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Document 62012CJ0479

Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 13. Februar 2014.
H. Gautzsch Großhandel GmbH & Co. KG gegen Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH.
Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs.
Vorabentscheidungsersuchen – Geistiges Eigentum – Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Art. 7 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2, Art. 19 Abs. 2, Art. 88 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a und d – Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Schutz – Zugänglichmachung an die Öffentlichkeit – Neuheit – Verletzungsklage – Beweislast – Verjährung – Verwirkung – Anwendbares Recht.
Rechtssache C‑479/12.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:75

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

13. Februar 2014 ( *1 )

„Vorabentscheidungsersuchen — Geistiges Eigentum — Gemeinschaftsgeschmacksmuster — Verordnung (EG) Nr. 6/2002 — Art. 7 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2, Art. 19 Abs. 2, Art. 88 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a und d — Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster — Schutz — Zugänglichmachung an die Öffentlichkeit — Neuheit — Verletzungsklage — Beweislast — Verjährung — Verwirkung — Anwendbares Recht“

In der Rechtssache C‑479/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 16. August 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Oktober 2012, in dem Verfahren

H. Gautzsch Großhandel GmbH & Co. KG

gegen

Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt A. Rinkler,

der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und F. Bulst als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2013

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2, Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a und d der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der H. Gautzsch Großhandel GmbH & Co. KG (im Folgenden: Gautzsch Großhandel) und der Münchener Boulevard Möbel Joseph Duna GmbH (im Folgenden: MBM Joseph Duna) wegen einer von MBM Joseph Duna gegen Gautzsch Großhandel erhobenen Klage wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

Rechtlicher Rahmen

3

Der erste Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 lautet:

„Ein einheitliches System für die Erlangung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters, dem einheitlicher Schutz mit einheitlicher Wirkung für die gesamte Gemeinschaft verliehen wird, würde die im Vertrag festgelegten Ziele der Gemeinschaft fördern.“

4

Die Erwägungsgründe 21 und 22 der Verordnung Nr. 6/2002 sehen vor:

„(21)

Der ausschließliche Charakter des Rechts aus dem eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster steht mit seiner größeren Rechtssicherheit im Einklang. Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster sollte dagegen nur das Recht verleihen, Nachahmungen zu verhindern. Der Schutz kann sich somit nicht auf Erzeugnisse erstrecken, für die Geschmacksmuster verwendet werden, die das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines anderen Entwerfers sind; dieses Recht sollte sich auch auf den Handel mit Erzeugnissen erstrecken, in denen nachgeahmte Geschmacksmuster verwendet werden.

(22)

Die Durchsetzung dieser Rechte muss den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften überlassen bleiben; daher sind in allen Mitgliedstaaten einige grundlegende einheitliche Sanktionen vorzusehen, damit unabhängig von der Rechtsordnung, in der die Durchsetzung verlangt wird, den Rechtsverletzungen Einhalt geboten werden kann.“

5

Im 31. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 ist ausgeführt:

„Diese Verordnung schließt nicht aus, dass auf Geschmacksmuster, die durch Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt werden, Rechtsvorschriften zum gewerblichen Rechtsschutz oder andere einschlägige Vorschriften der Mitgliedstaaten Anwendung finden, die sich beispielsweise auf den durch Eintragung erlangten Geschmacksmusterschutz oder auf nicht eingetragene Geschmacksmuster, Marken, Patente und Gebrauchsmuster, unlauteren Wettbewerb oder zivilrechtliche Haftung beziehen.“

6

Nach Art. 1 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 wird ein den Voraussetzungen dieser Verordnung entsprechendes Geschmacksmuster durch ein „nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ geschützt, wenn es in der in dieser Verordnung vorgesehenen Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.

7

Art. 4 („Schutzvoraussetzungen“) der Verordnung Nr. 6/2002 sieht in seinem Abs. 1 vor, dass ein Geschmacksmuster durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt wird, soweit es neu ist und Eigenart hat.

