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Document 62014TJ0710

Urteil des Gerichts (Achte Kammer) vom 15. September 2016.
Herbert Smith Freehills LLP gegen Rat der Europäischen Union.
Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Dokumente betreffend die Diskussionen, die dem Erlass der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen vorangegangen sind – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung – Verteidigungsrechte – Überwiegendes öffentliches Interesse.
Rechtssache T-710/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2016:494

URTEIL DES GERICHTS (Achte Kammer)

15. September 2016 ( *1 )

„Zugang zu Dokumenten — Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 — Dokumente betreffend die Diskussionen, die dem Erlass der Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen vorangegangen sind — Verweigerung des Zugangs — Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung — Verteidigungsrechte — Überwiegendes öffentliches Interesse“

In der Rechtssache T‑710/14

Herbert Smith Freehills LLP mit Sitz in London (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Wytinck,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Rebasti, M. Veiga und J. Herrmann als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Europäische Kommission, vertreten durch P. Van Nuffel, J. Baquero Cruz und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

betreffend eine Klage gemäß Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Bescheids 18/c/01/14 des Rates vom 23. Juli 2014, mit dem der Zugang zu bestimmten Dokumenten im Zusammenhang mit dem Erlass der Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG (ABl. 2014, L 127, S. 1) verweigert worden ist,

erlässt

DAS GERICHT (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten D. Gratsias sowie der Richterin M. Kancheva und des Richters C. Wetter (Berichterstatter),

Kanzler: M. Junius, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2016

folgendes

Urteil

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1

Mit E‑Mail vom 16. April 2014 beantragte die Klägerin, die Herbert Smith Freehills LLP, beim Rat der Europäischen Union unter Berufung auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) Zugang zu „allen Dokumenten (einschließlich interner Dokumente und Entwürfen), die von den Beamten des Juristischen Dienstes des Rates bezüglich der von diesem Dienst vorgenommenen Beurteilung der Rechtsgrundlage der Vorschläge für eine neue Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen … zur Vorbereitung von Trilog-Sitzungen zu [dieser Richtlinie] im Jahr 2013, als Reaktion auf diese Sitzungen oder im Anschluss daran oder mit Bezugnahme auf diese Sitzungen verfasst wurden“. Darüber hinaus erklärte die Klägerin, sie erwarte „im Rahmen der Antwort des Juristischen Dienstes des Rates auf diesen Antrag, (zumindest) die Dokumente (einschließlich interner Dokumente und Entwürfen) zu erhalten, die sich auf die vom Juristischen Dienst durchgeführte Prüfung oder Analyse von Art. 24 des Vorschlags [für eine Richtlinie] beziehen“.

2

Mit Schreiben vom 4. Juni 2014 antwortete der Rat auf den Antrag der Klägerin und verweigerte ihr den Zugang zu allen angeforderten Dokumenten.

3

In diesem ursprünglichen abschlägigen Bescheid wies der Rat darauf hin, dass sein Juristischer Dienst keine schriftliche Stellungnahme zu den im Antrag genannten Punkten verfasst habe. Was die internen Dokumente und die Entwürfe betreffe, so habe in begrenztem Umfang ein schriftlicher Austausch zwischen einem Beamten des Juristischen Dienstes des Rates, Beamten der Juristischen Dienste des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission und Vertretern der Mitgliedstaaten stattgefunden. Einige Dokumente dieses Schriftwechsels enthielten im Anhang vorläufige Fassungen von Art. 24 des Vorschlags für eine Richtlinie des Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen (im Folgenden: Tabakrichtlinie) und die Teile des Vorschlags, die darauf Bezug nähmen. Nach Auffassung des Rates würde die Verbreitung dieser Dokumente das Interesse daran, freie, objektive und vollständige rechtliche Stellungnahmen anzufordern und zu erhalten, beeinträchtigen und hinsichtlich der personenbezogenen Daten das Privatleben der am E‑Mail-Austausch beteiligten Personen verletzen.

4

Die Klägerin stellte mit E‑Mail vom 16. Juni 2014 einen Zweitantrag auf Zugang zu den im Erstantrag genannten Dokumenten.

5

Der Rat lehnte den Zweitantrag der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juli 2014, der der Klägerin am 24. Juli 2014 zugestellt wurde, ab und verweigerte ihr den Zugang zu den angegebenen Dokumenten (im Folgenden: angefochtener Bescheid).

