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Document 62014CJ0050

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 28. Januar 2016.
Consorzio Artigiano Servizio Taxi e Autonoleggio (CASTA) u. a. gegen Azienda sanitaria locale di Ciriè, Chivasso e Ivrea (ASL TO4) und Regione Piemonte.
Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Öffentliche Aufträge – Art. 49 AEUV und 56 AEUV – Richtlinie 2004/18/EG – Krankentransporte – Nationale Regelung, nach der Krankentransporte im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung und unter Erstattung der aufgewandten Kosten an Freiwilligenorganisationen vergeben werden dürfen, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen und registriert sind – Zulässigkeit.
Rechtssache C-50/14.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2016:56

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

28. Januar 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Öffentliche Aufträge — Art. 49 AEUV und 56 AEUV — Richtlinie 2004/18/EG — Krankentransporte — Nationale Regelung, nach der Krankentransporte im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung und unter Erstattung der aufgewandten Kosten an Freiwilligenorganisationen vergeben werden dürfen, die die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen und registriert sind — Zulässigkeit“

In der Rechtssache C‑50/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Regionales Verwaltungsgericht Piemont, Italien), mit Entscheidung vom 9. Januar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Februar 2014, in dem Verfahren

Consorzio Artigiano Servizio Taxi e Autonoleggio (CASTA) u. a.

gegen

Azienda sanitaria locale di Ciriè, Chivasso e Ivrea (ASL TO4),

Regione Piemonte,

Beteiligte:

Associazione Croce Bianca del Canavese u. a.,

Associazione nazionale pubblica assistenza (ANPAS) – Comitato regionale Liguria,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer, sowie der Richter D. Šváby (Berichterstatter), A. Rosas, E. Juhász und C. Vajda,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Consorzio Artigiano Servizio Taxi e Autonoleggio (CASTA) u. a., vertreten durch M. Bellardi und P. Troianello, avvocati,

der Azienda sanitaria locale di Ciriè, Chivasso e Ivrea (ASL TO4), vertreten durch F. Dealessi, avvocato,

der Associazione Croce Bianca del Canavese u. a., vertreten durch E. Thellung De Courtelary und C. Tamburini, avvocati,

der Associazione nazionale pubblica assistenza (ANPAS) – Comitato regionale Liguria, vertreten durch R. Damonte, avvocato,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und T. Müller als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Pignataro-Nolin und A. Tokár als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 49 AEUV und 56 AEUV.

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Consorzio Artigiano Servizio Taxi e Autonoleggio (CASTA) und zwei Betreibern von Transportunternehmen (im Folgenden: CASTA u. a.) auf der einen sowie der Azienda sanitaria locale di Ciriè, Chivasso e Ivrea (ASL TO4) (örtliches Gesundheitsamt von Ciriè, Chivasso und Ivrea [ASL TO4]) und der Regione Piemonte (Region Piemont) auf der anderen Seite wegen der Vergabe ohne Ausschreibung der Dienstleistung zur Beförderung von Dialysepatienten in verschiedene medizinische Einrichtungen für die Zeit von Juni bis Dezember 2013 an die Associazione Croce Bianca del Canavese und mehrere andere Freiwilligenorganisationen (im Folgenden: Associazione Croce Bianca u. a.) und wegen der damit verbundenen Genehmigung der Kosten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114, Berichtigung in ABl. L 351, S. 44) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1251/2011 der Kommission vom 30. November 2011 (ABl. L 319, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden Richtlinie 2004/18) enthält in ihrem Art. 1 Abs. 2 und 5 folgende Definitionen:

„(2)   a) ‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d)

‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(5)   Eine ‚Rahmenvereinbarung‘ ist eine Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge.“

4

Die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/18 auf die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge unterliegt mehreren Voraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf den Auftragswert und die Art der betreffenden Dienstleistungen.

5

Zum einen gilt sie gemäß ihrem Art. 7 Buchst. b erster und dritter Gedankenstrich u. a. für öffentliche Dienstleistungsaufträge mit einem Wert (ohne Mehrwertsteuer) ab 200000 Euro, die sich auf im Anhang II Teil A dieser Richtlinie angeführte Dienstleistungen beziehen und von anderen als den in ihrem Anhang IV genannten öffentlichen Auftraggebern vergeben werden oder im Anhang II Teil B dieser Richtlinie angeführte Dienstleistungen betreffen. Der zu berücksichtigende Wert einer Rahmenvereinbarung ist gemäß Art. 9 Abs. 9 dieser Richtlinie gleich dem geschätzten Gesamtwert aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge. In Art. 9 Abs. 8 Buchst. b Ziff. ii dieser Richtlinie wird allerdings darauf hingewiesen, dass der berücksichtigte Wert bei Verträgen mit unbestimmter Laufzeit auf den Monatswert eines solchen Auftrags, multipliziert mit 48, begrenzt ist.

6

Zum anderen unterliegt nach den Art. 20 und 21 der Richtlinie 2004/18 die Vergabe von Aufträgen über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A der Gesamtheit der Art. 23 bis 55, die Vergabe von Aufträgen über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B aber nur Art. 23 und Art. 35 Abs. 4 dieser Richtlinie, die technische Spezifikationen bzw. die Bekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens betreffen. Nach Art. 22 der Richtlinie 2004/18 werden Aufträge sowohl über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A als auch über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B entweder, wenn der Wert der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A höher ist als derjenige der Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil B, nach den Art. 23 bis 55 vergeben oder, im umgekehrten Fall, allein gemäß Art. 23 und Art. 35 Abs. 4.

7

Anhang II Teil A Kategorie 2 der Richtlinie 2004/18 betrifft den Landverkehr, einschließlich Geldtransport und Kurierdienste, ohne Postverkehr, und Anhang II Teil B Kategorie 25 derselben Richtlinie das Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen.

