EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62007CJ0420

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 28. April 2009.
Meletis Apostolides gegen David Charles Orams und Linda Elizabeth Orams.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) - Vereinigtes Königreich.
Vorabentscheidungsersuchen - Protokoll Nr. 10 über Zypern - Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Gebieten, die nicht der tatsächlichen Kontrolle der zyprischen Regierung unterstehen - Verordnung (EG) Nr. 44/2001 - Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen - Entscheidung, die von einem zyprischen Gericht mit Sitz im von der zyprischen Regierung tatsächlich kontrollierten Gebiet erlassen wurde und die ein Grundstück außerhalb dieses Gebiets betrifft - Art. 22 Nr. 1, Art. 34 Nrn. 1 und 2, Art. 35 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 der genannten Verordnung.
Rechtssache C-420/07.

European Court Reports 2009 I-03571

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:271

Rechtssache C‑420/07

Meletis Apostolides

gegen

David Charles Orams

und

Linda Elizabeth Orams

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal [England & Wales] [Civil Division])

„Vorabentscheidungsersuchen – Protokoll Nr. 10 über Zypern – Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Gebieten, die nicht der tatsächlichen Kontrolle der zyprischen Regierung unterstehen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Entscheidung, die von einem zyprischen Gericht mit Sitz im von der zyprischen Regierung tatsächlich kontrollierten Gebiet erlassen wurde und die ein Grundstück außerhalb dieses Gebiets betrifft – Art. 22 Nr. 1, Art. 34 Nrn. 1 und 2, Art. 35 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 der genannten Verordnung“

Leitsätze des Urteils

1.        Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu den Gemeinschaften – Beitrittsakte von 2003 – Protokoll Nr. 10 über Zypern – Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in dem Gebiet, das nicht der tatsächlichen Kontrolle der Regierung dieses Mitgliedstaats untersteht

(Beitrittsakte von 2003; Protokoll Nr. 10, Art. 1 Abs. 1; Verordnung Nr. 44/2001 des Rates)

2.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Ausschließliche Zuständigkeiten – Rechtsstreitigkeiten, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben – In Art. 22 Nr. 1 der Verordnung, der die internationale gerichtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten festlegt, aufgestellte Regel des „forum rei sitae“

(Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 22 Nr. 1 und Art. 35 Abs. 1 und 3)

3.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen – Versagungsgründe – Verstoß gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsstaats – Fehlen

(Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 34 Nr. 1 und Art. 45 Abs. 1)

4.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Vollstreckung – Voraussetzungen – Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat

(Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 38 Abs. 1 und Art. 54)

5.        Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Verordnung Nr. 44/2001 – Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen – Versagungsgründe – Keine rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat – Fehlen

(Übereinkommen vom 27. September 1968, Art. 27 Nr. 2; Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, Art. 34 Nr. 2 und Art. 45 Abs. 1)

1.        Die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 über Zypern der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Teilen der Republik Zypern, in denen die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt, steht der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf die Entscheidung eines zyprischen Gerichts mit Sitz im von der zyprischen Regierung tatsächlich kontrollierten Gebiet, die jedoch ein in den genannten Teilen der Republik Zypern belegenes Grundstück betrifft, nicht entgegen.

Bestimmungen in einer Beitrittsakte, die Ausnahmen oder Abweichungen von Vorschriften des Vertrags erlauben, sind nämlich unter Berücksichtigung der betreffenden Vertragsbestimmungen eng auszulegen und auf das zur Erreichung ihres Ziels unbedingt Erforderliche zu beschränken. Aus einer grammatikalischen Auslegung des Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 ergibt sich dementsprechend, dass die dort vorgesehene Aussetzung auf die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil der Republik Zypern beschränkt ist. Die Urteile, deren Anerkennung beantragt wurde, werden davon nicht erfasst, da sie von einem Gericht mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet erlassen wurden. Der Umstand, dass diese Urteile ein im Nordteil belegenes Grundstück betreffen, steht dieser Auslegung nicht entgegen, da er zum einen nicht die Verpflichtung entfallen lässt, die Verordnung Nr. 44/2001 im von der Regierung kontrollierten Gebiet anzuwenden, und zum anderen auch nicht bedeutet, dass diese Verordnung deshalb im Nordteil angewandt wird.

(vgl. Randnrn. 35, 37-39, Tenor 1)

2.        Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ermächtigt ein mitgliedstaatliches Gericht nicht dazu, die Anerkennung oder die Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu versagen, die ein Grundstück in einem Gebiet des letztgenannten Staates betrifft, über das dessen Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 enthält insoweit eine zwingende und abschließende Liste der ausschließlichen internationalen gerichtlichen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten. In diesem Artikel wird nur der Mitgliedstaat bestimmt, dessen Gerichte sachlich zuständig sind, ohne aber die Zuständigkeit innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats aufzuteilen. Es ist Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, ihre jeweilige Gerichtsorganisation festzulegen. Außerdem steht der in Art. 35 Abs. 3 dieser Verordnung aufgestellte Grundsatz des Verbots der Überprüfung der Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats einer Überprüfung der innerstaatlichen Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats im Ausgangsverfahren entgegen. Folglich betrifft die in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellte Regel des forum rei sitae die internationale gerichtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht den Gerichtsstand innerhalb dieser Staaten. Wenn ein Grundstück im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats liegt und daher die in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellte Zuständigkeitsregel beachtet worden ist, kann der Umstand, dass sich das Grundstück in einem Teil dieses Mitgliedstaats befindet, über den seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, sich demnach möglicherweise auf die innerstaatliche Zuständigkeit der Gerichte dieses Mitgliedstaats auswirken, spielt für diese Verordnung aber keine Rolle.

(vgl. Randnrn. 48-52, Tenor 2)

3.        Der Umstand, dass eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats betreffend ein Grundstück in einem Gebiet dieses Mitgliedstaats, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, ist kein Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

In Ermangelung eines grundlegenden Prinzips in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats, gegen das die Anerkennung oder Vollstreckung der fraglichen Urteile verstoßen könnte, wäre es nicht gerechtfertigt, die Anerkennung gemäß Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und die Vollstreckung gemäß Art. 45 Abs. 1 derselben Verordnung deshalb zu versagen, weil eine von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung, die ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates betrifft, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann. Bei dem entsprechenden Verstoß müsste es sich nämlich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.

