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Document 62001CC0285

Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 12. September 2002.
Isabel Burbaud gegen Ministère de l'Emploi et de la Solidarité.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour administrative d'appel de Douai - Frankreich.
Anerkennung von Diplomen - Höherer Dienst der öffentlichen Krankenhausverwaltung - Richtlinie 89/48/EWG - Begriff "Diplom" - Aufnahmeauswahlverfahren - Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG).
Rechtssache C-285/01.

European Court Reports 2003 I-08219

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2002:487

62001C0285

Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 12. September2002. - Isabel Burbaud gegen Ministère de l'Emploi et de la Solidarité. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour administrative d'appel de Douai - Frankreich. - Anerkennung von Diplomen - Höherer Dienst der öffentlichen Krankenhausverwaltung - Richtlinie 89/48/EWG - Begriff "Diplom" - Aufnahmeauswahlverfahren - Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG). - Rechtssache C-285/01.

Sammlung der Rechtsprechung 2003 Seite I-08219


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitende Bemerkungen

1. Das vorliegende Verfahren betrifft den Zugang zum Beruf des Krankenhausverwalters in Frankreich, insbesondere die Vereinbarkeit der französischen Zulassungsvoraussetzungen mit der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (im Folgenden: Richtlinie).

II - Rechtlicher Rahmen

A - Gemeinschaftsrecht

2. Zu den hier einschlägigen Vorschriften gehört neben der Ausnahme für die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung nach Artikel 39 Absatz 4 EG die oben genannte Richtlinie.

3. Artikel 1 der Richtlinie 89/48 sieht u. a. vor:

Im Sinne dieser Richtlinie gelten

a) als Diplome alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt,

- die in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt werden,

- aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, und

- aus denen hervorgeht, dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind,

wenn die durch das Diplom, das Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis bescheinigte Ausbildung überwiegend in der Gemeinschaft erworben wurde oder wenn dessen Inhaber eine dreijährige Berufserfahrung hat, die von dem Mitgliedstaat bescheinigt wird, der ein Diplom, ein Prüfungszeugnis oder einen sonstigen Befähigungsnachweis eines Drittlands anerkannt hat.

Einem Diplom im Sinne von Unterabsatz 1 sind alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise bzw. diese Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise insgesamt gleichgestellt, die von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, wenn sie eine in der Gemeinschaft erworbene und von einer zuständigen Stelle in diesem Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannte Ausbildung abschließen und in diesem Mitgliedstaat in Bezug auf den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung dieselben Rechte verleihen; ...

c) als reglementierter Beruf die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten insgesamt, die in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen;

d) als reglementierte berufliche Tätigkeit eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder Ausübung oder eine ihrer Arten der Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Diploms gebunden ist. Als Art der Ausübung einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gilt insbesondere

- die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in Verbindung mit der Führung eines Titels, der nur von Personen geführt werden darf, die ein Diplom besitzen, das in einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt ist;

- die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen, wenn die Vergütung dieser Tätigkeit und/oder eine diesbezügliche Erstattung durch das einzelstaatliche System der sozialen Sicherheit an den Besitz eines Diploms gebunden ist ..."

4. Artikel 2 lautet auszugsweise:

Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen."

5. Artikel 3 sieht u. a. vor:

Wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung im Aufnahmestaat von dem Besitz eines Diploms abhängig gemacht wird, kann die zuständige Stelle einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern,

a) wenn der Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf in seinem Hoheitsgebiet zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde, oder ..."

6. Artikel 4 erlaubt dem Aufnahmestaat, dem Antragsteller bestimmte Ausgleichsmaßnahmen, wie den Nachweis einer Berufserfahrung, die Absolvierung eines Anpassungslehrganges oder die Ablegung einer Eignungsprüfung, vorzuschreiben.

B - Nationales Recht

7. Die zentrale Vorschrift im Ausgangsverfahren bildet das Dekret 88-163 vom 19. Februar 1988 mit besonderen beamtenrechtlichen Bestimmungen bezüglich der Dienstgrade und -posten der Bediensteten des höheren Verwaltungsdienstes von Einrichtungen des Krankenhauswesens. Dieses Dekret setzt das Gesetz 86-33, das Generalstatut für öffentlich Bedienstete, um, dessen Kapitel IV den öffentlichen Dienst der Krankenanstalten regelt.

8. Das Gesetz 86-33 sieht in seinem Artikel 29 im Wesentlichen vor, dass ein fonctionnaire" im Wege eines Auswahlverfahrens eingestellt wird. Artikel 37 dieses Gesetzes bestimmt u. a., dass die Verbeamtung (titularisation") nach Absolvierung eines stage" erfolgt.

9. Aus Artikel 5 des Dekrets 88-163 ergibt sich, dass die Besetzung von Stellen des höheren Dienstes der öffentlichen Krankenhausverwaltung in Frankreich grundsätzlich durch einen concours", d. h. ein Auswahlverfahren in Form eines Auswahlwettbewerbes, erfolgt. Dieses Auswahlverfahren ist Zugangsvoraussetzung für einen Ausbildungsgang, der von der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Rennes (im Folgenden: ENSP) durchgeführt wird. Der Ausbildungsgang umfasst theoretische und praktische Teile und hat eine Dauer von 24 bis 27 Monaten. Die Bewertung erfolgt durch Benotung der einzelnen Fächer, wobei ein Prüfungsausschuss am Ende der Ausbildung eine Reihung (classement") vornimmt. Die Kandidaten, die den Ausbildungslehrgang erfolgreich absolviert haben, werden in ein Beamtenverhältnis übernommen.

