Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Abschnitts gilt für das Verfahren zur Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen das Recht des ersuchten Mitgliedstaats. Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die im ersuchten Mitgliedstaat vollstreckbar ist, wird dort unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im ersuchten Mitgliedstaat ergangene Entscheidung.“

B.   Deutsches Recht

9.

§ 929 Abs. 2 ZPO bestimmt:

„Die Vollziehung des Arrestbefehls ist unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist.“

10.

Ferner heißt es in § 932 Abs. 1 und 3 ZPO:

„(1)   Die Vollziehung des Arrestes in ein Grundstück … erfolgt durch Eintragung einer Sicherungshypothek für die Forderung …

(3)   Der Antrag auf Eintragung der Hypothek gilt im Sinne des § 929 Abs. 2, 3 als Vollziehung des Arrestbefehls.“

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

11.

Am 19. November 2013 erwirkte die Società Immobiliare Al Bosco Srl, eine Gesellschaft italienischen Rechts, vor dem Tribunale di Gorizia (Gericht Gorizia, Italien) eine Sicherstellungsbeschlagnahme („sequestro conservativo“) des beweglichen und unbeweglichen Vermögens von Herrn Gunter Hober (im Folgenden: Antragsgegner) in Höhe eines Betrags von 1 Mio. Euro.

12.

Mit Beschluss vom 22. August 2014 erklärte das zuständige Gericht die Entscheidung in Deutschland für vollstreckbar.

13.

Mehr als acht Monate später, am 23. April 2015, beantragte die Antragstellerin für ihre Forderung die Eintragung einer Sicherungshypothek an einer in Deutschland belegenen Immobilie des Antragsgegners.

14.

Dieser Eintragungsantrag wurde vom erstinstanzlichen Gericht zurückgewiesen.

15.

Das Berufungsgericht wies die von der Antragstellerin hiergegen eingelegte Beschwerde zurück. Seiner Auffassung nach stand der Eintragung der Hypothek der Umstand entgegen, dass die Antragstellerin die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten hatte.

16.

Dem Berufungsgericht zufolge deckt sich die einer Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat erlassen wurde, durch Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 verliehene Vollstreckbarkeit inhaltlich mit der einer entsprechenden inländischen Entscheidung zukommenden Vollstreckbarkeit. Außerdem richte sich die eigentliche Zwangsvollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten ergangenen Entscheidungen nach der lex fori.

17.

Im Übrigen sei die Sicherstellungsbeschlagnahme nach italienischem Recht („sequestro conservativo“) vergleichbar mit einem Arrestbeschluss nach deutschem Recht. Aufgrund dieser Vergleichbarkeit seien die hierfür maßgeblichen Verfahrensvorschriften und damit auch § 929 Abs. 2 ZPO einzuhalten.

18.

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen, beim Bundesgerichtshof (Deutschland) eingelegten Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Eintragung einer Sicherungshypothek weiter.

IV. Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

19.

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof (Deutschland) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vereinbar, eine im Recht des Vollstreckungsstaats vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einem Titel nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auch auf einen funktional vergleichbaren Titel anzuwenden, der in einem anderen Mitgliedstaat erlassen und in dem Vollstreckungsstaat anerkannt und für vollstreckbar erklärt worden ist?

20.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 26. Juni 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

21.

Schriftliche Erklärungen hat nur die Europäische Kommission abgegeben. Die deutsche Regierung und die Europäische Kommission waren in der Sitzung vom 11. April 2018 vertreten.

V. Würdigung

22.

Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es mit Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 vereinbar ist, eine im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehene Frist, aufgrund derer aus einer Sicherstellungsbeschlagnahme nach Ablauf einer bestimmten Zeit nicht mehr vollstreckt werden darf, auf eine Sicherstellungsbeschlagnahme anzuwenden, die in einem anderen Mitgliedstaat erlassen worden ist.

23.

Zur Beantwortung der Vorlagefrage, wie sie vom vorlegenden Gericht formuliert wurde, ist im Kern festzustellen, ob eine Rechtsvorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats, nach der eine Sicherstellungsbeschlagnahme nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne nicht mehr vollstreckt werden kann, an die Vollstreckbarkeit der Entscheidung anknüpft, die durch das Recht des Mitgliedstaats geregelt ist, in dem sie erlassen wurde (Ursprungsmitgliedstaat), oder ob diese Vorschrift als eine Norm betreffend die eigentliche Zwangsvollstreckung nach dem Recht des Staates zu betrachten ist, in dem die Vollstreckung der Entscheidung beantragt wurde (ersuchter Mitgliedstaat).

24.

Das vorlegende Gericht geht von der Prämisse aus, dass die italienische Sicherstellungsbeschlagnahme funktional wie ein Arrestbefehl nach deutschem Recht behandelt werden sollte. In diesem Zusammenhang hegt es Zweifel hinsichtlich der Frage, ob sich die Voraussetzungen für die Vollstreckung der italienischen Entscheidung in Deutschland nach den deutschen Rechtsvorschriften über die Vollziehung des Arrestbefehls richten.

25.

Einerseits verweist das vorlegende Gericht darauf, dass rechtstechnisch gesehen die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Vollziehungsfrist – anders als etwa eine Vorschrift über die Verjährung titulierter Ansprüche – nicht an das materielle Recht anknüpfe. So gesehen könnte sie dem eigentlichen Vollstreckungsrecht zuzuordnen sein, das nicht von der Verordnung Nr. 44/2001 erfasst sei.

26.

Andererseits erkennt es an, dass die Anwendung der in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Frist zur Folge habe, dass die Vollstreckbarkeit des Titels durch Zeitablauf ende. Diese Frist wirke sich im Ergebnis nicht anders aus als eine Aufhebung des Titels im Rechtsbehelfsverfahren. Eine zeitliche Befristung der Wirksamkeit einer Sicherstellungsbeschlagnahme nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats könnte mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs unvereinbar sein, wonach die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats die von der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Grundsätze nicht in Frage stellen dürfe.

A.   Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

27.

Die deutsche Regierung macht erstens geltend, die Verordnung Nr. 44/2001 betreffe ausschließlich das Exequaturverfahren. Die eigentliche Zwangsvollstreckung der Entscheidungen sei nicht durch diese Verordnung geregelt. Daher seien der Verordnung Nr. 44/2001 unterliegende Entscheidungen nach dem Verfahrensrecht des ersuchten Mitgliedstaats, wie hier § 929 Abs. 2 ZPO, zu vollstrecken.

28.

Zweitens verweist die deutsche Regierung auf die Urteile Apostolides ( 5 ) und Prism Investments ( 6 ) und führt aus, der Gerichtshof habe bereits festgestellt, dass es nicht angehe, einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, die ein unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde. Nach Auffassung der deutschen Regierung ist vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung auf die in Italien angeordnete Sicherstellungsbeschlagnahme die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Frist anzuwenden, da eine gleichartige, in Deutschland ergangene Entscheidung nach Ablauf der Frist von einem Monat nicht mehr vollstreckt werden könne.

29.