(vgl. Randnrn. 59-62, 71, Tenor 3)

4.        Der Umstand, dass eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats betreffend ein Grundstück in einem Gebiet dieses Mitgliedstaats, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, bedeutet nicht, dass eine solche Entscheidung nicht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vollstreckbar ist. Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ist insoweit zwar eine Voraussetzung für die Vollstreckung der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat und es geht daher nicht an, einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, die es im Ursprungsmitgliedstaat nicht hat, doch kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass Urteile betreffend ein Grundstück in dem Teil Zyperns, über den die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in diesem Staat nicht vollstreckbar seien. Denn da es sich um Verurteilungen handelt, deren Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat durch die in Art. 54 der Verordnung vorgesehene Bescheinigung für den Zeitpunkt der Ausstellung dieser Bescheinigung festgestellt wird, ändert der Umstand, dass die Kläger hinsichtlich der Vollstreckung der fraglichen Urteile im Nordteil auf Schwierigkeiten stoßen könnten, nichts an der Vollstreckbarkeit dieser Urteile und hindert damit die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht daran, die Urteile für vollstreckbar zu erklären.

(vgl. Randnrn. 66-71, Tenor 3)

5.        Die Anerkennung oder die Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung darf nicht nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen versagt werden, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen konnte, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können. Nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist nämlich im Gegensatz zu der entsprechenden Bestimmung in Art. 27 Nr. 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen nicht zwangsläufig die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sondern die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte erforderlich. Somit ist eine Entscheidung, die in Abwesenheit auf der Grundlage eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlassen wurde, das dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, anzuerkennen, wenn der Beklagte gegen das entsprechende Urteil keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er dazu in der Lage war. Erst recht sind die Verteidigungsrechte, die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 schützen wollte, dann gewahrt, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung tatsächlich einen Rechtsbehelf eingelegt hat, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.

(vgl. Randnrn. 75-78, 80, Tenor 4)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

28. April 2009(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Protokoll Nr. 10 über Zypern – Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Gebieten, die nicht der tatsächlichen Kontrolle der zyprischen Regierung unterstehen – Verordnung (EG) Nr. 44/2001 – Gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Entscheidung, die von einem zyprischen Gericht mit Sitz im von der zyprischen Regierung tatsächlich kontrollierten Gebiet erlassen wurde und die ein Grundstück außerhalb dieses Gebiets betrifft – Art. 22 Nr. 1, Art. 34 Nrn. 1 und 2, Art. 35 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 der genannten Verordnung“

In der Rechtssache C‑420/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 28. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 13. September 2007, in dem Verfahren

Meletis Apostolides

gegen

David Charles Orams,

Linda Elizabeth Orams

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, M. Ilešič und A. Ó Caoimh, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Malenovský, J. Klučka und U. Lõhmus,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Apostolides, vertreten durch T. Beazley, QC, und C. West, Barrister, beauftragt von S. Congdon, Solicitor, und C. Candounas, advocate,

–        von Herrn und Frau Orams, vertreten durch C. Booth und N. Green, QC, sowie durch A. Ward und B. Bhalla, Barristers,

–        der zyprischen Regierung, vertreten durch P. Clerides als Bevollmächtigten im Beistand von D. Anderson, QC, und M. Demetriou, Barrister,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch A. Samoni-Rantou, S. Chala und G. Karipsiadis als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Hoffmeister und A.-M. Rouchaud als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 18. Dezember 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung zum einen des Protokolls Nr. 10 über Zypern der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 955, im Folgenden: Protokoll Nr. 10) und zum anderen bestimmter Aspekte der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Apostolides, einem zyprischen Staatsangehörigen, und den miteinander verheirateten britischen Staatsangehörigen Herrn und Frau Orams (im Folgenden: Eheleute Orams) über die Anerkennung und Vollstreckung von zwei Urteilen des Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias (Zypern) im Vereinigten Königreich gemäß der Verordnung Nr. 44/2001.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

 Das Protokoll Nr. 10

3        Das Protokoll Nr. 10 lautet:

„DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN –

IN BEKRÄFTIGUNG ihrer Entschlossenheit, eine umfassende Regelung der Zypern-Frage im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen herbeizuführen, und ihrer vorbehaltlosen Unterstützung der auf dieses Ziel ausgerichteten Bemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen,

IN DER ERWÄGUNG, dass eine derartige umfassende Regelung der Zypern-Frage noch nicht zustande gekommen ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass es daher erforderlich ist, die Anwendung des Besitzstandes in den Teilen der Republik Zypern auszusetzen, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt,

IN DER ERWÄGUNG, dass diese Aussetzung im Falle einer Regelung der Zypern-Frage aufzuheben ist,

IN DER ERWÄGUNG, dass die Europäische Union bereit ist, die Bedingungen einer solchen Regelung im Einklang mit den Grundsätzen, auf denen die Europäische Union beruht, zu berücksichtigen,

IN DER ERWÄGUNG, dass festgelegt werden muss, unter welchen Bedingungen die einschlägigen Bestimmungen des … Rechts [der Europäischen Union] auf die Trennungslinie zwischen den oben genannten Landesteilen sowie den Landesteilen, in denen die Regierung der Republik Zypern eine tatsächliche Kontrolle ausübt, und der Östlichen Hoheitszone des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland Anwendung finden,

IN DEM WUNSCH, dass der Beitritt Zyperns zur Europäischen Union allen zyprischen Bürgern zugute kommt und zum inneren Frieden und zur Aussöhnung beiträgt,

IN DER ERWÄGUNG, dass keine Bestimmung dieses Protokolls Maßnahmen ausschließt, die auf dieses Ziel ausgerichtet sind,

IN DER ERWÄGUNG, dass derartige Maßnahmen nicht die Anwendung des Besitzstandes gemäß den Bedingungen des Beitrittsvertrags in irgendeinem anderen Teil der Republik Zypern beeinträchtigen dürfen –

SIND ÜBER FOLGENDE BESTIMMUNGEN ÜBEREINGEKOMMEN:

Artikel 1

(1)      Die Anwendung des Besitzstandes wird in den Teilen der Republik Zypern ausgesetzt, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

(2)      Der Rat entscheidet auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die Aufhebung der in Absatz 1 genannten Aussetzung.