10. Das Dekret 93-703 vom 27. März 1993 betreffend die ENSP sieht u. a. vor, dass die ENSP Diplome verleiht.

11. Das Dekret 2000-232 vom 13. März 2000 sieht vor, dass Kandidaten, die im EWR eine Ausbildung auf gleichem Niveau absolviert haben, der Ausbildungslehrgang oder Teile davon erlassen werden können.

III - Sachverhalt und Ausgangsverfahren

12. Aus den Akten ergibt sich, dass Frau Burbaud, die portugiesische Staatsangehörige war und später französische Staatsangehörige wurde, 1981 einen Abschluss in Rechtswissenschaften an der Universität von Lissabon gemacht hat. Ihr Vorbringen, dass sie im Jahr 1983 an der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon ein Diplom in Krankenhausverwaltung erhalten habe und vom 1. September 1983 bis zum 20. November 1989 im öffentlichen Dienst in Portugal in der Krankenhausverwaltung tätig gewesen sei, ist unbestritten geblieben. Danach wurde ihr eine Beurlaubung zur Weiterbildung gewährt, damit sie in Frankreich ein Doktoratsstudium aufnehmen konnte. Am 2. Juli 1993 hat Frau Burbaud beim französischen Gesundheitsministerium beantragt, in den höheren Dienst der öffentlichen Krankenhausverwaltung in Frankreich aufgenommen zu werden. Mit Schreiben vom 20. August 1993 hat der Minister ihren Antrag im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dass die Aufnahme in den französischen Staatsdienst die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren voraussetze.

13. Daraufhin hat Frau Burbaud beim Tribunal administratif Lille den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung des Gesundheitsministers gestellt. Am 8. Juli 1997 hat das Tribunal administratif Lille diesen Antrag zurückgewiesen. Dagegen erhob Frau Burbaud am 2. Oktober 1997 Klage bei der Cour administrative dappel Nancy, die diese Klage am 30. August 1999 an die Cour administrative dappel Douai verwiesen hat.

14. Frau Burbaud macht geltend, dass gemäß der Richtlinie das Diplom der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon von Frankreich als dem Abschluss an der ENSP vergleichbar anzusehen sei und dass ihr daher das portugiesische Diplom, das sie besitze, erlaube, in den höheren Verwaltungsdienst aufgenommen zu werden, ohne am Auswahlverfahren für die Aufnahme in die ENSP teilzunehmen.

IV - Vorlagefragen

15. Die Cour administrative dappel Douai hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist ein Ausbildungsgang an einer Schule wie der ENSP zur Vorbereitung auf eine Beamtenlaufbahn, der zur Übernahme in ein Beamtenverhältnis führt, einem Diplom im Sinne der Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1988 vergleichbar? Wenn ja: Wie ist zu beurteilen, ob das Diplom der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon und dasjenige der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Rennes gleichwertig sind?

2. Wenn die erste Frage bejaht wird: Kann die zuständige Stelle die Aufnahme von Beamten eines anderen Mitgliedstaats in den öffentlichen Dienst von Bedingungen abhängig machen und insbesondere die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren für die Aufnahme in die Schule auch dann verlangen, wenn diese Beamten bereits in ihrem Heimatland an einem vergleichbaren Auswahlverfahren teilgenommen haben und geltend machen, im Besitz eines gleichwertigen Diploms zu sein?

VI - Zur ersten Vorlagefrage

A - Vorbringen der Beteiligten

16. Frau Burbaud hat in der mündlichen Verhandlung betont, dass das französische System insofern gegen Artikel 39 EG und gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot verstoße, als es eine - nicht nur indirekte - Diskriminierung enthalte. Frau Burbaud konzentrierte sich dabei auf die Regelung von Artikel 5 des Dekrets 88-163, wonach die Absolvierung der ENSP Voraussetzung für den Zugang zum Beruf sei und das Auswahlsystem keine Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Kenntnissen erlaube, wodurch gerade die höherqualifizierten Interessenten abgeschreckt würden. Des Weiteren bringe Frankreich auch keinen Rechtfertigungsgrund für dieses System vor.

17. Ferner vertrat Frau Burbaud die Auffassung, dass die Richtlinie auf die gegenständliche Ausbildung Anwendung finde, weil es sich um einen reglementierten Beruf handle und ein Diplom im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie vorliege. Des Weiteren seien die Voraussetzungen von Artikel 3 der Richtlinie erfuellt. Schließlich betont Frau Burbaud die Parallelen zwischen der von ihr absolvierten Ausbildung an der Schule für Gesundheitswesen in Lissabon und der ENSP.

18. Die französische Regierung bestreitet, dass die Ausbildung an der ENSP, die bei erfolgreichem Abschluss zur Verbeamtung im öffentlichen Dienst der Krankenhausverwaltung führt, in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt. Zudem gehöre, selbst wenn die Ausnahme von Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG) nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf den Ausgangsfall nicht anwendbar sei, die verfahrensgegenständliche Beschäftigung zum nationalen öffentlichen Dienst. Wegen der Besonderheiten des französischen öffentlichen Dienstes finde die Richtlinie auf solche Beschäftigungen und auf das Statut, dem diese Beschäftigten unterliegen, keine Anwendung.