6

Aus dem angefochtenen Bescheid geht hervor, dass die Klägerin folgende Dokumente als von der Zugangsverweigerung betroffen angegeben hatte (im Folgenden zusammen: angeforderte Dokumente):

E-Mail eines Beamten des Juristischen Dienstes des Rates vom 21. November 2013 an die Beamten der Juristischen Dienste des Parlaments und der Kommission, die die vorläufigen Rechtsstandpunkte zur Formulierung von Art. 24 der Tabakrichtlinie enthält (im Folgenden: Dokument 1);

E-Mail eines Beamten des Juristischen Dienstes des Rates vom 26. November 2013 an den Rechtsberater eines Mitgliedstaats, die eine sehr kurze Erläuterung des hauptsächlichen rechtlichen Ziels eines bestimmten Entwurfs sowie im Anhang eine vorläufige Fassung von Art. 24 der Tabakrichtlinie und die Teile des Vorschlags der Kommission, die darauf Bezug nehmen, enthält (im Folgenden: Dokument 2);

E-Mail eines Beamten des Juristischen Dienstes des Rates vom 2. Dezember 2013 an die Beamten der Juristischen Dienste des Parlaments und der Kommission, die eine sehr kurze Anmerkung zur möglichen Auslegung eines Textes sowie im Anhang eine vorläufige Fassung von Art. 24 der Tabakrichtlinie und die Teile des Vorschlags der Kommission, die darauf Bezug nehmen, enthält (im Folgenden: Dokument 3);

E-Mail eines Beamten des Juristischen Dienstes des Rates vom 3. Dezember 2013 an einen Beamten der Generaldirektion (GD) „B 4B“ des Generalsekretariats des Rates, die einen sehr kurzen Hinweis auf einen im Anhang beigefügten Entwurf sowie im Anhang eine vorläufige Fassung von Art. 24 der Tabakrichtlinie und die Teile des Vorschlags der Kommission, die darauf Bezug nehmen, enthält (im Folgenden: Dokument 4);

E-Mail eines Beamten des Juristischen Dienstes des Rates vom 4. Dezember 2013 an die Beamten der Juristischen Dienste des Parlaments und der Kommission, die auf ein Urteil Bezug nimmt und kurze vorläufige Stellungnahmen zu seiner Relevanz enthält (im Folgenden: Dokument 5).

7

In dem angefochtenen Bescheid stellte der Rat fest, dass die angeforderten Dokumente rechtliche Stellungnahmen in Form eines informellen Austauschs zu den vorläufigen Rechtsstandpunkten zu einer besonders umstrittenen Bestimmung der Tabakrichtlinie enthielten, die Gegenstand komplizierter und schwieriger Diskussionen innerhalb des Rates und zwischen den Organen gewesen sei.

8

Die Tabakrichtlinie sei von der Tabakindustrie während des Gesetzgebungsverfahrens heftig kritisiert worden. Ein anderer Tabakhersteller habe vor den englischen Gerichten ein Verfahren eingeleitet und die Rechtmäßigkeit der Tabakrichtlinie in Frage gestellt, so dass eine tatsächliche und vorhersehbare Gefahr bestehe, dass ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht werde. Darüber hinaus gebe es Anzeichen dafür, dass Polen die Möglichkeit ins Auge gefasst habe, beim Gerichtshof der Europäischen Union eine Klage auf Nichtigerklärung der Tabakrichtlinie zu erheben. Die „Bestimmung über den freien Verkehr“, die in Art. 24 der Tabakrichtlinie enthalten sei und in den angeforderten Dokumenten geprüft werde, sei zwangsläufig Bestandteil der sich abzeichnenden gerichtlichen Erörterung. Unter diesen Umständen war der Rat der Auffassung, dass die Verbreitung der angeforderten Dokumente die Wirksamkeit seiner Verteidigung vor Gericht beeinträchtigen und folglich den Grundsatz der Waffengleichheit und die Verteidigungsrechte verletzen könnte.

9

Der Rat machte darüber hinaus geltend, den Dokumenten, die von den Beamten des Juristischen Dienstes des Rates auf informeller und vorläufiger Grundlage erstellt worden seien, müsse ein besonderer Schutz zuteilwerden, eben weil es sich um informelle und vorläufige Dokumente handle. Die Verbreitung solcher Dokumente könne erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitsweise des Juristischen Dienstes und seine Freiheit, einen Standpunkt zu vertreten, haben und letztendlich die Möglichkeiten des Rates beeinträchtigen, „freie, objektive und vollständige“ Rechtsgutachten anzufordern und zu erhalten.

10

Folglich fielen die angeforderten Dokumente unter Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, der den Schutz der Rechtsberatung betreffe.

11

Zum Vorliegen eines etwaigen überwiegenden öffentlichen Interesses an der Verbreitung vertrat der Rat die Auffassung, aufgrund der besonders sensiblen Natur der in Rede stehenden rechtlichen Stellungnahmen, die sich auf Fragen bezögen, die Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnten, habe das Interesse an Transparenz und an der Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren in diesem Fall keinen Vorrang vor der Notwendigkeit, die rechtlichen Stellungnahmen in den angeforderten Dokumenten zu schützen, die jedenfalls nur vorläufig seien und nicht den offiziellen Standpunkt des Rates wiedergäben.