Artikel 2

(1)      Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission einstimmig die Bedingungen für die Anwendung des EU-Rechts auf die Trennungslinie zwischen den in Artikel 1 genannten Landesteilen und den Landesteilen fest, in denen die Regierung der Republik Zypern eine tatsächliche Kontrolle ausübt.

(2)      Die Grenzlinie zwischen der Östlichen Hoheitszone und den in Artikel 1 genannten Landesteilen gilt für die Dauer der Aussetzung der Anwendung des Besitzstandes nach Artikel 1 als Teil der Außengrenzen der Hoheitszonen im Sinne von Teil IV des Anhangs zum Protokoll über die Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern.

Artikel 3

(1)      Keine Bestimmung dieses Protokolls schließt Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der in Artikel 1 genannten Landesteile aus.

(2)      Derartige Maßnahmen dürfen nicht die Anwendung des Besitzstandes gemäß den Bedingungen des Beitrittsvertrags in anderen Teilen der Republik Zypern beeinträchtigen.

Artikel 4

Wenn es zu einer Regelung kommt, entscheidet der Rat einstimmig auf der Grundlage eines Vorschlags der Kommission über die im Hinblick auf die türkisch-zyprische Gemeinschaft vorzunehmenden Anpassungen der Modalitäten für den Beitritt Zyperns zur Europäischen Union.“

 Die Verordnung Nr. 44/2001

4        Die Erwägungsgründe 16 bis 18 der Verordnung Nr. 44/2001 lauten:

„(16) Das gegenseitige Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Gemeinschaft rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, außer im Falle der Anfechtung, von Rechts wegen, ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden.

(17)      Aufgrund dieses gegenseitigen Vertrauens ist es auch gerechtfertigt, dass das Verfahren, mit dem eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung für vollstreckbar erklärt wird, rasch und effizient vonstatten geht. Die Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung muss daher fast automatisch nach einer einfachen formalen Prüfung der vorgelegten Schriftstücke erfolgen, ohne dass das Gericht die Möglichkeit hat, von Amts wegen eines der in dieser Verordnung vorgesehenen Vollstreckungshindernisse aufzugreifen.

(18)      Zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte muss der Schuldner jedoch gegen die Vollstreckbarerklärung einen Rechtsbehelf im Wege eines Verfahrens mit beiderseitigem rechtlichen Gehör einlegen können, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt. Die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs muss auch für den Antragsteller gegeben sein, falls sein Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt worden ist.“

5        Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.“

6        Art. 2 dieser Verordnung lautet:

„(1)      Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.

(2)      Auf Personen, die nicht dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, angehören, sind die für Inländer maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden.“

7        Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 in deren Kapitel II Abschnitt 6 („Ausschließliche Zuständigkeiten“) bestimmt:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

1.      für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

Jedoch sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben Mitgliedstaat haben“.

8        Art. 34 dieser Verordnung sieht vor:

„Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn

1.      die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde;

2.      dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte;

3.      sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist;

4.      sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird.“

9        Art. 35 der genannten Verordnung lautet:

„(1)      Eine Entscheidung wird ferner nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II verletzt worden sind oder wenn ein Fall des Artikels 72 vorliegt.

(2)      Das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ist bei der Prüfung, ob eine der in Absatz 1 angeführten Zuständigkeiten gegeben ist, an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, aufgrund deren das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats seine Zuständigkeit angenommen hat.

(3)      Die Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats darf, unbeschadet der Bestimmungen des Absatzes 1, nicht nachgeprüft werden. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Artikels 34 Nummer 1.“

10      Art. 38 der Verordnung Nr. 44/2001 sieht vor:

„(1)      Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.

(2)      Im Vereinigten Königreich jedoch wird eine derartige Entscheidung in England und Wales, in Schottland oder in Nordirland vollstreckt, wenn sie auf Antrag eines Berechtigten zur Vollstreckung in dem betreffenden Teil des Vereinigten Königreichs registriert worden ist.“

11      Art. 45 der Verordnung Nr. 44/2001 bestimmt:

„(1)      Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 43 oder Artikel 44 befassten Gericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. Das Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich.

(2)      Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.“

 Nationales Recht

12      Nach dem nationalen Recht bleiben Eigentumsrechte an Grundstücken in den Gebieten der Republik Zypern, in denen die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt (im Folgenden: Nordteil) gültig und bestehen trotz der Invasion Zyperns durch die türkische Armee im Jahr 1974 und die anschließende militärische Besetzung eines Teils dieses Staates fort.

13      Art. 21 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 14/60 über die Gerichte bestimmt in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung, dass eine Klage, die sich auf eine Angelegenheit in Verbindung mit einem Grundstück bezieht, „bei dem Eparchiako Dikastirio des Bezirks zu erheben [ist], in dem das Grundstück belegen ist“.

14      Mit Verfügung des Anotato Dikastirio tis Kypriakis Dimokratias (Oberster Gerichtshof), die am 13. September 1974 im Episimi Efimerida tis Kypriakis Dimokratias (Amtsblatt der Republik Zypern) veröffentlicht wurde, d. h. nach der Invasion des Nordteils, wurden die Bezirke Kyrenia und Nikosia zusammengefasst.

15      Nach zyprischem Recht ist die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks an einen Ehegatten durch die Übergabe des Schriftstücks an den anderen Ehegatten rechtsgültig. Zeigt der Beklagte innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht seine Verteidigungsbereitschaft an, kann der Kläger ein Versäumnisurteil beantragen. Die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft ist eine Prozesshandlung, die kein Vorbringen über die Art und Weise der Verteidigung erfordert.

16      Für einen Rechtsbehelf auf Aufhebung eines Versäumnisurteils muss der Rechtsbehelfsführer dartun, dass er eine vertretbare Verteidigung („arguable defence“) anführen kann.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17      Das Verfahren vor dem vorlegenden Gericht hat die Anerkennung und Vollstreckung von zwei Urteilen des Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias (im Folgenden: fragliche Urteile) im Vereinigten Königreich gemäß der Verordnung Nr. 44/2001 zum Gegenstand; mit diesen Urteilen wurde über eine Klage von Herrn Apostolides gegen die Eheleute Orams betreffend ein Grundstück (im Folgenden: Grundstück) entschieden.

