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Document 62008CC0515

Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón vom 5. Mai 2010.
Strafverfahren gegen Vítor Manuel dos Santos Palhota und andere.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg te Antwerpen - Belgien.
Freier Dienstleistungsverkehr - Art. 56 AEUV und 57 AEUV - Entsendung von Arbeitnehmern - Beschränkungen - In einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Arbeitgeber - Registrierung der vorherigen Entsendungsanmeldung - Personal- oder Arbeitsdokumente - Dokumente, die mit den im Recht des Aufnahmemitgliedstaats vorgesehenen vergleichbar sind - Kopie - Zurverfügunghaltung für die nationalen Behörden.
Rechtssache C-515/08.

European Court Reports 2010 I-09133

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:245

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 5. Mai 20101(1)

Rechtssache C‑515/08

Santos Palhota u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank van eerste aanleg van het gerechtelijk arrondissement Antwerpen [Gericht erster Instanz des Gerichtsbezirks Antwerpen])

„Freier Dienstleistungsverkehr – Art. 56 und 57 AEUV – Entsendung von Arbeitnehmern – Richtlinie 96/71/EG – Art. 5 – Verpflichtungen, die der Aufnahmemitgliedstaat dem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmer auferlegt – Vorherige Anmeldung – Aufbewahrung und Mitführung von Personalunterlagen, die denen des Niederlassungsstaats vergleichbar sind – Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“





I –    Einleitung

1.        Die Rechtbank van eerste aanleg van het gerechtelijk arrondissement Antwerpen (Gericht erster Instanz des Gerichtsbezirks Antwerpen, im Folgenden: Rechtbank) ersucht den Gerichtshof um Klarstellung, ob das belgische Recht im Einklang mit Art. 5 der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern(2) und den Art. 56 und 57 AEUV steht.

2.        Die vorliegende Rechtssache ist im Wesentlichen eine Konsequenz aus dem Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Arblade u. a.(3), aus dem sich die notwendigen Kriterien für die Feststellung der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung über die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit des innergemeinschaftlichen Verkehrs von Arbeitnehmern mit dem Vertrag im Licht der Art. 56 und 57 AEUV ergeben. Konkret bestehen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verpflichtung des Unternehmers, vorab der belgischen Arbeitsverwaltung eine Entsendungsanmeldung zu übersenden und Unterlagen zur Verfügung zu halten, die mit der belgischen Einzelabrechnung oder Lohnabrechnung vergleichbar sind.

3.        Nach zehn Jahren hat der Gerichtshof nun ein ähnliches Problem wie in der Rechtssache Arblade zu beurteilen, allerdings vor dem Hintergrund eines neuen nationalen Rechtsrahmens und nach einer bedeutenden Entwicklung der Rechtsprechung der Union auf dem Gebiet des Sozialrechts. Infolgedessen bietet die vorliegende Rechtssache die Möglichkeit der Klärung, ob die Feststellung des Gerichtshofs in den Urteilen Viking Line und Laval un Partneri(4), dass die Union auch eine soziale Zielsetzung verfolgt, und das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Auswirkungen auf die mit dem Urteil Arblade begründete Rechtsprechung haben.

II – Anwendbare Vorschriften

A –    Unionsrecht

1.      Freier Dienstleistungsverkehr

4.        Art. 56 AEUV bestimmt:

„Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.

Das Europäische Parlament und der Rat können gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren beschließen, dass dieses Kapitel auch auf Erbringer von Dienstleistungen Anwendung findet, welche die Staatsangehörigkeit eines dritten Landes besitzen und innerhalb der Union ansässig sind.“

2.      Richtlinie 96/71

5.        Mit der Richtlinie 96/71 wurde zur Harmonisierung der Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen eine Reihe von Maßnahmen in Bezug auf die Rechte der Arbeitnehmer und die Pflichten der Arbeitgeber eingeführt. Hinsichtlich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bestimmt Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie:

„Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen

(1)       Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,

–      durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder

–      durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen,

festgelegt sind:

a)     Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten;

b)     bezahlter Mindestjahresurlaub;

c)      Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;

d)      Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen;

e)     Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz;

f)      Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen;

g)      Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen.

Zum Zweck dieser Richtlinie wird der in Unterabsatz 1 Buchstabe c) genannte Begriff der Mindestlohnsätze durch die Rechtsvorschriften und/oder Praktiken des Mitgliedstaats bestimmt, in dessen Hoheitsgebiet der Arbeitnehmer entsandt wird.

…“

6.        Art. 5 ermächtigt die Mitgliedstaaten wie folgt zur Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71:

„Maßnahmen

Die Mitgliedstaaten sehen geeignete Maßnahmen für den Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie vor.

Sie stellen insbesondere sicher, dass den Arbeitnehmern und/oder ihren Vertretern für die Durchsetzung der sich aus dieser Richtlinie ergebenden Verpflichtungen geeignete Verfahren zur Verfügung stehen.“

B –    Nationales Recht

7.        Belgien setzte die Richtlinie 96/71 unter Berücksichtigung der Vorgaben des Gerichtshofs im Urteil Arblade mit Gesetz vom 5. März 2002(5) um. Neben anderen Maßnahmen wurde, soweit es diese Rechtssache betrifft, mit dem Umsetzungsgesetz eine vereinfachte Regelung über die Führung bestimmter Personaldokumente durch Unternehmen, die Arbeitnehmer nach Belgien entsenden (im Folgenden: vereinfachte Regelung), eingeführt. Mit Königlichem Erlass vom 29. März 2002(6) wurden Durchführungsbestimmungen zu dieser Regelung erlassen, in denen die in Art. 6 Abs. 2 des Umsetzungsgesetzes ausdrücklich erwähnten Tätigkeiten im Bausektor festgelegt wurden.

8.        Wie sich aus dem Vorbringen der Kommission, der Regierung Belgiens und der Angeklagten des Ausgangsverfahrens ergibt, wird die mit dem Gesetz und dem Königlichen Erlass vom 29. März 2002 geschaffene vereinfachte Regelung der Führung von Personaldokumenten seit dem 1. April 2007 nicht mehr angewendet, da es durch ein „neues, benutzerfreundlicheres und leichter zugängliches System“ ersetzt wurde, das auf einem elektronischen Format der Entsendeanmeldung basiert, die als „Limosa-Erklärung“ bezeichnet wird(7). Dessen ungeachtet bilden im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren die Bestimmungen aus dem Jahr 2002 aus intertemporalen Gründen den nationalen rechtlichen Rahmen.

9.        Art. 8 des Umsetzungsgesetzes in der Fassung, die zur Zeit des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts galt, stellte den Arbeitgeber von der Erfüllung der Vorgaben des Art. 6ter des Königlichen Erlasses Nr. 5 vom 23. Oktober 1978 betreffend die Führung von Personaldokumenten frei, wenn auch nur über einen vom König aufgrund dieser Bestimmung festgelegten Zeitraum von sechs Monaten. Insoweit wurde der Arbeitgeber von der Aufstellung einer Arbeitsordnung(8), der Lohnabrechnung(9), der Erstellung der das Arbeitsverhältnis betreffenden Unterlagen(10) sowie der unverzüglichen schriftlichen Beschäftigungsmitteilung freigestellt, um ihn nicht den belgischen Sozialversicherungsvorschriften zu unterstellen(11).

10.      Nach Art. 6ter § 2 des Königlichen Erlasses Nr. 5 sind die Arbeitgeber von der Pflicht zur Erstellung und zur Führung der in Kapitel II des Königlichen Erlasses vorgesehenen Personaldokumente befreit, sofern sie zwei Voraussetzungen erfüllen: Erstens haben sie vor der Beschäftigung der Arbeitnehmer den zuständigen Beamten eine nach Maßgabe des Art. 6quater erstellte Entsendungsanmeldung zu übersenden. Zweitens haben sie für diese Beamten während des in Abs. 1 vorgesehenen Zeitraums eine Kopie der nach den Bestimmungen ihres Niederlassungsstaats erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu halten, die der in Art. 4 § 1 des Königlichen Erlasses geregelten „Einzelabrechnung“ oder der „Lohnabrechnung“ im Sinne von Art. 15 des Gesetzes vom 12. April 1965 über den Schutz des Entgelts der Arbeitnehmer vergleichbar sind.

11.      Sollte der Arbeitgeber nicht im Besitz dieser „vergleichbaren Unterlagen“ sein, ist er gemäß Art. 6quater des Königlichen Erlasses Nr. 5 verpflichtet, eine Einzelabrechnung und eine Lohnabrechnung nach belgischem Recht zu erstellen und zu führen.