12

Zur Frage, ob ein teilweiser Zugang hätte gewährt werden können, stellte der Rat fest, dass die Teile der angeforderten Dokumente, auf die sich der Antrag auf teilweisen Zugang richte, in vollem Umfang unter die geltend gemachte Ausnahmeregelung fielen.

13

Schließlich verweigerte der Rat den Zugang zu den personenbezogenen Daten in den Dokumenten gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1049/2001.

Verfahren und Anträge der Parteien

14

Mit Klageschrift, die am 6. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt.

15

Mit Beschluss vom 7. November 2014 hat das Gericht (Achte Kammer) den Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren zurückgewiesen.

16

Am 19. Dezember 2014 hat der Rat seine Klagebeantwortung eingereicht.

17

Die Erwiderung ist bei der Kanzlei des Gerichts am 25. Februar 2015 eingegangen.

18

Mit Schriftsatz, der am 8. Januar 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 3. März 2015 hat der Präsident der Achten Kammer des Gerichts diesem Antrag stattgegeben.

19

Am 15. April 2015 hat die Kommission ihren Streithilfeschriftsatz eingereicht.

20

Die Gegenerwiderung ist am 16. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

21

Die Stellungnahme der Klägerin zum Streithilfeschriftsatz ist am 29. Mai 2015 eingegangen.

22

Das Gericht (Achte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

23

Mit Beschluss vom 11. November 2015 hat das Gericht dem Rat aufgegeben, eine Abschrift der angeforderten Dokumente gemäß Art. 91 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichts vorzulegen, und darauf hingewiesen, dass die Dokumente der Klägerin gemäß Art. 104 dieser Verfahrensordnung nicht bekannt gegeben werden. Der Rat ist diesem Beschluss innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

24

In der Sitzung vom 22. Januar 2016 haben die Parteien mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

25

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Bescheid für nichtig zu erklären;

dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

26

Der Rat und die Kommission beantragen,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

27

Nachdem die Klägerin ihren dritten Klagegrund in ihrer Erwiderung zurückgenommen hat, stützt sie ihre Nichtigkeitsklage auf zwei Gründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung rügt.

Vorbemerkungen

28

Die Verordnung Nr. 1049/2001 trägt nach ihrem ersten Erwägungsgrund dem in Art. 1 Abs. 2 EUV zum Ausdruck gebrachten Willen Rechnung, eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer „immer engeren Union der Völker Europas“ zu erreichen, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden. Wie aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht, knüpft das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Dokumenten der Organe an deren demokratischen Charakter an (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 34, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 68, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 72).

29

Deshalb soll die Verordnung Nr. 1049/2001, wie sich aus ihrem vierten Erwägungsgrund und Art. 1 ergibt, der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe gewähren (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 33, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 69, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 73).

30

Jedoch unterliegt dieses Recht gleichwohl gewissen Einschränkungen aufgrund öffentlicher oder privater Interessen. Insbesondere sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 im Einklang mit ihrem elften Erwägungsgrund in Art. 4 eine Regelung über Ausnahmen vor, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern können, falls durch dessen Verbreitung eines der mit dieser Vorschrift geschützten Interessen beeinträchtigt würde (Urteile vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 70 und 71, vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 74, und vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 29).

31

Da jedoch solche Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteile vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, EU:C:2007:75, Rn. 63, vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 36, vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 73, und vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 75).

32

Der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschütztes Interesse betrifft, kann jedoch nicht für die Anwendung dieser Verordnung ausreichen (Urteile vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 51, und vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, EU:T:2005:125, Rn. 69).

33

Beschließt ein Organ, den Zugang zu einem Dokument zu verweigern, zu dem bei ihm Zugang beantragt wurde, muss es nämlich zum einen grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das Interesse, das durch die von ihm in Anspruch genommene Ausnahme nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss außerdem bei vernünftiger Betrachtung absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Schweden/MyTravel und Kommission, C‑506/08 P, EU:C:2011:496, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Außerdem muss ein Organ bei der Anwendung einer der Ausnahmen nach Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 das besondere Interesse, das durch die Nichtverbreitung des betreffenden Dokuments geschützt werden soll, u. a. gegen das allgemeine Interesse an der Zugänglichmachung dieses Dokuments abwägen, und zwar unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich, wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, aus einer größeren Transparenz ergeben, nämlich einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 45, vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 32, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 53).

