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Document 62008TJ0560

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer) 12. Mai 2010.
Europäische Kommission gegen Stefan Meierhofer.
Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Einstellung – Allgemeines Auswahlverfahren – Entscheidung, mit der festgestellt wird, dass ein Bewerber die mündliche Prüfung nicht bestanden hat – Weigerung der Kommission, einer prozessleitenden Maßnahme nachzukommen.
Rechtssache T‑560/08 P.

European Court Reports 2010 II-01739

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2010:192

URTEIL DES GERICHTS (Rechtsmittelkammer)

12. Mai 2010(*)

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Einstellung – Allgemeines Auswahlverfahren – Entscheidung, mit der festgestellt wird, dass ein Bewerber die mündliche Prüfung nicht bestanden hat – Weigerung der Kommission, einer prozessleitenden Maßnahme nachzukommen“

In der Rechtssache T-560/08 P

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 14. Oktober 2008, Meierhofer/Kommission (F-74/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wegen Aufhebung dieses Urteils,

Europäische Kommission, vertreten durch J. Currall und B. Eggers als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Rechtsmittelführerin,

anderer Verfahrensbeteiligter:

Stefan Meierhofer, wohnhaft in München (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.-G. Schiessl,

Kläger im ersten Rechtszug,

erlässt

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger (Berichterstatter) sowie der Richter A. W. H. Meij und M. Vilaras,

Kanzler: B. Pastor, Hilfskanzlerin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2010

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem gemäß Art. 9 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eingelegten Rechtsmittel beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung des Urteils des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 14. Oktober 2008, Meierhofer/Kommission (F-74/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht; im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren EPSO/AD/26/05 vom 19. Juni 2007 aufgehoben hat, mit der bestätigt wurde, dass der Kläger die mündliche Prüfung dieses Auswahlverfahrens nicht bestanden hat.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und rechtlicher Rahmen

2        Wie aus dem angefochtenen Urteil (Randnrn. 8 bis 11) hervorgeht, nahm der Kläger im ersten Rechtszug, der deutsche Staatsangehörige Stefan Meierhofer, an dem allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AD/26/05 (im Folgenden: Auswahlverfahren) teil, dessen Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 20. Juli 2005 (ABl. C 178 A, S. 3) veröffentlicht worden war. Nachdem er die Vorauswahltests und die schriftliche Prüfung bestanden hatte, legte er am 29. März 2007 die mündliche Prüfung ab.

3        Mit Schreiben vom 10. Mai 2007 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren Herrn Meierhofer mit, dass er in der mündlichen Prüfung 24,5 Punkte erzielt und damit die erforderliche Mindestpunktzahl (25 von 50 Punkten) verfehlt habe, weshalb er nicht in die Reserveliste aufgenommen werden könne (im Folgenden: Entscheidung vom 10. Mai 2007).

4        Herr Meierhofer bat mit Schreiben vom 11. Mai 2007 um Überprüfung der Entscheidung vom 10. Mai 2007; darin vertrat er unter Hinweis auf das von ihm selbst im Anschluss an die mündliche Prüfung angefertigte Protokoll die Ansicht, dass er die Fragen in der Prüfung zu mindestens 80 % richtig beantwortet habe. Er bat daher um Überprüfung der Bewertung seiner mündlichen Prüfung sowie, hilfsweise, um Erläuterung der Punktzahl, die er für die einzelnen in dieser Prüfung gestellten Fragen erhalten hatte.

5        Mit Schreiben vom 19. Juni 2007 teilte ihm der Vorsitzende des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren mit, dass der Prüfungsausschuss nach Überprüfung seiner Bewerbung keinen Anlass gesehen habe, das Ergebnis abzuändern (im Folgenden: Entscheidung vom 19. Juni 2007). Bei dieser Gelegenheit wurde Herrn Meierhofer außerdem zum einen mitgeteilt, dass er, was sein Sachwissen betreffe, mehr unbefriedigende Antworten als befriedigende Antworten gegeben habe, und zum anderen, dass die mündliche Prüfung nach den in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angegebenen Kriterien bewertet worden sei und es wegen der in Art. 6 des Anhangs III des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) angeordneten Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses nicht möglich sei, den Bewerbern die Benotungstabelle oder die Aufschlüsselung ihrer in der mündlichen Prüfung erhaltenen Noten mitzuteilen.

6        In der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens sind in Titel „B. Verfahren“ folgende Vorschriften für die mündliche Prüfung und die Aufnahme in die Reservelisten festgelegt:

„3. Mündliche Prüfung – Bewertung

e)      In der Hauptsprache der Bewerberin oder des Bewerbers geführtes Gespräch mit dem Prüfungsausschuss, bei dem deren bzw. dessen Eignung für die in Titel A Punkt I genannten Aufgaben beurteilt wird. Gegenstand dieses Gesprächs sind vor allem das einschlägige Sachwissen und die Kenntnis der Europäischen Union, ihrer Organe und der Bereiche ihrer Politik. Geprüft wird auch die Beherrschung der zweiten Sprache. Außerdem soll anhand des Gesprächs die Fähigkeit beurteilt werden, sich auf ein multikulturelles Arbeitsumfeld im europäischen öffentlichen Dienst einzustellen.“

7        Art. 6 des Anhangs III des Statuts lautet:

„Die Arbeiten des Prüfungsausschusses sind geheim.“

 Verfahren im ersten Rechtszug und angefochtenes Urteil

8        Mit Klageschrift, die am 3. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, erhob Herr Meierhofer Klage auf Aufhebung der Entscheidung vom 10. Mai 2007 und der Entscheidung vom 19. Juni 2007 sowie auf Erteilung einer Reihe von Anordnungen an die Kommission.

