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Document 62012CC0241

Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 18. Juni 2013.
Strafverfahren gegen Shell Nederland Verkoopmaatschappij BV (C-241/12) und Belgian Shell NV (C-242/12).
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank te Rotterdam - Niederlande.
Umwelt - Abfälle - Begriff - Richtlinie 2006/12/EG - Verbringung von Abfällen - Unterrichtung der zuständigen nationalen Behörden - Verordnung (EWG) Nr. 259/93 - Stoff oder Gegenstand, dessen sich sein Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
Verbundene Rechtssachen C-241/12 und C-242/12.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:405

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NIILO JÄÄSKINEN

vom 18. Juni 2013 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑241/12 und C‑242/12

Shell Nederland Verkoopmaatschappij BV und Belgian Shell NV

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank te Rotterdam [Niederlande])

„Umwelt — Verordnung (EWG) Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen — Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle — Begriff ‚Abfälle‘ — Produkt, das infolge einer versehentlichen Verunreinigung nicht den Normen entspricht“

I – Einführung

1.

In den vorliegenden Rechtssachen geht es um die Frage, ob die Shell Nederland Verkoopmaatschappij BV und die Belgian Shell NV (zusammen im Folgenden: Shell) dadurch eine Verbringung von Abfällen vorgenommen haben, dass sie knapp über 333000 kg eines von einem Käufer in Belgien zurückgegebenen Ölprodukts mit dem Schiff zu einer ihrer Betriebsstätten in den Niederlanden befördert haben. Infolge eines Fehlers in der Zusammensetzung des Ölprodukts, der bei der Beladung für die ursprüngliche Verbringung des Produkts von den Niederlanden nach Belgien versehentlich aufgetreten war, konnte der Käufer das Produkt weder lagern noch behalten. Im Rahmen eines gegen Shell eingeleiteten Strafverfahrens wegen eines Verstoßes gegen unionsrechtliche und niederländische Verfahrensvorschriften über die Verbringung von Abfällen ersucht das nationale vorlegende Gericht im Wesentlichen allein um Hinweise zu der Feststellung, ob es sich bei dem Ölprodukt um „Abfall“ handelt ( 2 ).

2.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft ( 3 ) muss eine Verbringung von Abfällen zuvor der zuständigen Behörde am Bestimmungsort notifiziert werden; eine Verbringung ohne Genehmigung ist gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 259/93 verboten. Für beide Vorschriften gilt der in Art. 191 Abs. 2 AEUV ( 4 ) verankerte Grundsatz der Vorsorge, und unstreitig hat Shell die Verbringung des Ölprodukts den zuständigen Behörden weder notifiziert noch eine Genehmigung für die Verbringung erlangt.

II – Rechtlicher Rahmen

3.

Kennzeichnend für den rechtlichen Rahmen dieser Rechtsstreitigkeiten ist das Ineinandergreifen der Definition des Begriffs „Abfall“ in der (am 17. Mai 2006 in Kraft getretenen) Richtlinie 2006/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Abfälle ( 5 ) und der in der Verordnung Nr. 259/93 normierten Verpflichtungen. Folgendes ist vorgesehen.

A – Verordnung Nr. 259/93

4.

Die Erwägungsgründe 6, 9 und 18 der Verordnung Nr. 259/93 lauten wie folgt:

„(6)

Bei der Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen muss der Notwendigkeit, die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern, Rechnung getragen werden.

(9)

Die Verbringung von Abfällen muss vorher den zuständigen Behörden notifiziert werden, damit diese angemessen insbesondere über Art, Beförderung und Beseitigung oder Verwertung der Abfälle informiert sind und alle für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt erforderlichen Maßnahmen treffen können; hierzu gehört auch die Möglichkeit, mit Gründen zu versehende Einwände gegen die Abfallverbringung erheben zu können.

(18)

Bei einer illegalen Abfallverbringung hat die Person, die die Verbringung veranlasst hat, die Abfälle zurückzunehmen und/oder auf eine andere, umweltverträgliche Weise zu beseitigen oder zu verwerten; tut sie dies nicht, müssen die zuständigen Behörden des Herkunfts- oder Bestimmungsorts selbst einschreiten.“

5.

Art. 2 Buchst. a, i und k der Verordnung Nr. 259/93 besagt:

„Im Sinne dieser Verordnung sind

a)

‚Abfälle‘: Abfälle im Sinne des Artikels 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442/EWG;

i)

‚Beseitigung‘: Beseitigung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe e) der Richtlinie 75/442/EWG;

k)

‚Verwertung‘: Verwertung im Sinne des Artikels 1 Buchstabe f) der Richtlinie 75/442/EWG;

…“ ( 6 )

6.

