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Document 61999CC0299

    Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 23. Januar 2001.
    Koninklijke Philips Electronics NV gegen Remington Consumer Products Ltd.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) - Vereinigtes Königreich.
    Rechtsangleichung - Marken - Richtlinie 89/104/EWG - Artikel 3 Absätze 1 und 3, Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b - Markenformen - Zeichen, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen.
    Rechtssache C-299/99.

    Sammlung der Rechtsprechung 2002 I-05475

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2001:52

    61999C0299

    Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer vom 23. Januar 2001. - Koninklijke Philips Electronics NV gegen Remington Consumer Products Ltd. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) - Vereinigtes Königreich. - Rechtsangleichung - Marken - Richtlinie 89/104/EWG - Artikel 3 Absätze 1 und 3, Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b - Markenformen - Zeichen, die ausschließlich aus der Form der Ware bestehen. - Rechtssache C-299/99.

    Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-05475


    Schlußanträge des Generalanwalts


    1 In dieser Rechtssache wird der Gerichtshof ersucht, sich zur Tragweite des in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken(1) vorgesehenen Ausschlusses derjenigen Zeichen von der Eintragung ins Markenregister zu äußern, "die ausschließlich ... aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist".

    Vorgeschichte

    2 Wie dem Vorlagebeschluss und anderen Schriftstücken der Prozessakten zu entnehmen ist, lassen sich die dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Tatsachen wie folgt zusammenfassen.

    3 Seit 1966 vertreibt die Firma Koninklijke Philips Electronics NV (im Folgenden: Philips) elektrische Rasierapparate mit drei in Form eines gleichseitigen Dreiecks angeordneten rotierenden Köpfen.

    4 1985 beantragte Philips die Eintragung einer Marke, die in der grafischen Darstellung der oberen Fläche eines die vorgenannten Merkmale aufweisenden Rasierapparats besteht. Diese Marke wurde aufgrund des britischen Markengesetzes von 1938 (Trade Marks Act 1938) in das Register eingetragen.

    Nach den Bestimmungen von Anlage 3 des Markengesetzes von 1994 (Trade Marks Act 1994)(2), das die früheren Gesetzesvorschriften aufhob, entfaltet die Marke von Philips die gleichen Wirkungen wie diejenigen, die eintreten würden, wenn sie unter der Herrschaft des neuen Gesetzes eingetragen worden wäre.

    5 Es steht fest, dass Philips für ihre Rasierapparate im Vereinigten Königreich eine umfangreiche Werbung betrieben hat und dass die in Rede stehenden Erzeugnisse in diesem Land allgemein bekannt sind. Insbesondere ist der Rasierapparat mit den drei rotierenden Köpfen als von Philips hergestelltes Erzeugnis bekannt und als solches weithin anerkannt.

    6 1995 begann die Firma Remington Consumer Products Limited (im Folgenden: Remington) damit, Rasierapparate Modell DT55 mit drei ein gleichseitiges Dreieck bildenden rotierenden Köpfen, einer ähnlichen Formgebung wie der von Philips verwendeten, herzustellen und im Vereinigten Königreich in den Handel zu bringen.

    7 Am 4. Dezember 1995 erhob Philips u. a. wegen Verletzung ihres Markenrechts Klage gegen Remington. Mit ihrer Widerklage bestritt Remington die Gültigkeit der Eintragung der Marke.

    8 Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, Patent Court, gab der Widerklage in erster Instanz statt und erklärte die Marke von Philips für ungültig, da sie weder unterscheidungsfähig sei noch Unterscheidungskraft erworben habe. Er war ferner der Auffassung, die Marke bestehe lediglich in einem Zeichen, das im Handel der Bezeichnung der Bestimmung der Ware diene, oder aus einer Form, die zur Erzielung einer technischen Wirkung erforderlich sei und der Ware einen wesentlichen Wert verleihe. Weiterhin stellte das Gericht fest, selbst wenn die Marke gültig gewesen wäre, läge keine Verletzung vor.

    Philips legte gegen diese Entscheidung Berufung ein und machte geltend, die Marke sei gültig und das Markenrecht sei verletzt worden.

    Die Vorlagefragen

    9 Im Berufungsverfahren hat der Court of Appeal beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Gibt es eine Kategorie von Marken, die zwar nicht aufgrund des Artikels 3 Absätze 1 Buchstaben b bis d und 3 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates (im Folgenden: Richtlinie), wohl aber aufgrund des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie von der Eintragung ausgeschlossen sind (weil sie nicht geeignet sind, die Waren des Inhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden)?

    2. Ist die Form (oder ein Teil der Form) einer Ware (für die das Zeichen eingetragen wurde) nur dann im Sinne des Artikels 2 zur Unterscheidung geeignet, wenn sie irgendeine willkürliche Ergänzung (wie eine Verzierung ohne funktionelle Bedeutung) dieser Form aufweist?