18      Das Grundstück liegt in Lapithos im Bezirk Kyrenia, der zum Nordteil gehört. Es stand im Eigentum der Familie von Herrn Apostolides und wurde von dieser vor der militärischen Invasion der Türkei in Zypern im Jahr 1974 bewohnt. Da die Familie von Herrn Apostolides der griechisch-zyprischen Gemeinschaft angehörte, wurde sie gezwungen, ihr Heim zu verlassen, und ließ sich in dem von der Regierung der Republik Zypern tatsächlich kontrollierten Gebiet der Insel (im Folgenden: von der Regierung kontrolliertes Gebiet) nieder.

19      Die Eheleute Orams machen geltend, sie hätten das Grundstück im Laufe des Jahres 2002 gutgläubig von einem Dritten erworben, der es wiederum von den Behörden der Türkischen Republik Nordzypern erworben habe, einer Einheit, die bislang von keinem Staat außer der Republik Türkei anerkannt worden ist. Die aufeinander folgenden Erwerbshandlungen hätten im Einklang mit den Gesetzen der Türkischen Republik Nordzypern gestanden. Die Eheleute Orams errichteten ein Landhaus und halten sich häufig auf dem Grundstück auf, das sie zu ihrem Ferienwohnsitz gemacht haben.

20      Der Personenverkehr zwischen dem Nordteil und dem von der Regierung kontrollierten Gebiet war bis April 2003 beschränkt.

21      Auf die von Herrn Apostolides gegen die Eheleute Orams erhobene Klage hin fertigte das Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias, ein zyprisches Gericht im von der Regierung kontrollierten Gebiet, am 26. Oktober 2004 die Ladungsschriften aus. Diese Schriftstücke, eines für jeden Ehegatten, wurden am selben Tag von einem Gerichtsvollzieher des Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias auf dem Grundstück zugestellt. Beide Ladungsschriften wurden durch Übergabe an Frau Orams persönlich zugestellt, die sich weigerte, die entsprechende Empfangsbestätigung zu unterzeichnen.

22      Der Gerichtsvollzieher informierte Frau Orams nicht über seine Eigenschaft als Gerichtsvollzieher und über die Art der von ihm übergebenen Schriftstücke, die in Griechisch verfasst waren, einer Sprache, die die Eheleute Orams nicht verstehen. Frau Orams verstand allerdings, dass die Dokumente offizieller und rechtlicher Natur waren.

23      Auf dem Deckblatt jeder Ladungsschrift war in griechischer Sprache vermerkt, dass innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung beim Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias die Verteidigungsbereitschaft gegen die Klage anzuzeigen sei, um den Erlass eines Versäumnisurteils zu verhindern.

24      Trotz der Schwierigkeiten, im Nordteil einen Rechtsanwalt zu finden, der Griechisch spricht und zur Vertretung vor den Gerichten im von der Regierung kontrollierten Gebiet zugelassen ist, gelang es Frau Orams, einen solchen Rechtsanwalt beizuziehen, der sich verpflichtete, in ihrem Namen am 8. November 2004 die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen. Er erschien bei dem genannten Gericht allerdings nicht an diesem Datum, sondern erst am Tag darauf.

25      Da am 9. November 2004 für die Eheleute Orams noch nicht die Verteidigungsbereitschaft angezeigt worden war, erließ das Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias auf die Klage von Herrn Apostolides hin ein Versäumnisurteil. Am selben Tag wies dieses Gericht die vom Rechtsanwalt von Frau Orams vorgelegte Vollmacht zurück, da sie in Englisch und nicht in Griechisch oder Türkisch abgefasst war.

26      Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung wurde mit dem vom Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias erlassenen Versäumnisurteil angeordnet, dass die Eheleute Orams

–        das Landhaus, den Swimmingpool und die Umzäunung, die sie auf dem Grundstück errichtet hatten, abreißen;

–        Herrn Apostolides sofort uneingeschränktes Eigentum am Grundstück einräumen;

–        an Herrn Apostolides verschiedene Beträge als besonderen Schadensersatz und als Ersatz des monatlich entgehenden Gewinns, insbesondere Mieteinnahmen, zuzüglich der Zinsen bis zur vollständigen Durchführung des Urteils zahlen;

–        jeden weiteren rechtswidrigen persönlichen oder durch Vertreter ausgeführten Eingriff in das Grundstück unterlassen und

–        verschiedene Beträge als Prozesskosten und sonstige Ausgaben für das Verfahren zahlen, zuzüglich Zinsen auf diese Summen.

27      Am 15. November 2004 legten die Eheleute Orams gegen dieses Urteil Einspruch ein. Nach Beweisaufnahme und Vortrag für die Eheleute Orams und für Herrn Apostolides wies das Eparchiako Dikastirio tis Lefkosias mit Urteil vom 19. April 2005 den Einspruch der Eheleute Orams im Wesentlichen deshalb zurück, weil diese keine vertretbare Verteidigung vorgebracht hätten, die dem Eigentumsrecht von Herrn Apostolides entgegenstünde. Die Kosten des Einspruchsverfahrens wurden den Eheleuten Orams auferlegt.

28      Die Eheleute Orams legten gegen das Urteil, mit dem ihr Einspruch zurückgewiesen worden war, ein Rechtsmittel ein. Das Rechtsmittel wurde mit Urteil des Anotato Dikastirio tis Kypriakis Dimokratias vom 21. Dezember 2006 zurückgewiesen.

29      Am 18. Oktober 2005 beantragte Herr Apostolides unter Vorlage der nötigen Dokumente in England die Anerkennung und Vollstreckung der fraglichen Urteile gemäß der Verordnung Nr. 44/2001. Mit Beschluss vom 21. Oktober 2005 erklärte ein Master des High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division, diese Urteile nach der Verordnung Nr. 44/2001 in England für vollstreckbar.

30      Dieser Beschluss wurde auf einen von den Eheleuten Orams nach Art. 43 der Verordnung Nr. 44/2001 dagegen eingelegten Rechtsbehelf von einem Richter des High Court of Justice mit Entscheidung vom 6. September 2006 aufgehoben. Gegen diese Entscheidung legte Herr Apostolides bei dem vorlegenden Gericht einen Rechtsbehelf nach Art. 44 dieser Verordnung ein.