Titel II („Verbringung von Abfällen zwischen Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 259/93 umfasst Abschnitt A („Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen“). Der zu diesem Abschnitt gehörende Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 259/93 sieht vor:

„(1) Beabsichtigt die notifizierende Person, unbeschadet des Artikels 25 Absatz 2 und des Artikels 26 Absatz 2 zur Beseitigung bestimmte Abfälle von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen und/oder sie durch einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten durchzuführen, so notifiziert sie dies der zuständigen Behörde am Bestimmungsort und übermittelt der zuständigen Behörde am Versandort und den für die Durchfuhr zuständigen Behörden sowie dem Empfänger eine Kopie des Notifizierungsschreibens.“

7.

Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 259/93 lautet:

„Die Verbringung kann erst erfolgen, nachdem die notifizierende Person von der zuständigen Behörde am Bestimmungsort die Genehmigung dazu erhalten hat.“

8.

Der zu Titel II Abschnitt B („Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen“) gehörende Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 259/93 sieht vor:

„(1) Beabsichtigt die notifizierende Person unbeschadet des Artikels 25 Absatz 2 und des Artikels 26 Absatz 2, zur Verwertung bestimmte Abfälle des Anhangs III von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen und/oder sie durch einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten durchzuführen, so notifiziert sie dies der zuständigen Behörde am Bestimmungsort und übermittelt der zuständigen Behörde am Versandort und den für die Durchfuhr zuständigen Behörden sowie dem Empfänger eine Kopie des Notifizierungsschreibens.“

9.

In Art. 26 heißt es:

„(1)   Als illegale Verbringung gilt:

a)

eine Verbringung ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung,

b)

eine Verbringung ohne Zustimmung der betroffenen zuständigen Behörden gemäß dieser Verordnung,

(5)   Die Mitgliedstaaten verbieten und ahnden die illegale Verbringung durch geeignete rechtliche Maßnahmen.“

B – Richtlinie 2006/12

10.

Die Richtlinie 2006/12 trat am 17. Mai 2006 in Kraft. Ihre Erwägungsgründe 2, 3 und 4 lauten:

„(2)

Jede Regelung der Abfallbewirtschaftung muss als wesentliche Zielsetzung den Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Umwelt gegen nachteilige Auswirkungen der Sammlung, Beförderung, Behandlung, Lagerung und Ablagerung von Abfällen haben.

(3)

Für eine effizientere Abfallbewirtschaftung in der Gemeinschaft sind eine gemeinsame Terminologie und eine Definition der Abfälle erforderlich.

(4)

Ein wirksames und zusammenhängendes System der Abfallbeseitigung und ‐verwertung sollte vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen auf alle beweglichen Sachen Anwendung finden, deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder zu entledigen hat.“

11.

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/12 bestimmt:

„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet:

a)

‚Abfall‘: alle Stoffe oder Gegenstände, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss;

b)

‚Erzeuger‘: jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle angefallen sind (‚Ersterzeuger‘), und/oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken;

c)

‚Besitzer‘: der Erzeuger der Abfälle oder die natürliche oder juristische Person, in deren Besitz sich die Abfälle befinden;

e)

‚Beseitigung‘: alle in Anhang II A aufgeführten Verfahren;

f)

‚Verwertung‘: alle in Anhang II B aufgeführten Verfahren;

…“

12.

Art. 20 der Richtlinie 2006/12 sieht vor:

„Die Richtlinie 75/442/EWG wird unbeschadet der Verpflichtung der Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Anhang III Teil B genannten Fristen für die Umsetzung in innerstaatliches Recht aufgehoben.

Verweisungen auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweisungen auf die vorliegende Richtlinie und sind nach der Entsprechungstabelle in Anhang IV zu lesen.“ ( 7 )

III – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

13.

Am 3. September 2006 verlud Shell sogenannten Ultra Light Sulphur Diesel (ULSD) auf ein Schiff und verbrachte ihn zu einem belgischen Kunden (Gebr. Carens BVBA, im Folgenden: Carens). Zum Zeitpunkt der Beladung des Schiffs waren die Tanks nicht vollkommen leer, wodurch sich der ULSD mit Methyl Tertiary Butyl Ether (MTBE) vermischte.

14.

Diese Vermischung hatte zur Folge, dass der ULSD nicht den vereinbarten Produktmerkmalen entsprach und von Carens nicht mehr für den ursprünglich beabsichtigten Zweck – den Verkauf als Dieselkraftstoff an der Tankstelle – verwendet werden konnte. Der Flammpunkt des Gemischs war dafür zu niedrig. Nach Maßgabe ihrer Umweltgenehmigung durfte Carens ein Gemisch mit einem solch niedrigen Flammpunkt auch nicht lagern. Die Vermischung des ULSD mit MTBE wurde erst entdeckt, nachdem die Partie an Carens in Belgien übergeben worden war. Den schriftlichen Erklärungen der Kommission zufolge holte Shell die Partie zwischen dem 20. und 22. September 2006 in die Niederlande zurück und ließ daraus ein neues Gemisch herstellen, das als Kraftstoff verkauft werden sollte. Wie bereits erwähnt, hatte Shell vor der Verbringung weder eine Notifizierung gemäß der Verordnung Nr. 259/93 übermittelt noch eine Genehmigung beantragt.