9        Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 55 seiner Verfahrensordnung forderte das Gericht für den öffentlichen Dienst die Kommission im vorbereitenden Sitzungsbericht, der am 7. Februar 2008 an die Parteien versandt wurde, auf, vor der mündlichen Verhandlung folgende Unterlagen vorzulegen:

„a)      die Benotungstabelle und die Aufschlüsselung der Noten der mündlichen Prüfung … des Klägers, auf die im Schreiben vom 19. Juni 2007, mit dem die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen wurde, Bezug genommen wird,

b)      alle sonstigen Unterlagen in Bezug auf die Beurteilung der Qualität der Leistung des Klägers in der mündlichen Prüfung,

c)      eine anonymisierte Liste mit der Benotung der anderen Kandidaten, die in der mündlichen Prüfung eine zu ihrem Ausschluss führende Note erhalten haben,

d)      die Berechnungen, die zu dem Ergebnis von genau 24,5/50 für die Benotung des Klägers in der mündlichen Prüfung geführt haben.“

10      Im vorbereitenden Sitzungsbericht hieß es, dass die Mitteilung der vorstehend genannten Unterlagen an Herrn Meierhofer insoweit erfolge, als dies mit dem Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses vereinbar sei, und/oder gegebenenfalls nach Schwärzung bestimmter Angaben, deren Verbreitung gegen diesen Grundsatz verstoßen würde.

11      Als Antwort auf diese prozessleitenden Maßnahmen übermittelte die Kommission mit Schriftsatz, der am 18. Februar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst einging, wie in Buchst. c des vorbereitenden Sitzungsberichts verlangt eine anonymisierte Tabelle der zum Ausschluss führenden Noten der Bewerber, die die mündliche Prüfung nicht bestanden hatten. Die in den Buchst. a, b und d dieses Sitzungsberichts genannten Unterlagen legte die Kommission dagegen nicht vor, was sie im Wesentlichen damit begründete, dass bei Fehlen eines Beweises für einen Verstoß gegen die für die Arbeit des Prüfungsausschusses geltenden Regeln der bloße auf die Begründungspflicht gestützte Klagegrund in Anbetracht der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses die Vorlage der übrigen angeforderten Informationen und Unterlagen nicht rechtfertige.

12      Das Gericht für den öffentlichen Dienst hat am Ende von Randnr. 16 des angefochtenen Urteils Folgendes ausgeführt:

„Im Übrigen sei die Kommission unabhängig davon, ob das Gericht [für den öffentlichen Dienst] wie im vorliegenden Fall prozessleitende Maßnahmen oder gar eine Beweisaufnahme anordne, zur Vorlage von Informationen und Unterlagen dieser Art nicht verpflichtet.“

13      Herr Meierhofer reichte am 20. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts für den öffentlichen Dienst eine Stellungnahme zu den an die Kommission gerichteten prozessleitenden Maßnahmen und insbesondere zu ihrer Reaktion auf diese Maßnahmen ein.

14      Mit Schreiben vom 19. Mai 2008 erwiderte die Kommission auf diese Stellungnahme, von der sie erst in der mündlichen Verhandlung vom 23. April 2008 eine Abschrift erhalten hatte.

15      Im angefochtenen Urteil hat das Gericht für den öffentlichen Dienst zunächst festgestellt, dass davon auszugehen sei, dass sich die Klage allein gegen die Entscheidung vom 19. Juni 2007 richte, da, wenn ein Bewerber in einem Auswahlverfahren die Überprüfung einer Entscheidung des Prüfungsausschusses beantrage, die von diesem Ausschuss nach der Überprüfung der Situation des Bewerbers getroffene Entscheidung die den Bewerber beschwerende Maßnahme darstelle (Randnrn. 19 und 20 des angefochtenen Urteils). Sodann hat das Gericht für den öffentlichen Dienst nach der Prüfung des ersten von Herrn Meierhofer geltend gemachten Klagegrundes eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht (Randnrn. 30 bis 55 des angefochtenen Urteils) die Entscheidung vom 19. Juni 2007 aufgehoben, die Kommission zur Tragung der Kosten verurteilt und die Anträge von Herrn Meierhofer im Übrigen zurückgewiesen, da die Gerichte offensichtlich nicht befugt seien, Anordnungen an die Organe zu richten.

16      Für die Zwecke des vorliegenden Rechtsmittels ist erstens festzustellen, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst daran erinnert hat, dass jede aufgrund des Statuts ergehende beschwerende Verfügung mit Gründen versehen sein müsse und dass die Begründungspflicht sowohl dem Gericht ermöglichen solle, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen, als auch dem Betroffenen die erforderlichen Hinweise für die Feststellung geben solle, ob die Entscheidung begründet sei, und ihm die Beurteilung ermöglichen solle, ob die Erhebung einer Klage zweckmäßig sei. Es hat jedoch unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 1996, Parlament/Innamorati (C-254/95 P, Slg. 1996, I-3423, Randnrn. 24 bis 28), hinzugefügt, dass in Bezug auf die Entscheidungen eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren die Begründungspflicht mit der Wahrung der Geheimhaltung in Einklang gebracht werden müsse, die gemäß Art. 6 des Anhangs III des Statuts für die Arbeiten des Prüfungsausschusses gelte und die eingeführt worden sei, um die Unabhängigkeit der Prüfungsausschüsse und die Objektivität ihrer Arbeit zu gewährleisten. Daher verbiete es die Wahrung der Geheimhaltung, die Auffassungen der einzelnen Mitglieder des Prüfungsausschusses zu verbreiten und Einzelheiten in Bezug auf die Beurteilung der Bewerber persönlich oder im Vergleich mit anderen aufzudecken, und das Erfordernis der Begründung einer Entscheidung des Prüfungsausschusses habe der Natur der betreffenden Arbeiten Rechnung zu tragen, die in dem Verfahrensabschnitt, in dem die Eignung der Bewerber geprüft werde, vor allem vergleichender Natur seien und demzufolge unter die für diese Arbeiten geltende Geheimhaltung fielen (Randnrn. 30 und 31 des angefochtenen Urteils).