8

Für den Abschluss einer Rahmenvereinbarung schließlich haben die öffentlichen Auftraggeber gemäß Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie in allen Phasen bis zur Zuschlagserteilung der Aufträge zu befolgen, die auf diese Rahmenvereinbarung gestützt sind.

Italienisches Recht

9

Sowohl das nationale als auch das regionale italienische Recht weist Freiwilligenorganisationen ohne Erwerbszweck, deren Leistungen überwiegend freiwillig erbracht werden und bei denen wirtschaftliche und Produktionstätigkeiten lediglich als Nebentätigkeit ausgeübt werden, gestützt auf den in Art. 2 der Verfassung der Italienischen Republik verankerten Grundsatz der Solidarität und den in Art. 118 dieser Verfassung garantierten Subsidiaritätsgrundsatz eine aktive Rolle auf dem Gebiet der Gesundheitsleistungen zu.

10

In den Art. 1 und 45 des Gesetzes Nr. 833 über die Einrichtung des nationalen Gesundheitsdienstes (Legge n. 833 – Istituzione del servizio sanitario nazionale) vom 23. Dezember 1978 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 360 vom 28. Dezember 1978) wird dementsprechend die Funktion von Freiwilligenorganisationen und von Verbänden anerkannt, die zum Ziel haben, zur Verwirklichung der Ziele des nationalen Gesundheitsdienstes beizutragen. Es ist vorgesehen, dass dieser Beitrag im Einklang mit der Regionalplanung und den auf regionaler Ebene erlassenen Rechtsvorschriften in Übereinkünften mit den örtlichen Gesundheitseinrichtungen geregelt wird.

11

Der freiwillige Charakter einer solchen Mitwirkung kommt auf nationaler Ebene durch das Gesetz Nr. 266, Rahmengesetz über die Freiwilligentätigkeit (Legge n. 266 – Legge-quadro sul volontariato), vom 11. August 1991 (GURI Nr. 196 vom 22. August 1991, im Folgenden: Gesetz Nr. 266/1991) zum Ausdruck. In Art. 1 dieses Gesetzes ist der Grundsatz der Freiwilligentätigkeit folgendermaßen festgelegt:

„Die Italienische Republik erkennt den sozialen Wert und die Funktion der Freiwilligentätigkeit als Ausdruck von Mitwirkung, Solidarität und Pluralismus an; sie unterstützt die Entwicklung dieser Freiwilligentätigkeit unter Aufrechterhaltung ihrer Autonomie und den unter Berücksichtigung der vom Staat, den Regionen, den Autonomen Provinzen Trient und Bozen sowie den lokalen Gebietskörperschaften festgelegten sozialen, bürgerlichen und kulturellen Ziele geleisteten eigenständigen Beitrag.“

12

Nach Art. 3 dieses Gesetzes ist eine Freiwilligenorganisation eine Organisation, die zu dem Zweck gegründet wurde, eine Freiwilligentätigkeit auszuüben, und zwar maßgeblich und überwiegend durch den persönlichen, freiwilligen und kostenlosen Einsatz ihrer Mitglieder, und darf eine derartige Organisation lediglich in dem Maß auf abhängig oder selbständig Erwerbstätige zurückgreifen, als es für ihren geregelten Betrieb oder für eine Qualifizierung oder Spezialisierung der Tätigkeit erforderlich ist. Außerdem sieht dieser Artikel vor, dass die Freiwilligenorganisationen ihre Tätigkeit entweder im Rahmen eigener Strukturen oder im Rahmen öffentlicher Strukturen oder von mit diesen vereinbarten Strukturen ausüben.

13

In Art. 5 des Gesetzes Nr. 266/1991 ist festgelegt, mit welchen Mitteln sich die Freiwilligenorganisationen finanzieren können. Dazu gehören Rückzahlungen aufgrund von Übereinkünften mit öffentlichen Einrichtungen und Einnahmen aus geringfügigen Geschäfts‑ oder Produktionstätigkeiten.

14

Art. 7 des Gesetzes Nr. 266/1991 schließlich regelt den Abschluss derartiger Übereinkünfte mit staatlichen Einrichtungen. Diese Übereinkünfte müssen die Tätigkeit der Vereinigungen abgrenzen, insbesondere im Hinblick auf die Qualität der Leistungen, und die Modalitäten für die Erstattung der aufgewandten Kosten vorsehen.

15

Dieser Rahmen ist für die Region Piemont durch das Regionalgesetz Nr. 38 über die Aufwertung und Förderung der Freiwilligenarbeit (Legge regionale n. 38 – Valorizzazione e promozione del volontariato) vom 29. August 1994 festgelegt. Nach Art. 9 dieses Gesetzes ist in den Übereinkünften, die diese Region selbst, die lokalen Gebietskörperschaften und dort ansässige öffentliche Einrichtungen mit den Freiwilligenorganisationen schließen können, u. a. Folgendes festzulegen: die Art der Nutzer, die zu erbringende Leistung und die Modalitäten der Erbringung, die Modalitäten der Erstattung der Versicherungskosten und der belegten Ausgaben der die Übereinkunft schließenden Organisation sowie die Modalitäten der Überprüfung der Umsetzung der Übereinkunft, auch durch regelmäßige Treffen der Verantwortlichen der öffentlichen Dienste und der für den operativen Bereich Verantwortlichen der jeweiligen Organisation.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16

Im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes erbringt die ASL TO4 Dialysepatienten Beförderungsdienstleistungen, wodurch sie es den Patienten ermöglicht, tatsächlichen Zugang zu den medizinischen Einrichtungen zu erlangen, wenn sie sich nicht selbst dorthin begeben können. Diese Dienstleistung dient dem zweifachen Ziel, eine im Bereich des nationalen Gesundheitsdienstes angebotene medizinische Dienstleistung physisch und wirtschaftlich zugänglich zu machen.