8

In Art. 5 („Neuheit“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 heißt es:

„Ein Geschmacksmuster gilt als neu, wenn der Öffentlichkeit:

a)

im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,

kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist.“

9

Art. 6 („Eigenart“) der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt in Abs. 1:

„Ein Geschmacksmuster hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, und zwar:

a)

im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,

…“

10

Art. 7 („Offenbarung“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 lautet:

„Im Sinne der Artikel 5 und 6 gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht, oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, und zwar vor dem in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a) und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) beziehungsweise in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b) und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b) genannten Zeitpunkt, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte. Ein Geschmacksmuster gilt jedoch nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es lediglich einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde.“

11

Art. 11 („Schutzdauer des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters“) der Verordnung Nr. 6/2002 sieht vor:

„(1)   Ein Geschmacksmuster, das die im 1. Abschnitt genannten Voraussetzungen erfüllt, wird als ein nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster für eine Frist von drei Jahren geschützt, beginnend mit dem Tag, an dem es der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft erstmals zugänglich gemacht wurde.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1 gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Ein Geschmacksmuster gilt jedoch nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es lediglich einem Dritten unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit offenbart wurde.“

12

Art. 19 („Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster“) Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt:

„(1)   Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Die erwähnte Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr oder die Benutzung eines Erzeugnisses, in das das Muster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, oder den Besitz des Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein.

(2)   Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber das Recht, die in Absatz 1 genannten Handlungen zu verbieten, jedoch nur, wenn die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist.

Die angefochtene Benutzung wird nicht als Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Geschmacksmusters betrachtet, wenn sie das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines Entwerfers ist, von dem berechtigterweise angenommen werden kann, dass er das von dem Inhaber offenbarte Muster nicht kannte.“

13

Art. 88 („Anwendbares Recht“) der Verordnung Nr. 6/2002 lautet:

„(1)   Die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte wenden die Vorschriften dieser Verordnung an.

(2)   In allen Fragen, die nicht durch diese Verordnung erfasst werden, wenden die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte ihr nationales Recht einschließlich ihres internationalen Privatrechts an.

(3)   Soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, wendet das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht die Verfahrensvorschriften an, die in dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, auf gleichartige Verfahren betreffend nationale Musterrechte anwendbar sind.“

14

Art. 89 („Sanktionen bei Verletzungsverfahren“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt:

„Stellt ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht in einem Verfahren wegen Verletzung oder drohender Verletzung fest, dass der Beklagte ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzt hat oder zu verletzen droht, so erlässt es, wenn dem nicht gute Gründe entgegenstehen, folgende Anordnungen:

a)

Anordnung, die dem Beklagten verbietet, die Handlungen, die das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzen oder zu verletzen drohen, fortzusetzen;

b)

Anordnung, die nachgeahmten Erzeugnisse zu beschlagnahmen;

c)

Anordnung, Materialien und Werkzeug, die vorwiegend dazu verwendet wurden, die nachgeahmten Güter zu erzeugen, zu beschlagnahmen, wenn der Eigentümer vom Ergebnis der Verwendung wusste oder dieses offensichtlich war;

d)

Anordnungen, durch die andere, den Umständen angemessene Sanktionen auferlegt werden, die in der Rechtsordnung einschließlich des Internationalen Privatrechts des Mitgliedstaates vorgesehen sind, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15

Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens Gartenmöbel vertreiben. Zum Angebot von MBM Joseph Duna gehört ein in Deutschland vertriebener Gartenpavillon mit Baldachin, der im Herbst 2004 von ihrem Geschäftsführer entworfen wurde. Im Laufe des Jahres 2006 begann Gautzsch Großhandel ihrerseits mit der Vermarktung eines Gartenpavillons „Athen“, der von dem in China niedergelassenen Unternehmen Zhengte hergestellt wurde.