35

Überdies hat der Gerichtshof auch festgestellt, dass diese Erwägungen ersichtlich von ganz besonderer Bedeutung sind, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird, wie sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt, wonach gerade in einem solchen Fall ein umfassenderer Zugang zu Dokumenten zu gewähren ist. Transparenz in dieser Hinsicht trägt zur Stärkung der Demokratie bei, indem sie den Bürgern ermöglicht, alle Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist. Die Möglichkeit für die Bürger, sich über die Grundlagen der Gesetzgebungstätigkeit zu informieren, ist nämlich eine Voraussetzung dafür, dass sie ihre demokratischen Rechte effektiv ausüben können (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 46, und vom 17. Oktober 2013, Rat/Access Info Europe, C‑280/11 P, EU:C:2013:671, Rn. 33).

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001

36

Mit ihrem ersten Klagegrund, der aus zwei Teilen besteht, beanstandet die Klägerin zwei Verstöße des Rates gegen Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001.

37

Im Rahmen des ersten Teils macht die Klägerin geltend, die Dokumente 1, 2, 3 und 5 fielen nicht in den Anwendungsbereich der in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmeregelung für die Rechtsberatung.

38

Im Rahmen des zweiten Teils macht sie geltend, selbst wenn die Dokumente 1, 2, 3 und 5 in den Anwendungsbereich von Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fielen, müssten sie – ebenso wie Dokument 4 – dennoch offengelegt werden, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung bestehe.

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes

39

Die Klägerin ist der Auffassung, die in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme für die Rechtsberatung dürfe nicht auf den E‑Mail-Verkehr mit Dritten im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens ausgeweitet werden. Die Dokumente 1, 2, 3 und 5 seien nämlich nur das Ergebnis einer Debatte zwischen den Organen über den Inhalt des vorgeschlagenen Gesetzgebungsakts. Die genannte Ausnahme gelte nur für interne Stellungnahmen des Juristischen Dienstes des betreffenden Organs. Folglich habe der Rat einen Fehler begangen, als er sich hinsichtlich der Mitteilungen an Beamte der Juristischen Dienste des Parlaments und der Kommission sowie an den Rechtsberater eines Mitgliedstaats auf die betreffende Ausnahme berufen habe.

40

Der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

41

Nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 verweigern die Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung der Schutz der Rechtsberatung beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

42

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Ausnahme für die Rechtsberatung in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 muss die Prüfung, die der Rat vorzunehmen hat, wenn bei ihm die Verbreitung eines Dokuments beantragt wird, entsprechend den in dieser Bestimmung genannten drei Kriterien notwendigerweise in drei Schritten erfolgen (Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 37, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 95).

43

So muss sich der Rat in einem ersten Schritt vergewissern, dass das Dokument, dessen Verbreitung beantragt wird, tatsächlich eine Rechtsberatung betrifft. In einem zweiten Schritt muss er prüfen, ob der Schutz der Rechtsberatung durch die Verbreitung der Abschnitte des fraglichen Dokuments, die als eine Rechtsberatung betreffend identifiziert wurden, in dem Sinne beeinträchtigt würde, dass das Interesse eines Organs, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, geschädigt würde. Die Gefahr einer Beeinträchtigung dieses Interesses kann nur geltend gemacht werden, wenn sie bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch ist. In einem dritten und letzten Schritt muss der Rat, wenn er der Auffassung ist, dass die Verbreitung eines Dokuments den Schutz der Rechtsberatung, wie er soeben definiert worden ist, beeinträchtigt, prüfen, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das diese Verbreitung trotz der Beeinträchtigung seiner Möglichkeiten, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, rechtfertigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 38 bis 44, und vom 3. Juli 2014, Rat/in ’t Veld, C‑350/12 P, EU:C:2014:2039, Rn. 96).

44

Soweit die Verbreitung der im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren erstellten Stellungnahmen des Juristischen Dienstes des Rates das Interesse am Schutz der Unabhängigkeit des Juristischen Dienstes des Rates beeinträchtigen könnte, ist darüber hinaus, wie der Gerichtshof ebenfalls festgestellt hat, diese Gefahr gegen die überwiegenden öffentlichen Interessen abzuwägen, die der Verordnung Nr. 1049/2001 zugrunde liegen. Ein solches überwiegendes öffentliches Interesse ist darin zu sehen, dass die Verbreitung von Dokumenten, die die Stellungnahme des Juristischen Dienstes eines Organs zu Rechtsfragen enthalten, die bei der Diskussion über Gesetzesvorschläge aufgeworfen werden, geeignet ist, die Transparenz und die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens zu erhöhen und das demokratische Recht der europäischen Bürger, die Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen ist, zu stärken, wie es insbesondere im zweiten und im sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung vorgesehen ist. Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 grundsätzlich eine Verpflichtung zur Verbreitung der Stellungnahmen des Juristischen Dienstes des Rates zu Gesetzgebungsverfahren aufstellt (Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 67 und 68).