17

Der Generaldirektor der ASL TO4 vergab im Wege seines Beschlusses Nr. 381 vom 31. Mai 2013 mittels Übereinkunft die Erbringung der genannten Dienstleistung für die Zeit von Juni bis Dezember 2013 an die der Associazione nazionale pubblica assistenza (ANPAS) – Comitato regionale Piemonte (Nationale Vereinigung für öffentliche Fürsorge – Regionalausschuss Piemont) angeschlossenen Freiwilligenorganisationen, d. h. an die Associazione Croce Bianca u. a. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die beim Gerichtshof schriftliche Erklärungen eingereicht haben, haben hinsichtlich der Haushaltslinie, die zur Deckung der fraglichen Kosten in diesem Zeitraum vorgesehen war, Beträge angegeben, die zwischen 195975,37 und 277076,61 Euro schwanken.

18

CASTA u. a., die ein Taxiunternehmen und die Vermietung von Kraftfahrzeugen mit Chauffeur betreiben, bzw. ihre Vertreter haben diesen Beschluss beim Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Verwaltungsgericht der Region Piemont) angefochten und dabei insbesondere einen Verstoß gegen das Unionsrecht geltend gemacht. Aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, geht hervor, dass CASTA u. a. die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung der ASL TO4 bis zum 30. Mai 2013 erbracht haben.

19

Außerdem ergibt sich aus diesen Akten, dass die Regionalregierung von Piemont (Giunta regionale del Piemonte) und ANPAS – Comitato regionale Piemonte in ihrer Eigenschaft als territoriale Koordinierungsstelle eine Übereinkunft geschlossen haben, um die Beziehungen zwischen den örtlichen Gesundheitseinrichtungen dieser Region und den Freiwilligenorganisationen in Bezug auf Krankentransporte zu regeln. Diese Übereinkunft wurde durch Beschluss des Regionalrats der Region Piemont (Consiglio regionale del Piemonte) vom 12. November 2007 gebilligt und wurde verlängert.

20

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übereinkunft insgesamt gesehen eine Reihe von Beförderungsdienstleistungen betreffe, darunter Notfalltransporte, von denen die Beförderung von Dialysepatienten nur einen sehr geringen Teil darstelle. Außerdem habe ASL TO4 Übereinkünfte mit anderen Freiwilligenorganisationen geschlossen, die zwar auch Krankentransporte beträfen, jedoch im Ausgangsverfahren nicht in Frage gestellt worden seien. Die genannten Übereinkünfte sähen vor, dass lediglich durch Belege nachgewiesene reale Kosten erstattungsfähig seien. Außerdem sei die Zuteilung von Räumlichkeiten in der Nähe der Krankenhäuser und von Essensgutscheinen an Personen vorgesehen, die die in diesen Übereinkünften genannten Dienstleistungen erbrächten, doch verstießen diese Maßnahmen nicht gegen den Grundsatz, Finanztransfers allein auf die Erstattung nachgewiesener Kosten zu beschränken, da sie lediglich die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen insgesamt unter Berücksichtigung des Notfalltransportdienstes ermöglichten.

21

Gemäß der Vorlageentscheidung konnte ASL TO4 bei den betreffenden Dienstleistungen durch den Rückgriff auf Freiwilligenorganisationen erhebliche Kosten einsparen.

22

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Unionsrecht für Gesundheitsdienstleistungen offenbar eine besondere Regelung vorsehe, wenn ein Mitgliedstaat deren Erbringung Einrichtungen ohne Erwerbszweck anvertraue. Hierzu verweist es auf das Urteil Sodemare u. a. (C‑70/95, EU:C:1997:301) und auf die damals laufenden Vorbereitungsarbeiten für die neue Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge, die in der Folge zum Erlass der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94, S. 65) geführt haben, insbesondere auf deren 28. Erwägungsgrund. Danach sollte diese Richtlinie nicht für bestimmte von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbrachte Notfalldienste gelten, da der spezielle Charakter dieser Organisationen nur schwer gewahrt werden könnte, wenn die Dienstleistungserbringer nach den in dieser Richtlinie festgelegten Verfahren ausgewählt werden müssten.

23

Ferner meint das vorlegende Gericht, insbesondere im Hinblick auf das Urteil Ambulanz Glöckner (C‑475/99, EU:C:2001:577), dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Fehlen eines Erwerbszwecks einer Einrichtung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, insbesondere den Krankentransport, die Eigenschaft als Unternehmen im Sinne der Bestimmungen des AEU-Vertrags nicht ausschließe. Deshalb könnten Freiwilligenorganisationen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsteilnehmern ausüben, insbesondere durch die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen. Nach dieser Rechtsprechung, insbesondere dem Urteil Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a. (C‑159/11, EU:C:2012:817), gelte der Begriff des „entgeltlichen Vertrags“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 auch für Verträge, bei denen die vereinbarte Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt bleibe, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstünden.

24

Nach alledem hält es das vorlegende Gericht für erforderlich, dass die Grundsätze des Wettbewerbsschutzes mit den sonstigen spezifischen Anforderungen in Bezug auf den Einsatz von Freiwilligenorganisationen zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Einklang gebracht werden, denn auch wenn derartige Vereinigungen als „Wirtschaftsteilnehmer“ im Sinne der Richtlinie 2004/18 grundsätzlich zur Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen zugelassen worden seien, bedeute das nicht, dass sie sich unter allen Umständen wie solche verhalten müssten, und schon gar nicht, dass die wirtschaftliche Tätigkeit ihr Daseinszweck sei.

25

Wollte man im Übrigen von diesen Einrichtungen verlangen, eine geschäftliche Tätigkeit auszuüben, anstatt ihnen dies einfach zu erlauben, so würde das zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass die Freiwilligentätigkeit im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen im weiten Sinne unmöglich gemacht würde, obwohl die soziale Kohäsion, die Subsidiarität und sogar die wirtschaftliche Tragfähigkeit der von den öffentlichen Einrichtungen erbrachten Leistungen in diesem Bereich von besonderer Bedeutung seien.