12.      Kapitel III des Königlichen Erlasses vom 29. März 2002 („Modalitäten der Freistellung von der Erstellung und der Führung von Personaldokumenten“) besteht aus einem Art. 3, der vorschreibt, dass die Arbeitgeber vor Beginn der Beschäftigung der entsandten Arbeitnehmer per E-Mail oder Fax eine „Entsendungsanmeldung“ gemäß Art. 4 an die Aufsichtsbehörde für die Sozialgesetze übermitteln müssen. Die Aufsichtsbehörde bestätigt den Empfang und die Konformität der Anmeldung innerhalb von fünf Werktagen nach ihrem Eingang; hierzu teilt sie unter Verwendung derselben Kommunikationsmittel die „Registriernummer“ der Erklärung des Arbeitgebers mit (§ 2). Die tatsächliche Aufnahme der Beschäftigung durch die betroffenen Arbeitnehmer kann erst erfolgen, nachdem die Aufsichtsbehörde dem Arbeitgeber die Registriernummer mitgeteilt hat, ohne die er nicht in den Genuss der Befreiung kommt (§ 3).

13.      Kapitel IV des Königlichen Erlasses („Entsendungsanmeldung“) enthält einen Art. 4, in dem die Angaben, die die Entsendungsanmeldung enthalten muss, einzeln genannt werden:

„1.       In Bezug auf den Arbeitgeber: Name, Vorname, Wohnort oder Firmenname und Sitz des Unternehmens, die Art seiner Tätigkeit, Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer, E‑Mail‑Adresse und Identifikations- oder Registriernummer des Arbeitgebers beim zuständigen Sozialversicherungsträger des Herkunftslands.

2.       In Bezug auf den Angestellten oder Bevollmächtigten des Arbeitgebers, bei dem die vergleichbaren Dokumente zur Verfügung gehalten werden: Name, Vorname, Firmenname, Anschrift, Telefon, Fax und E-Mail.

3.       In Bezug auf jeden nach Belgien entsandten Arbeitnehmer: Name, Vorname, Wohnort, Geburtsdatum, Familienstand, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Anschrift, Telefonnummer, Nummer und Art der Ausweispapiere, Datum der Einstellung, Datum der Aufnahme der Beschäftigung in Belgien und ausgeübte Funktion.

4.       In Bezug auf die für die entsandten Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitsbedingungen: wöchentliche Arbeitsdauer und Arbeitszeiten.

5.       In Bezug auf die Entsendung: die Art der im Rahmen der Entsendung zu erbringenden Dienstleistungen, das Datum des Beginns der Entsendung und ihre voraussichtliche Dauer sowie den Ort der Erbringung der Arbeitsleistung.

6.       In Bezug auf die vergleichbaren Unterlagen: den Ort, an dem sie gemäß Art. 5 dieses Erlasses geführt und aufbewahrt werden.“

14.      Gemäß Art. 4 § 2 des Königlichen Erlasses muss die Anmeldung einem Muster im Anhang des Königlichen Erlasses entsprechen.

15.      Kapitel V des Erlasses regelt die „Modalitäten der Zurverfügungstellung und Aufbewahrung der vergleichbaren Unterlagen“, wobei unterschieden wird zwischen einem Abschnitt 1 mit der Überschrift „Während der Beschäftigung der nach Belgien entsandten Arbeitnehmer“ (Art. 5) und einem Abschnitt 2 mit der Überschrift „Nach der Beschäftigung der nach Belgien entsandten Arbeitnehmer“ (Art. 6).

16.      Art. 5 § 1 begründet die Verpflichtung des Arbeitgebers, entweder am Einsatzort des Arbeitnehmers oder am belgischen Wohnsitz einer natürlichen Person, die als Bevollmächtigter oder Angestellter mit der Aufbewahrung betraut ist, eine Kopie für die Inspektionsdienste zur Verfügung zu halten. Diese Verpflichtung umfasst die Pflicht, die Unterlagen nach Maßgabe des für sie geltenden Rechts des Herkunftslands regelmäßig zu vervollständigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, muss er gemäß Art. 5 § 1 eine Einzelabrechnung und eine Lohnabrechnung nach belgischem Recht erstellen und führen.

17.      Nach Ablauf der in Art. 2 des Königlichen Erlasses festgelegten sechs Monate müssen die Arbeitgeber fünf Jahre lang eine Kopie dieser vergleichbaren Unterlagen an den zuvor genannten Orten aufbewahren, um sie den zuständigen Inspektionsdiensten zur Verfügung stellen zu können; kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, müssen sie die belgische Einzelabrechnung und Lohnabrechnung erstellen. Allerdings gestattet Art. 5 § 3 die Aufbewahrung der vergleichbaren Unterlagen in jeglicher Form, sofern sie lesbar sind und ihre Wiedergabe eine effiziente Überwachung ermöglicht.

18.      Daneben sieht Art. 6 die Verpflichtung der Arbeitgeber vor, nach Beendigung des Beschäftigungszeitraums bei der Arbeitsaufsichtsbehörde die Kopie der vergleichbaren Unterlagen einzureichen.

III –  Sachverhalt und Ausgangsverfahren

19.      Termiso Limitada, eine portugiesische Gesellschaft, die auf Schall- und Wärmedämmung im Sektor Schiffsreparatur spezialisiert ist, entsendete Schweißer und Monteure ihrer portugiesischen Belegschaft zur Ausführung von Unteraufträgen zur Werft der Handelsgesellschaft Antwerp Ship Repair in Antwerpen.

20.      Bei jedem Vertragsabschluss beantragte Termiso bei den portugiesischen Behörden die Formulare E101(12), während die Antwerp Ship Repair ihrerseits bei der Arbeitsaufsichtsbehörde die jeweilige Entsendungsanmeldung für die Arbeitnehmer gemäß Art. 69 des Gesetzes betreffend die wirtschaftliche Neuorientierung vom 14. August 1978(13) einreichte.

21.      Anlässlich einer am 12. Juli 2004 durchgeführten Kontrolle der Sozialaufsichtsbehörde des Föderalen Öffentlichen Dienstes Soziale Sicherheit in den Werftanlagen der Antwerp Ship Repair wurden 53 entsandte Metallarbeiter der Termiso Limitada bei der Arbeit angetroffen. Für keine der Entsendungen dieser Arbeitnehmer war der belgischen Aufsichtsbehörde zuvor die genannte Anmeldung übersandt worden. Darüber hinaus konnte der Vorarbeiter von Termiso keine einzige Gehaltsabrechnung vorlegen.

22.      Die Aufsichtsbehörde leitete am 14. Juli 2004 gegen die Termiso Limitada ein Verwaltungsverfahren wegen Verstoßes gegen die belgischen Bestimmungen über die Führung von Personaldokumenten ein, das am 17. November 2004 eingestellt wurde.

23.      Belgien hat die Nichtbeachtung der Bestimmungen der belgischen Sozialgesetzgebung unter Strafe gestellt(14). Aufgrund dieser Strafvorschriften erhob das Openbaar Ministerie (Staatsanwaltschaft) Anklage gegen die Termiso Limitada (Arbeitgeberin und strafrechtlich verantwortliche juristische Person), Vítor Manuel dos Santos Palhota (Gesellschafter und Generaldirektor), Mário de Moura Gonçalves (verstorben) und Fernando Luis das Neves Palhota (Gesellschafter und technischer Leiter) wegen mehrerer Straftaten, da sie es unterlassen hätten, nach Maßgabe der belgischen Bestimmungen Einzelabrechnungen für die entsandten Arbeitnehmer zu führen und den gesetzlichen Mindestlohn sowie Überstundenzuschläge zu zahlen.

IV – Vorlagefrage und Verfahren vor dem Gerichtshof

24.      Im Rahmen des Strafprozesses gegen die Termiso Limitada, Vitor Manuel dos Santos Palhota, Mário de Moura Gonçalves und Fernando Luis das Neves Palhota hat die Rechtbank das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verstoßen Art. 8 des Gesetzes vom 5. März 2002 sowie die Art. 3, 4 und 5 des Königlichen Erlasses vom 29. März 2002 (Durchführungserlass) gegen die Art. 49 und 50 EG‑Vertrag, indem sie ausländischen Arbeitgebern, die Arbeitnehmer zu entsenden wünschen, die Verpflichtung auferlegen, zuvor bei der Dienststelle für die Überwachung der Sozialgesetze eine Entsendungsanmeldung abzugeben und Dokumente zur Verfügung zu halten, die mit der belgischen Einzelabrechnung oder Lohnabrechnung vergleichbar sind, so dass der Zugang zum belgischen Arbeitsmarkt verhindert oder zumindest erschwert wird?

25.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 26. November 2008 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

26.      Die Regierungen Belgiens, Deutschlands, Frankreichs, Griechenlands und Dänemarks sowie die Kommission und die Angeklagten des nationalen Strafverfahrens haben innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs bestimmten Frist schriftliche Erklärungen eingereicht.

27.      Zur mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2010 sind die Bevollmächtigten des Königreichs Belgien, der Hellenischen Republik, der Französischen Republik, der EFTA-Überwachungsbehörde und der Kommission erschienen.