19. Die französische Regierung erinnert daran, dass ein Student der ENSP bereits mit der bestandenen Aufnahmeprüfung als bezahlter agent stagiaire" dem öffentlichen Dienst auf Probezeit angehöre und dass der erfolgreiche Abschluss der Ausbildung an der ENSP mit der Verbeamtung des Studenten zusammenfalle, ja deren Hauptziel bilde.

20. Die französische Regierung vertritt daher die Auffassung, dass das Zeugnis, das diesen stage" an der ENSP belegt, unbeschadet seiner Qualifizierung als Diplom im Sinne des Dekrets 93-703, nicht als Diplom im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie anzusehen ist. Der einzige Zweck dieses Zeugnisses liege nämlich darin, die Verbeamtung in den Zweig Krankenhausdirektoren des öffentlichen Dienstes zu belegen. Dieses Zeugnis belege nicht den Abschluss einer akademischen Ausbildung, weil die Studenten der ENSP bereits dem öffentlichen Dienst angehörten.

21. Des Weiteren bringt die französische Regierung vor, dass das Beamtenstatut und im Besonderen das übergeordnete Interesse des öffentlichen Dienstes nicht erlauben würden, dass Beschäftigungen unter diesem Statut als reglementierter Beruf im Sinne der Richtlinie angesehen werden dürfen: Die Richtlinie sei nämlich für Berufe geschaffen worden, die unabhängig von einem bestimmten Tätigkeitsbereich ausgeübt werden können, und damit nicht für solche des Tätigkeitsbereiches öffentlicher Dienst.

22. Schließlich macht die französische Regierung geltend, dass ein Dekret aus dem Jahr 2000 die Möglichkeit vorsehe, die Ausbildung an der ENSP den Kandidaten, die zum concours" zugelassen seien und über eine gleichwertige Ausbildung in einem anderen Mitgliedstaat als Frankreich oder in einem der Vertragsstaaten des EWR verfügen, ganz oder teilweise zu erlassen. Dieses Dekret diene allerdings nicht der Umsetzung der Richtlinie, sondern erleichtere den französischen Behörden die Aufnahme von Gemeinschaftsbürgern in den Zweig Krankenhausdirektoren des öffentlichen Dienstes mittels concours".

23. Die italienische Regierung weist darauf hin, dass das französische System der Einstellung in den öffentlichen Krankenhausdienst eine doppelte Funktion habe: die Ausbildung für den Zweig Krankenhausdirektoren und die Auswahl einer begrenzten Anzahl aus den Studenten. Diese beiden Funktionen seien deutlich zu trennen, wobei die erste unter die Richtlinie falle. Daher sei das Diplom der ENSP hinsichtlich der Berufsausbildung einem in einem anderen Mitgliedstaat verliehenen Diplom vergleichbar. Die Gleichwertigkeit sei anhand der Vorgaben der Richtlinie zu prüfen.

24. Die schwedische Regierung geht davon aus, dass der Beruf des Krankenhausverwalters als eine reglementierte berufliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie zu qualifizieren sei, weil der Zugang zu diesem Beruf den erfolgreichen Abschluss einer Aufnahmeprüfung in die ENSP, die Ausbildung und das erfolgreiche Bestehen der Abschlussprüfung eben dort voraussetze. Sind auch die anderen Kriterien der Richtlinie erfuellt, handle es sich daher um ein Diplom im Sinne der Richtlinie. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass damit eine Stelle in der öffentlichen Verwaltung verbunden sei. Ob das von Frau Burbaud erworbene Diplom mit jenem der ENSP gleichwertig sei, habe der nationale Richter zu prüfen.

25. Die Kommission ist der Ansicht, dass das gegenständliche Krankenhausverwalter-Diplom ein Diplom im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie ist. Denn es werde von der zuständigen Stelle eines Mitgliedstaats ausgestellt, belege einen dreijährigen Ausbildungslehrgang, mit dessen Abschluss der Inhaber des Diploms qualifiziert sei, den Beruf eines Krankenhausverwalters im öffentlichen Dienst auszuüben.

26. Nach Auffassung der Kommission bestätige das Diplom eine Ausbildung, wobei für die Teilnahme an dem Lehrgang, der aus einer 24 bis 27 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung bestehe, das Bestehen eines Auswahlverfahrens erforderlich sei.

27. Nach Artikel 3 der Richtlinie seien die französischen Behörden im Ausgangsfall verpflichtet, das Diplom von Frau Burbaud anzuerkennen, weil es in dem Mitgliedstaat, in dem sie es erworben hat, den Zugang zu demselben Beruf eröffne. Sollten zwischen den beiden Ausbildungen Unterschiede bestehen, könne Frankreich Ausgleichsmaßnahmen im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie vorschreiben.

B - Würdigung

1. Qualifizierung des Ausbildungslehrganges an einer Schule wie der ENSP

28. Zur Beantwortung der ersten Vorlagefrage ist zuerst zu klären, ob Beschäftigungen im öffentlichen Gesundheitswesen, d. h. in der öffentlichen Verwaltung, überhaupt von der Richtlinie erfasst werden. Im Anschluss daran ist zu untersuchen, ob das Diplom des Krankenhausverwalters als Diplom im Sinne der Richtlinie zu qualifizieren ist, insbesondere ob der Beruf des Krankenhausverwalters in Frankreich einen reglementierten Beruf im Sinne der Richtlinie darstellt.