26

Da sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übereinkünfte auf Dienstleistungen im öffentlichen Gesundheitsdienst bezögen und bei der Gestaltung dieser Übereinkünfte streng auf den Grundsatz der Kostenerstattung geachtet werde, übten die Freiwilligenorganisationen die von den Übereinkünften erfassten Tätigkeiten außerhalb des gewerblichen Bereichs aus. Dies rechtfertige eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Durchführung einer öffentlichen Ausschreibung, zumal der Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2014/24 darauf hingewiesen habe, dass die Erhaltung der besonderen Natur von Einrichtungen ohne Erwerbszweck mit der Teilnahme an einer Auswahl im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung kaum zu vereinbaren sei und dass das Angebot einer Freiwilligenorganisation schon aufgrund der Tatsache, dass auf freiwillige Helfer zurückgegriffen werde, mit dem eines herkömmlichen Wirtschaftsteilnehmers kaum zu vergleichen sei.

27

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts müsste die betroffene Verwaltungsbehörde jedoch die Angebote von interessierten Freiwilligenorganisationen, möglicherweise mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als der Italienischen Republik, vergleichen, um sich zu vergewissern, dass die Erstattungen keine überflüssigen Verwaltungsgebühren umfassen.

28

Falls es schließlich den Freiwilligenorganisationen möglich sein sollte, sich dem normalen Markt zuzuwenden, dürfte es erforderlich sein, bestimmte Grenzen vorzusehen, um auf dem Markt im Hinblick auf „klassische“ Wirtschaftsteilnehmer Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Die Tatsache, dass das italienische Recht es diesen Vereinigungen verbiete, eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben, es sei denn, es handele sich um eine Nebentätigkeit, genüge bereits, um jegliche Gefahr einer spürbaren Wettbewerbsverzerrung auszuschließen. Es könnte allerdings in Betracht gezogen werden, den Umfang dieser Nebentätigkeit in Anlehnung an die Grenzen festzulegen, die in der Richtlinie 2014/24 im Hinblick auf die Möglichkeit vorgesehen seien, dass öffentliche Auftraggeber unmittelbar miteinander kontrahierten.

29

Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per il Piemonte (Verwaltungsgericht der Region Piemont) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Stehen die unionsrechtlichen Vorschriften über öffentliche Ausschreibungen – im vorliegenden Fall, da es sich um vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18 ausgenommene Verträge handelt, die allgemeinen Grundsätze des freien Wettbewerbs, der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und der Verhältnismäßigkeit – nationalen Vorschriften entgegen, die eine freihändige Vergabe von Krankentransportdienstleistungen an Freiwilligenorganisationen zulassen, deren Tätigkeit überwiegend auf kostenlos erbrachten Leistungen beruht, wenn dabei eine reine Kostenerstattung vorgesehen ist?

2.

Ist in dem Fall, dass diese Art der Vergabe als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen wird, ein vorheriger Vergleich der Angebote verschiedener gleichartiger Anbieter (gegebenenfalls auch aus der Gemeinschaft), die für eine freihändige Vergabe in Frage kommen, vorzunehmen, um die Gefahr unnötiger oder unangemessener Kosten zu begrenzen, und sind die nationalen Vorschriften, nach denen die freihändige Vergabe zulässig ist, somit in diesem Sinne auszulegen?

3.

Gelten in dem Fall, dass diese Art der Vergabe als mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar angesehen wird, für Freiwilligenorganisationen, an die eine freihändige Vergabe erfolgt, genaue prozentuale Grenzen für den parallelen Marktzugang, und ist somit die nationale Rechtsvorschrift, nach der die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Vereinigungen marginal sein muss, in diesem Sinne auszulegen?

Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

30

Die italienische Regierung stellt die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens in Frage, weil es in der Vorlageentscheidung keine ausreichenden Angaben zur Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen und zum Bestehen eines grenzüberschreitenden Interesses gebe, so dass nicht beurteilt werden könne, ob im vorliegenden Fall das Unionsrecht tatsächlich anwendbar sei.

31

Diese Unzulässigkeitseinrede ist zurückzuweisen.

32

Erstens reichen nämlich die in der Vorlageentscheidung enthaltenen Angaben über die Art der Dienstleistungen, die Gegenstand der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übereinkünfte sind, d. h. Krankentransporte und insbesondere Dienstleistungen zur Beförderung von unselbständigen Dialysepatienten zum Zweck ihrer Behandlung, sowie den Kontext, in dem diese Übereinkünfte geschlossen wurden, aus, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, sich zu den Vorlagefragen zu äußern, und um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, auf diese Fragen zu antworten.

33

Zweitens ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht, wie sich aus dem Wortlaut der ersten Vorlagefrage ergibt, zwar von der Annahme ausgeht, dass die Richtlinie 2004/18 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, so dass lediglich die einschlägigen Grundsätze des Vertrags und die mit ihnen zusammenhängende Verpflichtung zur Transparenz anwendbar wären.

34

Dies ist aber nicht die einzige zu berücksichtigende Hypothese.

35

Erstens ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2004/18 für öffentliche Dienstleistungsaufträge gilt, die in Art. 1 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie definiert sind als öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II der Richtlinie, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

36

Dieser Anhang ist unterteilt in die Teile A und B. Krankentransporte wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden können gemäß den Angaben des vorlegenden Gerichts sowohl unter Anhang II Teil A Kategorie 2 der Richtlinie 2004/18, und zwar unter dem Beförderungsaspekt dieser Dienste, als auch, im Hinblick auf ihre medizinischen Aspekte, unter Anhang II Teil B Kategorie 25 dieser Richtlinie fallen (vgl. in Bezug auf Notfallkrankentransportdienste Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Für gemischte Dienstleistungen, die sowohl unter Anhang II Teil A als auch unter Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18 fallen, gilt Art. 22 der Richtlinie. Nach dieser Vorschrift müssen öffentliche Aufträge, deren Wert höher ist als der in Art. 7 dieser Richtlinie festgelegte Schwellenwert und die sich auf derartige Dienstleistungen beziehen, unter Berücksichtigung aller in den Art. 23 bis 55 dieser Richtlinie genannten Verfahrensvorschriften vergeben werden, wenn der in Anhang II Teil A angegebene Wert der Transportdienstleistungen den in Anhang II Teil B angegebenen Wert der medizinischen Dienstleistungen überschreitet (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 40).