V –    Zur Zulässigkeit

28.      Belgien macht drei Gründe gegen die Zulässigkeit der Vorabentscheidungsfrage geltend.

29.      Erstens gehe die Frage des vorlegenden Gerichts von einer unzutreffenden Auslegung des Art. 8 des belgischen Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 96/71 und seines Durchführungserlasses aus, die dahin gehe, dass die in Rede stehende „vereinfachte Regelung“ für Dienstleistungserbringer zwingend sei. Diese Bestimmungen sähen hingegen ein Alternativsystem vor, das dem Arbeitgeber die Wahl zwischen dem vereinfachten System und der Erstellung und Führung der belgischen Unterlagen lasse.

30.      Zweitens sei der Vorlagebeschluss unzureichend begründet, da sich der Darstellung des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens die Gründe für den Verstoß der belgischen Bestimmungen gegen den heutigen Art. 56 AEUV nicht entnehmen ließen. Zudem sei fraglich, ob die Richtlinie 96/71 für die Entscheidung in der Sache einschlägig sei.

31.      Drittens könne sich der Gerichtshof nicht zu Art. 57 AEUV äußern, da nicht in Frage gestellt worden sei, dass es sich bei den von den Arbeitnehmern der Termiso Limitada in Belgien ausgeführten Arbeiten um Dienstleistungen handele. Darüber hinaus sei die Anwendung von Art. 57 AEUV Sache des nationalen Gerichts.

32.      Dass der erste Unzulässigkeitsgrund nicht für eine Zurückweisung der Vorlagefrage ausreicht, ist offensichtlich. Erstens, weil es nicht Sache des Gerichtshofs ist, das nationale Recht zu untersuchen, denn das Vorabentscheidungsverfahren beruht auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof, der nur befugt ist, sich auf der Grundlage des ihm vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Unionsvorschrift zu äußern(15). Zweitens ist es, welches auch immer die Gründe sind, die die Rechtbank dazu veranlassten, ihre Zweifel auf das vereinfachte Verfahren zu konzentrieren, allein ihre Sache, die Erforderlichkeit einer Anrufung des Gerichtshofs und deren tatsächlichen und rechtlichen Rahmen zu beurteilen(16).

33.      Im Hinblick auf den zweiten Unzulässigkeitsgrund ist hervorzuheben, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann abgelehnt werden kann, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht(17), wenn das Problem hypothetischer Natur ist(18), oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(19).

34.      Die Festlegung des sachlichen und rechtlichen Rahmens, in den sich die Vorlagefrage einfügt, ist unerlässlich, damit der Gerichtshof dem nationalen Gericht eine nützliche Auslegung des Unionsrechts an die Hand geben kann(20) und die Beteiligten des Vorabentscheidungsverfahrens Erklärungen abgeben können(21).

35.      Angesichts dessen ist trotz der Kürze des Beschlusses unbestreitbar, dass dieser eine minimale, aber ausreichende Darstellung des Verhältnisses zwischen Art. 56 AEUV, der Richtlinie 96/71 und den belgischen Bestimmungen aus dem Jahr 2002 sowie des Sachverhalts enthält, auf denen die Zweifel des ersuchenden Gerichts beruhen. Hingegen hat der Umstand, dass sich das vorlegende Gericht in der Frage nicht auf die genannte Richtlinie beruft, keine Auswirkungen auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs, denn es beruft sich ebenfalls zutreffend auf Art. 56 AEUV, und diese Bestimmung ist bei der Beantwortung der Vorlagefrage durchaus von Bedeutung.

36.      Das Gleiche gilt für den dritten Unzulässigkeitsgrund, den Belgien geltend macht, denn Art. 57 AEUV untersagt Diskriminierungen im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs, und der von der Rechtbank unterbreiteten Rechtssache liegt genau diese Problematik zugrunde.

37.      Folglich ist die Frage zulässig.

VI – Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens

A –    Beurteilungsmaßstab

1.      Vorüberlegung: die Entsendung von Arbeitnehmern, die Richtlinie 96/71 und die auf dem Spiel stehenden Interessen

38.      An der vorliegenden Rechtssache werden wieder einmal die Spannungen deutlich, die zwischen dem Aufbau des Binnenmarkts und dem Schutz der sozialen Werte naturgemäß bestehen. Wie bereits in früheren Rechtssachen deutlich wurde, bringt die Entsendung von Arbeitnehmern die Unternehmen, die von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch machen, die Arbeitnehmer ihrer Belegschaft, die im Rahmen der Dienstleistung entsendet werden, und die Mitgliedstaaten, die sowohl das Unternehmen als auch die Arbeitnehmer aufnehmen, miteinander in Konflikt. Auf dieses Spannungsverhältnis versucht die Richtlinie 96/71 eine Antwort zu geben, deren Ziel darin besteht, einen Ausgleich zwischen der Freiheit des Unternehmers, seine Dienste zu erbringen, und dem Schutz gewisser Sozialstandards zu schaffen.

39.      Das wesentliche Merkmal, das die Anwendbarkeit der Richtlinie bestimmt, besteht in der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsstaat des Unternehmens, das wiederum unter seinem Namen und unter seiner Leitung den Arbeitnehmer entsendet. Der Unionsgesetzgeber ist sich darüber bewusst, dass es daher „im Interesse der betroffenen Parteien [liegt], die für das geplante Arbeitsverhältnis geltenden Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen“(22); aus diesem Grund werden Regeln für die Bestimmung des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechts eingeführt.

40.      Die Frage nach den anwendbaren Bestimmungen (seien es die des Niederlassungs- oder die des Aufnahmestaats) wird unter Hinweis auf die Notwendigkeit gelöst, die nationalen Gesetze zu koordinieren, um einen Kern zwingender Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz festzulegen(23), die im Gastland unabhängig von der Dauer der Entsendung des Arbeitnehmers einzuhalten sind(24). Dieser Gedanke findet seine Umsetzung in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, „dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die … Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern … die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren“ in Bezug auf so wichtige Aspekte wie u. a. die Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, die Mindestlohnsätze oder den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Dies wird ergänzt durch Abs. 7, der in jedem Fall die „Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen“ gewährleistet(25).

41.      Subsidiär erkennt Art. 3 Abs. 10 den Mitgliedstaaten die Befugnis zu, unter Einhaltung der Verträge für Unternehmen, die Arbeitnehmer in ihr Gebiet entsenden, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für andere als die in Abs. 1 Unterabs. 1 aufgeführten Aspekte, soweit es sich um Bestimmungen der öffentlichen Ordnung handelt, vorzuschreiben.

42.      Die soeben angesprochene Regelung, die als wesentlicher Punkt der Richtlinie eingestuft werden kann, soweit sie das Arbeitsverhältnis betrifft, besteht neben einem ergänzenden Normenkomplex, der zu ihrer Durchsetzung aber unerlässlich ist: den nationalen Kontroll- und Ordnungsvorschriften zur Wahrung der Rechte dieser Arbeitnehmer. Genau in dieser Gruppe sind die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden belgischen Bestimmungen angesiedelt. Diese Vorschriften, die gewöhnlich vom Aufnahmestaat erlassen und durchgesetzt werden, sind nicht vom wesentlichen Komplex der Richtlinie umfasst: erstens, weil sie nicht in Art. 3 aufgeführt sind, und zweitens, weil Art. 5 den Mitgliedstaaten den wirksamen Schutz ihrer Ziele anvertraut.

43.      Daraus ergibt sich als Konsequenz: Soweit Art. 5 den Staaten die Befugnis verleiht, Maßnahmen zum Schutz der Richtlinie 96/71 zu erlassen, muss die Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Unionsrecht im Licht der Verträge hergestellt werden(26). Demnach erfordert die vorliegende Rechtssache weniger eine Auslegung des Art. 5 der Richtlinie als der Art. 56 und 57 AEUV, die den freien Dienstleistungsverkehr anerkennen, sowie der grundlegenden Voraussetzungen, die für die Mitgliedstaaten bei der Sicherstellung der Wirksamkeit dieser Freiheit gelten.

44.      Dieses Ergebnis steht darüber hinaus im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, der erst kürzlich eine weite Auslegung der materiellen Regeln der Richtlinie 96/71 vorgenommen hat, die klar zugunsten der Dienstleistungsfreiheit geprägt ist. Bekanntermaßen wurde durch das Urteil Laval un Partneri eine Auslegung des Art. 3 der Richtlinie 96/71 eingeführt, die den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Einführung von anderen als den in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen des Sozialschutzes zulasten ausländischer Unternehmen, die Arbeitnehmer in ihr Gebiet entsenden, beschränkt. Diese Auslegung des Art. 3 der Richtlinie 96/71 führt ebenfalls zur Anwendung von Art. 56 AEUV, konkret des Kontrollstandards für nationale Arbeitnehmerschutzmaßnahmen. Dieser Ansatz, der nicht frei von Kritik und Mehrdeutigkeit ist(27), wurde kürzlich in den Rechtssachen Rüffert(28) und Kommission/Luxemburg(29) wieder aufgegriffen.