31      Unter diesen Umständen hat der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) entschieden, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.       …

Schließt die Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil nach Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 aus, dass ein mitgliedstaatliches Gericht eine von einem Gericht der Republik Zypern erlassene Entscheidung – wenn sich das Gericht im von der Regierung kontrollierten Gebiet befindet und die Entscheidung den Nordteil betrifft – anerkennt und vollstreckt, wenn diese Anerkennung und Vollstreckung nach der Verordnung Nr. 44/2001 begehrt wird, die Bestandteil des gemeinschaftlichen Besitzstands ist?

2.      Berechtigt oder verpflichtet Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ein mitgliedstaatliches Gericht, die Anerkennung und Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu verweigern, wenn diese Entscheidung ein Grundstück in einem Gebiet dieses anderen Mitgliedstaats betrifft, über das die Regierung dieses Mitgliedstaats keine tatsächliche Kontrolle ausübt? Verstößt eine solche Entscheidung insbesondere gegen Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001?

3.      Kann die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung eines mitgliedstaatlichen Gerichts nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 – wenn sich das Gericht in einem Gebiet eines Staates befindet, über das die Regierung dieses Staates tatsächliche Kontrolle ausübt und die Entscheidung Land in diesem Staat betrifft, das in einem Gebiet dieses Staates belegen ist, über das die Regierung des Staates keine tatsächliche Kontrolle ausübt – mit der Begründung verweigert werden, die Entscheidung sei in der Praxis nicht dort vollstreckbar, wo das Grundstück belegen ist, obwohl die Entscheidung im von der Regierung kontrollierten Gebiet des Mitgliedstaats vollstreckbar ist?

4.      Kann sich ein Beklagter gemäß Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 der Vollstreckung eines originären Versäumnisurteils oder der Entscheidung über den Aufhebungsantrag mit der Begründung widersetzen, das verfahrenseinleitende Schriftstück sei ihm nicht rechtzeitig und in der Weise zugestellt worden, dass er sich vor Erlass des originären Versäumnisurteils hätte verteidigen können, wenn

–      gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil erlassen wurde,

–      der Beklagte daraufhin ein Rechtsbehelfsverfahren gegen das Versäumnisurteil vor dem ursprünglichen Gericht eingeleitet hat,

–      sein Rechtsbehelf nach Durchführung einer umfassenden und fairen Gerichtsverhandlung als erfolglos mit der Begründung abgewiesen wurde, er habe keine vertretbare Verteidigung gegen das Klagebegehren vorbringen können (was nach dem nationalen Recht erforderlich ist, bevor eine solche Entscheidung aufgehoben werden kann)?

Macht es einen Unterschied, wenn in der Gerichtsverhandlung nur die Klageerwiderung des Beklagten geprüft wurde?

5.      Welche Faktoren sind erheblich im Rahmen der Prüfung des Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001, ob dem Beklagten „das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück … so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte“? Insbesondere:

a)      Ist es erheblich, was der Beklagte oder seine Rechtsanwälte nach der Zustellung unternommen (oder nicht unternommen) haben, wenn der Beklagte das Schriftstück tatsächlich zur Kenntnis genommen hat?

b)      Ist es erheblich, wie sich der Beklagte oder seine Rechtsanwälte verhalten haben oder vor welchen Schwierigkeiten sie gestanden haben?

c)      Ist es erheblich, dass der Rechtsanwalt des Beklagten die Verteidigungsbereitschaft vor Erlass des Versäumnisurteils hätte anzeigen können?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

32      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 auf die Entscheidung eines zyprischen Gerichts mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet, die jedoch ein im Nordteil belegenes Grundstück betrifft, entgegensteht.

33      Die Akte über den Beitritt eines neuen Mitgliedstaats beruht im Wesentlichen auf dem allgemeinen Grundsatz der sofortigen und vollständigen Anwendung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auf diesen Staat, wobei Abweichungen nur insoweit zulässig sind, als sie in Übergangsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Dezember 1982, Metallurgiki Halyps/Kommission, 258/81, Slg. 1982, 4261, Randnr. 8).

34      Das Protokoll Nr. 10 stellt insoweit eine vorübergehende Abweichung von dem in der vorstehenden Randnummer genannten Grundsatz dar, der die in Zypern herrschende Ausnahmesituation zugrunde liegt.

35      Allerdings sind, wie die Generalanwältin in Nr. 35 ihrer Schlussanträge ausführt, Bestimmungen in einer Beitrittsakte, die Ausnahmen oder Abweichungen von Vorschriften des EG-Vertrags erlauben, unter Berücksichtigung der betreffenden Vertragsbestimmungen eng auszulegen und auf das zur Erreichung ihres Ziels unbedingt Erforderliche zu beschränken (vgl. entsprechend Urteile vom 29. März 1979, Kommission/Vereinigtes Königreich, 231/78, Slg. 1979, 1447, Randnr. 13, vom 23. März 1983, Peskeloglou, 77/82, Slg. 1983, 1085, Randnr. 12, vom 17. Januar 1985, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, 11/82, Slg. 1985, 207, Randnr. 26, vom 14. Dezember 1989, Agegate, C‑3/87, Slg. 1989, 4459, Randnr. 39, und vom 3. Dezember 1998, KappAhl, C‑233/97, Slg. 1998, I‑8069, Randnr. 18).

36      Im Ausgangsverfahren kann die im Protokoll Nr. 10 vorgesehene Abweichung nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass sie der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 auf die fraglichen Urteile des zyprischen Gerichts entgegensteht.

37      Aus einer grammatikalischen Auslegung des Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 ergibt sich nämlich, dass die dort vorgesehene Aussetzung auf die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil beschränkt ist. Im Ausgangsverfahren wurden die fraglichen Urteile, deren Anerkennung Herr Apostolides beantragt, aber von einem Gericht mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet erlassen.

38      Der Umstand, dass diese Urteile ein im Nordteil belegenes Grundstück betreffen, steht der in der vorstehenden Randnummer dargelegten Auslegung nicht entgegen, da er zum einen nicht die Verpflichtung entfallen lässt, die Verordnung Nr. 44/2001 im von der Regierung kontrollierten Gebiet anzuwenden, und zum anderen auch nicht bedeutet, dass diese Verordnung deshalb im Nordteil angewandt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 1. März 2005, Owusu, C‑281/02, Slg. 2005, I‑1383, Randnr. 31).