17      Nach der Rechtsprechung stelle „die Mitteilung der in den einzelnen Prüfungen erzielten Noten“ eine ausreichende Begründung für die Entscheidungen des Prüfungsausschusses dar (Urteil Parlament/Innamorati, oben in Randnr. 16 angeführt, Randnr. 31; Urteile des Gerichts vom 21. Mai 1996, Kaps/Gerichtshof, T-153/95, Slg. ÖD 1996, I-A-233 und II-663, Randnr. 81, vom 2. Mai 2001, Giulietti u. a./Kommission, T-167/99 und T-174/99, Slg. ÖD 2001, I-A-93 und II-441, Randnr. 81, vom 23. Januar 2003, Angioli/Kommission, T-53/00, Slg. ÖD 2003, I-A-13 und II-73, Randnr. 69, und vom 31. Mai 2005, Gibault/Kommission, T-294/03, Slg. ÖD 2005, I-A-141 und II-635, Randnr. 39) (Randnr. 32 des angefochtenen Urteils).

18      Zweitens hat das Gericht für den öffentlichen Dienst die Tragweite der einschlägigen Rechtsprechung präzisiert (Randnr. 34 des angefochtenen Urteils).

19      Außerdem hat das Gericht für den öffentlichen Dienst auf die Rechtsprechung zum Ausschluss im schriftlichen Teil eines Auswahlverfahrens verwiesen, wonach der Bewerber praktisch eine nahezu vollständige Erklärung für sein Ausscheiden erhalte, die nicht nur aus den verschiedenen Einzelnoten, sondern auch aus einer Begründung für die zum Ausschluss führende Note, die ihn an der weiteren Teilnahme am Auswahlverfahren gehindert habe, sowie aus weiteren Informationen bestehe (Urteile des Gerichts vom 25. Juni 2003, Pyres/Kommission, T-72/01, Slg. ÖD 2003, I-A-169 und II-861, Randnr. 70, vom 17. September 2003, Alexandratos und Panagiotou/Rat, T-233/02, Slg. ÖD 2003, I-A-201 und II-989, Randnr. 31, und vom 14. Juli 2005, Le Voci/Rat, T-371/03, Slg. ÖD 2005, I-A-209 und II-957, Randnrn. 115 bis 117; Urteile des Gerichts für den öffentlichen Dienst vom 13. Dezember 2007, Van Neyghem/Kommission, F-73/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 72, 79 und 80, und vom 4. September 2008, Dragoman/Kommission, F-147/06, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 21, 82 und 83) (Randnr. 39 des angefochtenen Urteils).

20      Hierzu hat das Gericht für den öffentlichen Dienst hervorgehoben, dass die Korrektoren bei den schriftlichen Prüfungen zwar – anders als die am mündlichen Teil beteiligten Mitglieder des Prüfungsausschusses – den Betroffenen unbekannt blieben und damit vor den Einmischungen und Pressionen, auf die das oben in Randnr. 16 angeführte Urteil Parlament/Innamorati Bezug nehme, geschützt seien; dieser Umstand sei jedoch keine objektive Rechtfertigung für wesentliche Unterschiede zwischen den Anforderungen an die Begründung im Fall des Ausscheidens im schriftlichen Teil, wie sie sich aus der in Randnr. 39 des angefochtenen Urteils angeführten Rechtsprechung ergäben, und den Anforderungen, die nach Ansicht der Kommission im Fall des Ausscheidens im mündlichen Teil zu gelten hätten und die insbesondere im vorliegenden Fall darin bestehen sollten, dem Kläger nur seine zum Ausschluss führende Einzelnote mitzuteilen.

21      Drittens hat das Gericht für den öffentlichen Dienst ausgeführt, auch wenn das Ergebnis des Ausgleichs zwischen der Begründungspflicht und der Wahrung des Grundsatzes der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses – vor allem hinsichtlich der Frage, ob die Mitteilung nur einer zum Ausschluss führenden Einzelnote an den im mündlichen Teil ausgeschlossenen Bewerber der Begründungspflicht genüge – in den meisten Fällen zugunsten des Grundsatzes der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses ausfalle, könne das Ergebnis bei Vorliegen besonderer Umstände ein anderes sein; dies gelte umso mehr, als die neuere Rechtsprechung zur Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) eine Entwicklung im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung der Transparenz zeige (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 18. Dezember 2007, Schweden/Kommission, C-64/05 P, Slg. 2007, I-11389, und vom 1. Juli 2008, Schweden und Turco/Rat, C-39/05 P und C-52/05 P, Slg. 2008, I-4723) (Randnr. 40 des angefochtenen Urteils).

22      Viertens hat das Gericht für den öffentlichen Dienst die verschiedenen Gründe dafür erläutert, dass im vorliegenden Fall von besonderen Umständen im Sinne der vorstehenden Randnr. 21 auszugehen sei (Randnrn. 42 bis 48 des angefochtenen Urteils).

23      Fünftens hat das Gericht für den öffentlichen Dienst die Konsequenzen aus dem Vorliegen dieser besonderen Umstände gezogen und entschieden, dass die Mitteilung der zum Ausschluss führenden Note des Klägers in der mündlichen Prüfung, nämlich 24,5 von 50 Punkten, an den Kläger zwar mehr als lediglich den Ansatz einer Begründung darstelle, die nach der Rechtsprechung (Urteil des Gerichts vom 6. November 1997, Berlingieri Vinzek/Kommission, T-71/96, Slg. ÖD 1997, I-A-339 und II-921, Randnr. 79) durch zusätzliche Erläuterungen im Laufe des Verfahrens ergänzt werden könne, dass aber diese Note allein unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht ausreiche, um die Begründungspflicht in vollem Umfang zu erfüllen. Daher habe die generelle Weigerung der Kommission, zusätzliche Informationen beizubringen, einen Verstoß gegen diese Pflicht dargestellt (Randnr. 49 des angefochtenen Urteils).