Drittens schließlich vertritt die deutsche Regierung unter Berufung auf die Verordnung Nr. 1215/2012 die Auffassung, der Wortlaut von Art. 41 Abs. 1 Satz 2 dieser Verordnung bestätige den vorerwähnten Standpunkt.

30.

Die Kommission vertritt demgegenüber die Ansicht, eine im Wesentlichen auf das Urteil Prism Investments ( 7 ) gestützte Argumentation werde dem im Ausgangsverfahren vorliegenden grenzüberschreitenden Charakter nicht gerecht.

31.

Der Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung unterstrichen, dass die Unterscheidung zwischen dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung und der eigentlichen Vollstreckung nicht dazu führen dürfe, dass wesentliche Grundsätze der Verordnung Nr. 1215/2012, wie z. B. der freie Verkehr der Entscheidungen, vereitelt würden. Auch wenn durch die Vollstreckbarerklärung nach der Verordnung Nr. 44/2001 eine ausländische Entscheidung in die Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats integriert werde, würde daher eine „blinde“ Anwendung des Rechts dieses Mitgliedstaats den Ursprung des zu vollstreckenden Titels ignorieren. Im vorliegenden Fall könnte die Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO bei der Vollstreckung der Sicherstellungsbeschlagnahme des italienischen Rechts dazu führen, dass die Vollstreckung dieser Entscheidung im Vollstreckungsstaat nicht mehr möglich wäre, obwohl sie im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sei.

32.

Unter Berücksichtigung der Zweifel des vorlegenden Gerichts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten werde ich zunächst prüfen, ob eine Vorschrift, die eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollstreckung einer Sicherungsmaßnahme einführt, wie § 929 Abs. 2 ZPO, als Verfahrensvorschrift der lex fori des Vollstreckungsstaats einzustufen ist. Anschließend werde ich die aus dieser Einstufung gewonnenen Erkenntnisse anhand der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Wirkungen ausländischer Entscheidungen im System der Verordnung Nr. 44/2001 auf dem Gebiet der Vollstreckbarerklärung überprüfen. Schließlich werde ich die vorstehenden Ausführungen den vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der Verordnung Nr. 1215/2012 gewählten Lösungen gegenüberstellen.

B.   Zur Einstufung

1. Vorbemerkungen

33.

Der Gerichtshof hat im Kontext des Brüsseler Übereinkommens ( 8 ) die Auffassung vertreten, dieses Übereinkommen regle nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln und lasse die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliege ( 9 ). Später hat der Gerichtshof bestätigt, dass diese Rechtsprechung auf die Verordnung Nr. 44/2001 übertragbar sei, da diese auch das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung regle ( 10 ).

34.

In diesem Rechtsprechungskontext verweist die deutsche Regierung in Übereinstimmung mit dem vorlegenden Gericht darauf, dass § 929 Abs. 2 ZPO nach deutschem Recht als verfahrensrechtliche Vorschrift einzustufen sei. Folglich könne jedenfalls nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist dem eigentlichen Zwangsvollstreckungsrecht zugeordnet werden, das nicht der Verordnung Nr. 44/2001 unterliege.

35.

Insoweit bin ich der Auffassung, dass die meisten der vom Unionsgesetzgeber in den Rechtsakten auf dem Gebiet der gerichtlichen Zusammenarbeit in Zivilsachen, einschließlich der Verordnung Nr. 44/2001, verwendeten Begriffe autonomen Charakter haben ( 11 ). Folglich kann die Einstufung von Vorschriften wie § 929 Abs. 2 ZPO im nationalen Rahmen nicht für die Lösung des im Rahmen der Vorlagefrage aufgeworfenen Rechtsproblems ausschlaggebend sein.

36.

Im Übrigen ist für die Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 die autonome Einstufung von § 929 Abs. 2 ZPO als „verfahrensrechtliche Vorschrift“ ebenfalls nicht ausschlaggebend, wenn es um die Beantwortung der Vorlagefrage geht. Unstreitig sieht auch das italienische Recht hier eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollstreckung einer Sicherstellungsbeschlagnahme vor. Nichts spricht dafür, dass eine Vorschrift, die eine solche Frist vorsieht, nicht ebenso wie § 929 Abs. 2 ZPO als „verfahrensrechtliche Vorschrift“ eingestuft werden könnte. Ausschlaggebend ist nämlich die Frage, ob diese Vorschrift der ZPO gemäß der autonomen Einstufung bei der Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten angeordneten Sicherstellungsbeschlagnahmen in Deutschland anzuwenden wäre ( 12 ).

37.

Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, die Frage, ob das italienische Recht ebenfalls eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollziehung einer Sicherstellungsbeschlagnahme vorsehe, brauche nicht geprüft zu werden.

38.

Konkret geht dieses Gericht davon aus, dass das deutsche Grundbuchamt im Rahmen des Ausgangsverfahrens weder bestimmen könne, ob das Recht des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen sei, eine Vollstreckungsfrist oder die Modalitäten für diese Vollstreckung vorsehe, noch befugt sei, eine ausländische Rechtsvorschrift anzuwenden. Was das von dieser Stelle angewandte Verfahren angehe, sei allein von Belang, ob § 929 Abs. 2 ZPO anzuwenden sei oder nicht. Wenn schließlich der Titel wegen des Ablaufs der im italienischen Recht vorgesehenen Frist nicht mehr vollstreckbar wäre, müsste der Schuldner diesen Aspekt jedenfalls durch einen gegen die Vollstreckbarerklärung eingelegten Rechtsbehelf geltend machen.

39.

Das vorlegende Gericht ist daher der Auffassung, dass die im italienischen Recht vorgesehene Frist außerhalb des Vollstreckungsverfahrens auch auf die Entscheidung anwendbar sei, deren Vollstreckung im Ausgangsverfahren beantragt wurde. Daraus ergebe sich, dass eine im Ausland angeordnete Sicherstellungsbeschlagnahme in Deutschland beiden Regelungen unterliege, der im Ursprungsmitgliedstaat und der im ersuchten Mitgliedstaat eingeführten.

40.

In diesem Zusammenhang frage ich mich, ob die Einhaltung dieser doppelten Voraussetzung durch den Schuldner nicht den Schwachpunkt der Auslegung illustriert, der zufolge § 929 Abs. 2 ZPO als Norm der lex fori auf dem Gebiet der eigentlichen Zwangsvollstreckung der ausländischen Sicherstellungsbeschlagnahmen angewandt werden sollte. In diesem Fall würde zum einen die deutsche Rechtsvorschrift, die eine Frist für die Stellung des Vollstreckungsantrags vorsieht, als Vorschrift angewandt, welche die eigentliche Zwangsvollstreckung regelt. Zum anderen würde eine Rechtsvorschrift des Ursprungsmitgliedstaats, die eine gleichartige Frist vorsieht, als Vorschrift angewandt, welche die Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung bestimmt ( 13 ).