39      Angesichts dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands im Nordteil der Anwendung der Verordnung Nr. 44/2001 auf die Entscheidung eines zyprischen Gerichts mit Sitz im von der Regierung kontrollierten Gebiet, die jedoch ein im Nordteil belegenes Grundstück betrifft, nicht entgegensteht.

 Zur zweiten und zur fünften Frage

40      In Bezug auf die zweite und die fünfte Frage ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission geltend macht, dass die Rechtssache möglicherweise nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 erfasst werde. Dieses Vorbringen macht es damit erforderlich, zu klären, ob die Ausgangsrechtssache zu den „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 dieser Verordnung gezählt werden kann.

41      Da sichergestellt werden muss, dass sich aus der Verordnung Nr. 44/2001 für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen so weit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben, kann der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ nicht als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht des einen oder anderen beteiligten Staates verstanden werden. Er ist als autonomer Begriff anzusehen, bei dessen Auslegung die Zielsetzungen und die Systematik dieser Verordnung sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, berücksichtigt werden müssen (vgl. Urteile vom 14. Oktober 1976, LTU, 29/76, Slg. 1976, 1541, Randnr. 3, vom 16. Dezember 1980, Rüffer, 814/79, Slg. 1980, 3807, Randnr. 7, vom 21. April 1993, Sonntag, C‑172/91, Slg. 1993, I‑1963, Randnr. 18, vom 15. Mai 2003, Préservatrice foncière TIARD, C‑266/01, Slg. 2003, I‑4867, Randnr. 20, vom 18. Mai 2006, ČEZ, C‑343/04, Slg. 2006, I‑4557, Randnr. 22, und vom 15. Februar 2007, Lechouritou u. a., C‑292/05, Slg. 2007, I‑1519, Randnr. 29).

42      Die autonome Auslegung des Begriffs „Zivil- und Handelssachen“ führt dazu, dass bestimmte gerichtliche Entscheidungen wegen der Natur der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen oder wegen des Gegenstands des Rechtsstreits vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 ausgeschlossen sind (vgl. Urteile LTU, Randnr. 4, Rüffer, Randnr. 14, Préservatrice foncière TIARD, Randnr. 21, ČEZ, Randnr. 22, und Lechouritou u. a., Randnr. 30).

43      So hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar bestimmte Verfahren, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson gegenüberstehen, unter diesen Begriff fallen können, dass es sich jedoch anders verhält, wenn die Behörde einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse führt (vgl. Urteile LTU, Randnr. 4, Rüffer, Randnr. 8, Sonntag, Randnr. 20, Préservatrice foncière TIARD, Randnr. 22, und Lechouritou u. a., Randnr. 31).

44      Die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits schließt einen solchen Rechtsstreit nämlich von den Zivil- und Handelssachen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aus, da diese Partei Befugnisse ausübt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Regeln abweichen (vgl. in diesem Sinne Urteile LTU, Randnr. 4, Rüffer, Randnrn. 9 und 16, Sonntag, Randnr. 22, Préservatrice foncière TIARD, Randnr. 30, sowie Lechouritou u. a., Randnr. 34).

45      Im Ausgangsverfahren geht es um einen Rechtsstreit zwischen Privatpersonen, der den Erhalt von Schadensersatz für die widerrechtliche Inbesitznahme eines Grundstücks, die Übergabe des Grundstücks und seine Überführung in den ursprünglichen Zustand sowie die Einstellung jedes weiteren rechtswidrigen Eingriffs zum Gegenstand hat. Die so erhobene Klage richtet sich nicht gegen Verhaltensweisen oder Verfahren, die die Wahrnehmung von Hoheitsrechten durch eine der Parteien des Rechtsstreits voraussetzen, sondern gegen von Privatpersonen vorgenommene Handlungen.

46      Folglich zählt die Rechtssache im Ausgangsverfahren zu den „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001.

 Zur zweiten Frage

47      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlässt, die ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates betrifft, über das dessen Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, als Missachtung der in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellten Zuständigkeitsregelung angesehen werden und demnach nach Art. 35 Abs. 1 dieser Verordnung eine Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung rechtfertigen kann.

48      Dazu ist festzustellen, dass Art. 22 der Verordnung Nr. 44/2001 eine zwingende und abschließende Liste der ausschließlichen internationalen gerichtlichen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten enthält. In diesem Artikel wird nur der Mitgliedstaat bestimmt, dessen Gerichte sachlich zuständig sind, ohne aber die Zuständigkeit innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats aufzuteilen. Es ist Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, ihre jeweilige Gerichtsorganisation festzulegen.

49      Außerdem steht der in Art. 35 Abs. 3 dieser Verordnung aufgestellte Grundsatz des Verbots der Überprüfung der Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats – eine Überprüfung ist nur in Bezug auf die Bestimmungen des Art. 35 Abs. 1 zulässig – einer Überprüfung der innerstaatlichen Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats im Ausgangsverfahren entgegen.

50      Folglich betrifft die in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellte Regel des forum rei sitae die internationale gerichtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und nicht den Gerichtsstand innerhalb dieser Staaten.

51      Im Ausgangsverfahren steht fest, dass das Grundstück im Gebiet der Republik Zypern liegt und dass daher die in Art. 22 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 aufgestellte Zuständigkeitsregel beachtet worden ist. Dass sich das Grundstück im Nordteil befindet, kann sich möglicherweise auf die innerstaatliche Zuständigkeit der zyprischen Gerichte auswirken, spielt aber für diese Verordnung keine Rolle.

52      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ein mitgliedstaatliches Gericht nicht dazu ermächtigt, die Anerkennung oder die Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu versagen, die ein Grundstück in einem Gebiet des letztgenannten Staates betrifft, über das dessen Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

 Zur dritten Frage

53      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats betreffend ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, ein Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist.

–       Zu Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001

54      Nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (Ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Art. 45 Abs. 1 dieser Verordnung sieht die gleiche Regelung hinsichtlich der Versagung der Vollstreckbarerklärung vor.