24      Es sei zwar nicht Sache des Gerichts für den öffentlichen Dienst, zu bestimmen, welche Informationen die Kommission dem Betroffenen habe übermitteln müssen, um ihre Begründungspflicht zu erfüllen, doch sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass bestimmte zusätzliche Angaben, wie die Zwischennoten für jedes der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens festgelegten Bewertungskriterien und die Bewertungsbögen nach Schwärzung der Stellen, die unter die Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses fielen, Herrn Meierhofer hätten übermittelt werden können, ohne dass die Auffassungen der einzelnen Mitglieder des Prüfungsausschusses verbreitet oder Einzelheiten in Bezug auf die Beurteilung der Bewerber persönlich oder im Vergleich mit anderen aufgedeckt würden (Randnrn. 50 und 51 des angefochtenen Urteils).

25      Die Weigerung der Kommission, diese Informationen auch nur dem Gericht für den öffentlichen Dienst mitzuteilen, habe zur Folge gehabt, dass es diesem nicht möglich gewesen sei, seine Kontrolle in vollem Umfang auszuüben (Randnr. 51 des angefochtenen Urteils).

26      Wenn der Argumentation der Kommission gefolgt würde, wonach Angaben wie die in der vorstehenden Randnr. 25 genannten unerheblich seien, würde dies im Übrigen nach Ansicht des Gerichts für den öffentlichen Dienst darauf hinauslaufen, dass dem Unionsrichter jede Möglichkeit genommen würde, die Benotung des mündlichen Verfahrensabschnitts zu überprüfen. Auch wenn das Gericht für den öffentlichen Dienst die von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses vorgenommene Bewertung nicht wirksam durch seine eigene Beurteilung ersetzen könne, müsse es doch in der Lage sein, sich im Hinblick auf die Begründungspflicht davon zu überzeugen, dass die Mitglieder des Prüfungsausschusses den Kläger auf der Grundlage der Bewertungskriterien, die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angegeben worden seien, benotet hätten und dass bei der Berechnung der Note des Betreffenden kein Fehler unterlaufen sei; ebenso müsse es in der Lage sein, eine eingeschränkte Kontrolle hinsichtlich der Beziehung zwischen den von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses vorgenommenen Bewertungen und den von ihnen vergebenen bezifferten Noten vorzunehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 1987, Kolivas/Kommission, 40/86, Slg. 1987, 2643, Randnr. 11; Urteile des Gerichts für den öffentlichen Dienst Van Neyghem/Kommission, oben in Randnr. 19 angeführt, Randnr. 86, und vom 11. September 2008, Coto Moreno/Kommission, F-127/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 34 und 36). Zu diesem Zweck müsse es die prozessleitenden Maßnahmen treffen, die ihm in Anbetracht der Besonderheiten der Rechtssache angemessen erschienen, gegebenenfalls verbunden mit dem Hinweis an das beklagte Organ, dass die Antworten dem Betroffenen nur insoweit übermittelt würden, als dies mit dem Grundsatz der Geheimhaltung der Arbeiten des Prüfungsausschusses vereinbar sei (Randnr. 52 des angefochtenen Urteils).

27      Sechstens ist das Gericht für den öffentlichen Dienst schließlich auf die Weigerung der Kommission eingegangen, ihm die Informationen vorzulegen, die es im Rahmen prozessleitender Maßnahmen angefordert habe, und ist, da es die von der Kommission zur Rechtfertigung dieser Weigerung angeführten Gründe als nicht überzeugend ansah, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Entscheidung vom 19. Juni 2007 wegen eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht aufgehoben werden müsse (Randnrn. 53 bis 55 des angefochtenen Urteils).

 Zum Rechtsmittel

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

28      Mit Schriftsatz, der am 19. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission das vorliegende Rechtsmittel eingelegt.

29      Nach Einreichung der Rechtsmittelbeantwortung durch Herrn Meierhofer am 17. März 2009 hat die Kommission mit Schreiben vom 6. April 2009 beantragt, ihr nach Art. 143 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gestatten, eine Erwiderung einzureichen.

30      Nachdem der Präsident der Rechtsmittelkammer des Gerichts diesem Antrag mit Entscheidung vom 15. April 2009 stattgegeben hatte, hat ein zweiter Schriftsatzwechsel stattgefunden; das schriftliche Verfahren ist am 20. Juli 2009 abgeschlossen worden.

31      Mit Schreiben vom 18. August 2009 hat die Kommission einen mit Gründen versehenen Antrag nach Art. 146 der Verfahrensordnung gestellt, im mündlichen Verfahren gehört zu werden.

32      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Rechtsmittelkammer) dem Antrag stattgegeben und das mündliche Verfahren eröffnet.

33      Die Parteien haben in der Sitzung vom 13. Januar 2010 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

34      Die Kommission beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

35      Herr Meierhofer beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen;

–        hilfsweise, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen;

–        der Kommission sämtliche Kosten der Verfahrensbeteiligten in beiden Rechtszügen aufzuerlegen.

36      In der mündlichen Verhandlung hat Herr Meierhofer seine auf die verspätete Einlegung des vorliegenden Rechtsmittels gestützte Einrede der Unzulässigkeit zurückgenommen; die Rücknahme ist in das Protokoll aufgenommen worden.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

37      Vorab ist – auch wenn Herr Meierhofer nicht mehr geltend macht, dass das vorliegende Rechtsmittel verspätet eingelegt worden sei – daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsbehelfsfristen zwingendes Recht sind und nicht zur Disposition der Parteien und des Gerichts stehen, da sie zur Gewährleistung der Klarheit und Sicherheit der Rechtsverhältnisse eingeführt wurden. Daher hat das Gericht auch von Amts wegen zu prüfen, ob der Rechtsbehelf innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingereicht worden ist (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2004, OPTUC/Kommission, T-142/01 und T-283/01, Slg. 2004, II-329, Randnr. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38      Die zweimonatige Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen das angefochtene Urteil durch die Kommission begann mit dem Erhalt des Urteils am 16. Oktober 2008 zu laufen. Gemäß Art. 102 § 2 der Verfahrensordnung um die pauschale Entfernungsfrist von zehn Tagen verlängert, endete die Rechtsmittelfrist daher am 26. Dezember 2008 um Mitternacht. Das Rechtsmittel, das bei der Kanzlei des Gerichts am 19. Dezember 2008 eingegangen ist, ist somit rechtzeitig erhoben worden.