16

MBM Joseph Duna beansprucht für ihr Muster den Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster und erhob gegen Gautzsch Großhandel beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) eine Verletzungsklage auf Unterlassung der weiteren Benutzung dieses Pavillons durch Gautzsch Großhandel, auf Herausgabe der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen rechtsverletzenden Erzeugnisse zur Vernichtung, auf Auskunftserteilung über ihre Handlungen und auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Ersatz des durch diese Handlungen entstandenen Schadens.

17

Zur Begründung ihrer Anträge verwies MBM Joseph Duna u. a. darauf, dass der Pavillon „Athen“ eine Kopie des Musters sei, dessen Inhaberin sie sei und das im April/Mai 2005 in ihren „MBM-Neuheiten-Blättern“ enthalten gewesen sei, die den größten Möbel- und Gartenmöbelhändlern der Branche sowie deutschen Möbeleinkaufsverbänden zugeleitet worden seien.

18

Gautzsch Großhandel trat diesen Anträgen mit dem Vorbringen entgegen, dass der Pavillon „Athen“ Anfang 2005 von dem Unternehmen Zhengte ohne Kenntnis des Musters von MBM Joseph Duna eigenständig entwickelt worden sei. Dieser Pavillon sei im März 2005 in den Ausstellungsräumen dieses Unternehmens in China europäischen Kunden präsentiert worden, und im Juni desselben Jahres sei der in Belgien ansässigen Firma Kosmos ein Modell übersandt worden. Da MBM Joseph Duna seit September 2005 von der Existenz dieses Modells und seit August 2006 von dessen Vertrieb Kenntnis gehabt habe, seien die Ansprüche verjährt und verwirkt.

19

Das erstinstanzliche Gericht stellte fest, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der ersten beiden Klageanträge auf Unterlassung der weiteren Benutzung des Pavillons „Athen“ und auf Herausgabe der rechtsverletzenden Erzeugnisse in der Hauptsache erledigt sei, da die dreijährige Schutzfrist für nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster abgelaufen sei. In Bezug auf die anderen Klageanträge verurteilte es Gautzsch Großhandel zur Auskunftserteilung über ihre Handlungen und stellte ihre Pflicht zum Ersatz des durch diese Handlungen entstandenen Schadens fest.

20

Die Berufung von Gautzsch Großhandel gegen dieses Urteil wurde vom Berufungsgericht zurückgewiesen, das der Ansicht war, dass die ersten beiden Klageanträge gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a und d der Verordnung Nr. 6/2002 sowie dem deutschen Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen ursprünglich begründet gewesen seien und MBM Joseph Duna demgemäß Anspruch auf Erteilung der verlangten Auskünfte sowie Schadensersatz habe.

21

Im Rahmen der von Gautzsch Großhandel bei dem vorlegenden Gericht eingelegten Revision stellt sich dieses Gericht angesichts des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens die Frage nach der Bedeutung des insbesondere in Art. 7 Abs. 1 und Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 enthaltenen Begriffs der „Zugänglichmachung“, um festzustellen, ob das nicht eingetragene Geschmacksmuster, für das Schutz beansprucht wird, im Sinne dieser Verordnung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und ob das ihm entgegengehaltene Geschmacksmuster der Öffentlichkeit früher zugänglich gemacht wurde.

22

Außerdem stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob der Nachweis der Verletzung des nicht eingetragenen Geschmacksmusters sowie die Verjährung und Verwirkung, die der Verletzungsklage zur Verteidigung entgegengehalten werden können, dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht unterliegen. Im Übrigen möchte es wissen, ob für Anträge, die in der gesamten Europäischen Union auf die Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, auf Auskunftserteilung über die Handlungen des Verletzers und auf Ersatz des durch diese Handlungen entstandenen Schadens gerichtet sind, das nationale Recht des vorlegenden Gerichts oder das nationale Recht des Mitgliedstaats gilt, in dem die Verletzungshandlungen begangen wurden.

23

Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, wenn Abbildungen des Geschmacksmusters an Händler verteilt wurden?

2.