38

Andernfalls, d. h. wenn der Wert der medizinischen Dienstleistungen höher ist als derjenige der Transportdienstleistungen, ist der Auftrag ausschließlich nach den Art. 23 und 35 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 zu vergeben. Die sonstigen in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften zur Koordinierung der Verfahren, insbesondere diejenigen über die Verpflichtungen zur Ausschreibung mit vorheriger Bekanntmachung und diejenigen über die Zuschlagskriterien, gelten für diese Aufträge hingegen nicht (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Der Unionsgesetzgeber ist nämlich davon ausgegangen, dass Aufträgen über Dienstleistungen des Anhangs II Teil B der Richtlinie 2004/18 wegen ihres spezifischen Charakters a priori keine hinreichende grenzüberschreitende Bedeutung zukommt, die es rechtfertigen kann, dass sie in einem Ausschreibungsverfahren vergeben werden, das es den Unternehmen anderer Mitgliedstaaten ermöglichen soll, von der Ausschreibung Kenntnis zu nehmen und ein Angebot einzureichen (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40

Aus den Rn. 38 und 39 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass das Verfahren zur Vergabe eines Auftrags nach den Regeln der Richtlinie 2004/18 ablaufen muss, wenn der Wert der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übereinkunft höher ist als der in Art. 7 dieser Richtlinie festgelegte Schwellenwert. Je nachdem, ob der Wert der Transportdienstleistungen den Wert der medizinischen Dienstleistungen überschreitet oder nicht, kommen daher entweder sämtliche in dieser Richtlinie enthaltenen Verfahrensvorschriften oder lediglich die in ihren Art. 23 und 35 Abs. 4 vorgesehenen Verfahrensvorschriften zur Anwendung. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Übereinkunft sowohl unter Anhang II Teil A als auch unter Anhang II Teil B der Richtlinie 2004/18 fällt und ob der Schwellenwert überschritten wird. Außerdem ist es seine Sache, den jeweiligen Wert der Transportdienstleistungen und der medizinischen Dienstleistungen zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 43).

41

Falls der Wert der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übereinkunft höher ist als der in Art. 7 der genannten Richtlinie festgelegte Schwellenwert und der Wert der Transportdienstleistungen den der medizinischen Dienstleistungen überschreitet, ist die Richtlinie 2004/18 uneingeschränkt anwendbar. Sollte das vorlegende Gericht jedoch feststellen, dass der genannte Schwellenwert nicht erreicht wird oder dass der Wert der medizinischen Dienstleistungen höher ist als der Wert der Transportdienstleistungen, kämen außer – im zuletzt genannten Fall – den Art. 23 und 35 Abs. 4 der Richtlinie 2004/18 nur die sich aus den Art. 49 AEUV und 56 AEUV ergebenden allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung zur Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Diese Grundsätze gelten jedoch für öffentliche Aufträge bei einem Sachverhalt, der mit keinem relevanten Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist, nur dann, wenn an diesem Auftrag ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Im Übrigen ist nicht auszuschließen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übereinkunft gestützt auf die zwischen dem Exekutivorgan der Region Piemont und ANPAS – Comitato regionale Piemonte in ihrer Eigenschaft als territoriale Koordinierungsstelle geschlossene Vereinbarung getroffen wurde, um die Beziehungen zwischen den örtlichen Gesundheitseinrichtungen dieser Region und den Freiwilligenorganisationen in Bezug auf Krankentransporte zu regeln.

44

Eine solche Übereinkunft ist als eine Rahmenvereinbarung im Sinne der Richtlinie 2004/18 anzusehen, sofern sie der in Art. 1 Abs. 5 dieser Richtlinie enthaltenen Definition entspricht, die für jede Vereinbarung zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern und einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern gilt, die zum Ziel hat, die Bedingungen für die Aufträge, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis und gegebenenfalls die in Aussicht genommene Menge. Dabei ist zu bedenken, dass, wie sich aus Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/18 ergibt, eine Rahmenvereinbarung nicht unbedingt alle Bedingungen der folgenden Aufträge festlegen muss. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die erforderliche Beurteilung der in der vorstehenden Randnummer genannten Übereinkunft vorzunehmen und zu prüfen, ob es sich bei ihr um eine Rahmenvereinbarung im Sinne der Richtlinie 2004/18 handelt und, falls dies zu bejahen ist, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Übereinkunft gestützt auf diese Rahmenvereinbarung geschlossen wurde.

45

In diesem Zusammenhang ist zum einen darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 9 Abs. 9 der Richtlinie 2004/18 der zu berücksichtigende Wert einer Rahmenvereinbarung gleich dem geschätzten Gesamtwert aller für die gesamte Laufzeit der Rahmenvereinbarung geplanten Aufträge ist.