41.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellung habe ich erstens Zweifel hinsichtlich des Verhältnisses zwischen der Vollstreckbarkeit einer Sicherstellungsbeschlagnahme, wie sie nach einer Rechtsvorschrift des Ursprungsmitgliedstaats, die eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollstreckung dieser Entscheidung vorsieht, besteht, auf der einen Seite und einer Beschränkung der effektiven Vollstreckung durch eine gleichartige, in einer Rechtsvorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehenen Frist, auf der anderen Seite.

42.

Zweitens frage ich mich, ob aus einer systemischen Perspektive eine Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO isoliert anwendbar ist, unabhängig vom grenzüberschreitenden Kontext und dem Ursprung der Entscheidung, deren Zwangsvollstreckung in Deutschland begehrt wird.

43.

Drittens schließlich frage ich mich, ob der Zweck dieser Vorschrift des deutschen Rechts mit ihrer Anwendung in Übereinstimmung gebracht werden könnte, die nicht den grenzüberschreitenden Kontext und den Ursprung einer Sicherstellungsbeschlagnahme berücksichtigt.

2. Verhältnis zwischen der Vollstreckbarkeit und einer Beschränkung der effektiven Vollstreckung

44.

Den Erklärungen der Kommission zufolge verliert die Sicherstellungsbeschlagnahme zwar nach deutschem Recht ihre rechtliche Wirksamkeit, doch ist dies nach italienischem Recht, dem zufolge nur die förmliche Nichtigerklärung dieser Sicherstellungsbeschlagnahme ihr jegliche rechtliche Wirksamkeit nehmen würde, nicht der Fall. Während nach deutschem Recht im Übrigen die Nichteinhaltung dieser Frist von Amts wegen festgestellt werde, sei es nach italienischem Recht Sache des Antragsgegners selbst, den Ablauf dieser Frist geltend zu machen. Die Vollstreckung einer Sicherstellungsbeschlagnahme italienischen Rechts bliebe somit grundsätzlich auch nach Ablauf der Frist möglich.

45.

Es besteht daher die Möglichkeit, dass die Vollstreckbarkeit der Sicherstellungsbeschlagnahme, die gemäß Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 eine Voraussetzung für die Vollstreckung dieser Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat darstellt ( 14 ), beeinträchtigt wird, da ein Gläubiger sie – unabhängig von der Vollstreckbarkeit dieser Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats – nicht in Deutschland vollstrecken könnte.

46.

Diese Feststellung kann einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass § 929 Abs. 2 ZPO nicht die Vollziehung einer Sicherungsmaßnahme betrifft, sondern vielmehr deren Vollstreckbarkeit, und zwar mindestens in derselben Weise wie eine gleichartige italienische Rechtsvorschrift.

3. Verhältnis zwischen den Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherstellungsbeschlagnahme und der Frist für die Stellung eines Antrags auf Vollziehung einer Beschlagnahme

47.

Eine Sicherstellungsbeschlagnahme ist eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass nur aus Entscheidungen, die nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens ergangen und rechtskräftig geworden sind, die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Daher kann eine Sicherstellungsbeschlagnahme – ungeachtet dessen, dass der Gläubiger aufgrund ihres Ausnahmecharakters aus ihr nicht befriedigt wird ( 15 ) – nur angeordnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

48.

Natürlich stellt der Umstand, dass die spätere Vollstreckung einer Entscheidung in der Hauptsache unmöglich wird, in den meisten Rechtssystemen eine solche Grundvoraussetzung dar. Während jedoch das Hauptziel der Sicherstellungsbeschlagnahme maßgeblich für diese allgemeine Voraussetzung ist, weisen die nationalen Regelungen rechtsvergleichenden Studien zufolge Unterschiede bei den einzelnen Voraussetzungen auf, unter denen eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann ( 16 ).

49.

Tatsächlich bestimmen sich die Voraussetzungen für die Anordnung einer Sicherstellungsbeschlagnahme nach den gesetzgeberischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die sich um einen Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger und denen der Schuldner bemühen. Die Einführung einer Frist für die Stellung des Antrags auf Vollziehung einer Sicherungsmaßnahme durch den Gläubiger ist ebenfalls eine Folge dieses Bemühens.

50.

Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass § 929 Abs. 2 ZPO dem Schutz des Schuldners dient. Insbesondere soll diese Vorschrift dem vorlegenden Gericht zufolge verhindern, dass Entscheidungen, die aufgrund eines summarischen Eilverfahrens erlassen werden, über längere Zeit und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollziehbar, also vollstreckbar bleiben. In gleicher Weise hat die deutsche Regierung in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Frist solle verhindern, dass eine Sicherstellungsbeschlagnahme nach Ablauf eines Monats vollstreckt werden könne, selbst wenn die Verhältnisse sich erheblich geändert hätten.

51.

Im Übrigen ist auch der Teil der Lehre, dessen Ansicht nach es vor allem die Folgen der Sicherungsmaßnahmen sind, die durch erhebliche Unterschiede gekennzeichnet sind, während die Voraussetzungen für ihre Anordnung erheblich gleichartiger seien ( 17 ), der Auffassung, diese Voraussetzungen brächten zum Ausdruck, dass die Sicherungsmaßnahmen untrennbar mit den Verfahren verbunden seien, in denen sie ergingen ( 18 ). Man könnte sich also auf den Standpunkt stellen, dass im grenzüberschreitenden Rahmen eine solche Verbindung zwischen einer Sicherstellungsbeschlagnahme und den Regelungen des Ursprungsmitgliedstaats besteht.

52.

Im Übrigen wäre aus dieser Sicht die Einführung einer Frist wie derjenigen des § 929 Abs. 2 ZPO durch einen Gesetzgeber in gewisser Weise vergleichbar mit dem Fall, in dem das Gericht in seiner Entscheidung die Frist festlegt, innerhalb deren der Gläubiger bestimmte Maßnahmen ergreifen muss. Enthielte eine Entscheidung eine derartige Festlegung, würde diese unzweifelhaft einen Bestandteil dieser Entscheidung darstellen.

53.

Ich bin daher der Meinung, dass eine Frist wie diejenige des § 929 Abs. 2 ZPO nicht von den Voraussetzungen, unter denen eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann, und ganz allgemein nicht vom Recht des Ursprungsmitgliedstaats getrennt werden kann. Eine solche Frist kann daher nicht als Norm der lex fori im Rahmen der eigentlichen Zwangsvollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland angewandt werden ( 19 ).

4. Der Zweck einer Vorschrift, die eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollziehung einer Beschlagnahme vorsieht

54.

Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen, dass § 929 Abs. 2 ZPO in erster Linie gewährleisten soll, dass eine Sicherungsmaßnahme nicht nach längerer Zeit und trotz möglicherweise veränderter Verhältnisse vollzogen wird. Was die ausländischen Entscheidungen angeht, ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss sowie aus den Erläuterungen der deutschen Regierung ferner, dass diese Frist sich ab dem Zeitpunkt der Zustellung einer Vollstreckbarerklärung an einen Gläubiger berechnet.

55.

Ein Gläubiger ist indes nicht verpflichtet, einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer Sicherstellungsbeschlagnahme unmittelbar zu stellen, nachdem ihm diese im Ursprungsmitgliedstaat gewährt wurde. Er könnte die Stellung eines solchen Antrags also aufschieben, ungeachtet einer etwaigen Änderung der Verhältnisse nach Erlangung der Sicherstellungsbeschlagnahme.