Ist Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen, dass ein Geschmacksmuster, obwohl es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht wurde, den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte, wenn

a)

es nur einem einzelnen Unternehmen der Fachkreise zugänglich gemacht wird oder

b)

in einem außerhalb der üblichen Marktbeobachtung liegenden Ausstellungsraum eines Unternehmens in China ausgestellt wird?

3.

a)

Ist Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen, dass den Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Beweislast dafür trifft, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Musters ist?

b)

Falls die Frage zu 3 a bejaht wird:

Kehrt sich die Beweislast um oder kommen dem Inhaber des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters Beweiserleichterungen zugute, wenn zwischen dem Geschmacksmuster und der angefochtenen Benutzung wesentliche Übereinstimmungen bestehen?

4.

a)

Unterliegt der Unterlassungsanspruch nach Art. 19 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Verjährung?

b)

Falls die Frage zu 4 a bejaht wird:

Richtet sich die Verjährung nach Unionsrecht, gegebenenfalls nach welcher Vorschrift?

5.

a)

Unterliegt der Unterlassungsanspruch nach Art. 19 Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Verwirkung?

b)

Falls die Frage zu 5 a bejaht wird:

Richtet sich die Verwirkung nach Unionsrecht, gegebenenfalls nach welcher Vorschrift?

6.

Ist Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen, dass für unionsweit geltend gemachte Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche wegen Verletzung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters das Recht der Mitgliedstaaten anzuwenden ist, in denen die Verletzungshandlungen begangen wurden?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

24

Das vorlegende Gericht führt aus, dass das Berufungsgericht der Ansicht gewesen sei, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Muster – Gartenpavillon – von MBM Joseph Duna sei der Öffentlichkeit erstmals zugänglich gemacht worden, als die „MBM-Neuheiten-Blätter“ mit Abbildungen dieses Musters im April/Mai 2005 in einem Umfang von 300 bis 500 Exemplaren an Händler und Zwischenhändler sowie zwei große deutsche Möbeleinkaufsverbände verteilt worden seien.

25

Angesichts dieser Umstände stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob die Übermittlung von Abbildungen dieses Musters an Händler ausreicht, um davon auszugehen, dass das Geschmacksmuster den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf im Sinne von Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 bekannt sein konnte. Teilweise werde angenommen, dass zu den Fachkreisen nur diejenigen Personen zählten, die innerhalb des maßgeblichen Wirtschaftszweigs mit der Mustergestaltung sowie der Entwicklung oder Herstellung mustergemäßer Erzeugnisse befasst seien. Händler rechneten nach dieser Ansicht nicht generell, sondern nur dann zu den Fachkreisen, wenn sie gestalterisch auf das Design des von ihnen vertriebenen Produkts Einfluss nähmen.

26

Es ist aber festzustellen, dass eine solche Auslegung des Begriffs „Fachkreise“ aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht hervorgeht.

27

Wie nämlich die Kommission in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen und der Generalanwalt in den Nrn. 34 ff. seiner Schlussanträge hervorheben, enthält Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 keine Einschränkung hinsichtlich der Art der Tätigkeit natürlicher oder juristischer Personen, die als Teil der Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs angesehen werden können. Außerdem ist aus der Formulierung dieser Bestimmung und insbesondere daraus, dass dieser Artikel die Verwendung im Verkehr als eine von mehreren Arten, nicht eingetragene Geschmacksmuster der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, nennt und dass er bei der Beurteilung, ob die die Offenbarung darstellenden Tatsachen den Fachkreisen bekannt sein konnten, die Berücksichtigung des „normalen Geschäftsverlaufs“ vorschreibt, abzuleiten, dass die Händler, die an der Gestaltung des fraglichen Erzeugnisses nicht beteiligt waren, grundsätzlich aus dem Kreis der Personen, die als Teil dieser Fachkreise angesehen werden können, nicht ausgeschlossen werden können.

28

Ein solcher Ausschluss würde zudem eine Einschränkung des Schutzes nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit sich bringen, die im Übrigen durch die anderen Bestimmungen und Erwägungsgründe der Verordnung Nr. 6/2002 nicht gestützt wird.