45

Gleichwohl schließt diese Feststellung nicht aus, dass die Verbreitung eines spezifischen Rechtsgutachtens, das im Zusammenhang mit einem Gesetzgebungsverfahren erstellt wurde, aber besonders sensibel oder von besonders großer Tragweite ist, die über den Rahmen des betreffenden Gesetzgebungsverfahrens hinausgeht, zum Schutz der Rechtsberatung verweigert werden kann. In einem solchen Fall müsste das betreffende Organ die Verweigerung substantiiert begründen (Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 69).

46

Wie oben in Rn. 39 dargelegt, stellt die Klägerin im ersten Teil des ersten Klagegrundes den ersten Schritt bei der vom Rat vorgenommenen Prüfung in Frage.

47

Was den Begriff der „Rechtsberatung“ betrifft, findet die von der Klägerin vertretene Auslegung dieses Begriffs keine Grundlage in Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001.

48

Erstens wird der Begriff der „Rechtsberatung“ in der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht definiert. Aus der auf das Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 38 und 39), zurückgehenden Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass der Begriff der „Rechtsberatung“ auf den Inhalt eines Dokuments und nicht auf seinen Verfasser oder seinen Adressaten zu beziehen ist. Aus der wörtlichen Auslegung des Begriffs „Rechtsberatung“ ergibt sich nämlich, dass es sich dabei um eine Beratung hinsichtlich einer Rechtsfrage handelt, und zwar unabhängig davon, nach welchen Modalitäten diese Beratung erfolgt. Mit anderen Worten ist es für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung zum Schutz der Rechtsberatung unerheblich, ob das Dokument, das die Rechtsberatung enthält, in einem frühen, fortgeschrittenen oder im Endstadium des Entscheidungsprozesses erstellt wurde. Ebenso unerheblich ist es für die Auslegung des Begriffs, ob die Rechtsberatung in einem formellen oder informellen Kontext erfolgte.

49

Zweitens lässt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht folgern, dass die Vorschrift nur für eine Stellungnahme gilt, die ein Organ intern abgegeben oder erhalten hat.

50

Aus dem Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 42), geht hervor, dass die in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme für die Rechtsberatung dahin auszulegen ist, dass sie das Interesse eines Organs schützen soll, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten.

51

Auch wenn sich ein Organ grundsätzlich an seinen eigenen Juristischen Dienst wendet, steht es ihm frei, gegebenenfalls ein Rechtsgutachten von dritter Seite anzufordern. Dies ist z. B. der Fall, wenn das betreffende Organ ein Gutachten von einer Anwaltskanzlei anfordert.

52

Folglich ist es für das Organ, das sich auf die Ausnahmeregelung zum Schutz der Rechtsberatung beruft, unerheblich, ob die rechtliche Stellungnahme von einem internen oder einem externen Verfasser stammt.

53

Schließlich steht es dem Organ, das sich auf die Ausnahme zum Schutz der Rechtsberatung beruft, ebenfalls frei, ein Rechtsgutachten mit „einem Dritten“ gemeinsam zu verwenden. Der Umstand, dass ein Dokument, das ein Rechtsgutachten eines Organs enthält, den Juristischen Diensten der anderen Organe oder einem Mitgliedstaat übermittelt worden ist, hat für sich genommen keinen Einfluss auf das Wesen des Dokuments.

54

Folglich ist – entgegen dem Vorbringen der Klägerin – Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht zu entnehmen, dass ein Rechtsgutachten von einem Organ nur für den internen Gebrauch erstellt worden sein muss.

55

Wie der Rat geltend gemacht hat und das Gericht anhand der Dokumente, die ihm im Rahmen der oben in Rn. 23 erwähnten prozessleitenden Maßnahme vorgelegt worden sind, hat feststellen können, handelt es sich in diesem Fall um einen Austausch zwischen den drei Organen im Rahmen eines Trilogs, was naturgemäß beinhaltet, dass für die Verabschiedung eines endgültigen Gesetzestextes ein Austausch „außerhalb“ des betreffenden Organs stattfindet.

56

Ein Trilog ist ein informelles dreiseitiges Treffen, an dem Vertreter des Parlaments, des Rates und der Kommission teilnehmen. Ziel dieses Treffens ist es, sich schnell über eine Reihe von Änderungen zu verständigen, die für das Parlament und den Rat annehmbar sind. Zwar betreffen die legislativen Debatten im Rahmen eines Trilogs häufig politische Fragen, doch werden bisweilen auch technische Rechtsfragen behandelt. In diesem Fall kommt es vor, dass sich die Juristischen Dienste der drei Organe miteinander beraten und auf einen Standpunkt einigen müssen, der anschließend von jedem der drei Organe gemäß seiner Geschäftsordnung genehmigt werden muss.