45.      Der Gerichtshof hat jedoch bestätigt, dass der Vertrag der einschlägige Kontrollmaßstab ist, wenn die streitigen Maßnahmen Kontroll- und Ordnungsvorschriften betreffen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der Durchsetzung von Art. 3 der Richtlinie 96/71 erlassen. Dies lässt sich dem Urteil Kommission/Luxemburg entnehmen, in dessen Rahmen der Gerichtshof nationale materielle Bestimmungen im Licht von Art. 3 der Richtlinie 96/71 geprüft und dabei die Kontroll- und Ordnungsvorschriften einer Kontrolle auf der Grundlage der Verträge unterzogen hat.

46.      Folglich entspricht der Maßstab für die Prüfung und die Kontrolle der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen wie in der Rechtssache Arblade dem, der in den Verträgen vorgesehen ist. Damit ist die in der genannten Rechtssache begründete Rechtsprechung trotz der jüngsten Entwicklung nach dem Urteil Laval un Partneri weiterhin ohne Einschränkungen übertragbar.

47.      Wie der Gerichtshof im Urteil Arblade festgestellt hat, verwehrt es diese Schlussfolgerung dem vorlegenden Gericht jedoch nicht, „für die Zwecke der Anwendung des nationalen Rechts nach einem Grundsatz seines Strafrechts die günstigeren Bestimmungen der Richtlinie 96/71 zu berücksichtigen, auch wenn das Unionsrecht keine dahin gehende Verpflichtung enthält“(30). Die Richtlinie 96/71 kann daher, soweit mit ihr Kriterien eingeführt werden, die die strafrechtliche Verantwortung der Angeklagten mildern, bei der Anwendung der Art. 56 und 57 AEUV berücksichtigt werden.

2.      Die Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und ihre Rechtfertigung

48.      Angesichts einer fehlenden Harmonisierung der auf Dienstleistungen anzuwendenden Bestimmungen sind die Hindernisse für Art. 56 AEUV gelegentlich die Folge davon, dass die nationalen Rechtsvorschriften für jede Person gelten, die sich in dem betreffenden Staatsgebiet befindet, so dass sie auch auf Erbringer von Dienstleistungen angewendet werden, die ihre Niederlassung in anderen Mitgliedstaaten haben und sich nur vorübergehend in diesem Staatsgebiet befinden. In der Rechtsprechung ist wiederholt entschieden worden, dass diese Grundfreiheit nicht nur die Beseitigung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden Diskriminierung desjenigen, der grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringt, verlangt, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen – selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende und für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten –, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen(31).

49.      Der Gerichtshof arbeitet mithin im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit mit einem weiten Begriff der „Beschränkung“, der vom tatsächlichen Verbot einer Tätigkeit bis zum bloßen Verlust ihrer Anziehungskraft reicht. Diese Entwicklung stimmt mit der anderer Freiheiten, insbesondere des freien Warenverkehrs, überein.

50.      Nach dem Wortlaut des Art. 52 Abs. 1 AEUV, der aufgrund der Verweisung in Art. 62 AEUV auf den freien Dienstleistungsverkehr anwendbar ist, können Beschränkungen der Freiheit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein. In Bezug auf Beschränkungen, bei denen es sich um eine unterschiedslos anwendbare Maßnahme handelt, die zu keiner unmittelbaren Diskriminierung führt, hat der Gerichtshof jedoch anerkannt, dass solche Maßnahmen auch „durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und für alle im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten, soweit dieses Interesse nicht durch die Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist“(32). Diese Rechtfertigung ist eng(33) und im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung(34) auszulegen.

51.      Seit am 1. Dezember 2009 der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten ist, sind mehrere Bestimmungen des primären Sozialrechts zu berücksichtigen, die sich auf den Rahmen der Freiheiten auswirken. Insbesondere die Entsendung von Arbeitnehmern ist, soweit sie die Intensität der Dienstleistungsfreiheit modulieren kann, im Licht der sozialrechtlichen Bestimmungen auszulegen, die durch den Vertrag eingeführt wurden. Mit Art. 9 AEUV wurde eine übergreifende soziale Schutzbestimmung eingeführt, die die Organe verpflichtet, „den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung“ zu tragen. Diese Verpflichtung wird aufgestellt, nachdem es in Art. 3 Abs. 3 EUV heißt, dass der Binnenmarkt durch Politiken errichtet wird, die „eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt“, zur Grundlage haben.

52.      Dieses soziale Mandat kommt noch klarer zum Ausdruck in Art. 31 der Charta der Grundrechte, die nunmehr zum Primärrecht der Europäischen Union gehört, wonach „jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer … das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen“ hat. Insoweit ist eine Garantie in Bezug auf die Arbeitszeit, Ruhezeiten und bezahlten Urlaub vorgesehen, die, wenn auch nicht abschließend, einen Mindestrahmen für den Schutz der Arbeitnehmer bildet.

53.      Das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon verlangt, dass die Arbeitsbedingungen, wenn sie zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Ausnahme vom freien Dienstleistungsverkehr rechtfertigen, nicht mehr eng ausgelegt werden. Da der Schutz der Arbeitnehmer als Faktor eine Rolle spielt, dessen Schutz unmittelbar in den Verträgen verankert ist, handelt es sich nicht mehr um eine bloße Ausnahme von einer Freiheit und erst recht nicht mehr um eine in der Rechtsprechung entwickelte ungeschriebene Ausnahme. Der neue Primärrechtsrahmen räumt, soweit er zwingend einen hohen Grad an Sozialschutz vorschreibt, den Mitgliedstaaten die Befugnis ein, zum Schutz eines bestimmten Niveaus des Sozialschutzes eine Freiheit zu beschränken, ohne dass das Unionsrecht dies als etwas Außergewöhnliches betrachtet, dem restriktiv zu begegnen wäre. Dieser in den soeben zitierten neuen Vertragsbestimmungen verankerte Gedanke kommt in der Praxis bei der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zum Ausdruck.

54.      Um im soeben dargelegten Sinn gerechtfertigt zu sein, müssen die in Rede stehenden arbeitsrechtlichen Maßnahmen des Aufnahmestaats geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist. Dieser Verhältnismäßigkeitsmaßstab, den der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten ständig anwendet, wird üblicherweise als Geeignetheits- bzw. Erforderlichkeitstest bezeichnet.

55.      Daher ist zunächst zu prüfen, ob die in Rede stehenden Maßnahmen eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellen, und, falls ja, sodann im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen, ob sie gerechtfertigt sind. Diese Untersuchung hat individuell zu erfolgen, indem jede Maßnahme gesondert und anhand eines Kontrollstandards untersucht wird, der nach dem Vertrag im Hinblick auf den Sozialschutz der Arbeitnehmer besonders empfindlich zu sein hat.

B –    Die belgischen Kontrollmaßnahmen

56.      Die im Jahr 2002 in Belgien eingeführte vereinfachte Regelung befreit den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer davon, bestimmte im Recht des Aufnahmestaats vorgesehene Unterlagen zu erstellen, sofern er a) bei den belgischen Dienststellen für die Überwachung der Sozialgesetze für jeden zu entsendenden Arbeitnehmer eine vorherige Anmeldung übersendet, die einem vorgegebenen Muster entspricht, b) die Unterlagen des Niederlassungslands des Unternehmens, die der in der belgischen Rechtsordnung vorgesehenen Einzelabrechnung und Lohnabrechnung entsprechen, aufbewahrt und für die zuständigen Behörden zur Verfügung hält und c) diese zeitweilige Entsendung nicht länger als sechs Monate andauert.

57.      Folglich gilt die vereinfachte Regelung nicht für Entsendungen, deren Dauer sechs Monate übersteigt, und ihre Anwendung ist auch dann ausgeschlossen, wenn die Dauer der Entsendung zwar weniger als sechs Monate beträgt, aber das Erfordernis der vorherigen Anmeldung nicht erfüllt wurde; in diesen Fällen gilt die allgemeine Regelung.

1.      Die vorherige Entsendungsanmeldung

a)      Fragestellung

58.      Die Kommission und die Angeklagten des Ausgangsverfahrens machen geltend, hinter der vorgeschriebenen Erklärung sowie den Folgen ihrer Unterlassung verberge sich in Wirklichkeit eine Genehmigung, durch die der freie Dienstleistungsverkehr beeinträchtigt werde. Die belgische Regierung betont hingegen, dass die Gemeinschaftsrechtsprechung diesen Kontrollmechanismus ausdrücklich zugelassen habe, und verneint, dass er eine notwendige Voraussetzung darstelle, um der allgemeinen Regelung ausweichen zu können.

59.      Trotz der Argumente Belgiens deutet alles darauf hin, dass es sich um eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs handelt, da der Mitgliedstaat die Gleichheit von Voraussetzungen des ausländischen und des einheimischen Dienstleistungserbringers von dem Zeitpunkt an beseitigt, zu dem die Voraussetzungen nur von dem Erstgenannten verlangt werden.