29

Die Frage, ob die Verteilung des nicht eingetragenen Geschmacksmusters an in der Union tätige Händler des betreffenden Wirtschaftszweigs ausreicht, um anzunehmen, dass dieses Geschmacksmuster den Fachkreisen dieses Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, ist jedoch eine Tatsachenfrage, deren Beantwortung von der Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls durch das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht abhängt.

30

Folglich ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass es sich gegebenenfalls so verhalten kann, dass ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, wenn Abbildungen dieses Geschmacksmusters an in diesem Wirtschaftszweig tätige Händler verteilt wurden, was das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht im Hinblick auf die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu beurteilen hat.

Zur zweiten Frage

31

Das vorlegende Gericht legt dar, das Berufungsgericht habe angenommen, dass das im Ausgangsverfahren streitige Muster von MBM Joseph Duna im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 neu gewesen sei, da die Fachkreise des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf keine Kenntnis von dem Modell „Athen“ hätten haben können, das im Jahr 2005 in den Ausstellungsräumen des Unternehmens Zhengte in China ausgestellt und der Firma Kosmos in Belgien präsentiert worden sei.

32

Angesichts dieser Erwägungen stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass ein Geschmacksmuster, obwohl es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht wurde, den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte, wenn es nur einem einzelnen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs zugänglich gemacht wurde oder nur in einem außerhalb der „üblichen Marktbeobachtung“ liegenden Ausstellungsraum eines Unternehmens ausgestellt wurde.

33

In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass es nach dem Wortlaut von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 nicht erforderlich ist, dass die die Offenbarung darstellenden Tatsachen im Gebiet der Union stattgefunden haben, damit ein Geschmacksmuster für die Zwecke der Anwendung der Art. 5 und 6 dieser Verordnung als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gilt.

34

Nach demselben Artikel kann jedoch ein Geschmacksmuster nicht als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht gelten, wenn die die Offenbarung darstellenden Tatsachen den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnten. Die Frage, ob den Personen, die Teil dieser Fachkreise sind, Ereignisse bekannt sein konnten, die außerhalb des Unionsgebiets stattgefunden haben, ist eine Tatsachenfrage, deren Beantwortung von der Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls durch das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht abhängt.

35

Dasselbe gilt für die Frage, ob die Zugänglichmachung eines Geschmacksmusters an nur ein Unternehmen des betreffenden Wirtschaftszweigs im Unionsgebiet ausreicht, um anzunehmen, dass es den Fachkreisen dieses Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Zugänglichmachung unter bestimmten Umständen ausreichend ist.

36

Angesichts dieser Erwägungen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass es sich gegebenenfalls so verhalten kann, dass ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster, obwohl es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht wurde, den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte, wenn es nur einem einzelnen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs zugänglich gemacht wurde oder nur in einem Ausstellungsraum eines außerhalb des Unionsgebiets ansässigen Unternehmens ausgestellt wurde, was das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht im Hinblick auf die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu beurteilen hat.

Zur dritten Frage

37

Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das Berufungsgericht in dem Muster von Gautzsch Großhandel keinen selbständigen Entwurf, sondern eine Nachahmung des Musters von MBM Joseph Duna gesehen habe und der Ansicht gewesen sei, dass dieser unter Berücksichtigung der „objektiv wesentlichen Übereinstimmungen“ zwischen diesen beiden Mustern insoweit eine Beweiserleichterung zugutekomme.

38

In Anbetracht dieser Gesichtspunkte stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters nachzuweisen hat, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung dieses Musters ist, und ob sich im Fall einer Bejahung dieser Frage die Beweislast umkehrt oder es Beweiserleichterungen gibt, wenn zwischen diesem Geschmacksmuster und dem Geschmacksmuster, dessen Benutzung angefochten wird, „wesentliche Übereinstimmungen“ bestehen.

39

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 19 der Verordnung Nr. 6/2002, der – wie sein Titel zeigt – Rechte aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster betrifft, keine ausdrücklichen Regeln über die Beweisführung enthält.