57

So besteht das in Art. 294 AEUV festgelegte ordentliche Gesetzgebungsverfahren, nach dem die Tabakrichtlinie erlassen wurde, aus drei Phasen (erste Lesung, zweite Lesung und dritte Lesung mit Vermittlung), doch kann es in jeder Phase beendet werden, wenn das Parlament und der Rat eine Einigung erzielen. Zwar können bis zu drei Lesungen erforderlich sein, doch die zunehmende Verwendung des Trilogs zeigt, dass oftmals im Rahmen der ersten Lesung eine Einigung erzielt wird.

58

Im vorliegenden Fall wurde die Tabakrichtlinie auf der Grundlage einer ersten Lesung im Parlament erlassen. Mit Rücksicht auf das Ende der Mandatsperiode des Parlaments und der Kommission im Juni bzw. Oktober 2014 fanden auf Antrag des Parlaments Verhandlungen im Rahmen eines Trilogs zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission statt, um u. a. den Inhalt von Art. 24 der Tabakrichtlinie zu erörtern und sich auf dessen Wortlaut zu verständigen.

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Der Austausch rechtlicher Standpunkte zwischen den Juristischen Diensten der drei Organe, um zu einem Kompromiss über einen Gesetzestext im Rahmen eines Trilogs zu gelangen, kann unter Umständen als Rechtsberatung eingestuft werden und folglich unter die Ausnahme für die Rechtsberatung fallen.

60

Die Juristischen Dienste handeln nämlich im Rahmen eines Mandats und mit dem Ziel, eine Einigung zu erreichen. Somit treten sie gleichzeitig als Verhandlungsführer und als Berater zu Rechtsfragen auf.

61

Was schließlich das Vorbringen der Klägerin betrifft, das Dokument 2 – eine E‑Mail des Rates an einen Mitgliedstaat und damit nach Auffassung der Klägerin ein Dokument, das mit einem Dritten ausgetauscht worden ist – falle aufgrund dessen nicht in den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung für die Rechtsberatung, so ist zu bemerken, dass die Mitgliedstaaten den Rat bilden. Somit kann der Schriftverkehr zwischen den Dienststellen des Rates und den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens unter Umständen unter die Ausnahme für die Rechtsberatung in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 fallen.

62

Nach alledem war der Rat zu Recht der Auffassung, dass es sich bei den streitigen Dokumenten um rechtliche Stellungnahmen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 handelte. Somit ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes

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Im Rahmen des zweiten Teils macht die Klägerin geltend, soweit die Dokumente 1 bis 5 durch Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 geschützt seien, bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an ihrer Verbreitung.

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Insoweit verweist die Klägerin auf das Urteil vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat (C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 46). Aus dem Urteil gehe hervor, dass im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens erstellte Rechtsgutachten grundsätzlich veröffentlicht werden müssten und ihre Verbreitung geeignet sei, die Transparenz und die Offenheit des Gesetzgebungsverfahrens zu erhöhen und das demokratische Recht der europäischen Bürger, die Informationen zu überprüfen, auf deren Grundlage ein Rechtsakt ergangen sei, zu stärken. Die angeforderten Dokumente behandelten einen wesentlichen Aspekt der Verfassungsordnung der Europäischen Union, nämlich die Rechtsgrundlage der Tabakrichtlinie, was im Zusammenhang mit dem in Art. 5 EU verankerten Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung stehe. Dieser wesentliche Aspekt sei auch Gegenstand einer Auslegungsfrage, die dem High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen's Bench [Verwaltungsgericht], Vereinigtes Königreich), vorgelegt worden sei, was ebenfalls ein bedeutendes öffentliches Interesse beweise.

65

Der Rat, unterstützt durch die Kommission, bestreitet, dass das öffentliche Interesse an der Verbreitung der angeforderten Dokumente im Bereich der Gesetzgebung stets überwiege. Dazu verweisen die beiden Organe auf die spezifischen Stellungnahmen zu Art. 24 der Tabakrichtlinie, die sensibel und umstritten seien. Ihre Verbreitung würde das Interesse, freie, objektive und vollständige Rechtsgutachten anzufordern und zu erhalten, die Möglichkeiten des Rates und der Kommission, ihre Verteidigung im Rahmen des künftigen Gerichtsverfahrens festzulegen und abzustimmen, und den ruhigen und ungestörten Verlauf der rechtlichen Erörterungen vor den Unionsgerichten beeinträchtigen. Angesichts dieser Gefahren habe das von der Klägerin geltend gemachte angeblich öffentliche Interesse an der Verbreitung keinen Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Schutz der in Rede stehenden Rechtsberatung.