15.

Bei der Rechtbank te Rotterdam wurde daraufhin ein Strafverfahren gegen Shell eröffnet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, zwischen oder annähernd zwischen dem 20. und dem 22. September 2006 in Barendrecht und/oder in Rotterdam, zumindest in den Niederlanden, jedenfalls im Hoheitsgebiet der Europäischen Gemeinschaft, (eine) Handlung(en) im Sinne von Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 259/93 vorgenommen zu haben, namentlich im Motortankschiff Nimitz Abfälle, und zwar (rund 333276 kg) mit MTBE verunreinigtes Gasöl und/oder Dieselöl, jedenfalls Ölabfälle, jedenfalls unter Code AC 030 in Anhang III der Verordnung Nr. 259/93 genannte Abfälle, von Belgien in die Niederlande verbracht zu haben. Diese Verbringung sei ohne die nach der Verordnung Nr. 259/93 erforderliche Notifizierung an alle/die betroffenen zuständigen Behörden und/oder ohne deren Zustimmung erfolgt.

16.

Angesichts dessen hat die Rechtbank folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

1.

Ist eine Partie Diesel als Abfall im Sinne der Verordnungen Nr. 259/93 und Nr. 1013/2006 anzusehen, wenn

a)

die Partie aus Ultra Light Sulphur Diesel besteht, der versehentlich mit Methyl Tertiary Butyl Ether vermischt worden ist,

b)

die Partie nach Lieferung an einen Käufer – aufgrund der Vermischung – offensichtlich nicht den zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten besonderen Merkmalen entspricht (und damit „off-spec“ ist),

c)

der Verkäufer die Partie – nach Beanstandung durch den Käufer – aufgrund des Kaufvertrags zurücknimmt und den Kaufpreis erstattet,

d)

der Verkäufer die Absicht hat, die Partie – gegebenenfalls nach Vermischung mit einem anderen Erzeugnis – erneut in den Verkehr zu bringen?

2.

Sofern Frage 1 zu bejahen ist:

a)

Kann unter den oben genannten tatsächlichen Umständen ein Zeitpunkt bestimmt werden, ab dem dies der Fall ist?

b)

Verwandelt sich die Partie zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen der Lieferung an den Käufer und einer erneuten Vermischung durch den Verkäufer oder in dessen Namen in ein Nicht-Abfallerzeugnis, und falls ja, zu welchem Zeitpunkt?

3.

Spielt es für die Antwort auf Frage 1 eine Rolle, ob

a)

die Partie auf die gleiche Weise wie reiner ULSD als Kraftstoff verwendet werden konnte, aufgrund ihres niedrigeren Flammpunkts jedoch nicht mehr den (Sicherheits‑)Anforderungen entsprach,

b)

der Käufer die Partie aufgrund der neuen Zusammensetzung nach Maßgabe einer Umweltgenehmigung nicht lagern durfte,

c)

der Käufer die Partie nicht für den vorgesehenen Zweck – Verkauf als Dieselkraftstoff an der Tankstelle – verwenden konnte,

d)

der Wille des Käufers auf Rückgabe an den Verkäufer nach Maßgabe des Kaufvertrags gerichtet war oder nicht,

e)

der Wille des Verkäufers im Hinblick auf eine Bearbeitung durch Vermischung und ein erneutes Inverkehrbringen tatsächlich auf Rücknahme der Partie gerichtet war,

f)

die Partie wiederhergestellt werden kann oder nicht, sei es, dass sie wieder in den ursprünglich beabsichtigten Zustand versetzt oder in ein Erzeugnis umgewandelt wird, das zu einem Preis gehandelt werden kann, der dem Marktwert der ursprünglichen Partie ULSD nahekommt,

g)

diese Wiederherstellungshandlung ein gewöhnlicher Produktionsprozess ist,

h)

der Marktwert der Partie in dem Zustand, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Rücknahme durch den Verkäufer befindet, (nahezu) mit dem Preis eines Erzeugnisses übereinstimmt, das die vereinbarten besonderen Merkmale besitzt,

i)

die zurückgenommene Partie in dem Zustand, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Rücknahme befindet, ohne Bearbeitung auf dem Markt veräußert werden kann,

j)

der Handel mit Erzeugnissen wie der Partie üblich ist und im Handelsverkehr nicht als Handel mit Abfällen betrachtet wird?

17.

Shell, die Regierung der Niederlande und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und an der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2013 teilgenommen.

IV – Würdigung

A – Bemerkungen zum Begriff „Abfälle

18.

Im Grunde bin ich trotz des Umfangs der Vorlagefragen der Meinung, dass sich das Vorabentscheidungsersuchen anhand der Rechtsvorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung eindeutig beantworten lässt. Im Mittelpunkt des Problems steht, dass Shell die Verbringung des Ölprodukts, obwohl es versehentlich verunreinigt wurde, nicht notifizierte und ihr keine Genehmigung für die Verbringung vorlag.