40

Wie aber der Generalanwalt in den Nrn. 67 bis 74 seiner Schlussanträge unter Bezugnahme auf das Markenrecht ausführt, könnte, wenn die Frage der Beweislast dafür, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Geschmacksmusters ist, in die Zuständigkeit des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten fiele, sich daraus für die Inhaber von Gemeinschaftsgeschmacksmustern je nach dem betroffenen Recht ein unterschiedlicher Schutz ergeben, so dass das insbesondere aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 6/2002 hervorgehende Ziel eines einheitlichen Schutzes mit einheitlicher Wirkung für die gesamte Union nicht erreicht wäre (vgl. entsprechend Urteil vom 18. Oktober 2005, Class International, C-405/03, Slg. 2005, I-8735, Rn. 73).

41

Angesichts dieses Ziels sowie der Struktur und der Systematik von Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 ist davon auszugehen, dass den Inhaber des geschützten Geschmacksmusters, wenn er das in Abs. 1 dieser Bestimmung genannte Recht geltend macht, die Beweislast dafür trifft, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Geschmacksmusters ist, während es im Rahmen des zweiten Absatzes dieser Bestimmung der gegnerischen Partei obliegt, nachzuweisen, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs ist.

42

Da die Verordnung Nr. 6/2002 im Übrigen die Modalitäten der Beweisführung nicht regelt, folgt aus Art. 88 dieser Verordnung, dass diese Modalitäten durch das Recht der Mitgliedstaaten bestimmt werden. Nach der Rechtsprechung müssen diese jedoch entsprechend dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz sicherstellen, dass diese Modalitäten nicht ungünstiger gestaltet sind als bei entsprechenden Rechtsstreitigkeiten, die nur innerstaatliches Recht betreffen, und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte durch den Rechtsuchenden nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. April 2008, Arcor, C-55/06, Slg. 2008, I-2931, Rn. 191).

43

Wenn daher, wie die Kommission geltend macht, das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht feststellt, dass der Umstand, dass die Beweislast den Inhaber des geschützten Geschmacksmusters trifft, geeignet ist, die Beweisführung praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, muss es, um die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes sicherzustellen, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, um diese Schwierigkeit zu beheben (vgl. entsprechend Urteile vom 7. September 2006, Laboratoires Boiron, C-526/04, Slg. 2006, I-7529, Rn. 55, und vom 28. Januar 2010, Direct Parcel Distribution Belgium, C-264/08, Slg. 2010, I-731, Rn. 35). Es kann somit gegebenenfalls die Vorschriften des nationalen Rechts anwenden, die eine Anpassung oder Erleichterung der Beweislast vorsehen.

44

Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass der Inhaber eines geschützten Gemeinschaftsgeschmacksmusters nachzuweisen hat, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung dieses Musters ist. Wenn jedoch das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht feststellt, dass der Umstand, dass die Beweislast den Inhaber dieses Geschmacksmusters trifft, geeignet ist, die Beweisführung praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, muss es, um die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes sicherzustellen, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, um diese Schwierigkeit zu beheben, einschließlich gegebenenfalls der Vorschriften des nationalen Rechts, die eine Anpassung oder Erleichterung der Beweislast vorsehen.

Zur vierten und zur fünften Frage

45

Das vorlegende Gericht führt erstens aus, das Berufungsgericht habe angenommen, der in Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 begründete Anspruch auf Unterlassung einer Verletzung sei bei Klageerhebung nicht verjährt gewesen. Angesichts dieser Feststellung stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob dieser Anspruch der Verjährung unterliegt und, wenn ja, ob sich diese nach dem Unionsrecht richtet. Es weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Verordnung Nr. 6/2002 keine besonderen Vorschriften dazu enthalte, dass aber Art. 89 Abs. 1 dieser Verordnung vorsehe, dass das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht im Fall einer Verletzung eine Sanktionen verhänge, „wenn dem nicht gute Gründe entgegenstehen“.