29. Dieses Vorabentscheidungsverfahren zeigt, dass die Richtlinie nicht nur für EU-Ausländer, sondern auch für Staatsangehörige eines Aufnahmestaates, also hier für französische Staatsangehörige, rechtliche und praktische Bedeutung hat. Denn diese erfuellen zwar selbst das für manche Berufe in der öffentlichen Verwaltung verlangte Erfordernis der Staatsangehörigkeit, können sich aber einem anderen Hindernis für den Berufszugang gegenübersehen, und zwar dem Erfordernis eines inländischen Diploms. Die Richtlinie dient nun der Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Diplomen, auch, sei es durch Personen, die immer schon die Staatsangehörigkeit des Aufnahmestaates besaßen, sei es, dass sie diese erst nach Erwerb des Diploms in einem anderen Mitgliedstaat erhalten haben, wie Frau Burbaud.

a) Anwendung der Richtlinie auf Berufe in der öffentlichen Verwaltung

30. Zunächst ist auf das Vorbringen der französischen Regierung einzugehen, wonach die Richtlinie auf Berufe im so genannten öffentlichen Sektor keine Anwendung findet.

31. Diesbezüglich sei auf ein Urteil des Gerichtshofes hingewiesen, in dem dieser die Richtlinie auf einen Beruf in der öffentlichen Verwaltung angewendet hat.

32. Des Weiteren ist von den Vorschriften der Richtlinie über deren Geltungsbereich auszugehen. So heißt es in deren Artikel 2 Absatz 1 schlicht, dass die Richtlinie für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats [gilt], die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf ... ausüben wollen". Daraus folgt, dass der Richtlinie grundsätzlich alle selbständigen und unselbständigen reglementierten Berufe unterfallen. Sollte die Richtlinie nicht auch für Berufe in der öffentlichen Verwaltung gelten, hätte der Gemeinschaftsgesetzgeber eine entsprechende Ausnahme vorgesehen. So sieht Artikel 2 der Richtlinie eine Ausnahme für Berufe vor, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind.

33. Eine ausdrückliche Ausnahme für Berufe in der öffentlichen Verwaltung sieht die Richtlinie hingegen nicht vor. Jedoch findet sich im 12. Erwägungsgrund folgender Hinweis auf die im Primärrecht normierten Ausnahmen für die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung und für Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind:

Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome präjudiziert in keiner Weise die Anwendung von Artikel 48 Absatz 4 und Artikel 55 des Vertrags."

34. Allerdings ist dieser Hinweis lediglich von deklaratorischer Bedeutung, weil die in Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG) und Artikel 55 EG-Vertrag (jetzt Artikel 45 EG) vorgesehenen Ausnahmen durch die Richtlinie, d. h. auf der Ebene des abgeleiteten Rechts, nicht zurückgenommen werden können.

35. Die im Primärrecht normierten Ausnahmen wirken also zugleich als Ausnahme von der Richtlinie. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass damit auch der gesamte öffentliche Sektor aus dem Geltungsbereich der Richtlinie herausfällt.

36. Zur Bestimmung der Reichweite dieser primärrechtlichen Ausnahme ist vielmehr die - enge - Auslegung der hier zu prüfenden Vorschrift von Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG) heranzuziehen.

37. Die französische Regierung hat keine Argumente vorgebracht, um im Anlassfall die Erfuellung der Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift zu belegen. Sie hat lediglich ausgeführt, dass bestimmte Anstellungen in der öffentlichen Verwaltung zwar nicht unter die Ausnahme von Artikel 39 Absatz 4 EG fallen, aber dennoch zur nationalen öffentlichen Verwaltung gehören. Im vorliegenden Verfahren ist allerdings gerade die Reichweite der gemeinschaftsrechtlichen Ausnahme entscheidend. Denn für die rechtliche Beurteilung im Lichte des Gemeinschaftsrechts ist freilich die Qualifizierung nach Gemeinschaftsrecht entscheidend und nicht die Zuordnung nach nationalem Recht.

38. Somit kann es also Berufe oder zumindest Tätigkeiten geben, die zwar zur öffentlichen Verwaltung des betreffenden Mitgliedstaats gehören, jedoch nicht unter die im Primärrecht verankerte und auch für die Richtlinie bedeutsame Ausnahme fallen.

39. Für Berufe im Gesundheitswesen lässt sich freilich sagen, dass sie grundsätzlich nicht das von der Rechtsprechung entwickelte Erfordernis erfuellen, um unter die Ausnahme von Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG) zu fallen. Denn das setzt voraus, dass es sich um Stellen handelt, die tatsächlich eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse oder an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind".

40. Abschließend ist noch auf die von der französischen Regierung vorgetragenen Argumente hinsichtlich der Besonderheiten der écoles dadministration" in Frankreich einzugehen, zu der die ENSP gehört.

41. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kommt es für die Anwendung der Ausnahmevorschrift von Artikel 48 Absatz 4 EG-Vertrag (jetzt Artikel 39 Absatz 4 EG) nicht darauf an, ob jemand Beamter oder Angestellter ist. Daher spielt auch der Umstand keine Rolle, dass die Teilnehmer an dem Ausbildungslehrgang der ENSP einem eigenem Statut unterliegen, nämlich als so genannte agents stagiaires" gelten, und dass sie bei erfolgreichem Abschluss der Ausbildung zu Beamten ernannt werden.

42. Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass die Richtlinie grundsätzlich auch auf Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung Anwendung findet.

b) Diplom des Krankenhausverwalters als Diplom im Sinne der Richtlinie?

43. Damit das Diplom des Krankenhausverwalters als Diplom im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie anzusehen ist, hat es den in dieser Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen zu entsprechen: d. h. insbesondere Ausstellung des Diploms in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle sowie Voraussetzung des Diploms für den Zugang zu einem reglementierten Beruf.

44. Die Voraussetzung, dass das Diplom der ENSP in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt wird, ist zweifelsohne erfuellt. Hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen wird ernsthaft lediglich bestritten, ob es sich bei dem Beruf, zu dessen Zugang das Diplom der ENSP erforderlich ist, um einen reglementierten Beruf handelt.

45. Nach der Legaldefinition von Artikel 1 Buchstabe c der Richtlinie liegt ein reglementierter Beruf dann vor, wenn er aus einer oder mehreren reglementierten beruflichen Tätigkeiten besteht.

46. Aus Artikel 1 Buchstabe d der Richtlinie wiederum folgt, dass eine reglementierte berufliche Tätigkeit eine berufliche Tätigkeit ist, deren Aufnahme oder Ausübung oder eine ihrer Ausübungsarten in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Diploms gebunden ist.

47. Diese letztere Bestimmung hat der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Aranitis folgendermaßen ausgelegt:

Die Aufnahme oder Ausübung eines Berufes muss dann als direkt rechtlich geregelt angesehen werden, wenn die Rechts- oder Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats eine Regelung enthalten, durch die die betreffende berufliche Tätigkeit ausdrücklich Personen vorbehalten wird, die bestimmte Voraussetzungen erfuellen, während die Aufnahme dieser Tätigkeit denjenigen versagt wird, die diese Voraussetzungen nicht erfuellen."

48. Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen erfuellt. Das ergibt sich aus den Vorschriften des Gesetzes 86-33, des Dekretes 88-163 und des Statuts für Krankenhausdirektoren. Aus Artikel 5 des Dekrets 88-163 folgt, dass die Besetzung von Posten in der öffentlichen Krankenhausverwaltung grundsätzlich durch ein Auswahlverfahren erfolgt, das Zugangsvoraussetzung für einen Ausbildungslehrgang ist, der von der ENSP durchgeführt wird. Die erfolgreichen Absolventen werden in ein Beamtenverhältnis übernommen.

49. Daraus ergibt sich, dass für die Ausübung des Berufes des Krankenhausverwalters die erfolgreiche Absolvierung des Ausbildungslehrganges erforderlich ist. Damit liegt ein so genanntes Tätigkeitsmonopol vor.

50. Dass das Diplom der ENSP zugleich die Urkunde ist, in der die Ernennung zum Beamten festgehalten wird, ändert daran ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass die Kandidaten bereits während des Ausbildungslehrganges in den öffentlichen Dienst aufgenommen worden sind. Diese beiden Aspekte demonstrieren lediglich die mehrfache Bedeutung des Diploms und belegen seine doppelte Natur als Nachweis über den erfolgreichen Abschluss des Lehrganges und als Akt der Ernennung.

51. In der über die reine Funktion als Abschlusszeugnis hinausgehenden Bedeutung des von der ENSP vorgenommenen Aktes kommt lediglich eine Besonderheit des Einstellungssystems des französischen öffentlichen Dienstes zum Ausdruck. Diese Zusatzwirkung ergibt sich aus dem nationalen Recht und ändert nichts an der Qualifizierung als Diplom im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie. Dass das nationale Recht an ein solches Diplom noch weitere, über die Richtlinie hinausgehende Wirkungen knüpft, ist für die Zwecke der Richtlinie unerheblich.

2. Gleichwertigkeit des Zeugnisses der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon mit dem Diplom der ENSP

52. Der zweite Teil der ersten Vorlagefrage bezieht sich auf die Gleichwertigkeit des Zeugnisses der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon mit dem Diplom der ENSP.

53. Ausgehend von der diesbezüglich zentralen Vorschrift des Artikels 3 der Richtlinie wäre zu prüfen, ob der Antragsteller, d. h. Frau Burbaud, jenes Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat, in concreto in Portugal, erforderlich ist, um in Portugal Zugang zum Beruf des Krankenhausverwalters zu erhalten oder ihn dort auszuüben. Es wäre also zu untersuchen, ob das Zeugnis der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Lissabon für Zugang oder Ausübung dieses Berufes in Portugal erforderlich ist.

54. Des Weiteren wären insbesondere Dauer und/oder Inhalt der Ausbildung zu ermitteln oder zu untersuchen, ob der reglementierte Beruf in Frankreich Tätigkeiten umfasst, die in Portugal nicht Bestandteil des betreffenden reglementierten Berufes sind, d. h. die entsprechenden Inhalte der Tätigkeiten zu vergleichen, nicht also die Berufe als solche, weil andernfalls die Gefahr bestuende, allein anhand der gleichen Bezeichnung zu entscheiden.

55. Wie die schwedische Regierung zu Recht ausführt, handelt es sich bei einer solchen Prüfung jedoch um eine Aufgabe der zuständigen nationalen Stellen. Während es nämlich Aufgabe des Gerichtshofes ist, dem nationalen Gericht die Hinweise zur Auslegung zu geben, die zur Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind, ist es Sache des nationalen Gerichtes, den in Rede stehenden Sachverhalt anhand der vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien zu beurteilen. Das gilt insbesondere in Anbetracht der Natur der vorzunehmenden Prüfung. Denn die Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften wie der Vorschriften zu deren Umsetzung auf einen konkreten Fall bleibt Aufgabe des nationalen Gerichtes.