66

Vorab ist festzustellen, dass die Klägerin nicht bestritten hat, dass eine tatsächliche, bei vernünftiger Betrachtung absehbare und nicht rein hypothetische Gefahr der Beeinträchtigung des Schutzes der Rechtsberatung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 im Fall der Verbreitung aller angeforderten Dokumente gegeben wäre. Der Umstand, dass sie in ihren Schriftsätzen auf ihre Zweifel an der besonders sensiblen Natur der fraglichen Dokumente hingewiesen hat, kommt lediglich im Rahmen der Abwägung zwischen dem Interesse des Rates am Schutz der fraglichen Stellungnahmen und dem von ihr geltend gemachten überwiegenden Interesse an deren Verbreitung zum Tragen. Folglich ist die vom Rat vorgenommene Prüfung, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass die Verbreitung der angeforderten Dokumente sein Interesse beeinträchtigen könnte, Rechtsgutachten anzufordern und freie, objektive und vollständige Stellungnahmen zu erhalten, nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

67

Soweit die Verbreitung eines Rechtsgutachtens das geschützte Interesse beeinträchtigen könnte, ist diese Gefahr gegen die überwiegenden Interessen abzuwägen, die der Verordnung Nr. 1049/2001 zugrunde liegen. Wie aus der oben in Rn. 34 angeführten Rechtsprechung hervorgeht, muss das jeweilige Organ das besondere Interesse, das durch die Nichtverbreitung des betreffenden Dokuments geschützt werden soll, u. a. gegen das allgemeine Interesse an der Zugänglichmachung dieses Dokuments abwägen, und zwar unter Berücksichtigung der Vorteile, die sich, wie im zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1049/2001 ausgeführt, aus einer größeren Transparenz ergeben, nämlich einer besseren Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und einer größeren Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System.

68

Das überwiegende öffentliche Interesse an der Verbreitung eines Dokuments muss nicht notwendigerweise von den Grundsätzen verschieden sein, auf denen die Verordnung Nr. 1049/2001 aufbaut (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C‑39/05 P und C‑52/05 P, EU:C:2008:374, Rn. 74 und 75, und vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 92).

69

Allerdings reichen Erwägungen ganz allgemeiner Natur nicht aus, um darzutun, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse den Gründen für die Verweigerung der Freigabe der in Rede stehenden Dokumente vorgeht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 158, vom 14. November 2013, LPN und Finnland/Kommission, C‑514/11 P und C‑605/11 P, EU:C:2013:738, Rn. 93, vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW, C‑365/12 P, EU:C:2014:112, Rn. 105, und vom 2. Oktober 2014, Strack/Kommission, C‑127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 131).

70

In der vorliegenden Rechtssache geht aus dem angefochtenen Bescheid hervor, dass nach Auffassung des Rates kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der angeforderten Dokumente besteht. Wie der oben in Rn. 11 zusammengefassten Rn. 26 des angefochtenen Bescheids zu entnehmen ist, vertrat der Rat die Auffassung, aufgrund der besonders sensiblen Natur der in Rede stehenden rechtlichen Stellungnahmen, die sich auf Fragen bezögen, die Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnten, habe das Interesse an Transparenz und an der Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren in diesem Fall keinen Vorrang vor der Notwendigkeit, die rechtlichen Stellungnahmen in den angeforderten Dokumenten zu schützen.

71

Keines der oben in Rn. 64 zusammengefassten Argumente der Klägerin kann diese Würdigung in Frage stellen.

72

Was erstens das Argument betrifft, die für das Verständnis des Gesetzgebungsverfahrens erforderliche Transparenz stelle für sich genommen ein öffentliches Interesse dar, das der Rat nicht berücksichtigt habe, ist angesichts der oben in Rn. 69 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass eine derart allgemeine Erwägung nicht geeignet ist, darzutun, dass der Transparenzgrundsatz im vorliegenden Fall eine besondere Dringlichkeit aufweist, die gegenüber den Gründen für die Verweigerung des Zugangs zu den angeforderten Dokumenten schwerer wiegen könnte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 21. September 2010, Schweden u. a./API und Kommission, C‑514/07 P, C‑528/07 P und C‑532/07 P, EU:C:2010:541, Rn. 157 und 158).