19.

Die Mischung, die Shell von Belgien in die Niederlande verbrachte, könnte in verschiedene der in Anhang I der Richtlinie 2006/12 genannten Gruppen einzuordnen sein, etwa Q2 „Nicht den Normen entsprechende Produkte“, Q4 „Unabsichtlich ausgebrachte oder verlorene oder von einem sonstigen Zwischenfall betroffene Produkte einschließlich sämtlicher Stoffe, Anlageteile usw., die bei einem solchen Zwischenfall kontaminiert worden sind“ oder Q12 „Kontaminierte Stoffe (z. B. mit PCB verschmutztes Öl usw.)“ ( 8 ).

20.

Die Einordnung in einen dieser Tatbestände ist für sich allein noch nicht entscheidend, da die Abfallgruppen in Anhang I der Richtlinie 2006/12 nicht erschöpfend aufgezählt sind. Erfasst sind nach Q16 „Stoffe oder Produkte aller Art, die nicht einer der oben erwähnten Gruppen angehören“. Außerdem bietet der Anhang nur einen Anhaltspunkt, da sich die Einstufung von Abfällen vor allem aus dem Verhalten des Besitzers und der Bedeutung des Ausdrucks „sich entledigen“ ergibt ( 9 ).

21.

Allerdings spricht die Erfüllung dieser Tatbestände dafür, dass es sich bei dem betreffenden Stoff um Abfall handelt. Dies gilt vom Zeitpunkt der versehentlichen Verunreinigung des ULSD mit MTBE bis zum Zeitpunkt der Herstellung einer neuen Mischung, d. h. bis zur Verwertung ( 10 ).

22.

Shell stützt ihr Vorbringen auf folgende Argumente: „Off-spec“-Produkte wie der hier in Rede stehende kontaminierte Kraftstoff könnten keine Abfälle sein, da es andernfalls zwangsläufig zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Handels käme; die Rückgabe des Kraftstoffs an die Angeklagte in den Niederlanden sei aufgrund der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Käufer in Belgien erfolgt und nicht aufgrund der Abfalleigenschaft des Kraftstoffs; der Kraftstoff sei weiterhin ein Wirtschaftsgut gewesen und könne daher kein Abfall sein; zum Zeitpunkt des Rückerwerbs in Belgien habe Shell die Absicht gehabt, das Produkt erneut zu verkaufen (sei es nach einer Neumischung oder in dem Zustand, in dem es sich bei der Verbringung aus Belgien befunden habe) – der Weiterverkauf von Produkten dieser Art sei im Ölhandel üblich; der Wille des Käufers in Belgien sei bei der Rückgabe des Kraftstoffs nicht auf eine Beseitigung gerichtet gewesen, und bei Eintreffen des Kraftstoffs in den Niederlanden habe dieser die Abfalleigenschaft verloren.

23.

Meines Erachtens findet jedoch keines dieser Argumente eine Stütze in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Wendung „Beseitigung von Abfällen“.

24.

Sie haben auch keine unmittelbare Bedeutung für die entscheidenden Fragen der vorliegenden Rechtssachen, nämlich i) ob Shell als Erzeuger oder als juristische Person, in deren Besitz sich Abfälle befanden, „Besitzer“ von Abfällen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/12 war und ii) ob es sich bei dem verunreinigten Kraftstoff um „Abfall“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/12 handelte, d. h. um einen Stoff oder Gegenstand, der unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fällt, dessen sich sein Besitzer entledigte, entledigen wollte oder entledigen musste.

25.

Entgegen dem Vorbringen von Shell sollte der Gerichtshof meiner Meinung nach auch nicht von Annahmen ausgehen, die dem in der Vorlageentscheidung dargestellten Sachverhalt widersprechen. Ich denke dabei an den Vortrag von Shell, dass ihr die Zusammensetzung des Kraftstoffgemischs und die Möglichkeit eines Weiterverkaufs ohne erneutes Vermischen vor der Verbringung der Fracht aus Belgien bekannt gewesen sei. Die unstreitige Tatsache, dass der Kraftstoff vor dem Weiterverkauf erneut vermischt wurde, deutet meiner Ansicht nach auf eine Entledigungsabsicht hin, und der Vorgang der erneuten Vermischung als solcher stellt eine Verwertungshandlung dar, d. h., Shell hat sich des Stoffs entledigt. Andernfalls liefe der Gerichtshof Gefahr, hypothetische Fragen zu beantworten, und solche Fragen sind nach ständiger Rechtsprechung unzulässig.

26.