46

Was zum anderen die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/18 und der sich aus den Art. 49 AEUV und 56 AEUV ergebenden allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auf eine solche Rahmenvereinbarung angeht, gelten die insbesondere in den Rn. 37, 38, 41 und 42 des vorliegenden Urteils gemachten Ausführungen. Sollte das vorlegende Gericht feststellen, dass die Richtlinie 2004/18 uneingeschränkt für diese Rahmenvereinbarung gilt, ist darauf hinzuweisen, dass der Abschluss einer Rahmenvereinbarung gemäß Art. 32 Abs. 2 dieser Richtlinie zur Folge hat, dass die öffentlichen Auftraggeber die Verfahrensvorschriften dieser Richtlinie in allen Phasen dieser Rahmenvereinbarung bis zur Zuschlagserteilung der auf diese Rahmenvereinbarung gestützten Aufträge zu befolgen haben. Außerdem müssen gemäß dieser Vorschrift Aufträge, die auf einer Rahmenvereinbarung beruhen, unter den in dieser Rahmenvereinbarung festgelegten Bedingungen und nach den in Art. 32 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2004/18 vorgesehenen Verfahren vergeben werden.

47

Obwohl das vorlegende Gericht von der Annahme ausgeht, dass die sich aus den Art. 49 AEUV und 56 AEUV ergebenden allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung anwendbar sind, hat es allerdings nicht die Gesichtspunkte vorgetragen, die erforderlich sind, damit der Gerichtshof prüfen kann, ob im Ausgangsverfahren ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht. Der Gerichtshof muss jedoch, wie sich aus Art. 94 seiner Verfahrensordnung ergibt, einem Vorabentscheidungsersuchen eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen, und des Zusammenhangs zwischen diesen Umständen und den Fragen entnehmen können. Die Feststellung der Gesichtspunkte, die erforderlich sind, um das Bestehen eines eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses prüfen zu können, sowie ganz allgemein sämtliche Feststellungen, die von den nationalen Gerichten zu treffen sind und von denen die Anwendbarkeit eines Aktes des Sekundärrechts oder des Primärrechts der Union abhängt, sollten daher vor einer Befassung des Gerichtshofs erfolgen (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 47).

48

Hat das vorlegende Gericht in Bezug auf das etwaige Bestehen eines eindeutigen grenzüberschreitenden Interesses keine derartigen vorherigen Feststellungen getroffen, so führt dies in Anbetracht der Zusammenarbeit, die das Verhältnis zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens kennzeichnet, gleichwohl nicht zur Unzulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens, sofern sich der Gerichtshof trotz dieser Unzulänglichkeiten in der Lage sieht, dem vorlegenden Gericht anhand der in der Akte enthaltenen Angaben eine sachdienliche Antwort zu geben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Vorlageentscheidung genügend einschlägige Angaben enthält, um feststellen zu können, ob ein derartiges Interesse besteht. Die Antwort des Gerichtshofs steht allerdings unter der Prämisse, dass das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren nach eingehender Würdigung aller maßgeblichen Gegebenheiten ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse feststellt (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Folglich ist unter dieser Prämisse festzustellen, dass die sich aus den Art. 49 AEUV und 56 AEUV ergebenden allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung grundsätzlich für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Übereinkünfte und gegebenenfalls für die Rahmenvereinbarung gelten, die diese Übereinkünfte regelt.

50

Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher als zulässig anzusehen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

51

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die unionsrechtlichen Vorschriften für öffentliche Aufträge dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die es – wie im Ausgangsverfahren – zulässt, dass die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben, denen für die Erbringung dieser Dienstleistungen lediglich die hierfür tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden.

52

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Vertrag nicht allein deswegen aus dem Begriff des öffentlichen Auftrags herausfallen kann, weil die darin vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt bleibt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen, oder weil dieser Vertrag von einer Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht geschlossen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 36 und 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53

Deshalb hängt die Antwort auf die Vorlagefrage davon ab, ob die Richtlinie 2004/18 uneingeschränkt anwendbar ist, oder ob, falls das nicht der Fall ist, die sich aus den Art. 49 AEUV und 56 AEUV ergebenden allgemeinen Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung zu beachten sind.

54

Im ersten Fall ist festzustellen, dass die Richtlinie 2004/18 einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, nach der die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben können (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 44).

55

Im zweiten Fall ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Rechtsvorschriften der Union für öffentliche Aufträge, insbesondere für öffentliche Dienstleistungsaufträge, den freien Dienstleistungsverkehr und die Öffnung für einen unverfälschten und möglichst umfassenden Wettbewerb in den Mitgliedstaaten gewährleisten sollen, und zum anderen, dass die Anwendung einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren diesen Zielen letztlich zuwiderläuft, da sie andere Einrichtungen als Freiwilligenorganisationen von den betroffenen Märkten ausschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 51 und 52).

56

In der ohne jede Transparenz erfolgenden Vergabe eines Auftrags an ein Unternehmen, das in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber zugehört, liegt eine Ungleichbehandlung zum Nachteil der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen, die an diesem Auftrag interessiert sein könnten. Eine solche Ungleichbehandlung, die durch den Ausschluss aller in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen hauptsächlich diese benachteiligt, stellt, sofern sie nicht durch objektive Umstände gerechtfertigt ist, eine nach den Art. 49 AEUV und 56 AEUV verbotene mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

57

Aufgrund einer Reihe von Gesichtspunkten – der nationale Rechtsrahmen, die Art der betreffenden Leistungen, die im Rahmen des nationalen Gesundheitsdienstes erbracht werden, die Feststellungen des vorlegenden Gerichts zu den positiven Auswirkungen von Übereinkünften wie im Ausgangsverfahren auf die Haushaltsmittel und vor allem der freiwillige Charakter der Vereinigungen, die derartige Übereinkünfte eingegangen sind – beruht der Rückgriff auf diese Vereinigungen zur Organisation des Krankentransportdienstes aber möglicherweise auf den Grundsätzen der Universalität, der Solidarität, der Erschwinglichkeit und der Geeignetheit, soweit dadurch ermöglicht wird, dass diese Leistungen von Allgemeininteresse unter den Bedingungen eines wirtschaftlich ausgeglichenen Haushalts von Einrichtungen erbracht werden, die hauptsächlich zu dem Zweck gegründet wurden, dem Allgemeininteresse zu dienen.