39      In der Rechtsmittelbeantwortung erhebt Herr Meierhofer ferner eine Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsmittels, die er damit begründet, dass die Kommission kein Rechtsschutzinteresse mehr habe, da sie die ihr nach dem angefochtenen Urteil obliegenden Verpflichtungen schon dadurch erfüllt habe, dass sie ihm die Zwischennoten seiner mündlichen Prüfung mitgeteilt habe.

40      Die Kommission tritt dieser Einrede in der Erwiderung mit der sich aus Art. 233 EG ergebenden Verpflichtung zur Durchführung des angefochtenen Urteils sowie damit entgegen, dass Art. 9 Abs. 2 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs die den Gemeinschaftsorganen eingeräumte Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen, nicht vom Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses abhängig mache.

41      Insoweit ist an die ständige Rechtsprechung zu Rechtsmitteln, die von dem im ersten Rechtszug beklagten Organ gegen eine zugunsten des Beamten ergangene Entscheidung eingelegt werden, zu erinnern, wonach die Zulässigkeit des Rechtsmittels vom Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses abhängt, das voraussetzt, dass das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 2000, Parlament/Richard, C-174/99 P, Slg. 2000, I-6189, Randnr. 33, und vom 3. April 2003, Parlament/Samper, C-277/01 P, Slg. 2003, I-3019, Randnr. 28).

42      Die Kommission beruft sich daher zu Unrecht auf die Rechtsprechung, wonach die Unionsorgane nach Art. 56 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs kein Interesse darzutun brauchen, um ein Rechtsmittel einlegen zu können, und es dem Unionsrichter nicht zusteht, die von den Unionsorganen insofern getroffene Wahl zu kontrollieren. In dieser Rechtsprechung wird nämlich klar darauf hingewiesen, dass die genannte Bestimmung der Satzung des Gerichtshofs nicht für Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und ihren Bediensteten gilt (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnrn. 171 und 172).

43      Im vorliegenden Fall hat die Kommission allerdings ein Rechtsschutzinteresse.

44      Insoweit ist daran zu erinnern, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst mit dem angefochtenen Urteil die Entscheidung vom 19. Juni 2007 wegen Verstoßes gegen die Begründungspflicht aufgehoben hat (vgl. Randnr. 27 des vorliegenden Urteils). Daraus folgt, dass die Kommission, um diesem Urteil nachzukommen und es in vollem Umfang durchzuführen, verpflichtet war, erneut darüber zu entscheiden, ob der Name von Herrn Meierhofer in die Reserveliste des Auswahlverfahrens aufgenommen wird. Diese neue Entscheidung würde an die Stelle der mit dem angefochtenen Urteil aufgehobenen Entscheidung treten.

45      Es ist festzustellen, dass die Kommission eine solche Entscheidung nicht erlassen hat. Sie hat zwar im Anschluss an das angefochtene Urteil Herrn Meierhofer die Zwischennoten mitgeteilt, die er in der mündlichen Prüfung erhalten hatte. Das Schreiben, mit dem diese Noten mitgeteilt wurden, enthält jedoch keine förmliche Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme des Namens des Betroffenen in die Reserveliste. Wird das angefochtene Urteil nicht aufgehoben, hat die Kommission folglich eine solche neue Entscheidung zu erlassen, die Herr Meierhofer gegebenenfalls mit einer neuen Klage anfechten kann. Wird hingegen das Rechtsmittel für begründet erklärt und das angefochtene Urteil aufgehoben, wird die Entscheidung vom 19. Juni 2007 mit allen ihren Wirkungen wiederhergestellt und muss erneut anhand der von Herrn Meierhofer geltend gemachten Klagegründe geprüft werden.

46      Zwar wäre es, da die Mitteilung der Zwischennoten nicht rückgängig gemacht werden kann, nicht erforderlich, in der zweiten der in der vorstehenden Randnr. 45 erwähnten Fallgestaltungen zu prüfen, ob ein auf die Vorlage dieser Noten gerichteter Beweisbeschluss zu erlassen ist. Dies hätte jedoch nur zur Folge, dass sich gegebenenfalls der Klagegrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht, den Herr Meierhofer mit seiner Klage, die zu dem angefochtenen Urteil geführt hat, geltend gemacht hatte, erledigt hätte. Die anderen Klagegründe, die Herr Meierhofer mit derselben Klage geltend gemacht hatte, aber vom Gericht für den öffentlichen Dienst nicht geprüft wurden, wären hingegen in dieser Fallgestaltung zu prüfen.

47      Außerdem würde die Aufhebung des angefochtenen Urteils der Kommission in jedem Fall einen sicheren Vorteil verschaffen, da sie, wenn die Klage letztlich abgewiesen würde, vor jeder Schadensersatzforderung geschützt wäre, die Herr Meierhofer wegen eines ihm infolge der Entscheidung vom 19. Juni 2007 möglicherweise entstandenen Schadens geltend machen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile Parlament/Richard, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 34, und Parlament/Samper, oben in Randnr. 41 angeführt, Randnr. 31).

48      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist die von Herrn Meierhofer erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

49      Die Kommission stützt ihr Rechtsmittel im Wesentlichen auf drei Gründe: erstens, Verkennung des Umfangs der Begründungspflicht, zweitens, Unvereinbarkeit der Überprüfung der von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses vorgenommenen Bewertungen mit dem Gemeinschaftsrecht und, drittens, Verstoß gegen bestimmte Verfahrensvorschriften im Rahmen der in erster Instanz angeordneten prozessleitenden Maßnahmen und der Beweiswürdigung.