    3. Reicht, wenn ein Marktteilnehmer einziger Lieferant bestimmter Waren auf dem Markt gewesen ist, die ausgedehnte Benutzung eines Zeichens, das in der Form (oder einem Teil der Form) dieser Waren besteht und keinerlei willkürliche Ergänzung aufweist, aus, um das Zeichen unterscheidungskräftig im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 zu machen, wenn infolge dieser Benutzung ein wesentlicher Teil des maßgeblichen Handels und Publikums

    i) die Form mit diesem Marktteilnehmer und mit keinem anderen Unternehmen in Verbindung bringt;

    ii) annimmt, dass Waren mit dieser Form von diesem Marktteilnehmer stammen, falls gegenteilige Hinweise fehlen?

    4. i) Kann der Ausschluss aufgrund der Worte "Zeichen, die ausschließlich ... aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist" in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich durch den Nachweis vermieden werden, dass es andere Formen gibt, die die gleiche technische Wirkung ermöglichen, oder

    ii) ist die Form aufgrund dieser Vorschrift nicht eintragungsfähig, wenn nachgewiesen wird, dass ihre wesentlichen Merkmale nur auf die technische Wirkung ausgerichtet sind, oder

    iii) ist für die Feststellung, ob der Ausschluss zum Tragen kommt, ein sonstiges Kriterium angemessen und gegebenenfalls welches?

    5. Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie gilt für "Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung ... der Ware oder Dienstleistung dienen können". Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie gilt für die Benutzung von "Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung ... der Ware oder Dienstleistung". Somit wird somit das Wort "ausschließlich" in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c verwendet, fehlt aber in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie. Bedeutet dieses Fehlen bei richtiger Auslegung der Richtlinie, dass ein Recht an einer Marke, die in der Form einer Ware gestaltet ist, selbst dann, wenn die Marke rechtsgültig eingetragen ist, gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b nicht verletzt wird, wenn

    i) die Benutzung der Form der Waren eine Angabe über die Art der Waren oder deren Bestimmung ist oder als solche verstanden würde und

    ii) ein wesentlicher Teil des maßgeblichen Handels und Publikums annimmt, dass Waren dieser Form vom Inhaber der Marke stammen, falls ein gegenteiliger Hinweis fehlt?

    6. Ist das ausschließliche Recht nach Artikel 5 Absatz 1 so zu verstehen, dass es dem Inhaber ermöglicht, jedem Dritten zu verbieten, mit der Marke identische oder ihr ähnliche Zeichen zu verwenden, wenn diese Verwendung die Herkunft nicht erkennen lässt, oder beschränkt es sich darauf, nur die Verwendung zu verbieten, die insgesamt oder teilweise die Herkunft anzeigt?

    7. Ist die angeblich das Markenrecht verletzende Verwendung der Form der Waren, die ein Indiz für die Art der Waren oder deren Bestimmung darstellt und als solches verstanden werden würde, gleichwohl ein Hinweis auf die Herkunft, wenn ein wesentlicher Teil des maßgeblichen Handels und Publikums annimmt, dass Waren, die diese Form aufweisen, vom Inhaber der Marke stammen, falls ein gegenteiliger Hinweis fehlt?

    Prüfung der Vorlagefragen

    Abgrenzung des Gegenstands des Ausgangsverfahrens

    10 Es empfiehlt sich, zunächst den Gegenstand des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht abzugrenzen.

    Ich gehe von der Feststellung des nationalen Gerichts im Vorlagebeschluss aus, dass die Marke von Philips im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich der Richtlinie nichts anderes sei als "eine Kombination technischer Merkmale, mit denen ein praktisches und zufrieden stellendes Ziel erreicht werden soll".

    11 Wie der Vertreter von Philips in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, ist die verhältnismäßig komplexe Natur der Vorlage eher auf die Abfassung der Fragen als auf die Schwierigkeiten zurückzuführen, die die Auslegung der Richtlinie im konkreten Fall aufwirft.

    12 Außerdem habe ich den Eindruck, dass der Vorlagebeschluss eine gewisse Verwirrung - oder, besser gesagt, eine gewisse Vermengung - hinsichtlich der Rationes legis der absoluten Ungültigkeitsgründe der Buchstaben b bis d des Artikels 3 Absatz 1 einerseits und dessen Buchstaben e andererseits erkennen lässt.

    13 Nach Buchstabe b ist die Eintragung von Marken ohne Unterscheidungskraft in das Register ausgeschlossen, gegebenenfalls ist die eingetragene Marke für ungültig zu erklären. Zeichen, die nicht die vorrangige Funktion erfuellen, die Waren von anderen Waren zu unterscheiden, und es deshalb nicht gestatten, deren Herkunft, d. h. deren Hersteller, zu identifizieren, kommt nicht der den Marken gewährte Ausschließlichkeitsschutz zugute.