46

Das vorlegende Gericht führt zweitens aus, das Berufungsgericht habe den Einwand von Gautzsch Großhandel, der Unterlassungsanspruch sei verwirkt, verworfen, und stellt sich weiter die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine nach Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 erhobene Verletzungsklage verwirkt sein kann. Hier komme es darauf an, ob der Sachverhalt, aus dem Gautzsch Großhandel die Verwirkung herleite, unter den Begriff der „guten Gründe“ im Sinne von Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung falle.

47

Dazu ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 6/2002 zur Verjährung und zur Verwirkung, die einer gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung erhobenen Klage zur Verteidigung entgegengehalten werden könnten, schweigt.

48

Der Begriff der „guten Gründe“ im Sinne von Art. 89 dieser Verordnung bezieht sich auf im Einzelfall gegebene Umstände tatsächlicher Art (vgl. entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2006, Nokia, C-316/05, Slg. 2006, I-12083, Rn. 38). Er umfasst demnach nicht die Verjährung und die Verwirkung, die Rechtsbegriffe sind.

49

Demnach unterliegen die Verjährung und die Verwirkung, die einer gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 erhobenen Klage zur Verteidigung entgegengehalten werden können, nach Art. 88 Abs. 2 dieser Verordnung dem nationalen Recht, das unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes, deren Inhalt in Rn. 42 des vorliegenden Urteils wiedergegeben wird, angewandt werden muss (vgl. auch entsprechend Urteile vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Rn. 77 bis 80, vom 28. Januar 2010, Uniplex [UK], C-406/08, Slg. 2010, I-817, Rn. 32 und 40, vom 8. Juli 2010, Bulicke, C-246/09, Slg. 2010, I-7003, Rn. 25, vom 8. September 2011, Rosado Santana, C-177/10, Slg. 2011, I-7907, Rn. 89, 90, 92 und 93, und vom 19. Juli 2012, Littlewoods Retail u. a., C‑591/10, Rn. 27).

50

Folglich ist auf die vierte und die fünfte Vorlagefrage zu antworten, dass die Verjährung und die Verwirkung, die einer gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 erhobenen Klage zur Verteidigung entgegengehalten werden können, dem nationalen Recht unterliegen, das unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss.

Zur sechsten Frage

51

Das vorlegende Gericht stellt fest, dass das Berufungsgericht nicht angegeben habe, welches Recht auf die Anträge auf Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse, auf Auskunftserteilung über die Handlungen von Gautzsch Großhandel und auf Ersatz des durch diese Handlungen entstandenen Schadens anzuwenden sei, und fragt sich, ob diese Anträge dem nationalen Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dessen Hoheitsgebiet diese Ansprüche geltend gemacht werden, oder ob Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 dahin zu verstehen ist, dass diese Anträge dem Recht der Mitgliedstaaten unterliegen, in denen die Verletzungshandlungen begangen wurden. Es führt dazu aus, dass eine einheitliche Anknüpfung an das Recht eines Mitgliedstaats insbesondere unter dem Gesichtspunkt der wirksamen Rechtsanwendung gerechtfertigt sein könnte, dass aber Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 gegen diese Lösung sprechen könnte.

52

Was erstens den Antrag auf Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse angeht, ergibt sich aus Art. 89 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002, der in Buchst. a das Verbot nennt, Handlungen fortzusetzen, die das Gemeinschaftsgeschmacksmuster verletzen oder zu verletzen drohen, und in den Buchst. b und c die Beschlagnahme rechtsverletzender Erzeugnisse und der Materialien oder Werkzeuge, die für diese verwendet wurden, dass die Vernichtung dieser Erzeugnisse zu den „anderen, den Umständen angemessenen Sanktionen“ gehört, die in Buchst. d angeführt werden. Daraus folgt, dass nach Art. 89 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung auf diesen Anspruch das Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des Mitgliedstaats anwendbar ist, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen.