50      Der dritte Rechtsmittelgrund ist zuerst zu prüfen.

 Vorbringen der Parteien

51      Die Kommission macht geltend, das Gericht für den öffentlichen Dienst habe zu Unrecht angenommen, dass sie sich generell geweigert habe, die verlangten Dokumente vorzulegen. Sie habe vielmehr lediglich zum einen darauf hingewiesen, dass diese Dokumente für den Rechtsstreit vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst unerheblich seien, und zum anderen betont, dass diese Dokumente einen besonders sensiblen Charakter hätten. So habe sie sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch in ihrer Stellungnahme vom 19. Mai 2008 das Gericht für den öffentlichen Dienst ersucht, die Vorlage dieser Dokumente mit einem Beweisbeschluss anstelle einer einfachen prozessleitenden Maßnahme nach Art. 55 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst anzuordnen.

52      Zwar sei in der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst – anders als in der Verfahrensordnung des Gerichts – keine Befugnis zum Erlass eines an die Verfahrensbeteiligten gerichteten Beweisbeschlusses auf Vorlage von Dokumenten vorgesehen; jedoch hätte es Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs, der auf das Gericht für den öffentlichen Dienst anwendbar sei, diesem ermöglicht, einen solchen Beschluss zu erlassen, da diese Vorschrift u. a. vorsehe, dass der Unionsrichter von den Parteien die Vorlage aller Urkunden und die Erteilung aller Auskünfte verlangen könne, die er für wünschenswert halte.

53      Außerdem enthalte die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst in Art. 44 Abs. 2 eine Bestimmung, die im vorliegenden Fall den Erlass eines Beschlusses ermöglicht hätte, der den Bedenken der Kommission in Bezug auf den sensiblen Charakter der angeforderten Dokumente Rechnung getragen hätte. Die Kommission hat allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht eingeräumt, sich vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst nicht ausdrücklich auf diese Vorschrift berufen zu haben.

54      Herr Meierhofer hält dem erstens entgegen, dass ein Rechtsmittel vor dem Gericht nur auf solche Verfahrensfehler im ersten Rechtszug gestützt werden könne, die den Rechtsmittelführer beschwerten.

55      Unabhängig davon, ob das Gericht für den öffentlichen Dienst in der Lage sei, einen Beweisbeschluss der von der Kommission geforderten Art zu erlassen, habe das Ausbleiben dieser Maßnahme die Kommission aber nicht beschwert, da ihr Erlass und ihre Durchführung allenfalls dazu geführt hätten, das Gericht für den öffentlichen Dienst davon zu überzeugen, dass die Prüfungsleistung von Herrn Meierhofer korrekt bewertet worden sei. Die Vorlage der erbetenen Dokumente hätte jedoch nichts daran geändert, dass die Entscheidung vom 19. Juni 2007 keine ausreichende Begründung enthalte, um die Nichtaufnahme von Herrn Meierhofer in die Reserveliste des Auswahlverfahrens zu rechtfertigen.

56      Zweitens hätte ein etwaiger Verfahrensfehler des Gerichts für den öffentlichen Dienst keine Auswirkungen gehabt, da die Kommission unter Berufung auf die aus Art. 6 des Anhangs III des Statuts abgeleitete Geheimhaltungspflicht in keinem Fall die erbetenen Unterlagen vorgelegt hätte.

57      Drittens sei das Gericht für den öffentlichen Dienst nicht verpflichtet, eine prozessleitende Maßnahme oder eine Beweiserhebung anzuordnen, da Art. 55 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung lediglich vorsehe, dass es prozessleitende Maßnahmen anordnen „kann“, und Art. 58 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung bestimme, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst über die Beweisaufnahme entscheide. In Beantwortung mehrerer Fragen des Gerichts hat Herr Meierhofer in der mündlichen Verhandlung außerdem erklärt, dass prozessleitende Maßnahmen und Beweiserhebungen denselben Zweck verfolgten, nämlich dem Gericht alle Informationen zu verschaffen, die es zur Behandlung einer Rechtssache benötige. Der Form, die diese Maßnahmen annähmen, komme daher keine besondere Bedeutung zu.

58      Schließlich räume Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst den Parteien keine subjektiven Ansprüche ein, da er es dem Gericht lediglich verbiete, von einer Partei als vertraulich betrachtete Dokumente an die andere Partei herauszugeben, bevor über die Vertraulichkeit dieser Dokumente entschieden worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

59      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass – wie in Randnr. 49 des angefochtenen Urteils ausgeführt – die Entscheidung vom 19. Juni 2007 nicht jeder Begründung entbehrt, da Herrn Meierhofer seine zum Ausschluss führende Gesamtnote tatsächlich mitgeteilt worden war, sondern unzureichend begründet ist. Daher konnten im Laufe des Verfahrens zusätzliche ergänzende Erläuterungen vorgetragen werden, die den Klagegrund eines Begründungsmangels gegebenenfalls gegenstandslos machen; allerdings durfte die Kommission die ursprüngliche fehlerhafte Begründung nicht durch eine gänzlich neue Begründung ersetzen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts Berlingieri Vinzek/Kommission, oben in Randnr. 23 angeführt, Randnr. 79, und vom 28. April 2004, Pascall/Rat, T-277/02, Slg. ÖD 2004, I-A-137 und II-621, Randnr. 31).

60      Zweitens lässt sich dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst zwar nicht entnehmen, wie sich die Kommission verhalten hätte, wenn das Gericht für den öffentlichen Dienst mit einem Beweisbeschluss die Vorlage der streitigen Dokumente angeordnet hätte. Das Protokoll ermöglicht es dem Gericht daher nicht, das Wesen der Erklärungen festzustellen, die die Kommission in der mündlichen Verhandlung zu dieser Frage gemacht hat. Aus den Randnrn. 20 bis 23 der Stellungnahme der Kommission vom 19. Mai 2008 geht jedoch eindeutig hervor, dass sich ihre auf den sensiblen Charakter der streitigen Dokumente gestützte Weigerung, diese vorzulegen, nur auf die vom Gericht für den öffentlichen Dienst tatsächlich getroffenen Maßnahmen, d. h. auf prozessleitende Maßnahmen, beziehen konnte, ohne die Reaktion vorwegzunehmen, die die Kommission gezeigt hätte, wenn das Gericht für den öffentlichen Dienst einen Beweisbeschluss erlassen hätte.