55      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass Art. 34 der Verordnung Nr. 44/2001 eng auszulegen ist, da er ein Hindernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele dieser Verordnung bildet (vgl. Urteile vom 2. Juni 1994, Solo Kleinmotoren, C‑414/92, Slg. 1994, I‑2237, Randnr. 20, vom 28. März 2000, Krombach, C‑7/98, Slg. 2000, I‑1935, Randnr. 21, und vom 11. Mai 2000, Renault, C‑38/98, Slg. 2000, I‑2973, Randnr. 26). Was speziell die Ordre‑public‑Klausel in Art. 34 Nr. 1 dieser Verordnung betrifft, so kann sie nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen (vgl. Urteile vom 4. Februar 1988, Hoffmann, 145/86, Slg. 1988, 645, Randnr. 21, vom 10. Oktober 1996, Hendrikman und Feyen, C‑78/95, Slg. 1996, I‑4943, Randnr. 23, Krombach, Randnr. 21, und Renault, Randnr. 26).

56      Wenngleich die Mitgliedstaaten aufgrund des Vorbehalts in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 grundsätzlich selbst festlegen können, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben, gehört doch die Abgrenzung dieses Begriffs zur Auslegung dieser Verordnung (vgl. Urteile Krombach, Randnr. 22, und Renault, Randnr. 27).

57      Auch wenn es demnach nicht Sache des Gerichtshofs ist, den Inhalt der öffentlichen Ordnung eines Mitgliedstaats zu definieren, hat er doch über die Grenzen zu wachen, innerhalb deren sich das Gericht eines Mitgliedstaats auf diesen Begriff stützen darf, um der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaats die Anerkennung zu versagen (Urteile Krombach, Randnr. 23, und Renault, Randnr. 28).

58      Mit dem Verbot, die ausländische Entscheidung in der Sache selbst nachzuprüfen, untersagen es die Art. 36 und 45 Abs. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 dem Gericht des Staates, in dem die Anerkennung oder Vollstreckung der entsprechenden Entscheidung geltend gemacht wird, diese nur deshalb zu versagen, weil die vom Gericht des Ursprungsstaats angewandten Rechtsvorschriften von denen abweichen, die das Gericht des Vollstreckungsstaats im Fall seiner eigenen Befassung mit dem Rechtsstreit angewandt hätte. Ebenso wenig darf das Gericht des Vollstreckungsstaats nachprüfen, ob das Gericht des Ursprungsstaats den Fall rechtlich und tatsächlich fehlerfrei gewürdigt hat (vgl. Urteile Krombach, Randnr. 36, und Renault, Randnr. 29).

59      Eine Anwendung der Ordre-public-Klausel des Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 kommt nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln (vgl. Urteile Krombach, Randnr. 37, und Renault, Randnr. 30).

60      Das Gericht des Vollstreckungsstaats darf die Anerkennung einer Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht allein deshalb ablehnen, weil es der Ansicht ist, dass in dieser Entscheidung das nationale Recht oder das Gemeinschaftsrecht falsch angewandt worden sei, da sonst die Zielsetzung der Verordnung Nr. 44/2001 in Frage gestellt würde. Vielmehr ist in solchen Fällen davon auszugehen, dass das in jedem Mitgliedstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem, ergänzt durch das in Art. 234 EG vorgesehene Vorabentscheidungsverfahren, den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie bietet (vgl. Urteil Renault, Randnr. 33). Die Ordre-public-Klausel käme in solchen Fällen nur dann zum Tragen, wenn der entsprechende Rechtsfehler impliziert, dass die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung im Vollstreckungsstaat als offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats wesentlichen Rechtsnorm angesehen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Renault, Randnr. 34).

61      Im Ausgangsverfahren nennt das vorlegende Gericht, wie Herr Apostolides sowie die zyprische und die griechische Regierung vorgetragen haben, kein grundlegendes Prinzip der Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs, gegen das die Anerkennung oder Vollstreckung der fraglichen Entscheidungen verstoßen könnte.

62      In Ermangelung eines grundlegenden Prinzips in der Rechtsordnung des Vereinigten Königreichs, gegen das die Anerkennung oder Vollstreckung der fraglichen Urteile verstoßen könnte, wäre es demnach nicht gerechtfertigt, die Anerkennung gemäß Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 deshalb zu versagen, weil eine von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung, die ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates betrifft, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann. Ebenso wenig kann eine Versagung der Vollstreckung nach Art. 45 Abs. 1 dieser Verordnung auf diese Bestimmung gestützt werden.

–       Zu Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001

63      Unbeschadet der vorstehenden Erwägungen ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der Anwendung von Art. 234 EG aus den Fragen des vorlegenden Gerichts unter Berücksichtigung des von diesem mitgeteilten Sachverhalts das herausschälen kann, was die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betrifft, um diesem Gericht die Lösung der ihm vorliegenden Rechtsfrage zu ermöglichen (vgl. Urteile vom 28. Januar 1992, López Brea und Hidalgo Palacios, C‑330/90 und C‑331/90, Slg. 1992, I‑323, Randnr. 5, vom 30. September 2003, Köbler, C‑224/01, Slg. 2003, I‑10239, Randnr. 60, und vom 9. November 2006, Chateignier, C‑346/05, Slg. 2006, I‑10951, Randnr. 18).

64      Im Ausgangsverfahren kann der Umstand, dass die fraglichen Urteile im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckt werden können, zwar nicht die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung dieser Urteile nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 rechtfertigen, doch könnte er nichtsdestoweniger im Hinblick auf Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung erheblich sein.

65      Nach dieser Vorschrift werden die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind.

66      Die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ist demnach eine Voraussetzung für die Vollstreckung der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat (vgl. Urteil vom 29. April 1999, Coursier, C‑267/97, Slg. 1999, I‑2543, Randnr. 23). Wenn insoweit den Entscheidungen durch die Anerkennung grundsätzlich die Wirkungen beigelegt werden sollen, die ihnen in dem Mitgliedstaat zukommen, in dessen Hoheitsgebiet sie ergangen sind (vgl. Urteil Hoffmann, Randnrn. 10 und 11), geht es nicht an, einem Urteil bei seiner Vollstreckung Rechtswirkungen zuzuerkennen, die es im Ursprungsmitgliedstaat nicht hat (vgl. den Jenard-Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen [ABl. 1979, C 59, S. 48]) oder die ein unmittelbar im Vollstreckungsstaat ergangenes Urteil derselben Art nicht erzeugen würde.