VII - Zur zweiten Vorlagefrage

56. Die zweite Vorlagefrage betrifft die Zulässigkeit bestimmter Bedingungen für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst, insbesondere einer bestimmten Art von Auswahlverfahren. Diese Vorlagefrage bezieht sich im Übrigen nur auf den Fall, dass die Betroffenen in ihrem Herkunftstaat schon an einem Auswahlverfahren teilgenommen haben und den Besitz eines gleichwertigen Diploms geltend machen.

A - Vorbringen der Beteiligten

57. Die französische Regierung schlägt vor, auf die zweite Frage zu antworten, dass ein Mitgliedstaat (Aufnahmestaat) von einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der bereits in seinem Herkunftstaat ein Auswahlverfahren bestanden hat, für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst das erfolgreiche Bestehen eines weiteren Auswahlverfahrens im Aufnahmestaat vorschreiben darf.

58. Das verfahrensgegenständliche Auswahlverfahren könne nicht als Diplom im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie qualifiziert werden, weil es sich um eine bestimmte Form der Einstellung handle und nicht bestätige, dass derjenige, der das Auswahlverfahren bestanden habe, einen bestimmten Studiengang erfolgreich absolviert habe. Im Übrigen erfolge auch die Aufnahme in den öffentlichen Dienst der Gemeinschaft im Wege von Auswahlverfahren. Schließlich sei das die objektivste Form, um den Grundsatz des gleichen Zugangs zum öffentlichen Dienst umzusetzen.

59. Daraus folge, dass ein Auswahlverfahren keinesfalls als Diplom im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie angesehen werden könne, und die Mitgliedstaaten daher nicht verpflichtet seien, die Gleichwertigkeit zwischen den von ihnen und den in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Auswahlverfahren anzuerkennen.

60. Des Weiteren blieben die Mitgliedstaaten unter Beachtung der Artikel 12 und 39 Absatz 2 EG zuständig, die Einstellungsbedingungen und die Regelungen für das Funktionieren ihres öffentlichen Dienstes festzulegen. Diesbezüglich macht die französische Regierung geltend, dass die Durchführung ein und desselben Auswahlverfahrens für alle Kandidaten, die in den öffentlichen Dienst eines Mitgliedstaats aufgenommen werden wollen, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit dem Grundsatz der Gleichbehandlung entspreche. Im Übrigen teile die Kommission in ihrer begründeten Stellungnahme vom 13. März 2000 diese Auffassung.

61. Die italienische Regierung vertritt die Auffassung, dass die zweite Frage weder die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft noch die Anerkennung von Hochschuldiplomen nach der Richtlinie betreffe, sondern die Gleichwertigkeit zwischen nationalen Auswahlverfahren für die Ausübung von Leitungsfunktionen im öffentlichen Dienst.

62. Diese Materie falle jedoch in die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats, der frei sein sollte, das seinem System und seinen Anforderungen am besten entsprechende Einstellungsverfahren zu wählen. Allerdings sei dieser Freiraum nicht unbeschränkt, ergeben sich doch Grenzen aus einer eventuellen gemeinschaftlichen Regelung und dem auf Arbeitnehmer anwendbaren Diskriminierungsverbot.

63. Die schwedische Regierung bringt ausgehend von ihrer Stellungnahme zur ersten Frage vor, dass Frau Burbaud die für Krankenhausverwalter in Frankreich vorgeschriebenen Ausbildungsvoraussetzungen erfuelle. Daher könne von ihr nicht verlangt werden, die Aufnahmeprüfung für die ENSP abzulegen.

64. Das französische System sei dadurch charakterisiert, dass die Einstellung in den öffentlichen Dienst nach der universitären Grundausbildung, aber vor der beruflichen Spezialisierung erfolge. Ein Einstellungssystem, das von beruflich qualifizierten Arbeitnehmern die Ablegung einer Zugangsprüfung verlangt, die auch von Nichtqualifizierten abzulegen ist, widerspreche den Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese verbieten nämlich nicht nur Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle Hindernisse für den Berufszugang in einem anderen Mitgliedstaat. Das bestehende Einstellungssystem falle auch dann unter die - im Übrigen unmittelbar anwendbare - Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn es unterschiedslos auf Inländer und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten angewandt werde.

65. Nach Auffassung der schwedischen Regierung könne das bestehende System jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein, wenn es ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolge und nicht über das hinausgehe, was zu dessen Erreichung erforderlich sei. Das festzustellen sei aber Aufgabe des nationalen Richters. Der Umstand, dass Frau Burbaud bereits in Portugal ein Auswahlverfahren bestanden habe, sei angesichts der Zielsetzung des französischen Auswahlverfahrens ohne Belang.

66. Das bestehende System zwinge einen in einem anderen Mitgliedstaat qualifizierten Krankenhausverwalter dazu, sich einer Aufnahmeprüfung für einen Ausbildungslehrgang zu unterziehen, der aber gerade zur Ausbildung von Krankenhausverwaltern diene. Diese Prüfung diene also nicht der Prüfung der beruflichen Erfahrung oder der für die Berufsausübung in Frankreich erforderlichen Kenntnisse, sondern sei auf Berufsanfänger zugeschnitten.