56.

Somit würde die Lösung, nach der § 929 Abs. 2 ZPO als Norm der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats Anwendung findet und die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist ab dem Zeitpunkt der Zustellung einer Vollstreckbarerklärung berechnet wird, es einem Gläubiger ermöglichen, systematisch eine solche etwaige Änderung der Verhältnisse nicht zu berücksichtigen und die Vollstreckung einer Sicherungsmaßnahme vorzunehmen.

57.

Daher bin ich der Auffassung, dass die Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nicht mit der Zielsetzung dieser Vorschrift zu vereinbaren ist, wie sie vom vorlegenden Gericht und der deutschen Regierung erläutert worden ist.

58.

Aus dieser Prüfung ergibt sich erstens, dass eine nationale Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO eher die Vollstreckbarkeit einer Sicherstellungsbeschlagnahme als deren eigentliche Zwangsvollstreckung betrifft. Zweitens kann eine solche Frist nicht isoliert angewandt werden, unabhängig vom Ursprung einer Entscheidung, deren Vollstreckung beantragt wird. Drittens kann § 929 Abs. 2 ZPO, wenn man sich der Betrachtungsweise des vorlegenden Gerichts und der deutschen Regierung anschließt, was dessen Zielsetzung angeht, seine Funktion nicht erfüllen, wenn er auf ausländische Entscheidungen angewandt würde, deren Vollstreckung in Deutschland beantragt wird.

59.

Nach alledem kann eine nationale Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO, die eine Frist für die Stellung des Vollstreckungsantrags durch den Gläubiger vorsieht, nicht als Verfahrensvorschrift qualifiziert werden, die im Rahmen der Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat angeordneten Sicherstellungsbeschlagnahme in Deutschland anwendbar ist.

C.   Zur Gleichwertigkeit der Wirkungen nationaler und ausländischer Entscheidungen

60.

Zum einen gibt es nach ständiger Rechtsprechung keinen Grund, einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung bei ihrer Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat Rechte zuzusprechen, die ihr im Ursprungsmitgliedstaat nicht zukommen ( 20 ). Dies wird allgemein als Theorie der Erstreckung der Wirkungen bezeichnet ( 21 ). Aus dem Urteil Health Service Executive ( 22 ), das im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 ( 23 ) erging, meines Erachtens jedoch auf die Verordnung Nr. 44/2001 übertragbar ist, geht hervor, dass diese Begrenzung in dem Sinne zu verstehen ist, dass eine ausländische Entscheidung nur innerhalb der Grenzen, die sich aus der Entscheidung selbst ergeben, als Grundlage für die Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat dienen kann.

61.

Zum anderen gibt es keinen Grund, einer solchen Entscheidung Wirkungen beizumessen, die eine unmittelbar im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene gleichartige Entscheidung nicht hätte ( 24 ). Diese Begrenzung der Wirkungen der im Vollstreckungsmitgliedstaat vollzogenen Entscheidungen wird als „Theorie der Gleichwertigkeit der Wirkungen“ ( 25 ) bezeichnet.

62.

Unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung vertritt die deutsche Regierung die Auffassung, um die Gleichbehandlung ausländischer und nationaler Entscheidungen zu gewährleisten, müsse § 929 Abs. 2 ZPO bei der Vollstreckung von Sicherstellungsbeschlagnahmen italienischen Rechts in Deutschland zur Anwendung gelangen.

63.

Ich bin nicht dieser Auffassung. Ebenso wie die Kommission meine ich, dass der Standpunkt der deutschen Regierung bestimmten Aspekten des grenzüberschreitenden Charakters des Ausgangsverfahrens und der Folgen der Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO im Rahmen einer solchen Rechtssache nicht Rechnung trägt. Im Übrigen beruht dieser Standpunkt meines Erachtens auf einer unvollständigen Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

1. Zur etwaigen fehlenden Kohärenz der Verfahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats und des Vollstreckungsmitgliedstaats

a) Bestimmung der Problematik

64.

Aus dem Vorlagebeschluss sowie aus dem in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Standpunkt der deutschen Regierung ergibt sich, dass bei innerstaatlichen Sachverhalten, wenn es die deutschen Behörden sind, die einen Arrest anordnen und diese Entscheidung sodann vollstrecken, der Gläubiger, der die in § 929 Abs. 2 ZPO vorgesehene Frist nicht eingehalten hat, sogleich erneut eine Sicherungsmaßnahme erwirken kann.

65.

Jedoch gibt es – unterstellt, dass § 929 Abs. 2 ZPO in einem grenzüberschreitenden Kontext als Norm der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats Anwendung findet – keine klare Antwort auf die Frage, wie der Gläubiger vorgehen muss, wenn er die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist nicht eingehalten hat.

66.

Ich halte es für symptomatisch, dass weder das vorlegende Gericht noch die deutsche Regierung die Auffassung vertreten haben, dass der Gläubiger erneut einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung für Deutschland stellen könne, um die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO wieder in Gang zu setzen. Ich frage mich, ob eine solche Lösung mit dem Geist von § 929 Abs. 2 ZPO vereinbar wäre. In jedem Fall würde die erneute Antragstellung es erlauben, den Zeitpunkt der Eintragung der Sicherungshypothek aufgrund derselben Entscheidung unbegrenzt hinauszuschieben. Eine solche Möglichkeit liefe meines Erachtens dem Sinn dieser Vorschrift zuwider.

67.

In Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage hat die deutsche Regierung ausgeführt, ein Gläubiger könne im Ursprungsmitgliedstaat erneut eine Sicherstellungsbeschlagnahme beantragen, wenn die in diesem Mitgliedstaat vorgesehenen Fristen ebenfalls abgelaufen seien. Demgegenüber hat die Kommission ausgeführt, im vorliegenden Fall könne der Gläubiger nicht eine zweite Entscheidung in Italien beantragen, da die von den Stellen dieses Mitgliedstaats angeordnete ursprüngliche Sicherstellungsbeschlagnahme noch aus den in Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge dargelegten Gründen vollziehbar sei.

68.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass ein Gläubiger, der die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten hat, sich wahrscheinlich an die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats wenden müsste, um eine zweite Sicherstellungsbeschlagnahme zu erwirken.

b) Verhältnis zwischen den Verfahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats und denen des Vollstreckungsmitgliedstaats

69.

Ungeachtet dieser Überlegungen darf sich die Prüfung der dem Gerichtshof vorgelegten Vorabentscheidungsfrage meines Erachtens nicht auf den Kontext der vorliegenden Rechtssache beschränken. Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung, deren Vollziehung in Deutschland begehrt wird, in Anwendung des italienischen Rechts ergangen, das eine Frist vorsieht, die mit derjenigen des § 929 Abs. 2 ZPO hinreichend gleichartig ist. Ich meine jedoch, dass sich dieselben Zweifel hinsichtlich der Anwendung der letztgenannten Vorschrift im Rahmen der Vollziehung einer in Deutschland für vollstreckbar erklärten Sicherungsmaßnahme in Bezug auf jede in einem anderen Mitgliedstaat angeordnete Sicherstellungsbeschlagnahme stellen würden.