Auch der Umstand, dass der verunreinigte Kraftstoff nicht den in dem Vertrag zwischen Shell und Carens vereinbarten Merkmalen entsprach, ist ohne Belang für die Feststellung, ob es sich um Abfall im Sinne des zwingenden Abfallrechts der Union handelt, denn dieses Gebiet ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen und damit der Vertragsgestaltung der Parteien entzogen. Insoweit ist daran zu erinnern, dass das in Rede stehende Kraftstoffgemisch ULSD und MTBE enthält. Bei jeder Behandlung von Dieselkraftstoff muss die Gefahr des Austretens in die Umwelt und der Entflammbarkeit berücksichtigt werden. MTBE ist eine Chemikalie, die im Kontaktfall die menschliche Gesundheit gefährden kann ( 11 ). Ein solches Risiko besteht ganz offensichtlich in Fällen, in denen die konkrete Zusammensetzung des Gemischs, die bei einer versehentlichen Verunreinigung entsteht, erst im Nachhinein genau ermittelt werden kann.

27.

Ferner ist der Vorlageentscheidung zufolge unstreitig, dass Shell i) das Kraftstoffgemisch von Carens zurücknahm, ii) die Beförderung des Kraftstoffgemischs zurück in die Niederlande zusagte und iii) aus dem Gemisch in den Niederlanden tatsächlich eine neue Mischung herstellte, die als Kraftstoff verkauft werden sollte. Meines Erachtens trägt eine weitere Erörterung der Frage, was Shell nach Entdeckung der Kraftstoffverunreinigung hätte tun können oder bei Vorliegen anderer Umstände getan hätte, nicht zur Lösung der aufgeworfenen Rechtsfragen bei.

B – Subsumierung unter den Begriff „Abfälle

28.

Die Kernfrage in den vorliegenden Rechtssachen lautet, ob es sich bei dem kontaminierten Stoff um „Abfall“ handelt; außerdem kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich auf die Bedeutung der Begriffe „Erzeuger“ und „Beseitigung“ an.

29.

Der Begriff „Erzeuger“ ist in Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/12 definiert als „jede Person, durch deren Tätigkeit Abfälle angefallen sind (‚Ersterzeuger‘), und/oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken“. Unter „Beseitigung“ sind nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. e „alle in Anhang II A aufgeführten Verfahren“ zu verstehen. Diese Bestimmungen sind jedoch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung zur Bedeutung des Begriffs „Abfälle“ auszulegen, die sich, wie ich bereits bemerkt habe, „vor allem … aus dem Verhalten des Besitzers [ergibt], je nachdem, ob er sich der betreffenden Stoffe entledigen will oder nicht“ ( 12 ).

30.

Des Weiteren steht der Umstand, dass ein Stoff mit wirtschaftlichem Vorteil wiederverwertet werden kann, seiner Einstufung als Abfall nicht entgegen ( 13 ), und auch Stoffe, die in einen Produktionsprozess einfließen, können Abfälle sein ( 14 ).

31.

Somit liegt das Vorbringen von Shell, die kontaminierte Mischung hätte ohne weitere Behandlung als Kraftstoff weiterverkauft werden können, neben der Sache. Wie Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Palin Granit und Vehmassalon kansanterveystyön kuntayhtymän hallitus ausgeführt hat, ist die Zusammensetzung eines Stoffes im Allgemeinen nicht dafür maßgeblich, ob er Abfall darstellt. Wohl aber kann die Zusammensetzung eines Stoffes dafür maßgeblich sein, ob es sich um gefährlichen Abfall handelt, und sie kann als Anhaltspunkt dafür dienen, ob es sich dabei um einen Stoff handelt, dessen man sich entledigen will oder entledigen muss ( 15 ).

32.

Somit hängt der Anwendungsbereich des Begriffs „Abfall“ von der Bedeutung des Ausdrucks „sich entledigen“ ab ( 16 ). Anstatt den von Shell hervorgehobenen Auswirkungen auf den Handel ungebührliches Gewicht beizumessen, ist der Begriff „sich entledigen“ nach der Rechtsprechung vielmehr im Einklang mit den Zielen der Richtlinie 2006/12, nämlich Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, sowie der Zielsetzung der Umweltpolitik der Union auszulegen. Diese umfasst ein hohes Umweltschutzniveau sowie die Grundsätze der Vorbeugung und der Vorsorge. Bei gebührender Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie 2006/12 und von Art. 191 Abs. 2 AEUV kann der Begriff „Abfall“ nicht eng ausgelegt werden ( 17 ).

33.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs umfasst der Ausdruck „sich entledigen“ sowohl die Beseitigung als auch die Verwertung eines Stoffes oder Gegenstands ( 18 ).

34.

Bestimmte Umstände können Anhaltspunkte dafür darstellen, dass der Besitzer sich eines Stoffes oder eines Gegenstands im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/12 entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der verwendete Stoff ein Produktions- oder Verbrauchsrückstand ist, d. h. ein Erzeugnis, das nicht als solches gewonnen werden sollte ( 19 ). Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass beim Abbau entstehender Bruch, der nicht das darstellt, was der Betreiber eines Granitsteinbruchs hauptsächlich zu gewinnen sucht, Abfall sein kann ( 20 ). Dies gilt auch dann, wenn sich der Felsgrund, der Bruchstein und das zur kommerziellen Verwertung gewonnene Gestein in ihren physikalischen Eigenschaften und mineralischen Zusammensetzungen nicht unterscheiden ( 21 ).