67. Da die Aufnahmeprüfung also nicht der beruflichen Erfahrung Rechnung trage, benachteilige sie die qualifiziertesten Arbeitnehmer, die sich ihre Qualifikationen nicht anrechnen lassen könnten. Das bestehende System habe daher einen abschreckenden Effekt. Es sei sogar diskriminierend, weil sich unter der Gruppe der Benachteiligten mehrheitlich ausländische Arbeitnehmer befänden, da Kandidaten aus Frankreich noch keine Möglichkeit gehabt hätten, eine vergleichbare Berufserfahrung zu sammeln.

68. Die Kommission macht geltend, dass das Auswahlverfahren zum Einstellungssystem gehöre und von der Diplomanerkennung zu unterscheiden sei. Die Anerkennung eines Diploms verleihe kein Recht auf eine Beschäftigung. Vielmehr kämen die auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt bestehenden Einstellungssysteme zur Anwendung. Die französischen Behörden könnten daher selbst denjenigen Personen, die bereits in ihrem Herkunftstaat ein vergleichbares Auswahlverfahren bestanden haben, ein Auswahlverfahren vorschreiben. Dieses habe allerdings den Zugang zum Beruf und nicht nur zu einem Ausbildungslehrgang zu gewähren.

69. In der mündlichen Verhandlung konzentrierte sich die Kommission auf eine Bewertung des französischen Systems im Lichte von Artikel 39 EG und vertrat dabei die Auffassung, dass der Berufszugang beschränkt werde, weil - auch für qualifizierte - Ausländer dieselben Bedingungen gelten. Zu einer eventuellen Rechtfertigung dieser Beschränkung wies die Kommission darauf hin, dass Frankreich keinen Rechtfertigungsgrund vorbrachte.

B - Würdigung

70. In der zweiten Vorlagefrage stehen die Besonderheiten des französischen Rekrutierungssystems der öffentlichen Krankenhausverwaltung auf dem Prüfstand. Im vorliegenden Verfahren geht es um ein System, das vor und nach einem Ausbildungslehrgang jeweils eine Bewertung vorsieht, und zwar einen Auswahlwettbewerb und eine Bewertung des erfolgreichen Abschlusses des Lehrganges.

71. Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorlagefrage nicht nur die Aufnahmeprüfung (concours dentrée"), sondern auch die Bewertung des erfolgreichen Abschlusses des Lehrganges betrifft, weil die Aufnahme in die ENSP nur als eine mögliche Bedingung für die Aufnahme in den öffentlichen Dienst angeführt wird.

72. Wenn die französische Regierung vorbringt, dass die Mitgliedstaaten frei seien, die Modalitäten für die Einstellung in den öffentlichen Dienst festzulegen, so ist darauf hinzuweisen, dass auch dafür gemeinschaftsrechtliche Grenzen bestehen, wie die italienische Regierung zu Recht betont.

73. Aus der Formulierung der zweiten Vorlagefrage und deren Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage ergibt sich, dass auch diese Frage auf die Richtlinie bezogen ist. Andere Vorschriften des Gemeinschaftsrechts nennt weder diese noch die erste Vorlagefrage. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofes, die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu ermitteln, sondern die vom Vorlagegericht angeführten Vorschriften, also die Richtlinie, auszulegen.

74. Aber selbst im Rahmen der Richtlinie bleibt es bei der grundsätzlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sowohl in den Umsetzungsvorschriften als auch in der konkreten Anwendung die Vorgaben zu beachten, wie sie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung über die Anerkennung von Diplomen entwickelt hat.

75. Wie die Kommission zu Recht ausführt, ist ein Selektionsmechanismus bei der Aufnahme in den öffentlichen Dienst grundsätzlich zulässig. Wie schon im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefrage dargelegt, verbindet das von Frankreich gewählte System in seinen Auswahlverfahren Ausbildung und Aufnahme sowie quantitative und qualitative Elemente. Das gilt sowohl für die Aufnahmeprüfung als auch für die den Lehrgang abschließende Bewertung, gehören doch bereits die Teilnehmer des Ausbildungslehrganges als agents stagiaires" dem öffentlichen Dienst an und werden sie bei entsprechender Bewertung ihrer Ausbildung an der ENSP zu Beamten.

76. Wenn die französische Regierung vorbringt, dass die bestehende Regelung nur den Gleichheitsgrundsatz beim Zugang zu Stellen der öffentlichen Verwaltung verwirklicht, so trifft das, wie noch zu zeigen ist, in dieser Allgemeinheit nicht zu. Ebenso wenig kann dem Argument gefolgt werden, dass den primärrechtlichen Vorgaben von Artikel 39 Absatz 2 EG entsprochen werde. Selbst die Berufung auf das Gleichbehandlungsgebot erscheint nicht zielführend, weil gemäß dem französischen System in einem anderen Mitgliedstaat qualifizierte denselben Regeln unterliegen wie nicht qualifizierte Bewerber; sie haben insbesondere dieselbe Ausbildung zu absolvieren.

77. Wie nämlich die schwedische Regierung und die Kommission zu Recht ausführen, werden dem französischen System nicht nur Berufsanfänger, sondern auch qualifizierte Bewerber unterworfen. Das gilt insbesondere für das Erfordernis, für den Ausbildungslehrgang eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren.