70.

Ohne mich zur gegenwärtigen Situation der Antragstellerin im Hinblick auf das italienische Recht äußern zu wollen, bin ich somit der Ansicht, dass der Gläubiger in einer Situation wie derjenigen des Ausgangsverfahrens grundsätzlich zur Stützung seines zweiten Antrags gegenüber den Stellen des Ursprungsmitgliedstaats erneut zumindest plausibel die Umstände dartun muss, unter denen eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann. Es würde sich folglich nicht um einen zweiten Erlass derselben Entscheidung handeln, sondern um den Erlass einer neuen Entscheidung, der eine neue Beurteilung aller Voraussetzungen vorausgehen würde, die vorliegen müssen, um eine Sicherstellungsbeschlagnahme anzuordnen.

71.

Außerdem ist nicht von vornherein die Möglichkeit auszuschließen, dass im Recht des Ursprungsmitgliedstaats aus verschiedensten Gründen nicht die Möglichkeit vorgesehen ist, tatsächlich erneut eine Entscheidung zu beantragen. Zum Beispiel könnte aus der Sicht der Stellen des Ursprungsmitgliedstaats ein neuer Antrag unzulässig sein, solange die frühere Entscheidung nicht aufgehoben ist oder aus anderen Gründen nicht mehr rechtsgültig ist ( 26 ).

72.

In einigen Fällen könnte es sich somit ergeben, dass die Anwendung der im Vollstreckungsmitgliedstaat festgesetzten Voraussetzungen, also im vorliegenden Fall die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO, für die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung in eine Sackgasse führt. So könnte der Gläubiger, der die in dieser Vorschrift vorgesehene Frist nicht eingehalten hat, diese Entscheidung nicht mehr in Deutschland vollstrecken lassen, zugleich aber keine neue Entscheidung bei den Stellen des Ursprungsmitgliedstaats beantragen.

2. Zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001

a) Wiedergabe der Rechtsprechung zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001

73.

Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit dem Brüsseler Übereinkommen festgestellt, dass die Anwendung der Verfahrensregeln des Vollstreckungsmitgliedstaats die praktische Wirksamkeit des durch dieses Übereinkommen geschaffenen Systems nicht beeinträchtigen darf ( 27 ). In den Urteilen, die zu dieser Rechtsprechungslinie gehören, hat der Gerichtshof ferner speziell zu den nationalen Vorschriften, welche die eigentliche Zwangsvollstreckung regeln, ausgeführt, dass die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats im Rahmen der Vollstreckung nicht die praktische Wirksamkeit der Regelung des Brüsseler Übereinkommens über die Zulassung der Zwangsvollstreckung dadurch beeinträchtigen darf, dass die in diesem Bereich durch die Verordnung Nr. 44/2001 selbst aufgestellten Grundsätze ausdrücklich oder implizit vereitelt werden ( 28 ). In der Folge hat der Gerichtshof die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Verordnung Nr. 44/2001 bestätigt ( 29 ).

74.

Im Übrigen hat diese Logik auch die Rechtsprechung zu Anordnungen beeinflusst, die es einer Partei untersagen, eine Klage vor einem staatlichen Gericht zu erheben oder das Verfahren weiter zu betreiben. So hat der Gerichtshof befunden, dass derartige Anordnungen geeignet sind, die Anwendung der Wettbewerbsregeln einzuschränken und den spezifischen Mechanismen für Fälle der Rechtshängigkeit und von im Zusammenhang stehenden Verfahren ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen ( 30 ). Sodann hat der Gerichtshof entschieden, dass solche im Rahmen eines schiedsgerichtlichen Verfahrens ergangenen Anordnungen, wenn sie das Gericht eines anderen Mitgliedstaats an der Ausübung der ihm durch die Verordnung Nr. 44/2001 verliehenen Befugnisse hindern, den Kläger vom Zugang zu dem staatlichen Gericht, das er aufgrund der Zuständigkeitsregeln dieser Verordnung angerufen hat, ausschließen und ihn dadurch einer Form des gerichtlichen Rechtsschutzes berauben, auf die er Anspruch hat ( 31 ).

b) Konkrete Anwendung der Rechtsprechung zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001

75.

Was die Sicherungsmaßnahmen angeht, kann der Umstand, dass die Anwendung einer Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO auf ausländische Sicherstellungsbeschlagnahmen, wie oben in den Nrn. 71 und 72 ausgeführt, in eine Sackgasse führen kann, die praktische Wirksamkeit des Systems der Verordnung Nr. 44/2001 beeinträchtigen.

76.

Zwar bin ich ebenso wie die Kommission der Ansicht, dass nicht auszuschließen ist, dass in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens der Gläubiger möglicherweise gemäß Art. 31 ( 32 ) der Verordnung Nr. 44/2001 vor den Stellen des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Sicherungsmaßnahme beantragt. Allerdings befände sich dieser Gläubiger in einer ungünstigen Lage, da er sich an die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats wenden müsste, mit allen Folgen, die sich daraus ergeben ( 33 ). Dies bestätigt meines Erachtens die Möglichkeit, dass die Anwendung von § 929 Abs. 2 ZPO im Rahmen der Vollstreckung der ausländischen Entscheidung in eine Sackgasse führt.

77.

In diesem Fall könnte sich zum einen herausstellen, dass die für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gerichte eines Mitgliedstaats einem Gläubiger nicht den gerichtlichen Rechtsschutz garantieren können, auf den er in der Phase des Verfahrens, die zum Erlass des Endurteils führt, einen Anspruch hat. Zum anderen würde in die auf der Verordnung Nr. 44/2001 beruhende Zuständigkeit dieser Gerichte eingegriffen, wenn ein Gläubiger sich an die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats wenden müsste, um einen Antrag auf Anordnung einer Sicherstellungsbeschlagnahme zu stellen, obwohl er diesen Antrag berechtigterweise bei dem für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gericht stellen wollte.

78.

Infolgedessen bin ich im Licht der Rechtsprechung zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 der Auffassung, dass eine Vorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats wie § 929 Abs. 2 ZPO im Zusammenhang mit der Vollstreckung von in anderen Mitgliedstaaten angeordneten Sicherstellungsbeschlagnahmen nicht anwendbar ist.

c) Zwischenergebnis

79.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass eine Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO nicht als Vorschrift auf dem Gebiet der eigentlichen Zwangsvollstreckung ausländischer Entscheidungen nach der Verordnung Nr. 44/2001 eingestuft werden kann ( 34 ).

80.

Selbst wenn angenommen würde, dass diese Vorschrift als Vorschrift der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats auf dem Gebiet der eigentlichen Zwangsvollstreckung ausländischer Entscheidungen anzusehen sei, könnte sie nicht im Rahmen der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland angewandt werden, da sie die praktische Wirksamkeit dieser Verordnung beeinträchtigen würde.

81.