60.      Vorab ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung eine vorherige Anmeldung zum Schutz der Arbeitnehmer gerechtfertigt ist(35). Es ist in der Tat nichts dagegen einzuwenden, dass der Dienstleister verpflichtet ist, diese Formalität zu erfüllen, um den Nachweis zu erbringen, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem sie von dem Unternehmen beschäftigt werden, in einer ordnungsgemäßen Situation befinden, insbesondere was Aufenthalt, Arbeitserlaubnis und soziale Absicherung angeht. Eine solche Maßnahme geht daher nicht über das hinaus, was zur Verhinderung von Missbräuchen erforderlich ist, zu denen es im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs kommen kann. 

61.      Im Folgenden wird dargelegt, dass diese Rechtfertigung im Hinblick auf den Inhalt und die Form der Anmeldung zu bejahen ist. Das Erfordernis ihrer Entgegennahme vor der Entsendung sowie bestimmte Aspekte ihrer praktischen Anwendung lassen jedoch Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit Art. 56 AEUV aufkommen.

b)      Der Inhalt der Anmeldung

62.      Die Angaben, die die vorherige Anmeldung gemäß Art. 4 des Königlichen Erlasses vom 29. März 2002 enthalten muss, lassen bei einer Untersuchung im Licht der Verträge nicht zu allzu viele Zweifel aufkommen. Wie die Staaten, die schriftliche Erklärungen eingereicht haben, ausgeführt haben, besteht der mit dieser detaillierten Auskunft verfolgte Zweck darin, im Rahmen der Richtlinie 96/71 die Ordnungsmäßigkeit der Situation, in der sich die Arbeitnehmer im Herkunftsstaat befinden, festzustellen und die Rechte, die sie am Ort der vorübergehenden Erbringung der Dienstleistungen genießen, zu bestimmen. Diese Angaben sind darüber hinaus für die Feststellung der für sie günstigsten Regelung unerlässlich. Die detaillierten Angaben zu Arbeitgeber und den Arbeitnehmern selbst(36) sowie das Bild der anzuwendenden Beschäftigungsbedingungen, insbesondere konkret der wöchentlichen Arbeitsdauer und der Arbeitszeiten, dienen der Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit ihrer Beschäftigung im Herkunftsstaat. Folglich steht das Ziel, die Rechte der Beschäftigten im Aufnahmestaat festzustellen, in einem angemessenen Verhältnis zu den Ermittlungen der „Art der im Rahmen der Entsendung zu erbringenden Dienstleistungen, des Datums des Beginns der Entsendung und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie des Orts der Erbringung der Arbeitsleistung“.

63.      Auch die Kenntnis des Orts, an dem die vergleichbaren Unterlagen geführt und aufbewahrt werden, sowie die Angaben zur Person, die für sie in Belgien verantwortlich ist, stehen im Einklang mit einem wirksamen Arbeitnehmerschutz. Zu diesem Ergebnis ist der Gerichtshof im Urteil Arblade gelangt, als er feststellte, dass dieser Schutz vor allem in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit sowie auf die Arbeitszeit „es erforderlich machen [kann], dass bestimmte Unterlagen auf der Baustelle oder zumindest an einem zugänglichen und klar bezeichneten Ort im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats für die mit der Durchführung der Kontrollen betrauten Behörden dieses Staates bereitgehalten werden, insbesondere da ein organisiertes System der Zusammenarbeit und des Informationsaustausches zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie 96/71 fehlt“.

c)      Die Form der Anmeldung

64.      Das Erfordernis, die Anmeldung nach einem vorgegebenen Muster zu erstellen, kann ebenso wenig als eine übermäßige Belastung des Dienstleistungserbringers betrachtet werden; vielmehr verschafft sie ihm rechtliche Klarheit und vereinfacht die Abgabe der Anmeldung. Darüber hinaus kann der Dienstleistungserbringer das Formular in seiner eigenen Sprache ausfüllen(37). 

d)      Die Bescheinigung der Konformität vor der Entsendung

65.      Die belgischen Normen, die die hier in Rede stehenden Regelungen begleiten, insbesondere die über die Befreiung von der Verpflichtung, die belgischen Personalunterlagen zu erstellen und zu führen, sofern die Aufsichtsbehörde „den Empfang und die Konformität der Anmeldung“ binnen fünf Werktagen nach ihrem Eingang bescheinigt, der Anmeldung eine Registriernummer zuteilt und sie dem Arbeitgeber dies mitteilt, bedürfen einer eingehenderen Betrachtung.

66.      Belgien qualifiziert das System der vorherigen Anmeldung als „einfaches Mitteilungsverfahren“(38) und verneint, dass es sich um eine notwendige Voraussetzung für die Entsendung handele. Diese Lesart scheint aber angesichts seiner Ausführungen, dass „die Anwendbarkeit der vereinfachten Regelung von der Übersendung einer Entsendungsanmeldung abhängig gemacht wird“(39), sowie durch den Wortlaut der sie regelnden Bestimmungen widerlegt.

67.      Es trifft zwar zu, dass eine Ex-ante-Kontrolle durch die Behörden des Aufnahmestaats nach dem bereits zitierten Urteil Kommission/Deutschland „über das hinaus[geht], was zur Verhinderung der Missbräuche erforderlich ist, zu denen es bei der Durchführung des freien Dienstleistungsverkehrs kommen kann“(40). Die vorherige Überprüfung der Voraussetzungen steht dem rein informatorischen Zweck, den die Rechtsprechung dieser Art von Mitteilungen zuschreibt, entgegen, der darin besteht, es den nationalen Behörden zu ermöglichen, „diese Angaben nachträglich zu überprüfen und die im Fall einer rechtswidrigen Beschäftigung dieser Arbeitnehmer gebotenen Maßnahmen zu ergreifen“(41).

68.      Ebenso muss hinzugefügt werden, dass es die Rechtsprechung im Hinblick auf die Entsendung von Arbeitnehmern, die als Angehörige eines Drittstaats bei einem in der Union niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind, verneint hat, dass eine nationale Regelung die Erbringung ihrer Dienstleistungen von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig mache(42). Es erscheint daher vernünftig, dass der Gerichtshof denselben Standpunkt einnimmt, wenn es sich wie bei den Beschäftigten der Termiso Limitada um Arbeitnehmer handelt, die Unionsbürger sind.

69.      Die vorliegende Rechtssache weist jedoch gegenüber der Rechtsprechung zu Angehörigen von Drittstaaten eine Besonderheit auf, denn es ist vorgeschrieben, dass der vorherigen Anmeldung, die der Unternehmer abzugeben hat, durch die belgischen Behörden eine Registriernummer zugeteilt wird. Wie zuvor bereits ausgeführt wurde, ist die Zustimmung der Behörden des Aufnahmestaats nicht immer mit einer Kontrolle verbunden, ob bei der Entsendung sämtliche in der Sozialgesetzgebung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt werden. Vielmehr kann die Konformitätsbescheinigung als Formalität aufgefasst werden, die sich auf die Feststellung beschränkt, dass die Anmeldung vollständig ausgefüllt ist. Die belgische Regelung ist jedoch ganz anders zu beurteilen, wenn festgestellt wird, dass es unmöglich ist, die Dienstleistung zu erbringen, bevor dem Unternehmer die Registriernummer seiner Anmeldung zugeteilt und übersandt wurde, ohne die, wie nachgewiesen wurde, die Entsendung nicht erfolgen kann.

70.      Folglich sind die bloße Übermittlung von Informationen an die Behörden des Aufnahmestaats sowie die Bescheinigung über ihren Empfang potenziell geeignet, zu Mechanismen der Überprüfung und Genehmigung vor Beginn der Dienstleistung zu werden. Ein solches Ergebnis lässt sich schwerlich mit den Verträgen in Einklang bringen, zumal unter dem Gesichtspunkt der Wirkung betrachtet.

e)      Die administrative Wirkung der Anmeldung

71.      Es ist offenkundig, dass die Kenntnis der Umstände, die einem bestimmten Arbeitsverhältnis zugrunde liegen, die Kontrolltätigkeit erleichtert. Mit der Bescheinigung der Konformität der vorherigen Anmeldung erhält die Inspektion Kenntnis vom Inhalt des Arbeitsverhältnisses, um möglichen Mängeln vor Beginn der Dienstleistung abhelfen zu können. Sollten derartige Unregelmäßigkeiten festgestellt werden, würde dem Arbeitgeber keine Registriernummer zugeteilt (und, wie bereits ausgeführt, ohne Registrierung ist keine Entsendung möglich). Auf diese Weise wird vermieden, dass die Inspektion derartige Mängel an der Arbeitsstätte feststellen muss.

72.      Jedoch rechtfertigt angesichts Art. 56 AEUV eine derartige Verwaltungseffizienz es nicht, dass die Entsendung von der Annahme der Anmeldung in Form der Erteilung einer Registriernummer abhängig gemacht wird.