73

Was zweitens das Vorbringen betrifft, das überwiegende öffentliche Interesse sei auch dadurch nachgewiesen, dass beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen's Bench [Verwaltungsgericht]), ein Rechtsstreit anhängig sei, ist festzustellen, dass die Klägerin für British American Tobacco UK Ltd handelt, die am 27. Juni 2014 das genannte Verfahren, in dem sie die Gültigkeit der Tabakrichtlinie und insbesondere ihres Art. 24 im Licht von Art. 114 AEUV bestreitet, eingeleitet und beantragt hat, dass das Gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union ein Vorabentscheidungsersuchen über die Gültigkeit der Tabakrichtlinie vorlegt. Der Umstand, dass die Klägerin beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Hoher Gerichtshof [England & Wales], Abteilung Queen's Bench [Verwaltungsgericht]), eine Klage erhoben hat, deutet darauf hin, dass es sich hier eher um ein privates als um ein überwiegendes öffentliches Interesse handelt. Überdies hat die Klägerin in Erwartung des Vorabentscheidungsersuchens des genannten Gerichts einen Antrag auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren gestellt (vgl. oben, Rn. 14) und geltend gemacht, sie habe ein offensichtliches Interesse am Zugang zu den fraglichen Dokumenten, um ihre Erklärungen im Rahmen des ausstehenden Vorabentscheidungsverfahrens besser vorbereiten und die Dokumente dem Gerichtshof der Europäischen Union vorlegen zu können, was für ihr privates Interesse spricht.

74

Was die Notwendigkeit betrifft, die Verbreitung der angeforderten Dokumente aufgrund eines überwiegenden Interesses zwecks besserer Vorbereitung ihrer Beteiligung am genannten Gerichtsverfahren zu erreichen, kann dieses Argument als solches kein öffentliches Interesse an der Verbreitung begründen, das Vorrang vor dem Schutz der Vertraulichkeit im Sinne von Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 haben kann. In Anbetracht des allgemeinen Grundsatzes des Zugangs zu Dokumenten, wie er in Art. 15 AEUV und den Erwägungsgründen 1 und 2 der Verordnung enthalten ist, muss das Interesse objektiv und allgemein sein und darf nicht mit besonderen oder privaten Interessen vermengt werden.

75

Nach alledem kann der zweite Teil des ersten Klagegrundes nicht durchgreifen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001

76

Im Rahmen des zweiten Klagegrundes macht die Klägerin geltend, der Rat habe Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 insofern unrichtig angewandt, als er keinen teilweisen Zugang zu den angeforderten Dokumenten gewährt habe. Jegliche Gefahr für den Schutz der Rechtsberatung hätte nach Auffassung der Klägerin durch Unkenntlichmachung der E‑Mails erheblich reduziert werden können. Ferner müsse zumindest die Übermittlung der vorläufigen Entwürfe von Art. 24 der Tabakrichtlinie, die den Dokumenten 2, 3 und 4 beigefügt seien, gewährt werden.

77

Nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 werden, wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der in diesem Artikel genannten Ausnahmen unterliegen, die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

78

Im vorliegenden Fall vertrat der Rat in dem angefochtenen Bescheid die Auffassung, die vom Zugangsantrag der Klägerin erfassten Teile des Schriftwechsels fielen vollständig unter die Ausnahmeregelung zum Schutz der Rechtsberatung, so dass es nicht möglich gewesen sei, teilweisen Zugang zu gewähren.

79

Darüber hinaus hat der Rat in der Klagebeantwortung darauf hingewiesen, dass eine Verbreitung der in den angegebenen E‑Mails enthaltenen Grußformeln und unbedeutenden logistischen Informationen der Klägerin keine relevanten Informationen verschafft hätte und damit wertlos gewesen wäre.

80

In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Rates ist insoweit festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung die Organe berechtigt sind, dann keinen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn sich aus der Prüfung der fraglichen Dokumente ergibt, dass der teilweise Zugang sinnlos wäre, weil die Teile dieser Dokumente im Fall ihrer Zugänglichmachung für den Antragsteller völlig wertlos wären (Urteil vom 12. Juli 2001, Mattila/Rat und Kommission, T‑204/99, EU:T:2001:190, Rn. 69).

81

Folglich hat der Rat, da die vom Zugangsantrag der Klägerin erfassten Teile der fraglichen Dokumente vollständig unter die Ausnahmeregelung zum Schutz der Rechtsberatung fielen und die übrigen Teile nur Grußformeln und unbedeutende logistische Informationen enthielten, einen teilweisen Zugang zu Recht als sinnlos erachtet.

82

Zu den vorläufigen Fassungen von Art. 24 der Tabakrichtlinie, die den Dokumenten 2, 3 und 4 beigefügt waren, ist festzustellen, dass die Stellungnahmen, die zwischen den drei Juristischen Diensten ausgetauscht wurden, durch die Funktion „Nachverfolgung der Änderungen“ im Text dieser Fassungen wiedergegeben werden und wesentlicher Bestandteil der Rechtsberatung sind. Folglich gelten die Ausführungen in den vorstehenden Rn. 71 bis 75.

83

Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

84

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates aufzuerlegen.

85

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre Kosten selbst. Daher trägt die Kommission ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Herbert Smith Freehills LLP trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates der Europäischen Union.

 

3.

Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten.

 

Gratsias

Kancheva

Wetter

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 15. September 2016.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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