58

Derartige Ziele werden vom Unionsrecht erfasst.

59

In diesem Zusammenhang ist erstens daran zu erinnern, dass das Unionsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihres Gesundheitswesens und ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

60

Die Mitgliedstaaten dürfen zwar bei der Ausübung dieser Befugnis keine ungerechtfertigten Beschränkungen der Ausübung der Grundfreiheiten im Bereich der Gesundheitsversorgung einführen oder beibehalten. Bei der Beurteilung der Einhaltung dieses Verbots ist jedoch zu berücksichtigen, dass unter den vom Vertrag geschützten Gütern und Interessen die Gesundheit und das Leben von Menschen den höchsten Rang einnehmen und dass es Sache der Mitgliedstaaten ist – denen ein Ermessen eingeräumt ist –, zu bestimmen, auf welchem Niveau sie den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten wollen und wie dieses Niveau erreicht werden soll (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Im Übrigen kann nicht nur eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit als solche einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, der eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann, sondern auch das Ziel, aus Gründen der öffentlichen Gesundheit eine ausgewogene, allen zugängliche ärztliche und klinische Versorgung aufrechtzuerhalten, kann zu den Ausnahmen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zählen, soweit es zur Schaffung eines hohen Gesundheitsschutzes beiträgt. Dies gilt für Maßnahmen, die zum einen dem allgemeinen Ziel entsprechen, einen ausreichenden, ständigen Zugang zu einem ausgewogenen Angebot hochwertiger Krankenhausversorgung im betreffenden Mitgliedstaat sicherzustellen, und die zum anderen dazu beitragen, die Kosten zu beherrschen und, so weit wie möglich, jede Verschwendung finanzieller, technischer und menschlicher Ressourcen zu verhindern (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62

Zweitens kann ein Mitgliedstaat im Rahmen des Ermessens, das ihm bei der Festlegung eingeräumt ist, auf welchem Niveau er den Schutz der Gesundheit gewährleisten und sein System der sozialen Sicherheit gestalten will, die Auffassung vertreten, dass der Rückgriff auf Freiwilligenorganisationen dem sozialen Zweck eines Krankentransportdienstes entspricht und geeignet ist, dazu beizutragen, die mit diesem Dienst verbundenen Kosten zu beherrschen (vgl. in diesem Sinne Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 59).

63

Ein System zur Regelung dringender Krankentransportdienste wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, bei dem die zuständigen Behörden auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen können, muss allerdings tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beitragen, auf denen dieses System beruht (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 60).

64

In dieser Hinsicht dürfen die Freiwilligenorganisationen, wenn sie in diesem Rahmen tätig werden, keine anderen Ziele als die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten verfolgen, mit ihren Leistungen keinen Gewinn erzielen – unbeschadet der Erstattung der variablen, festen und ständigen Kosten, die zur Erbringung dieser Leistungen erforderlich sind – und ihren Mitgliedern keine Gewinne einbringen. Im Übrigen ist der Rückgriff auf Erwerbstätige zwar zulässig, weil diese Organisationen sonst in vielen Bereichen, in denen der Grundsatz der Solidarität selbstverständlich zur Anwendung kommen kann, praktisch nicht wirksam handeln könnten, doch müssen sich die genannten Organisationen bei ihrer Tätigkeit streng an die in den nationalen Rechtsvorschriften festgelegten Anforderungen halten (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 61).

65

Nach dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs darf die Anwendung dieser Rechtsvorschriften nicht so weit ausgedehnt werden, dass sie missbräuchliche Praktiken der Freiwilligenorganisationen oder ihrer Mitglieder deckt. Die Tätigkeit der Freiwilligenorganisationen darf daher nur in dem Maß von Erwerbstätigen ausgeübt werden, wie es für ihren geregelten Betrieb erforderlich ist. Bei der Erstattung der Kosten ist darauf zu achten, dass nicht etwa unter dem Vorwand einer Freiwilligentätigkeit ein Erwerbszweck, und sei es nur indirekt, verfolgt wird und dass dem Freiwilligen lediglich die Kosten erstattet werden können, die er für die geleistete Tätigkeit tatsächlich aufgewandt hat, und zwar im Rahmen der von der jeweiligen Vereinigung vorab festgelegten Grenzen (Urteil Azienda sanitaria locale n. 5 Spezzino u. a., C‑113/13, EU:C:2014:2440, Rn. 62).

66

In dem in Rn. 55 des vorliegenden Urteils genannten Fall ist es Sache des vorlegenden Gerichts, sämtliche Feststellungen zu treffen, die für die Prüfung erforderlich sind, ob die Übereinkunft und gegebenenfalls die im Ausgangsverfahren fragliche Rahmenvereinbarung, wie sie in den geltenden Rechtsvorschriften geregelt sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beitragen.

67

Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 49 AEUV und 56 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es – wie im Ausgangsverfahren – zulässt, dass die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben, soweit der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem diese Organisationen tätig sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt.

Zur zweiten Frage

68

Mit seiner zweiten Frage, die von der Annahme ausgeht, dass die Richtlinie 2004/18 für eine Übereinkunft wie die im Ausgangsverfahren nicht gilt, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob, wenn ein Mitgliedstaat es den Behörden erlaubt, für die Durchführung bestimmter Aufgaben unter Beachtung der in dieser Hinsicht geltenden unionsrechtlichen Voraussetzungen unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, eine Behörde, die mit derartigen Organisationen Übereinkünfte schließen will, verpflichtet ist, vorher die Angebote verschiedener Organisationen zu vergleichen, um unnötige Kosten zu vermeiden.