61      Drittens ist es Sache des Gerichts und nicht der Parteien, zu beurteilen, ob es angebracht ist, eine prozessleitende Maßnahme oder einen Beweisbeschluss zu erlassen, wobei die Parteien gegebenenfalls die im ersten Rechtszug getroffene Wahl im Rahmen eines Rechtsmittels anfechten können.

62      Diese Argumentation wird durch das Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission (T-34/92, Slg. 1994, II-905), auf das sich die Kommission beruft, nicht widerlegt. Das Gericht hat nämlich zwar in Randnr. 27 dieses Urteils angenommen, dass es ihm, da die Klägerinnen nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der für Rechtsakte der Organe bestehenden Gültigkeitsvermutung vorgebracht hatten, nicht zustand, die beantragten Beweiserhebungen anzuordnen. Mit dieser Feststellung hat sich das Gericht jedoch zur Zweckmäßigkeit der von den Klägerinnen beantragten Beweiserhebungen geäußert. Dieses Urteil bestätigt somit – zumindest implizit, aber zwangsläufig –, dass es Sache des Gerichts und nicht der Parteien ist, zu beurteilen, ob der Erlass eines Beweisbeschlusses für die Zwecke der vom Gericht zu erlassenden Entscheidung erforderlich ist, was die Kommission vorliegend in Abrede zu stellen scheint. Auch wenn jedoch eine Partei nicht berechtigt ist, von einem Unionsgericht den Erlass eines Beweisbeschlusses zu verlangen, kann das Gericht dennoch aus dem Fehlen bestimmter Informationen in der Akte keine Konsequenzen ziehen, solange es nicht die in seiner Verfahrensordnung vorgesehenen Mittel ausgeschöpft hat, um die Vorlage der Informationen durch die betreffende Partei zu erwirken.

63      Viertens ist festzustellen, dass die Klage – worauf die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht hingewiesen hat – vor dem 1. November 2007 erhoben wurde, also vor dem Zeitpunkt, zu dem die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst gemäß ihrem Art. 121 in Kraft getreten ist. Da die Aufklärung des Sachverhalts jedoch am 7. Februar 2008 mit Übersendung des vorbereitenden Sitzungsberichts an die Parteien begann, steht fest, dass sie vollständig unter der Geltung dieser Verfahrensordnung stattfand. Daher muss kurz auf die Unterschiede eingegangen werden, die zwischen der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst und der des Gerichts in Bezug auf prozessleitende Maßnahmen und eine Beweisaufnahme bestehen.

64      Eines der Kriterien, die die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst zur Unterscheidung dieser beiden Kategorien von Maßnahmen verwendet, ist offenbar die Tatsache, dass sich prozessleitende Maßnahmen (gemäß den Art. 55 und 56 dieser Verfahrensordnung) stets an die Parteien richten, während sich die Beweisaufnahme (gemäß den Art. 57 und 58 dieser Verfahrensordnung) auch an Dritte richten kann. Dies ist ein anderes Kriterium als das, das das Gericht in seiner Rechtsprechung herausgearbeitet hat, wonach prozessleitende Maßnahmen (gemäß Art. 64 der Verfahrensordnung) zum Ziel haben, den ordnungsgemäßen Ablauf des schriftlichen Verfahrens oder der mündlichen Verhandlung zu gewährleisten, die Beweiserhebung zu erleichtern und die Punkte zu bestimmen, zu denen die Parteien ihr Vorbringen ergänzen sollen oder die eine Beweisaufnahme erfordern, während es die Beweisaufnahme (gemäß den Art. 65 bis 67 der Verfahrensordnung) ermöglichen soll, die Richtigkeit der von einer Partei zur Stützung ihres Vorbringens behaupteten Tatsachen nachzuweisen (Urteil des Gerichts vom 18. Januar 2005, Entorn/Kommission, T-141/01, Slg. 2005, II-95, Randnrn. 129 und 130).

65      Was ferner die Form der Maßnahmen betrifft, sieht Art. 56 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst vor, dass der Kanzler für die Unterrichtung der Parteien von den prozessleitenden Maßnahmen sorgt. Nach Art. 58 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst gilt das Gleiche für Beweisaufnahmen, mit Ausnahme der Beweisaufnahmen mittels der Vernehmung von Zeugen, der Begutachtung durch Sachverständige und der Einnahme des Augenscheins, die durch Beschluss angeordnet werden müssen.

66      Folglich enthält das dritte Kapitel des zweiten Titels der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst – anders als das dritte Kapitel des zweiten Titels der Verfahrensordnung des Gerichts – keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für den Erlass eines Beschlusses, der einer Partei aufgibt, im Rahmen einer Beweisaufnahme Unterlagen vorzulegen.

67      Es kann dahingestellt bleiben, ob das Gericht für den öffentlichen Dienst einen solchen Beschluss gleichwohl nach Art. 24 der Satzung des Gerichtshofs erlassen kann; festzustellen ist, dass diese Möglichkeit zumindest unter bestimmten Umständen in Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst vorgesehen ist, einer Vorschrift, die Art. 56 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst im Übrigen „unbeschadet“ lässt.

68      Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst lautet:

„Hat das Gericht [für den öffentlichen Dienst] zu prüfen, ob ein Schriftstück, das für die Entscheidung eines Rechtsstreits von Belang sein kann, gegenüber einer oder mehreren Parteien als vertraulich zu behandeln ist, so wird das Schriftstück den Parteien nicht vor Abschluss dieser Prüfung übermittelt. Das Gericht [für den öffentlichen Dienst] kann die Vorlage des Schriftstücks durch Beschluss aufgeben.“

69      Eine entsprechende Bestimmung findet sich in Art. 67 § 3 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts, abgesehen von der Erwähnung eines Vorgehens im Beschlusswege, die überflüssig wäre, da bereits in Art. 66 § 1 Abs. 2 dieser Verfahrensordnung vorgesehen ist, dass solche Maßnahmen durch Beschluss angeordnet werden.