73.      Im Urteil Arblade wird kategorisch festgestellt, dass das Kriterium, die Überwachungstätigkeit der Behörden zu erleichtern, „zur Rechtfertigung einer solchen Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nicht [genügt]“, sondern „es … außerdem erforderlich [ist], dass diese Behörden ihre Überwachungsaufgabe nicht wirksam erfüllen können“(43). Im selben Sinne wurde im Urteil Kommission/Luxemburg das Erfordernis, dass ein in Luxemburg ansässiger Vertreter bestimmte Unterlagen aufbewahrt, für unverhältnismäßig erklärt, weil „das Großherzogtum Luxemburg nichts Konkretes dafür vor[bringt], dass allein die Aufbewahrung der fraglichen Unterlagen durch einen in Luxemburg ansässigen Vertreter den betreffenden Behörden die Durchführung der ihnen obliegenden Kontrollen gestatte“(44).

74.      Die Angaben in der Anmeldung sind eindeutig genug, um eine nachträgliche Kontrolle zu ermöglichen, ohne dass ersichtlich wäre, inwieweit das Erfordernis der Annahme der Anmeldung binnen fünf Tagen für die Durchführung der Kontrolle erforderlich ist.

75.      Für die entsandten Arbeitnehmer bringt ein derartiges Erfordernis weder einen tatsächlichen noch einen zusätzlichen Vorteil gegenüber dem, der ihnen eine spätere Kontrolle verschafft, mit sich(45). Tatsächlich beweist der Umstand, dass ein nationaler Rechtsstreit geführt wird, dessen Gegenstand die Feststellungen der Behörden hinsichtlich der Lohnansprüche der Arbeitnehmer von Termiso Limitada darstellen, dass die vorherige Überprüfung der individuellen Entsendungsanmeldung für die Aufgaben der belgischen Aufsichtsbehörde nicht entscheidend ist.

76.      Andererseits steht hinsichtlich der Frist von fünf Tagen, die den belgischen Behörden eingeräumt wird, um den Empfang zu bestätigen und die Registriernummer zuzuteilen, fest, dass diese Zeitspanne, obwohl sie sehr kurz ist, die Dienstleistungsfreiheit, die Unternehmen wie Termiso genießen, beeinträchtigen kann, soweit die Durchführung der von ihnen angebotenen Art von Dienstleistungen eine unverzügliche Entsendung ihrer Arbeitnehmer nach Belgien erforderlich macht(46), die jedoch nicht erfolgen kann, wenn die Antwort der Aufsichtsbehörde innerhalb der genannten Frist abgewartet werden müsste. Eine Regelung z. B., nach der die Zuteilung der Nummer als erteilt gilt, wenn die Verwaltung nicht fristgemäß antwortet, könnte eine Alternative darstellen. Diese Lösung macht daher deutlich, dass es weniger einschneidende Mittel als die Bestätigung und die Registriernummer gibt, so dass feststeht, dass ihre Untersuchung einer Verhältnismäßigkeitskontrolle nicht standhält(47). 

f)      Zusammenfassung

77.      Angesichts der dargestellten Argumente sind die Art. 56 und 57 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Entsendung von Arbeitnehmern und die tatsächliche Aufnahme der Dienstleistungstätigkeit von der Bestätigung des Empfangs und der Konformität der Anmeldung binnen fünf Werktagen nach ihrem Eingang bei der Aufsichtsbehörde abhängig macht.

2.      Die mit den Unterlagen des Aufnahmestaats vergleichbaren Unterlagen des Niederlassungsstaats

a)      Fragestellung

78.      Die zweite Maßnahme, die bei der Rechtbank Zweifel hervorruft, besteht in der Verpflichtung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens, für die zuständigen Behörden bestimmte Unterlagen des Herkunftslands zur Verfügung zu halten, die mit anderen Unterlagen des Aufnahmestaats, konkret mit der belgischen Einzelabrechnung und Lohnabrechnung, vergleichbar sind.

79.      Das mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs verbundene Verbot der „doppelten Kontrolle“ erlaubt die Feststellung, dass die Richtlinie 96/71 ein vernünftiges Maß an Gleichwertigkeit zwischen den im Aufnahmestaat geltenden Garantiemechanismen gegenüber denen des Herkunftsstaats des Arbeitgebers verlangt. Diese Vergleichbarkeit der Anforderungen besteht für gewöhnlich häufig im Hinblick auf die Personaldokumente, die den gewöhnlichen Ausgangspunkt der Arbeitsaufsichtsbehörde darstellen.

80.      In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Arblade hat Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer die Operativität dieses Gleichwertigkeitserfordernisses untersucht und betont, dass die Aufnahmestaaten „prüfen [müssen], ob die Unternehmen bereits aufgrund der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem sie ansässig sind, gleichartige Verpflichtungen erfüllen, wobei es weniger auf die Benennung der einzelnen Unterlagen als auf deren Inhalt und die mit ihnen verfolgten Ziele ankommt. Ist das Ergebnis positiv, so haben sie die Gleichwertigkeit anzuerkennen …“ Daher können die Aufnahmestaaten von den Dienstleistern „die Befolgung der inländischen Rechtsvorschriften … nur insoweit verlangen, als diese die Vorschriften des Staates der Niederlassung ergänzen und nicht nur überlagern“ (Randnr. 89).

81.      Diesen Ansatz hat sich der Gerichtshof im Urteil Arblade zu eigen gemacht und festgestellt, dass die Verpflichtung, die Unterlagen des Aufnahmemitgliedstaats zu erstellen und mitzuführen „den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen zusätzliche administrative und wirtschaftliche Kosten und Belastungen [verursacht], so dass diese Unternehmen den im Aufnahmemitgliedstaat ansässigen Arbeitgebern unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs nicht gleichgestellt sind“ (Randnr. 58). Er war der Auffassung, dass „die bloße Tatsache, dass bestimmte formale oder inhaltliche Unterschiede bestehen, nicht die Führung von zwei Serien von Unterlagen rechtfertigen [kann], von denen die einen der Regelung des Niederlassungsmitgliedstaats und die anderen der des Aufnahmemitgliedstaats entsprechen, wenn die Informationen, die durch die nach der Regelung des Niederlassungsmitgliedstaats verlangten Unterlagen geliefert werden, insgesamt ausreichen, um die erforderlichen Kontrollen im Aufnahmemitgliedstaat zu ermöglichen“(48). Infolgedessen stelle „die Auferlegung einer derartigen Verpflichtung … eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Artikel 59 des Vertrages dar“(49).

82.      Der mit dem Urteil Arblade begründeten Rechtsprechung liegt ein Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten zugrunde, denn letztlich setzt die Ablehnung der „zweifachen Belastung“ die Anerkennung des Rechts eines anderen Mitgliedstaats (des Rechts des Herkunftsstaats) voraus als wirksames Instrument für die Verteidigung des Allgemeininteresses im Aufnahmestaat.

83.      Ausgehend davon lässt sich feststellen, dass das Erfordernis hinsichtlich der Unterlagen des Herkunftslands (abstrakt gesehen, ohne die Gewahrsams- und Aufbewahrungspflichten in Betracht zu ziehen) keine Beschränkung des Art. 56 AEUV darstellt, da das Unternehmen sie wie die sonstigen Unterlagen in seinem Niederlassungsstaat zu erstellen hat, während die am Ort der Dienstleistung niedergelassenen Unternehmen ebenfalls die „vergleichbaren“ Unterlagen im Sinn der belgischen Vorschriften vorlegen müssen. Jedoch können die konkreten charakteristischen Merkmale der belgischen Regelung und insbesondere die Pflicht zur Aufbewahrung der genannten Unterlagen, wie im Folgenden dargelegt wird, zu einem anderen Ergebnis führen.

b)      Die mit der Einzelabrechnung und der Lohnabrechnung des Aufnahmelands vergleichbaren Unterlagen

84.      Ohne auf den Sinn der Wahlmöglichkeit einzugehen, die der belgischen Regierung zufolge ihr System dem Dienstleistungserbringer anbietet (die vereinfachte Regelung in Anspruch zu nehmen oder unmittelbar die in Belgien vorgesehenen Unterlagen zu erstellen), lässt sich feststellen, dass die vereinfachte Regelung den Zweck hat, den Arbeitgeber von einer Reihe von Formalitäten wie der Erstellung und Aufbewahrung bestimmter Unterlagen (u. a. der Einzelabrechnung und der Lohnabrechnung) freizustellen, die nach Art. 56 AEUV bei der vorübergehenden Entsendung von Arbeitnehmern nur verlangt werden können, wenn ihr Sozialschutz nicht durch Unterlagen gewährleistet ist, die in der Regelung des Mitgliedstaats, in dem das Unternehmen ansässig ist, vorgesehen sind.

85.      Das Vorbringen Belgiens bestätigt diese Lesart: Da das Urteil Arblade es verhindert, dass eine allgemeine Verpflichtung für ausländische Arbeitgeber eingeführt wird, die im belgischen Recht vorgesehene Einzelabrechnung zu erstellen, befreit es den Arbeitgeber unter bestimmten Voraussetzungen von dieser Belastung.