69

Insofern ist im Einklang mit dem Tenor des Urteils Azienda sanitaria locale n. 5 „Spezzino” u. a. (C‑113/13, EU:C:2014:2440) und Rn. 67 des vorliegenden Urteils festzustellen, dass die Erbringung von Krankentransportdiensten, wenn sämtliche unionsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, damit ein Mitgliedstaat den Rückgriff auf Freiwilligenorganisationen vorsehen kann, im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben werden kann.

70

Das fehlende Erfordernis einer Bekanntmachung impliziert, dass die Behörden, die unter den genannten Voraussetzungen auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet sind, einen Vergleich zwischen Freiwilligenorganisationen vorzunehmen.

71

Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Rückgriffs auf Freiwilligenorganisationen ist, wie in Rn. 60 des Urteils Azienda sanitaria locale n. 5 „Spezzino” u. a.(C‑113/13, EU:C:2014:2440) und Rn. 63 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dennoch insbesondere, dass dieser Rückgriff tatsächlich zu dem Ziel der Haushaltseffizienz beiträgt. Die in den Übereinkünften mit diesen Organisationen und in einer etwaigen Rahmenvereinbarung festgelegten Modalitäten dieses Rückgriffs müssen daher auch zu diesem Ziel beitragen. Außerdem gilt für die Erstattung der von den Freiwilligenorganisationen aufgewandten Kosten, wie in Rn. 62 des Urteils Azienda sanitaria locale n. 5 „Spezzino” u. a.(C‑113/13, EU:C:2014:2440) und in Rn. 65 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der allgemeine Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs.

72

Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass, wenn ein Mitgliedstaat es den Behörden erlaubt, für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, eine Behörde, die mit derartigen Organisationen Übereinkünfte schließen will, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet ist, vorher die Angebote verschiedener Organisationen zu vergleichen.

Zur dritten Frage

73

Mit seiner dritten Frage, die von der Annahme ausgeht, dass die Richtlinie 2004/18 auf eine Übereinkunft wie die im Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob ein Mitgliedstaat, der es erlaubt, dass die Behörden für die Durchführung bestimmter Aufgaben unter Beachtung der in dieser Hinsicht geltenden unionsrechtlichen Voraussetzungen unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen und dass diese Organisationen bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, hierfür genaue Grenzen in Form eines Prozentsatzes der Tätigkeiten oder der Einnahmen dieser Organisationen festlegen muss.

74

Zunächst ergibt sich aus Rn. 48 des Urteils CoNISMa (C‑305/08, EU:C:2009:807) im Hinblick auf den Grundsatz der Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit durch eine Organisation ohne Erwerbszweck, dass diese Frage in die Zuständigkeit des nationalen Gesetzgebers fällt.

75

Außerdem müssen sich die Freiwilligenorganisationen gemäß Rn. 61 des Urteils Azienda sanitaria locale n. 5 „Spezzino” u. a. (C‑113/13, EU:C:2014:2440) und wie in Rn. 64 des vorliegenden Urteils ausgeführt bei ihrer Tätigkeit streng an die Anforderungen halten, die in den für sie geltenden nationalen Rechtsvorschriften festgelegt sind. So hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Kontrolle der Tätigkeiten dieser Organisationen im Rahmen der in diesem Urteil festgelegten Grenzen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.

76

Demzufolge ist es Sache des nationalen Gesetzgebers – der im Rahmen seiner den Behörden erteilten Erlaubnis, für die Durchführung bestimmter Aufgaben auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, diesen Organisationen die Möglichkeit eingeräumt hat, sich auf dem Markt wirtschaftlich zu betätigen –, darüber zu entscheiden, ob diese Tätigkeit nicht durch die Festlegung eines Grenzwerts oder durch sonstige Merkmale eingeschränkt werden sollte.

77

Die Einhaltung der in den Rn. 60 bis 62 des Urteils Azienda sanitaria locale n. 5 „Spezzino” u. a. (C‑113/13, EU:C:2014:2440) festgelegten Grenzen, auf die in den Rn. 63 bis 65 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, setzt jedoch vor allem voraus, dass das eigentliche Wesen dieser Freiwilligenorganisationen respektiert wird.

78

Daraus folgt, dass jegliche von derartigen Organisationen auf dem Markt ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit geringfügig sein und ihre freiwillige Tätigkeit unterstützen muss.

79

Deshalb ist auf die dritte Frage zu antworten, dass ein Mitgliedstaat, der es erlaubt, dass die Behörden für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen und dass diese Organisationen bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, für die Ausübung dieser Tätigkeiten Grenzen festlegen muss. Diese Grenzen müssen allerdings gewährleisten, dass die genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zur Gesamtheit der von diesen Organisationen ausgeübten Tätigkeiten geringfügig sind und deren freiwillige Tätigkeit unterstützen.

Kosten

80

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die es – wie im Ausgangsverfahren – zulässt, dass die örtlichen Behörden die Erbringung von Krankentransportdiensten im Wege der Direktvergabe ohne jegliche Bekanntmachung an Freiwilligenorganisationen vergeben, soweit der rechtliche und vertragliche Rahmen, in dem diese Organisationen tätig sind, tatsächlich zu dem sozialen Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizienz beiträgt.

 

2.

Wenn ein Mitgliedstaat es den Behörden erlaubt, für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückzugreifen, ist eine Behörde, die mit derartigen Organisationen Übereinkünfte schließen will, nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, vorher die Angebote verschiedener Organisationen zu vergleichen.

 

3.

Ein Mitgliedstaat, der es erlaubt, dass die Behörden für die Durchführung bestimmter Aufgaben unmittelbar auf Freiwilligenorganisationen zurückgreifen und dass diese Organisationen bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben, muss für die Ausübung dieser Tätigkeiten Grenzen festlegen. Diese Grenzen müssen allerdings gewährleisten, dass die genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Verhältnis zur Gesamtheit der von diesen Organisationen ausgeübten Tätigkeiten geringfügig sind und deren freiwillige Tätigkeit unterstützen.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Italienisch.

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