35.

Andererseits hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Gegenstand, ein Material oder ein Rohstoff, der oder das bei einem nicht hauptsächlich zu seiner Gewinnung bestimmten Herstellungs- oder Abbauverfahren entsteht, nicht einen Rückstand darstellen muss, sondern ein Nebenerzeugnis sein kann, dessen sich das Unternehmen nicht entledigen will, sondern das es unter Umständen, die für es wirtschaftlich vorteilhaft sind, in einem späteren Vorgang ohne vorherige Bearbeitung nutzen oder vermarkten möchte ( 22 ). Da der Begriff „Abfälle“ weit auszulegen ist, beschränkt der Gerichtshof diese Überlegungen bei Nebenerzeugnissen, um die mit dem Wesen dieser Nebenerzeugnisse verbundenen Unzuträglichkeiten oder Beeinträchtigungen einzudämmen, jedoch auf Fälle, in denen die Wiederverwendung eines Gegenstands, eines Materials oder eines Rohstoffs nicht nur möglich, sondern ohne vorherige Bearbeitung in Fortsetzung des Gewinnungsverfahrens gewiss ist ( 23 ).

36.

Da die Verunreinigung im vorliegenden Fall versehentlich erfolgte, kommt die für Nebenerzeugnisse geltende Ausnahme im Ausgangsverfahren offensichtlich nicht zum Tragen. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs ist unmissverständlich. Der Abfallbegriff darf nicht dahin verstanden werden, dass er Stoffe und Gegenstände nicht erfasst, die in umwelthygienisch vertretbarer Weise verwertet werden können ( 24 ). Auf die Wiederverwendbarkeit eines Stoffes nach entsprechenden Modifikationen kommt es nicht an ( 25 ).

37.

Meiner Meinung nach wird eine Partie ULSD, der versehentlich mit MTBE vermischt wurde und infolgedessen einen niedrigeren Flammpunkt aufweist, als für den Verkauf von Dieselkraftstoff an der Tankstelle zulässig ist, zum Zeitpunkt der Verunreinigung zu Abfall im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/12 und bleibt so lange Abfall, bis sie durch objektiv feststellbare Vermischung oder kommerzielle Neueinstufung verwertet wird. Demnach hat eine Verbringung von Abfall stattgefunden. Anders verhielte es sich nur, wenn die Verwertung durch Vermischung oder Wiederverkauf an einen Dritten vor der Wiederaufnahme der Ladung in Belgien erfolgt wäre und dabei Unterlagen vorgelegen hätten, aus denen die genaue Zusammensetzung des Kraftstoffgemischs hervorgegangen wäre ( 26 ).

38.

Da die Mischung im Zeitpunkt der Verunreinigung zu „Abfall“ wurde, war Shell also sowohl „Erzeuger“ des Abfalls im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/12 als auch „Besitzer“ des Abfalls im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie. Die Mischung blieb in Belgien Abfall, wo Carens Besitzer gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. c wurde, denn Carens musste sich dort der verunreinigten Mischung entledigen, weil das Unternehmen keine Lagerungsgenehmigung dafür besaß, und Carens entledigte sich denn auch der Mischung, indem sie sie an die Angeklagte zurückgab.

39.

Bei der Rücknahme des Kraftstoffs wurde Shell wieder Besitzer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/12, und zwar sowohl als Erzeuger als auch als juristische Person, in deren Besitz sich der Kraftstoff befand. Shell blieb sodann verpflichtet, sich des Kraftstoffs zu entledigen, bis aus ihm in den Niederlanden ein neues Gemisch hergestellt wurde, was eine Verwertungshandlung darstellte, durch die sich Shell des Abfalls entledigte. Da Shell das Verwertungsverfahren mithin nicht vor Beginn der Rückverbringung in die Niederlande durchführte, blieb das verunreinigte Gemisch während der Verbringung Abfall.

40.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass das Fehlen vertraglich vereinbarter Merkmale für sich genommen noch nicht bedeutet, dass Stoffe oder Erzeugnisse zwangsläufig als Abfälle anzusehen sind. Wenn ein Unternehmen ein Restaurant mit Hackfleisch beliefert, das nicht, wie von den Parteien vereinbart, aus reinem Rindfleisch, sondern aus einer Mischung von Rind- und Pferdefleisch besteht, mag das Unternehmen vertraglich zur Rücknahme der Lieferung verpflichtet sein, ohne dass diese dadurch zu Abfall wird. Falls es jedoch bei der Verarbeitung des Hackfleischs zu einer versehentlichen Kontaminierung des Rindfleischs mit Pferdefleisch kommt, ist das Unternehmen so lange verpflichtet, sich des Hackfleischs zu entledigen, bis dessen genauen Eigenschaften festgestellt werden und es entweder beseitigt oder kommerziell neu eingestuft wird, etwa als Futtermittel für Nerze oder als Rind-Pferde-Fleischmischung, die für Verzehr durch den Menschen bestimmt ist, sofern die einschlägigen lebensmittelrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind ( 27 ). Grundsätzlich ist eine nicht absichtlich hergestellte Stoffmischung prima facie Abfall, wenn ihre bestimmungsgemäße Verwendung mangels Kenntnis ihrer Zusammensetzung nicht gefahrlos ist. Dies gilt für Produkte wie Lebensmittel oder Kraftstoff, deren Eigenschaften für die menschliche Gesundheit bzw. für die Umwelt von Bedeutung sind ( 28 ).