Im Übrigen verweisen die Logik und die Wirkungen der Anwendung der Rechtsprechung betreffend die Wahrung der praktischen Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 auf die kürzlich vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Verordnung (EU) Nr. 650/2012 ( 35 ) vertretene Lösung. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Einstufung der nationalen Vorschriften für die Zwecke ihrer Anwendung in Fällen, die der Verordnung Nr. 650/2012 unterliegen, die Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung sowie die praktische Wirksamkeit ihrer Vorschriften nicht behindern darf ( 36 ). Folglich kann die praktische Wirksamkeit eines Unionsrechtsakts, der die gerichtliche Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zivilrechts zum Gegenstand hat, eine Auswirkung auf die – für die Zwecke der Anwendung dieses Rechtsakts vorgenommene – autonome Einstufung der nationalen Rechtsvorschriften haben, die in ihren Anwendungsbereich fallen. In gleicher Weise dürfte auch § 929 Abs. 2 ZPO nicht als Vorschrift auf dem Gebiet der eigentlichen Vollstreckung eingestuft werden, da er die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 beeinträchtigen kann.

D.   Zur Auswirkung der Abschaffung des Exequaturverfahrens durch die Verordnung Nr. 1215/2012 auf die vorangegangenen Erwägungen

82.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen bezieht sich ausschließlich auf die Verordnung Nr. 44/2001. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellt sich die vorliegende Vorabentscheidungsfrage jedoch in gleicher Weise im Rahmen der Verordnung Nr. 1215/2012. Im Übrigen haben sich die Verfahrensbeteiligten in ihren Plädoyers in der mündlichen Verhandlung ebenfalls auf diese Verordnung bezogen.

83.

In diesem Zusammenhang bin ich der Ansicht, dass die Erkenntnisse aus der Verordnung Nr. 1215/2012 die vorstehenden Erwägungen nicht in Frage stellen können.

84.

Erstens regelt die Verordnung Nr. 44/2001 zwar nicht ausdrücklich die Frage der Funktion der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats im Rahmen der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen; die Verordnung Nr. 1215/2012 bestimmt jedoch ihrerseits in Art. 41 Abs. 1 u. a., dass ausländische Entscheidungen im Vollstreckungsmitgliedstaat unter den gleichen Bedingungen vollstreckt werden wie eine in diesem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung ( 37 ).

85.

Ungeachtet der Abschaffung des Exequaturverfahrens durch die Verordnung Nr. 1215/2012 ist die Unterscheidung zwischen der Vollstreckbarkeit und der eigentlichen Vollstreckung, die der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats unterliegt, vom Unionsgesetzgeber im Rahmen dieser Verordnung beibehalten worden ( 38 ).

86.

Dies ist ebenfalls der Standpunkt der deutschen Regierung, die – auch wenn sie zu anderen Ergebnissen gelangt – feststellt, dass Art. 41 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 1215/2012 die Grundsätze anführt, die im Rahmen der Verordnung Nr. 44/2001 zur Anwendung gelangt sind. Im Übrigen sind manche Autoren der Auffassung, dass diese Vorschrift der Verordnung Nr. 1215/2012 die vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Grundsätze kodifiziert ( 39 ).

87.

Folglich spricht nichts dafür, dass das Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1215/2012 eine Auswirkung auf die Einstufung einer Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO haben könnte.

88.

Zweitens würde sich unter der Verordnung Nr. 1215/2012 das Problem der Schaffung einer Sackgasse durch die Anwendung einer nationalen Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO als Vorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats meines Erachtens in gleicher Weise stellen. Aus diesem Grund müsste die Rechtsprechung zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Systems der Verordnung Nr. 1215/2012 anwendbar sein ( 40 ).

89.

Aus diesen Gründen bin ich der Ansicht, dass weder die Erkenntnisse aus der Abschaffung des Exequaturverfahrens noch diejenigen aus der Einführung einer Vorschrift wie Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 die Auffassung rechtfertigen können, dass unter der Verordnung Nr. 44/2001 eine Vorschrift wie § 929 Abs. 2 ZPO im Zusammenhang mit der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Deutschland angewandt werden könnte.

90.

Abschließend ist festzustellen, dass eine Vorschrift, die erstens nicht in den Bereich der Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung fällt, sondern vielmehr in den Bereich des Exequaturverfahrens ( 41 ), und deren Anwendung im Rahmen der Vollstreckung zweitens die praktische Wirksamkeit des Systems der Verordnung Nr. 44/2001 beeinträchtigt, keine Vorschrift der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats auf dem Gebiet der Vollstreckung darstellt ( 42 ). Diese Erwägungen können nicht durch die Erkenntnisse aus der Analyse der Verordnung Nr. 1215/2012 in Frage gestellt werden. Diese Verordnung hat weder die Logik noch die für die Begrenzung der Anwendung der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats geltenden Grundsätze geändert.

VI. Ergebnis

91.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage des Bundesgerichtshofs (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, insbesondere ihr Art. 38 Abs. 1, ist dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer Rechtsvorschrift des Vollstreckungsmitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die im Rahmen der eigentlichen Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat angeordneten Sicherstellungsbeschlagnahme eine Frist für die Stellung des Antrags auf Vollziehung dieser Anordnung vorsieht.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Verordnung des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

( 3 ) Meines Wissens erlaubt die vorliegende Rechtssache dem Gerichtshof zum zweiten Mal die Auslegung der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen im Rahmen einer Rechtssache, in der es um die Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO über den dinglichen Arrest geht. Vgl. Urteil vom 10. Februar 1994, Mund & Fester (C‑398/92, EU:C:1994:52).

( 4 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil‑ und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).

( 5 ) Urteil vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271).

( 6 ) Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653).

( 7 ) Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653).

( 8 ) Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32).

( 9 ) Vgl. Urteile vom 2. Juli 1985, Deutsche Genossenschaftsbank (148/84, EU:C:1985:280, Rn. 19), vom 3. Oktober 1985, Capelloni und Aquilini (119/84, EU:C:1985:388, Rn. 16), vom 4. Februar 1988, Hoffmann (145/86, EU:C:1988:61, Rn. 27), und vom 29. April 1999, Coursier (C‑267/97, EU:C:1999:213, Rn. 28).

( 10 ) Vgl. Urteile vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 69), und vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 40).

( 11 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Mahnkopf (C‑558/16, EU:C:2017:965, Nr. 32). Vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Hőszig (C‑222/15, EU:C:2016:224, Nrn. 31 und 47).

( 12 ) Insoweit ist festzustellen, dass in der Lehre keine Einigkeit besteht, was die Anwendung nationaler Vorschriften angeht, die eine Frist für die Stellung eines Antrags auf Vollziehung einer Sicherungsmaßnahme im Zusammenhang mit der Vollstreckung ausländischer Entscheidungen vorsehen. Manche Autoren neigen dazu, die Anwendbarkeit solcher Vorschriften in diesem Fall zu verneinen. Vgl. u. a. Kropholler, J., von Hein, J., Europäisches Zivilprozessrecht: Kommentar zu EuGVO, Lugano-Übereinkommen, 9. Aufl., Verlag Recht und Wirtschaft, C. H. Beck, Frankfurt am Main, 2011, S. 615 und 616, Rn. 10. Vgl. zur gegenteiligen Auffassung, Schack, H., Internationales Zivilverfahrensrecht mit internationalem Insolvenz- und Schiedsverfahrensrecht, C. H. Beck, München, 2014, Rn. 1066.