67      Im Ausgangsverfahren kann jedoch nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass die fraglichen Urteile im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar seien.

68      Es handelt sich nämlich um Verurteilungen, deren Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat durch die in Art. 54 der Verordnung Nr. 44/2001 vorgesehene Bescheinigung für den Zeitpunkt der Ausstellung dieser Bescheinigung festgestellt wird.

69      Dazu ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 44/2001 nur das Verfahren zur Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen vollstreckbaren Titeln regelt und die eigentliche Zwangsvollstreckung unberührt lässt, die nach wie vor dem nationalen Recht des Vollstreckungsstaats unterliegt (vgl. Urteile vom 2. Juli 1985, Deutsche Genossenschaftsbank, 148/84, Slg. 1985, 1981, Randnr. 18, vom 3. Oktober 1985, Capelloni und Aquilini, 119/84, Slg. 1985, 3147, Randnr. 16, und Hoffmann, Randnr. 27), wobei die Anwendung der Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaats im Rahmen der Zwangsvollstreckung die praktische Wirksamkeit der Regelung der Verordnung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung nicht dadurch beeinträchtigen darf, dass die in diesem Bereich durch die Verordnung selbst aufgestellten Grundsätze ausdrücklich oder implizit vereitelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Capelloni und Aquilini, Randnr. 21, Hoffmann, Randnr. 29, sowie vom 15. Mai 1990, Hagen, C‑365/88, Slg. 1990, I‑1845, Randnr. 20).

70      Dass die Kläger hinsichtlich der Vollstreckung der fraglichen Urteile im Nordteil auf Schwierigkeiten stoßen könnten, ändert nichts an der Vollstreckbarkeit dieser Urteile und hindert damit die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht daran, die Urteile für vollstreckbar zu erklären.

71      Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass der Umstand, dass eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats betreffend ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, kein Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ist und auch nicht bedeutet, dass eine solche Entscheidung nicht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung vollstreckbar ist.

 Zur vierten Frage

72      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Anerkennung oder die Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung, wenn der Beklagte gegen diese Entscheidung bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats einen Rechtsbehelf einlegen konnte, nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 deshalb versagt werden kann, weil dem Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte.

73      Insoweit geht aus den Erwägungsgründen 16 bis 18 der Verordnung Nr. 44/2001 hervor, dass mit dem System der Rechtsbehelfe, das diese Verordnung gegen die Anerkennung oder die Vollstreckung einer Entscheidung vorsieht, ein angemessenes Gleichgewicht geschaffen werden soll zwischen einerseits dem gegenseitigen Vertrauen in die Justiz im Rahmen der Union, das es rechtfertigt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich von Rechts wegen anerkannt und vollstreckt werden, und andererseits der Wahrung der Verteidigungsrechte, die gebietet, dass der Schuldner gegebenenfalls einen in einem streitigen Verfahren zu prüfenden Rechtsbehelf einlegen kann, wenn er der Ansicht ist, dass einer der Gründe für die Versagung der Vollstreckung vorliegt.

74      Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 14. Dezember 2006, ASML (C‑283/05, Slg. 2006, I‑12041), die Unterschiede zwischen Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 und Art. 27 Nr. 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) hervorgehoben.

75      Nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 ist im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 des genannten Übereinkommens nicht zwangsläufig die Ordnungsgemäßheit der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sondern die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte erforderlich (Urteil ASML, Randnr. 20).

76      Nach Art. 34 Nr. 2 und Art. 45 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 muss nämlich die Anerkennung oder die Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung auf einen Rechtsbehelf hin versagt werden, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, er hat gegen die entsprechende Entscheidung bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.

77      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen geht hervor, dass eine Entscheidung, die in Abwesenheit auf der Grundlage eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlassen wurde, das dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, anzuerkennen ist, wenn der Beklagte gegen das entsprechende Urteil keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er dazu in der Lage war.

78      Erst recht sind die Verteidigungsrechte, die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 schützen wollte, dann gewahrt, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung tatsächlich einen Rechtsbehelf eingelegt hat, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.

79      Im Ausgangsverfahren steht fest, dass die Eheleute Orams im Ursprungsmitgliedstaat einen solchen Rechtsbehelf gegen das am 9. November 2004 erlassene Versäumnisurteil eingelegt haben. Daher kann Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht mit Erfolg angeführt werden.

80      Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Anerkennung oder die Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung nicht nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 versagt werden darf, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen konnte, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.

 Zur fünften Frage

81      Angesichts der Antwort auf die vierte Frage ist die fünfte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

82      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die in Art. 1 Abs. 1 des Protokolls Nr. 10 über Zypern der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge vorgesehene Aussetzung der Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands in den Teilen der Republik Zypern, in denen die Regierung dieses Staates keine tatsächliche Kontrolle ausübt, steht der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf die Entscheidung eines zyprischen Gerichts mit Sitz im von der Regierung tatsächlich kontrollierten Gebiet, die jedoch ein in den genannten Teilen der Republik Zypern belegenes Grundstück betrifft, nicht entgegen.

2.      Art. 35 Abs. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 ermächtigt ein mitgliedstaatliches Gericht nicht dazu, die Anerkennung oder die Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung zu versagen, die ein Grundstück in einem Gebiet des letztgenannten Staates betrifft, über das dessen Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt.

3.      Der Umstand, dass eine Entscheidung eines Gerichts eines Mitgliedstaats betreffend ein Grundstück in einem Gebiet dieses Staates, über das seine Regierung keine tatsächliche Kontrolle ausübt, in der Praxis nicht am Ort des Grundstücks vollstreckt werden kann, ist kein Grund für die Versagung der Anerkennung oder der Vollstreckung nach Art. 34 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 und bedeutet auch nicht, dass eine solche Entscheidung nicht im Sinne von Art. 38 Abs. 1 dieser Verordnung vollstreckbar ist.

4.      Die Anerkennung oder die Vollstreckung einer in Abwesenheit ergangenen Entscheidung darf nicht nach Art. 34 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001 versagt werden, wenn der Beklagte gegen die in Abwesenheit ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einlegen konnte, mit dem er geltend machen konnte, dass ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden sei, dass er sich habe verteidigen können.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.

Top