78. Die Mitgliedstaaten haben nach den Vorgaben der Richtlinie eine Prüfung der Gleichwertigkeit der Diplome vorzusehen. Ergibt eine solche Prüfung nun, dass das in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Diplom mit dem der ENSP gleichwertig" ist - und die zweite Vorlagefrage wird nur für diesen Fall gestellt -, darf nicht einmal die Absolvierung des Ausbildungslehrganges verlangt werden.

79. Ein solches Erfordernis liefe sonst darauf hinaus, dass die Berufserfahrung oder die Qualifikationen, die in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurden, nicht berücksichtigt werden, was ein klassischer Fall einer versteckten Diskriminierung wäre.

80. Da die Bewertung am Ende des Ausbildungslehrganges über eine bloße quantitative Auswahl hinausgeht, also auch die Bewertung von Kenntnissen und/oder praktischer Erfahrung umfasst, könnte sogar die - jetzt nicht bestehende - Möglichkeit der abschließenden Bewertung, d. h. des direkten Zugangs zu dieser Art Prüfung, hinsichtlich von bereits qualifizierten Berufsangehörigen einen Verstoß gegen die Richtlinie darstellen.

81. Das im Ausgangsverfahren angewandte System ist also insoferne gemeinschaftsrechtswidrig, als es nicht erlaubt, die davor erworbenen Qualifikationen zu berücksichtigen. Die Pflicht zur Anerkennung von Endprodukten", d. h. eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen gleichwertigen Diploms, bildet aber gerade einen fundamentalen Grundsatz der Richtlinie.

82. Zum Vorbringen der französischen Regierung, wonach keine Verpflichtung zur Anerkennung von Auswahlverfahren besteht, ist zu bemerken, dass dies insoferne zutrifft, als keine automatische Anerkennung tel quel" vorzunehmen ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit das ausländische mit dem inländischen Auswahlverfahren gleichwertig ist.

83. Auf der einen Seite kann der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Auswahlverfahren abhält, kein Hindernis für die Anwendung der in der Richtlinie normierten Anerkennungspflicht sein. Auf der anderen Seite fordert das Gemeinschaftsrecht aber auch nicht den völligen Wegfall von Auswahlverfahren. Die Richtlinie regelt nämlich nicht quantitative Zugangsbeschränkungen, sondern qualitative, und zwar die Anerkennung von Diplomen.

84. Daher lässt sich aus der Richtlinie zumindest eine Verpflichtung zur - allfälligen - Anpassung der Einstellungssysteme ableiten. So ist im Rahmen von Auswahlverfahren eine Anrechnungsmöglichkeit für in einem anderen Mitgliedstaat erworbene Qualifikationen vorzusehen. In bestimmten Fällen verlangt die Richtlinie so auch die Umwandlung eines geschlossenen in ein offenes Monopol.

85. Zwar gestattet Artikel 4 der Richtlinie den Mitgliedstaaten, wie bereits oben dargelegt, Ausgleichsmaßnahmen zu ergreifen, und diese können auch in ein - modifiziertes - Auswahlverfahren eingebaut werden.

86. In einem solchen modifizierten Auswahlverfahren können daher auch grundsätzlich weiterhin Prüfungen vorgesehen sein. Diese haben sich jedoch von den verfahrensgegenständlichen, einheitlichen Prüfungen für Qualifizierte und Nichtqualifizierte, d. h. gänzlich ohne Anrechungsmöglichkeit, zu unterscheiden.

87. Die notwendigen Anpassungen des nationalen Rechts können selbst gesetzliche Änderungen bestehender Einstellungssysteme erfordern, also z. B. der Sonderbestimmungen für den öffentlichen Dienst der Krankenanstalten im Generalstatut oder in den entsprechenden Dekreten betreffend Agents stagiaires" bzw. betreffend die ENSP". Das könnte etwa dadurch geschehen, dass schon bestehende Ausnahmemöglichkeiten auf Fälle der Diplomanerkennung erweitert werden. In diesem Zusammenhang sei nur an die bestehenden Ausnahmen für die Fälle der mutation" oder der Externberufung (tour extérieur") erinnert.

88. Auf die zweite Vorlagefrage ist daher zu antworten, dass die zuständige Stelle die Aufnahme von Beamten eines anderen Mitgliedstaats in den öffentlichen Dienst des Aufnahmestaats nicht von Bedingungen abhängig machen und insbesondere nicht die erfolgreiche Teilnahme an einem Auswahlverfahren wie dem des Ausgangsverfahrens verlangen darf, wenn diese Beamten im Besitz eines gleichwertigen Diploms sind.

VIII - Ergebnis

89. Nach alldem wird dem Gerichtshof vorgeschlagen, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1. Ein Ausbildungsgang an einer Schule wie der nationalen Schule für Gesundheitswesen in Rennes (École Nationale de la Santé Publique - ENSP) zur Vorbereitung auf eine Beamtenlaufbahn, der zur Übernahme in ein Beamtenverhältnis führt, führt zu einem Diplom im Sinne der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen.

2. Die zuständige Stelle kann die Aufnahme von Beamten eines anderen Mitgliedstaats in den öffentlichen Dienst des Aufnahmestaats nicht von Bedingungen abhängig machen und insbesondere nicht die erfolgreiche Teilnahme an Auswahlverfahren wie dem des Ausgangsverfahrens verlangen, wenn diese Beamten im Besitz eines gleichwertigen Diploms im Sinne der Richtlinie sind.

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