( 13 ) Vgl. in diesem Sinne, was die Vollstreckbarkeit einer Entscheidung angeht, deren Vollstreckung im Rahmen der Verordnung Nr. 44/2001 beantragt wird, Urteil vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 37 und 39).

( 14 ) Zur Vollstreckbarkeit einer ausländischen Entscheidung vgl. Urteile vom 29. April 1999, Coursier (C‑267/97, EU:C:1999:213, Rn. 23), und vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 65 und 66). In der Lehre ist sogar die Auffassung vertreten worden, die Anwendung einer spanischen Rechtsvorschrift, die eine entsprechende Frist vorsieht wie § 929 Abs. 2 ZPO, bei der Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung sei nicht mit Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 vereinbar, wenn eine Entscheidung ungeachtet ihrer Vollstreckbarkeit gemäß dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nicht im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckt werden könne. Vgl. Steinmetz, A., „Anwendbarkeit der Ausschlussfrist in der spanischen ZPO auch auf ausländische Vollstreckungstitel?“, Recht der internationalen Wirtschaft, Nr. 5, 2009, S. 304.

( 15 ) Meines Erachtens stellt nämlich eine vorläufige Beschlagnahme wie diejenige, deren Vollziehung im Ausgangsverfahren beantragt wurde, eine „auf eine Sicherung gerichtete“ Maßnahme im Sinne von Art. 31 der Verordnung Nr. 44/2001 dar. Es handelt sich somit um eine Maßnahme, die eine Sach- oder Rechtslage aufrechterhalten soll, um Rechte zu wahren, deren Anerkennung vom Hauptsachegericht begehrt wird. Vgl. Urteil vom 26. März 1992, Reichert und Kockler (C‑261/90, EU:C:1992:149, Rn. 34).

( 16 ) Vgl. in diesem Sinne Goldstein S., „Recent Developments and Problems in the Granting of Preliminary Relief: a Comparative Analysis“, Revue hellénique de droit international, 1987-1988, 40. und 41. Jahr, S. 13. Mir scheint, dass die Voraussetzungen, unter denen eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann, Unterschiede hinsichtlich insbesondere der Art und der Schwere der Gefahr aufweisen, die durch eine nicht erfolgende Beschlagnahme entsteht. Vgl. z. B. im deutschen Recht § 917 ZPO, dem zufolge eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann, wenn die Vollstreckung des Endurteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde, wobei die letztgenannte Voraussetzung in der Lehre als „erheblich spezifischer“ bezeichnet wird. Vgl. Cuniberti, G., Les mesures conservatoires portant sur des biens situés à l’étranger, LGDJ, Paris, 2000, S. 267. Eine entsprechende Voraussetzung findet sich z. B. im polnischen Recht in Art. 7301 § 2 des Kodeks postępowania cywilnego (Zivilprozessordnung) vom 17. November 1964 (Dz. U. 2014, Pos. 101). Was das italienische Recht angeht, bestimmt Art. 671 des Codice di procedura civile (Zivilprozessordnung), dass eine Sicherstellungsbeschlagnahme angeordnet werden kann, wenn die Einziehung der Forderung gefährdet ist (periculum in mora). Art. 671 dieses Gesetzes bezieht sich also nicht ausdrücklich auf den Fall, dass durch eine nicht erfolgende Beschlagnahme Schwierigkeiten bei der Vollstreckung des Endurteils eintreten könnten. Zur Sicherstellungsbeschlagnahme nach italienischem Recht vgl. auch de Cristofaro, M., „National Report – Italy“, in Harsági, V., Kengyel, M. (Hrsg.), Grenzüberschreitende Vollstreckung in der Europäischen Union, Sellier, München, 2011, S. 119. Mir ist allerdings bewusst, dass dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass die in den Rechtstexten aufgestellten Voraussetzungen für die Anordnung einer Beschlagnahme Entwicklungen in der Rechtsprechung unterliegen, welche die Unterschiede zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vergrößern oder verringern können.

( 17 ) Cuniberti, G., Les mesures conservatoires portant sur des biens situés à l’étranger, LGDJ, Paris, 2000, S. 267.

( 18 ) Cuniberti, G., a. a. O., S. 255. Zu Sicherungsmaßnahmen allgemein, ohne auf die Frage der unterschiedlichen Voraussetzungen für den Erlass einzugehen, vgl. in diesem Sinne Hess, B., „The Brussels I Regulation: Recent Case Law of the Court of Justice and the Commission’s Proposed Recast“, Common Market Law Review 2012, S. 1098.

( 19 ) Vgl. in diesem Sinne Wittmann, J., „BGH, 11.05.2017 – V ZB 175/15: Anwendbarkeit der Vollziehungsfrist aus § 929 Abs. 2 ZPO bei Vollstreckung ausländischer Titel nach Maßgabe der EuGVVO“, Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht 2018, Nr. 1, S. 42, der den Akzent allerdings auf den Umstand setzt, dass die zeitliche Beschränkung durch § 929 Abs. 2 ZPO nicht auf dem Verfahren der eigentlichen Zwangsvollstreckung beruht, sondern auf dem Eilverfahren, das zur Vollstreckung führt.

( 20 ) Vgl. in diesem Sinne, zum Brüsseler Übereinkommen, Urteil vom 4. Februar 1988, Hoffmann (145/86, EU:C:1988:61, Rn. 11). Zur Verordnung Nr. 44/2001 vgl. Urteile vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 66), vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 40), und vom 15. November 2012, Gothaer Allgemeine Versicherung u. a. (C‑456/11, EU:C:2012:719, Rn. 34).

( 21 ) Vgl. in diesem Sinne De Miguel Asensio, P. A., „Recognition and Enforcement of Judgments in Intellectual Property Litigation: the Clip Principles“, in Basedow, J., Kono, T., und Metzger, A. (Hrsg.), Intellectual Property in the Global Arena – Jurisdiction, Applicable Law, and the Recognition of Judgments in Europe, Japan and the US, Mohr Siebeck, Tübingen, 2010, S. 251; Requejo Isidro, M., „The Enforcement of Monetary Final Judgments Under the Brussels Ibis Regulation (A Critical Assessment)“, in Lazić, V., Stuij, S. (Hrsg.), Brussels Ibis Regulation: Changes and Challenges of the Renewed Procedural Scheme, Springer, Den Haag, 2017, S. 88.

( 22 ) Urteil vom 26. April 2012, Health Service Executive (C‑92/12 PPU, EU:C:2012:255, Rn. 141 und 143).

( 23 ) Verordnung des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (ABl. 2003, L 338, S. 1).