86.      In der Rechtsprechung sind ein Haupt- und ein subsidiäres Kriterium herausgearbeitet worden, und den Behörden und gegebenenfalls den Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats ist der klare Auftrag erteilt worden, „bevor sie verlangen, dass im Hoheitsgebiet dieses Staates Personal- oder Arbeitsunterlagen gemäß ihrer eigenen Regelung erstellt und geführt werden, nacheinander [zu] prüfen, ob der soziale Schutz der Arbeitnehmer, der diese Erfordernisse rechtfertigen kann, nicht hinreichend gewahrt würde, wenn innerhalb einer angemessenen Frist die im Niederlassungsmitgliedstaat geführten Unterlagen oder Kopien davon vorgelegt würden“(50).

87.      Verfügt der Arbeitgeber nicht über solche vergleichbaren Unterlagen, verpflichten ihn die Bestimmungen des Aufnahmestaats, die in den belgischen Gesetzen vorgesehene Einzelabrechnung und Gehaltsabrechnung zu erstellen und zu führen. Infolgedessen kann eine Regelung, die die Vorlage von Sozialdokumenten verlangt, die mit denen des Niederlassungslands vergleichbar sind, und dabei das Erfordernis der gewöhnlichen Dokumentenregelung verdrängt, nicht beanstandet werden. Es ist offensichtlich, dass dieser Ansatz mit der Rechtsprechung vereinbar ist, die der Gerichtshof im Urteil Arblade begründet hat.

88.      Schwerer zu rechtfertigen ist hingegen, dass Belgien die Rechtsprechung des Gerichtshofs auf Entsendungen von weniger als sechs Monaten beschränkt, da solche, die diesen Zeitraum überschreiten, ebenfalls Art. 56 AEUV unterliegen. Letztlich sind auch Entsendungen von mehr als sechs Monaten vorübergehend, wie sich aus den Urteilen Rush Portuguesa, Vander Elst, Finalarte und Kommission/Luxemburg ergibt, in denen der Gerichtshof klargestellt hat, dass die Arbeitnehmer, die von einem Unternehmen entsandt wurden, das nicht im Aufnahmestaat ansässig ist, dort aber Dienstleistungen erbringt, „keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats der Entsendung verlangen“(51).

c)      Der Inhalt der Unterlagen

89.      Die Einzelabrechnung für jeden Arbeitnehmer enthält die von dem Arbeitnehmer in einem Jahr erbrachten Leistungen sowie die dafür erhaltene Vergütung. In der Lohnabrechnung, die dem Arbeitnehmer in der jeweiligen Abrechnungsperiode übersandt wird, sind die genauen Modalitäten der Berechnung seines Entgelts und die entsprechenden Abzüge angegeben.

90.      Es ist offensichtlich, dass diese Unterlagen geeignet sind, die wirtschaftlichen Ansprüche des Arbeitnehmers transparent zu machen, da sie es ermöglichen, zu überprüfen, ob die durch Gesetz oder Tarifvertrag festgelegten Grenzen beachtet wurden und ob tatsächlich sämtliche Tage, an denen die Dienstleistung erbracht wurde, einschließlich der Feiertage und des Jahresurlaubs, vergütet wurden; sie sind auch erforderlich zur Ermittlung des Mindestlohns und der Überstundenvergütung. Darüber hinaus sind diese Schriftstücke notwendig beim Vergleich der Rechte der Arbeitnehmer in den verschiedenen Rechtsordnungen, und auf der Grundlage der Anerkennung der Gleichwertigkeit der Unterlagen des Niederlassungsstaats und des Aufnahmestaats sind sie weniger einschneidend als andere Alternativen wie das unmittelbare Ausfüllen der belgischen Unterlagen.

d)               Die Aufbewahrung der Unterlagen

91.      Hinsichtlich der Aufbewahrung der Unterlagen sind drei unterschiedliche Aspekte hervorzuheben: Der erste betrifft die Bereithaltung und Aufbewahrung der vergleichbaren Unterlagen während der Dauer der Beschäftigung der nach Belgien entsandten Arbeitnehmer, der zweite die Verpflichtung zur Aufbewahrung während fünf Jahren nach Ablauf von sechs Monaten seit der ersten Entsendung und der dritte den Ort der Aufbewahrung, d. h. den Ort, an dem der Arbeitnehmer eingesetzt wird, oder den belgischen Wohnsitz einer natürlichen Person, die sie als Bevollmächtigter aufbewahrt.

92.      Hinsichtlich der zeitlichen Geltung dieser Verpflichtung macht es das organisierte System der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 4 der Richtlinie 96/71 überflüssig, die Unterlagen im Aufnahmestaat aufzubewahren, wenn der Arbeitgeber dort keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt(52). Auf der anderen Seite lässt die Rechtsprechung die „Aufbewahrung bestimmter Unterlagen am Wohnsitz einer im Aufnahmemitgliedstaat wohnenden natürlichen Person“ zu, allerdings auf den Zeitraum der Entsendung begrenzt(53). Auch wenn daher das Erfordernis, die vergleichbaren Unterlagen während der Entsendung aufzubewahren, die Verhältnismäßigkeit wahrt, ist es fraglich, ob diese Verpflichtung bis zu fünf Jahre nach der Dienstleistung fortbestehen darf. Dies bestätigen das Urteil Arblade in den Randnrn. 77 und 78 und das Urteil Kommission/Luxemburg (C-319/06) in den Randnrn. 90 bis 94. Dass die Mitgliedstaaten über alternative Mechanismen der Zusammenarbeit verfügen, die diese dem Unternehmer auferlegte Belastung ersetzen, die dazu noch administrative Kosten mit sich bringt, die unnötig von der Erbringung von Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung abschrecken, bestätigt, dass es sich um ein unverhältnismäßiges Erfordernis handelt, das nicht mit Art. 56 AEUV vereinbar ist.

e)      Zusammenfassung

93.      Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Art. 56 und 57 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Vorlage bestimmter Unterlagen des Niederlassungsstaats (im vorliegenden Fall die belgische Einzelabrechnung und Lohnabrechnung), die mit den im Aufnahmestaat zu erstellenden Unterlagen vergleichbar sind, verlangt. Hingegen ist eine Regelung wie die belgische, die die Aufbewahrung bestimmter Unterlagen des Niederlassungsstaats, die mit denen des Aufnahmestaats vergleichbar sind, nach der tatsächlichen Beendigung der Entsendung der Arbeitnehmer verlangt, unverhältnismäßig und im Licht der Art. 56 und 57 AEUV nicht gerechtfertigt. Derselbe Vorwurf trifft ein System, das unmittelbar die Unterlagen des Aufnahmestaats bei vorübergehenden Entsendungen von Arbeitnehmern, die einen Zeitraum von sechs Monaten überschreiten, verlangt.

VII – Ergebnis

94.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

1.      Die Art. 56 und 57 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Entsendung von Arbeitnehmern und die tatsächliche Aufnahme der Dienstleistungstätigkeit von der Bestätigung des Empfangs und der Konformität der Anmeldung binnen fünf Werktagen nach ihrem Eingang bei der Aufsichtsbehörde abhängig macht.

2.      Die Art. 56 und 57 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die die Vorlage bestimmter Unterlagen des Niederlassungsstaats verlangt (im vorliegenden Fall die belgische Einzelabrechnung und Lohnabrechnung), die mit den im Aufnahmestaat zu erstellenden Unterlagen vergleichbar sind.

         Hingegen sind die Art. 56 und 57 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Folgendes verlangt:

–        die Aufbewahrung bestimmter Unterlagen des Niederlassungsstaats, die mit denen des Aufnahmestaats vergleichbar sind, nach der tatsächlichen Beendigung der Entsendung der Arbeitnehmer;

–        die Unterlagen des Aufnahmestaats bei vorübergehenden Entsendungen von Arbeitnehmern, die einen Zeitraum von sechs Monaten überschreiten.


1 – Originalsprache: Spanisch.


2 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1).


3 – Urteil vom 23. November 1999 (C‑369/96 und C‑376/96, Slg. 1999, I‑8453).


4 – Urteile vom 11. Dezember 2007, International Transport Workers’ Federation und Finnish Seamen’s Union, „Viking Line“ (C‑438/05, Slg. 2007, I‑10779), und vom 18. Dezember 2007, Laval un Partneri (C‑341/05, Slg. 2007, I‑11767).


5 – Moniteur belge vom 13. März 2002.


6 – Moniteur belge vom 17. April 2002.


7 – Diese Abkürzung ist abgeleitet von „Landenoverschrijdend Informatiesysteem ten behoeve van MigratieOnderzoek bij de Sociale Administratie“ (Länderübergreifendes Informationssystem zur Untersuchung der Einwanderung bei der Sozialverwaltung). Dieses System war, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen mitteilt, Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens wegen eines Verstoßes gegen Art. 56 AEUV (Verfahren Nr. 2007/2367).