41.

Daher wäre das Hackfleisch in der Zeit von der Kontaminierung bis zur Beseitigung oder Verwertung im Wege der Neueinstufung „Abfall“ im Sinne des Abfallrechts der Union, genauer gesagt ein nicht den Normen entsprechendes Produkt, das bei einem Zwischenfall ( 29 ) entstanden ist.

42.

Entgegen der Argumentation von Shell in der mündlichen Verhandlung führt die Antwort, die ich vorschlagen werde, nicht zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Handelsgepflogenheiten, sondern sie betont vielmehr die Sorgfalt, deren Anwendung von einem verantwortungsbewussten Unternehmen erwartet werden kann, nämlich ein bei einem Zwischenfall kontaminiertes Produkt als Abfall anzusehen.

V – Ergebnis

43.

Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefragen der Rechtbank te Rotterdam wie folgt zu beantworten:

Eine Partie Kraftstoff, die der Verkäufer in der Absicht, sie erneut in den Verkehr zu bringen, zurücknimmt und durch Vermischung verarbeitet, weil sie versehentlich mit einem Stoff vermischt wurde und infolgedessen nicht mehr den Sicherheitsanforderungen entspricht, so dass sie vom Käufer nach Maßgabe einer Umweltgenehmigung nicht gelagert werden dürfte, ist ab dem Zeitpunkt der versehentlichen Verunreinigung bis zur Verwertung durch erneutes Vermischen als Abfall im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft anzusehen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Die beiden Rechtssachen, denen die bei der Rechtbank te Rotterdam getrennt anhängigen Ausgangsverfahren gegen die Shell Nederland Verkoopmaatschappij BV und die Belgian Shell NV zugrunde liegen, wurden durch Beschluss des Gerichtshofs vom 2. Juli 2012 verbunden.

( 3 ) ABl. L 30, S. 1. Die Verordnung wurde, soweit für die vorliegenden Rechtssachen von Belang, zuletzt geändert durch die Entscheidung 1999/816/EG der Kommission vom 24. November 1999 zur Anpassung der Anhänge II, III, IV und V der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft gemäß Artikel 16 Absatz 1 und Artikel 42 Absatz 3 (ABl. L 316, S. 45). Zu beachten ist, dass die Verordnung Nr. 259/93 durch Art. 61 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen (ABl. L 190, S. 1) mit Wirkung ab dem 12. Juli 2007 aufgehoben wurde. Da für die vorliegenden Rechtssachen jedoch der September 2006 maßgeblich ist, findet zeitlich die Verordnung Nr. 259/93 Anwendung.

( 4 ) Die auf die vorliegenden Rechtssachen zeitlich anwendbare Vertragsbestimmung über den Grundsatz der Vorsorge ist allerdings Art. 174 Abs. 2 EG.

( 5 ) ABl. L 114, S. 9; zum Inkrafttreten vgl. Art. 21. Die Entstehungsgeschichte der Begriffsbestimmung und der Vorschriften über die Kontrolle der Verbringung von Abfällen stellt sich wie folgt dar. In Art. 1 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) war der Begriff „Abfälle“ anhand der nach einzelstaatlichen Vorschriften geltenden Entledigungspflicht definiert. Eine gemeinschaftliche Definition des Begriffs „Abfälle“ wurde durch die Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 zur Änderung der Richtlinie 75/442 (ABl. L 78, S. 32) eingeführt und anschließend in den (hier in Nr. 11 wiedergegebenen) Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/12 übernommen. Dies ist die Definition für „Abfälle“, die in den vorliegenden Rechtssachen zeitlich auf die Verordnung Nr. 259/93 anwendbar ist. Die Richtlinie 2006/12 wurde ihrerseits mit Wirkung vom 12. Dezember 2010 durch Art. 41 der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312, S. 3) aufgehoben.

( 6 ) Siehe jedoch Fn. 5 hinsichtlich der in den vorliegenden Rechtssachen zeitlich anwendbaren Begriffsbestimmungen für Abfälle, Beseitigung und Verwertung.

( 7 ) Nach Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 bezeichnet der Ausdruck „Abfälle“ Abfälle im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/12. Wie jedoch in Fn. 5 dargelegt, findet auf die vorliegenden Rechtssachen zeitlich nicht die Verordnung Nr. 1013/2006, sondern ausschließlich die Verordnung Nr. 259/93 Anwendung.