( 24 ) Vgl. Urteile vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 66), und vom 13. Oktober 2011, Prism Investments (C‑139/10, EU:C:2011:653, Rn. 40). Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Begrenzung der einer ausländischen Entscheidung beigelegten Wirkungen vom Gerichtshof in seiner Rechtsprechung viel später vorgenommen wurde als die erste, bereits im Urteil vom 4. Februar 1988, Hoffmann (145/86, EU:C:1988:61, Rn. 11), vorgenommene Begrenzung, betreffend die Theorie der Erstreckung der Wirkungen. In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache, in der dieses Urteil erging, hat Generalanwalt Darmon diese zweite Begrenzung ebenfalls in Betracht gezogen. Er führte aus, diese Begrenzung habe ihren Grund in der Notwendigkeit, die Auslegung zu vereinheitlichen, und in dem Bestreben, einer allzu häufigen Anwendung der Ordre-public-Klausel vorzubeugen. Siehe Schlussanträge von Generalanwalt Darmon in der Rechtssache Hoffmann (145/86, EU:C:1987:358, Nr. 20). Diese Überlegungen finden allerdings keinen Niederschlag im Urteil des Gerichtshofs.

( 25 ) Siehe die in Fn. 21 angeführten Veröffentlichungen.

( 26 ) Im Übrigen könnte sich herausstellen, dass der Erlass einer zweiten Entscheidung zur Anordnung einer Sicherstellungsbeschlagnahme im Ursprungsmitgliedstaat die Aufhebung der vorhergehenden Entscheidung mit sich bringt. Damit wäre es in einem Fall, in dem ein Gläubiger zuvor auf der Grundlage dieser Entscheidung Aktiva des Schuldners beschlagnahmt hat, möglich, dass der Erlass einer zweiten Entscheidung die Wirkungen dieser Beschlagnahme aufhebt.

( 27 ) In Bezug auf die Verfahrensvorschriften zur Regelung des Umfangs der Kontrolle durch den Kassationsrichter vgl. Urteil vom 15. November 1983, Duijnstee (288/82, EU:C:1983:326, Rn. 13 und 14). Zu den Verfahrensvorschriften über die Zulässigkeit von Anträgen vgl. Urteil vom 15. Mai 1990, Kongress Agentur Hagen (C‑365/88, EU:C:1990:203, Rn. 21 und 22).

( 28 ) Vgl. Urteile vom 3. Oktober 1985, Capelloni und Aquilini (119/84, EU:C:1985:388, Rn. 21), und vom 4. Februar 1988, Hoffmann (145/86, EU:C:1988:61, Rn. 29).

( 29 ) Vgl. Urteil vom 28. April 2009, Apostolides (C‑420/07, EU:C:2009:271, Rn. 69).

( 30 ) Vgl. Urteil vom 27. April 2004, Turner (C‑159/02, EU:C:2004:228, Rn. 29 und 30).

( 31 ) Vgl. Urteil vom 10. Februar 2009, Allianz und Generali Assicurazioni Generali (C‑185/07, EU:C:2009:69, Rn. 31).

( 32 ) Nach Art. 31 der Verordnung Nr. 44/2001 können die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist.

( 33 ) Jedenfalls würde es sich um einen neuen, auf die aktuellen Umstände gestützten Antrag handeln, der von den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats erneut geprüft würde. Im Übrigen könnten nur die im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Maßnahmen beantragt werden. Zudem wäre der Gläubiger verpflichtet, das im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehene Verfahren einzuschlagen. Insoweit ist festzustellen, dass sich die Vorschriften der Vertragsstaaten des Brüsseler Übereinkommens über die nationalen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglicherweise stärker voneinander unterscheiden als die Vorschriften über die Verfahren zur Hauptsache. Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Juni 2002, Italian Leather (C‑80/00, EU:C:2002:342, Rn. 42).

( 34 ) Siehe Nrn. 33 bis 59 der vorliegenden Schlussanträge.

( 35 ) Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. 2012, L 201, S. 107).

( 36 ) Vgl. Urteil vom 1. März 2018, Mahnkopf (C‑558/16, EU:C:2018:138). Vgl. ebenfalls meine Schlussanträge in der Rechtssache Mahnkopf (C‑558/16, EU:C:2017:965, Nrn. 101 und 102). Vgl. ebenfalls in diesem Sinne Urteil vom 12. Oktober 2017, Kubicka (C‑218/16, EU:C:2017:755, Rn. 56).

( 37 ) Im Übrigen ist in der Lehre die Auffassung vertreten worden, die Verweisung auf die „gleichen Bedingungen“ in Art. 41 Abs. 1 dieser Verordnung beziehe sich nicht nur auf die Rolle der lex fori, sondern stelle auch den Grundsatz der Nichtdiskriminierung ausländischer Entscheidungen auf. Vgl. in diesem Sinne Grzegorczyk, P., „Wykonywanie w Polsce orzeczeń pochodzących z państw członkowskich Unii Europejskiej objętych reżimem automatycznej wykonalności“, in Marciniak, A. (Hrsg.), Egzekucja sądowa w świetle przepisów z zakresu międzynarodowego postępowania cywilnego, Currenda, Zoppot, 2015, S. 142. Zudem findet sich eine Verweisung auf „dieselben Bedingungen“ auch in Art. 47 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2201/2003. Im Urteil vom 1. Juli 2010, Povse (C‑211/10 PPU, EU:C:2010:400), hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, diese Verweisung sei eng auszulegen. Sie könne nur die Modalitäten des anzuwendenden Verfahrens betreffen. Außerdem könne sie keinesfalls einen inhaltlichen Grund dafür liefern, sich der streitigen Entscheidung deshalb zu widersetzen, weil die Umstände sich seit deren Erlass geändert hätten. Der ins Auge gefasste Grund ergab sich somit aus derselben Logik wie § 929 Abs. 2 ZPO, d. h., dem vorlegenden Gericht und der deutschen Regierung zufolge, die Vollstreckung aufgrund einer möglichen Änderung der Umstände zu verhindern.

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne Cuniberti, G., Rueda, I., „European Commentaries on Private International Law“, Bd. I, Brussels Ibis Regulation Commentary, Magnus, U., und Mankowski, P. (Hrsg.), Otto Schmidt, Köln, 2016, S. 846; Hartley, T., Civil Jurisdiction and Judgments in Europe. The Brussels I Regulation, the Lugano Convention, and the Hague Choice of Court Convention, Oxford University Press, Oxford, 2017, S. 302; Kramer, X., „Cross-Border Enforcement and the Brussels I‑bis Regulation: Towards a New Balance between Mutual Trust and National Control over Fundamental Rights“, Netherlands International Law Review, 2013, Nr. 60(3), S. 360; Nuyts, A., „La refonte du règlement Bruxelles I“, Revue critique de droit international privé, 2013, Nr. 1, S. 1 f., Nr. 15.

( 39 ) Kramer, X., a. a. O., S. 360.

( 40 ) Siehe Nrn. 73 bis 77 dieser Schlussanträge.

( 41 ) Siehe Nrn. 33 bis 59 dieser Schlussanträge.

( 42 ) Siehe Nrn. 75 bis 77 dieser Schlussanträge.

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