53

Was zweitens die Anträge auf Ersatz des durch die Handlungen des Urhebers der Verletzung oder der drohenden Verletzung entstandenen Schadens sowie auf den Erhalt von Auskünften über diese Handlungen zum Zweck der Bestimmung des Schadens betrifft, ist festzustellen, dass die Verpflichtung zur Erteilung solcher Auskünfte und zum Ersatz des erlittenen Schadens hingegen keine Sanktion im Sinne von Art. 89 der Verordnung Nr. 6/2002 darstellt.

54

Demnach ist auf die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Anträge gemäß Art. 88 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 das nationale Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des angerufenen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts anzuwenden. Dies wird im Übrigen durch den 31. Erwägungsgrund dieser Verordnung bestätigt, wonach diese Verordnung nicht ausschließt, dass auf Geschmacksmuster, die durch Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt werden, Vorschriften der Mitgliedstaaten Anwendung finden, die sich auf die zivilrechtliche Haftung beziehen.

55

Angesichts dieser Erwägungen ist auf die sechste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 dahin auszulegen ist, dass Anträge auf Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse dem Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des Mitgliedstaats unterliegen, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen. Anträge auf Ersatz des durch die Handlungen des Verletzers entstandenen Schadens sowie auf den Erhalt von Auskünften über diese Handlungen zum Zweck der Bestimmung dieses Schadens unterliegen gemäß Art. 88 Abs. 2 dieser Verordnung dem nationalen Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des angerufenen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts.

Kosten

56

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

1.

Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist dahin auszulegen, dass es sich gegebenenfalls so verhalten kann, dass ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf bekannt sein konnte, wenn Abbildungen dieses Geschmacksmusters an in diesem Wirtschaftszweig tätige Händler verteilt wurden, was das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht im Hinblick auf die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu beurteilen hat.

 

2.

Art. 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass es sich gegebenenfalls so verhalten kann, dass ein nicht eingetragenes Geschmacksmuster, obwohl es Dritten ohne ausdrückliche oder stillschweigende Bedingung der Vertraulichkeit zugänglich gemacht wurde, den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte, wenn es nur einem einzelnen Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs zugänglich gemacht wurde oder nur in einem Ausstellungsraum eines außerhalb des Unionsgebiets ansässigen Unternehmens ausgestellt wurde, was das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht im Hinblick auf die Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu beurteilen hat.

 

3.

Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass der Inhaber eines geschützten Gemeinschaftsgeschmacksmusters nachzuweisen hat, dass die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung dieses Musters ist. Wenn jedoch das Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht feststellt, dass der Umstand, dass die Beweislast den Inhaber dieses Geschmacksmusters trifft, geeignet ist, die Beweisführung praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, muss es, um die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes sicherzustellen, alle ihm nach dem nationalen Recht zu Gebote stehenden Verfahrensmaßnahmen ausschöpfen, um diese Schwierigkeit zu beheben, einschließlich gegebenenfalls der Vorschriften des nationalen Rechts, die eine Anpassung oder Erleichterung der Beweislast vorsehen.

 

4.

Die Verjährung und die Verwirkung, die einer gemäß Art. 19 Abs. 2 und Art. 89 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 6/2002 erhobenen Klage zur Verteidigung entgegengehalten werden können, unterliegen dem nationalen Recht, das unter Beachtung des Äquivalenz- und des Effektivitätsgrundsatzes angewandt werden muss.

 

5.

Art. 89 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass Anträge auf Vernichtung der rechtsverletzenden Erzeugnisse dem Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des Mitgliedstaats unterliegen, in dem die Verletzungshandlungen begangen worden sind oder drohen. Anträge auf Ersatz des durch die Handlungen des Verletzers entstandenen Schadens sowie auf den Erhalt von Auskünften über diese Handlungen zum Zweck der Bestimmung dieses Schadens unterliegen gemäß Art. 88 Abs. 2 dieser Verordnung dem nationalen Recht, einschließlich des internationalen Privatrechts, des angerufenen Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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