8 – Art. 4 des Gesetzes vom 8. April 1965.


9 – Art. 15 des Gesetzes vom 12. April 1965.


10 – Art. 4 und 123 des Gesetzes vom 3. Juli 1978.


11 – Art. 38 des Gesetzes vom 26. Juli 1996.


12 – Die Angeklagten des Ausgangsverfahrens haben angegeben, dass sie diese Formulare zwar nicht pünktlich eingereicht hätten, diese Verspätung aber nie das Misstrauen der belgischen Arbeitsaufsichtsbehörde ausgelöst habe.


13 – Moniteur belge vom 17. August 1978.


14 – Die anzuwendenden Strafvorschriften sind weder im Beschluss der Rechtbank noch in den schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Beteiligten näher erläutert worden.


15 – Urteile des Gerichtshofs vom 2. Juni 1994, AC‑ATEL Electronics (C‑30/93, Slg. 1994, I‑2305, Randnr. 16), vom 20. März 1997, Phytheron International (C‑352/95, Slg. 1997, I‑1729, Randnr. 11), und vom 16. Juli 1998, Dumon und Froment (C‑235/95, Slg. 1998, I‑4531, Randnrn. 25 bis 27).


16 – Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner (C‑475/99, Slg. 2001, I‑8089, Randnr. 10), vom 2. Juni 2005, Dörr und Ünal (C‑136/03, Slg. 2005, I‑4759, Randnr. 46), und vom 22. Juni 2006, Conseil général de la Vienne (C‑419/04, Slg. 2006, I‑5645, Randnr. 24).


17 – Urteil des Gerichtshofs vom 1. Oktober 2009, Compañía Española de Comercialización de Aceite (C‑505/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 26).


18 – Urteil vom 22. Januar 2002, Canal Satélite Digital (C‑390/99, Slg. 2002, I‑607, Randnr. 19).


19 – Urteil des Gerichtshofs vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a. (C‑320/90 bis C‑322/90, Slg. 1993, I‑393, Randnr. 6).


20 – Beschlüsse vom 19. März 1993, Banchero (C‑157/92, Slg. 1993, I‑1085, Randnr. 4), vom 7. April 1995, Grau Gomis u. a. (C‑167/94, Slg. 1995, I‑1023, Randnr. 8), und vom 23. Dezember 2009, Spector Photo Group (C‑45/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 26).


21 – Urteil des Gerichtshofs vom 1. April 1982, Holdijk u. a. (141/81 bis 143/81, Slg. 1982, 1299, Randnr. 6).


22 – Sechster Erwägungsgrund der Richtlinie 96/71.


23 – 13. Erwägungsgrund der Richtlinie.


24 – 14. Erwägungsgrund der Richtlinie.


25 – Die Eigentümlichkeit der mit der Richtlinie 96/71 eingeführten Regelung wird umso deutlicher, wenn man sie mit den allgemeinen Vorschriften über das anzuwendende Recht in den Art. 3 und 6 des Übereinkommens von Rom vom 19. Juni 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ABl. L 266, S. 1) vergleicht. In dem Übereinkommen wurde eine andere Lösung gewählt, wonach mangels einer Rechtswahl der Parteien (Grundregel) der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er sie vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet, oder dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat (subsidiäre Regel), unbeschadet der Möglichkeit, dass unter gewissen Voraussetzungen neben dem auf den Vertrag anzuwendenden Recht die Eingriffsnormen eines anderen Staates, namentlich des Mitgliedstaats, in den der Arbeitnehmer vorübergehend entsandt wurde, anwendbar sind (Regel der zwingenden anzuwendenden Vorschrift).


26 – Urteil vom 12. Oktober 2004, Wolff & Müller (C‑60/03, Slg. 2004, I‑9553, Randnr. 30).


27 – Kilpatrick, C., „The ECJ and Labour Law: A 2008 Retrospective“, Industrial Law Journal, Bd. 38, Nr. 2, Oxford University Press, 2009, S. 196 bis 202.


28 – Urteil vom 3. April 2008, Rüffert (C‑346/06, Slg. 2008, I‑1989).


29 – Urteil vom 19. Juni 2008, Kommission/Luxemburg (C‑319/06, Slg. 2008, I‑4323).


30 – Urteil Arblade (Randnr. 29).


31 – Urteile des Gerichtshofs vom 25. Juli 1991, Säger (C‑76/90, Slg. 1991, I‑4221, Randnr. 12), vom 5. Juni 1997, SETTG (C‑398/95, Slg. 1997, I‑3091, Randnr. 16), vom 19. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑244/04, Slg. 2006, I‑885, Randnr. 30), und vom 1. Oktober 2009, Kommission/Belgien (C‑219/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 13).


32 – In diesem Sinne das bereits zitierte Urteil Arblade u. a. (Randnr. 34) und die Urteile vom 15. März 2001, Mazzoleni und ISA (C‑165/98, Slg. 2001, I‑2189, Randnr. 27), vom 25. Oktober 2001, Finalarte u. a. (C‑49/98, C‑50/98, C‑52/98 bis C‑54/98 und C‑68/98 bis C‑71/98, Slg. 2001, I‑7831, Randnr. 33), sowie die bereits zitierten Urteile International Transport Workers’ Federation und Finnish Seamen’s Union (Randnr. 77) und Laval un Partneri (Randnr. 103).


33 – Urteil Kommission/Luxemburg (Randnr. 30).


34 – Urteil Arblade (Randnr. 35).


35 – Urteile des Gerichtshofs vom 21. Oktober 2004, Kommission/Luxemburg (C‑445/03, Slg. 2004, I‑10191, Randnr. 46), Kommission/Deutschland (Randnrn. 41 und 42) und Kommission/Belgien (Randnr. 16).


36 – Von besonderer Relevanz sind „der Zeitpunkt der Begründung des Arbeitsverhältnisses, der Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme in Belgien und die ausgeübte Funktion“.


37 – Dies stellte der Bevollmächtigte der belgischen Regierung in der mündlichen Verhandlung klar.


38 – Nr. 32 seiner schriftlichen Erklärungen.


39 – Nr. 31 seiner schriftlichen Erklärungen.


40 – Rechtssache Kommission/Deutschland (C‑244/04, Randnr. 42).


41 – Rechtssache Kommission/Deutschland (Randnr. 41).


42 – Nach den Urteilen des Gerichtshofs vom 9. August 1994, Vander Elst (C‑43/93, Slg. 1994, I‑3803, Randnr. 15), Kommission/Luxemburg (C‑445/03, Randnr. 24) und Kommission/Deutschland (Randnr. 34) stellt dieses Erfordernis eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne von Art. 49 EG dar.


43 – Urteil Arblade (Randnr. 76).


44 – Urteil Kommission/Luxemburg (C-319/06, Randnr. 91).


45 – Das Kriterium des zusätzlichen Vorteils für die Arbeitnehmer wird, wenn auch beschränkt auf den Vergleich der Bestimmungen des Herkunfts- und des Aufnahmelands, im Urteil Finalarte u. a. hervorgehoben.


46 – Aus dem Vorbringen der Angeklagten des Ausgangsverfahrens, das in der mündlichen Verhandlung bestätigt wurde, ergibt sich, dass bei Reparaturen der Art, wie sie Termiso durchführt, eine unverzügliche Entsendung der Arbeitnehmer erforderlich ist.


47 – Es ist sehr bezeichnend, dass der Bevollmächtigte der Kommission dies in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat.


48 – Urteil Arblade (Randnr. 64).


49 – Urteil Arblade (Randnr. 59).


50 – Urteil Arblade (Randnr. 65).


51 – Vgl. Urteile vom 27. März 1990, Rush Portuguesa (C‑113/89, Slg. 1990, I‑1417, Randnr. 15), Vander Elst (Randnr. 21), Finalarte u. a. (Randnr. 22) und Kommission/Luxemburg (C-445/03, Randnr. 38).


52 – Urteile Kommission/Luxemburg (C‑319/06, Randnr. 92) und Arblade (Randnr. 79).


53 – Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus Randnr. 74 des Urteils vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C-490/04, Slg. 2007, I-6095): „Zwar hat der Gerichtshof in Randnr. 76 des Urteils Arblade u. a. entschieden, dass es zur Rechtfertigung einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs, die in der Verpflichtung des Arbeitgebers besteht, bestimmte Unterlagen am Wohnsitz einer im Aufnahmemitgliedstaat wohnenden natürlichen Person bereitzuhalten, nicht genügt, dass das Vorhandensein dieser Unterlagen in diesem Staat geeignet ist, die Erfüllung der Überwachungsaufgabe der Behörden dieses Staates im Allgemeinen zu erleichtern. Es ging dort jedoch um die dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, bestimmte Unterlagen auch dann noch für die zuständigen Behörden bereitzuhalten, wenn er im Aufnahmemitgliedstaat keine Arbeitnehmer mehr beschäftigte.“

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