70      Demzufolge verfügt das Gericht für den öffentlichen Dienst in Art. 44 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung über ein Instrument, um auf Situationen wie die vorliegende zu reagieren, in denen eine Partei nicht möchte, dass vertrauliche Informationen, die in Schriftstücken enthalten sind, zu deren Vorlage sie aufgefordert worden ist, gemäß dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens der anderen Partei übermittelt werden.

71      Diese Vorschrift ermöglicht es nämlich, durch Beschluss die Vorlage angeblich vertraulicher Schriftstücke zu verlangen, und verpflichtet das Gericht für den öffentlichen Dienst gleichzeitig, zu prüfen, ob die Partei, die den vertraulichen Charakter dieser Schriftstücke geltend macht, berechtigt ist, sich deren Übermittlung an die andere Partei zu widersetzen, wobei die abschließende Entscheidung vom Gericht zu treffen ist.

72      Demzufolge kann das Gericht für den öffentlichen Dienst trotz der Unterschiede, die zwischen der Verfahrensordnung des Gerichts und seiner eigenen Verfahrensordnung bestehen, immer noch das gleiche Verfahren anwenden wie das Gericht, wonach der Richter, wenn ihm eine Partei mitteilt, dass sie sich nicht in der Lage sehe, prozessleitenden Maßnahmen nachzukommen, weil einige der erbetenen Unterlagen vertraulich seien, einen Beschluss erlassen kann, mit dem dieser Partei die Vorlage der betreffenden Unterlagen aufgegeben wird mit der Maßgabe, dass sie in diesem Verfahrensstadium nicht der Gegenseite übermittelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission, T-48/05, Slg. 2008, II-1585, Randnrn. 54 und 55, und vom 18. März 2009, Shanghai Excell M & E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision/Rat, T-299/05, Slg. 2009, II-565, Randnrn. 24 bis 26).

73      Insoweit sehen allerdings weder die Satzung des Gerichtshofs noch die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst – ebenso wenig wie im Übrigen die Verfahrensordnung des Gerichtshofs und des Gerichts – die Möglichkeit vor, bei Nichtbefolgung eines solchen Beschlusses eine Sanktion zu verhängen; die einzig mögliche Reaktion bei einer Weigerung ist, dass das Rechtsprechungsorgan in der das Verfahren beendenden Entscheidung daraus die Konsequenzen zieht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 10. Juni 1980, M./Kommission, 155/78, Slg. 1980, 1797, Randnrn. 20 und 21), was das Gericht für den öffentlichen Dienst im angefochtenen Urteil getan hat.

74      Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Gericht für den öffentlichen Dienst, bevor es in dieser Weise vorgehen durfte, verpflichtet war, alle Instrumente auszuschöpfen, die ihm zur Verfügung standen, um die Vorlage der streitigen Unterlagen zu erreichen. Dies gilt umso mehr, als die Kommission nicht nur vorgetragen hatte, dass diese Unterlagen irrelevant seien, sondern ihre Weigerung, diese zu übermitteln, auch klar mit dem Hinweis auf ihren vertraulichen Charakter begründet hatte.

75      Auch wenn es Sache des Gerichts für den öffentlichen Dienst und nicht der Kommission war, zu prüfen, ob dieser vertrauliche Charakter tatsächlich ein Hindernis dafür darstellte, dass die betreffenden Unterlagen zu den Akten gereicht und der anderen Partei übermittelt werden, hätte das Gericht für den öffentlichen Dienst doch von der zu diesem Zweck vorgesehenen Vorschrift seiner Verfahrensordnung Gebrauch machen müssen.

76      Es stand der Kommission somit frei, vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst auf dem angeblich vertraulichen Charakter der von ihr verlangten Unterlagen zu bestehen. Unter solchen Umständen hätte das Gericht für den öffentlichen Dienst von der Vorschrift seiner Verfahrensordnung Gebrauch machen müssen, die es ihm gegebenenfalls ermöglicht, diesen vertraulichen Charakter zu berücksichtigen und, falls erforderlich, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um den Schutz der Vertraulichkeit zu gewährleisten.

77      Im Übrigen ist es unerheblich, dass sich die Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht auf dessen Frage eingeräumt hat, im ersten Rechtszug nie ausdrücklich auf Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst berufen hat, da das Gericht für den öffentlichen Dienst verpflichtet war, von sich aus das geeignete Verfahrensinstrument zu wählen, um die Aufklärung des Sachverhalts angemessen zu vervollständigen. Im vorliegenden Fall ermöglicht aber der vorgenannte Artikel der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst – wie die Kommission ebenfalls in dieser mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, ohne dass ihr Herr Meierhofer widersprochen hätte – den Erlass eines Beschlusses, mit dem die Vorlage eines angeblich vertraulichen Schriftstücks verlangt wird.

78      Nach alledem ist dem dritten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil aufgrund dessen aufzuheben, ohne dass es einer Prüfung der beiden anderen Rechtsmittelgründe bedarf.

 Zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst

79      Nach Art. 13 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs hebt das Gericht, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts für den öffentlichen Dienst auf und entscheidet den Rechtsstreit selbst. Es verweist die Sache zur Entscheidung an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurück, wenn der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif ist.

80      Da das Gericht für den öffentlichen Dienst im vorliegenden Fall lediglich über die Begründetheit eines der Klagegründe, die Herr Meierhofer geltend gemacht hatte, entschieden hat, ist der vorliegende Rechtsstreit nach Auffassung des Gerichts noch nicht zur Entscheidung reif. Die Sache ist daher an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückzuverweisen.

81      Aufgrund der Zurückverweisung der Sache an das Gericht für den öffentlichen Dienst bleibt die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorbehalten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Rechtsmittelkammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Urteil des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (Erste Kammer) vom 14. Oktober 2008, Meierhofer/Kommission (F-74/07, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), wird aufgehoben.

2.      Die Sache wird an das Gericht für den öffentlichen Dienst zurückverwiesen.

3.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Jaeger

Meij

Vilaras

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Mai 2010.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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