( 8 ) In ihren Erklärungen führt die Kommission aus, dass der Code AC 030 (Rückstandsöle, die für ihren ursprünglichen Verwendungszweck nicht mehr geeignet sind) in Anhang III der Verordnung Nr. 259/93, auf den die Anklageschrift abstelle, nicht einschlägig sei, da weder die Angeklagte noch der Käufer das in Rede stehende Öl benutzt hätten. Nach Ansicht der Kommission bezieht sich diese Gruppe auf Rückstandsöle, die bereits benutzt worden sind.

( 9 ) Urteil vom 24. Juni 2008, Commune de Mesquer (C-188/07, Slg. 2008, I-4501, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 10 ) Selbst eine vollständige Verwertung bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass ein Produkt nicht mehr als Abfall eingestuft werden kann. Es kann weiterhin Abfall sein, wenn sich der Besitzer des Produkts entledigt, entledigen will oder entledigen muss – Urteil vom 7. März 2013, Lapin luonnonsuojelupiiri (C‑358/11, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 11 ) Schriftliche Anfrage E-3582/01 von Ulla Sandbæk (EDD) an die Kommission und Antwort von Frau Wallström (ABl. 2002, 172E, S. 92).

( 12 ) Urteil vom 18. April 2002, Palin Granit und Vehmassalon kansanterveystyön kuntayhtymän hallitus (C-9/00, Slg. 2002, I-3533, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung); vgl. auch Urteil Commune de Mesquer (Randnr. 53).

( 13 ) Urteile vom 28. März 1990, Vessoso und Zanetti (C-206/88 und C-207/88, Slg. 1990, I-1461, Randnr. 9), vom 25. Juni 1997, Tombesi u. a. (C-304/94, C-330/94, C-342/94 und C-224/95, Slg. 1997, I-3561, Randnr. 47), und Palin Granit (Randnr. 29).

( 14 ) Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C-129/96, Slg. 1997, I-7411, Randnr. 32).

( 15 ) Nrn. 45 und 46 seiner Schlussanträge.

( 16 ) Urteil Inter-Environnement Wallonie (Randnr. 26).

( 17 ) Urteil Palin Granit (Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Urteil vom 7. September 2004, Van de Walle u. a. (C-1/03, Slg. 2004, I-7613, Randnr. 45). Wie bereits erwähnt, findet auf die vorliegenden Rechtssachen zeitlich Art. 174 Abs. 2 EG Anwendung.

( 18 ) Urteil Inter-Environnement Wallonie (Randnr. 27).

( 19 ) Urteil Commune de Mesquer (Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 20 ) Urteil Palin Granit und Vehmassalon kansanterveystyön kuntayhtymän hallitus (Randnr. 29).

( 21 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Palin Granit (Nrn. 44 und 45).

( 22 ) Urteil Commune de Mesquer (Randnr. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 23 ) Urteil Commune de Mesquer (Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 24 ) Urteil vom 15. Juni 2000, ARCO Chemie Nederland u. a. (C-418/97 und C-419/97, Slg. 2000, I-4475).

( 25 ) Urteil Commune de Mesquer (Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 26 ) Eine prägnante Zusammenfassung der Rechtslage bezüglich des Zeitpunkts, ab dem ein Stoff kein Abfall mehr ist, findet sich in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott vom 13. Dezember 2002 in der Rechtssache Lapin luonnonsuojelupiiri (Nrn. 76 bis 79), in der das Urteil des Gerichtshofs am 7. März 2013 verkündet wurde. Zu beachten ist, dass sich der Gerichtshof darin mit der Richtlinie 2008/98 und in den Randnrn. 53 bis 60 insbesondere mit der Frage befasst, ab welchem Zeitpunkt ein Stoff nicht mehr als Abfall im Sinne von Art. 6 der genannten Richtlinie anzusehen ist, weil er ein Verwertungsverfahren durchlaufen hat.

( 27 ) Für eine Untersuchung der Umstände, unter denen Tiermehl als Abfall angesehen werden kann, vgl. Urteil KVZ retec (C-176/05, Slg. 2007, I-1721).

( 28 ) Vgl. z. B. Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates (ABl. L 350, S. 58) in der durch die Richtlinie 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Spezifikationen für Otto-, Diesel- und Gasölkraftstoffe und die Einführung eines Systems zur Überwachung und Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG des Rates im Hinblick auf die Spezifikationen für von Binnenschiffen gebrauchte Kraftstoffe und zur Aufhebung der Richtlinie 93/12/EWG (ABl. L 140, S. 88) geänderten Fassung und Richtlinie 2011/63/EU der Kommission vom 1. Juni 2011 zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen zwecks Anpassung an den technischen Fortschritt (ABl. L 147, S. 15).

( 29 ) Vgl. Anhang I der Richtlinie 2006/12, Abfallgruppen Q2 und Q4.

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