    14 Die Buchstaben c und d schließen von der Eintragung ins Register bestimmte Zeichen wegen ihres allgemeinen Charakters (in dem Sinne, dass sie dazu dienen, die Art, die Beschaffenheit, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware zu bezeichnen) oder deswegen aus, weil sie üblich geworden sind. Diese Bestimmungen enthalten also eine teilweise Legaldefinition des Begriffes der Unterscheidungskraft.

    15 Der Gesetzgeber hat die grundlegende Gleichartigkeit dieser drei Ausschlusstatbestände anerkannt, indem er in Artikel 3 Absatz 3 bestimmt, dass sie nicht zur Anwendung kommen, wenn die Marke vor der Anmeldung infolge ihrer Benutzung "Unterscheidungskraft erworben hat".

    16 Buchstabe e hat jedoch nicht die gleiche Rechtsnatur. Er gilt für dreidimensionale Zeichen, die ausschließlich auf die Art des Erzeugnisses selbst, auf das Anstreben einer technischen Wirkung oder auf die Erzielung eines wesentlichen Wertes ausgerichtet sind. Dieser Ausschluss findet seine Rechtfertigung nicht in der fehlenden Unterscheidungskraft bestimmter natürlicher, funktionaler oder ornamentaler Formen - in welchem Falle er lediglich dazu dienen würde, die Tragweite von Buchstabe b zu präzisieren -, sondern entspricht dem legitimen Interesse, dem Einzelnen nicht zu gestatten, die Marke zu benutzen, um ausschließliche Rechte an technischen Lösungen zu verewigen.

    17 Folgerichtig hat der Gesetzgeber den Buchstaben e nicht in die Eintragungshindernisse einbezogen, die gemäß Artikel 3 Absatz 3 "geheilt" werden können. Nach seinem ausdrücklichen Willen sind natürliche, funktionelle und ornamentale Formen nicht geeignet, Unterscheidungskraft zu erwerben. Es ist völlig müßig - und würde überdies der Systematik der Richtlinie widersprechen -, sich zu fragen, ob Formen, die diese Merkmale aufweisen, Unterscheidungskraft besitzen oder nicht.

    18 Der in Buchstabe e genannte Ungültigkeitsgrund ähnelt, was die Tragweite seiner Wirkungen betrifft, den entsprechenden Gründen, die z. B. unter den Buchstaben f oder g von Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie vorgesehen sind. Nach Buchstabe f dürfen Marken nicht eingetragen werden, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen, während Buchstabe g die gleiche Regelung für Marken trifft, die geeignet sind, das Publikum zu täuschen. Würde etwa eine Marke "Kindertöter", mit der Abtreibungsmittel bezeichnet werden sollen, zur Eintragung vorgelegt, so wäre es ohne Zweifel irrelevant, ob diese Vokabel - was im Übrigen ziemlich wahrscheinlich wäre - Unterscheidungskraft besitzt. Die Eintragung bliebe ihr allein deswegen versagt, weil sie gegen die öffentliche Ordnung verstieße.

    19 Meines Erachtens kommt es für die Lösung des vorliegenden Falles lediglich auf Buchstabe e zweiter Gedankenstrich an, wonach "Zeichen, die ausschließlich ... aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist", von der Eintragung ausgeschlossen sind.

    20 Eine Marke, die die Merkmale derjenigen aufweist, die den Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens bildet, d. h. aus der oberen waagerechten Fläche eines Rasierapparats mit drei in Dreiecksform angeordneten rotierenden Köpfen besteht, scheint mir das vollkommene Beispiel einer rein funktionellen Form zu sein. In der Tat erfuellen ihre wesentlichen Elemente zumindest dem Anschein nach eine Funktion und sind nur deshalb vorhanden, weil sie diese Funktion erfuellen.

    21 Die Firma Philips, die ihr Muster "minimalistisch" nennt, scheint einzuräumen, dass ihrer Marke jede willkürliche oder phantasievolle Ergänzung fehlt, wenn sie auch geltend macht, die in Rede stehende eingetragene Form drücke lediglich eine der verschiedenen Möglichkeiten der Erzielung ein und derselben technischen Wirkung aus. Wie ich im Folgenden darlegen werde, glaube ich nicht, dass dieser Umstand Berücksichtigung verdient.

    22 In seinem Vorlagebeschluss äußert das nationale Gericht die Meinung, die wesentlichen Merkmale der Marke von Philips seien auf die Erfuellung einer bestimmten Funktion ausgerichtet.

    23 Unter diesen Umständen meine ich, dass sich die Frage nach der Unterscheidungskraft der Marke von Philips nur dann stellt, wenn man zu der Auffassung kommt, dass lediglich solche Formen funktionell im Sinne des Buchstaben e sind, die zur Erreichung einer technischen Wirkung unerlässlich sind.

    24 Aufgrund dieser Prämissen halte ich es für angebracht, an erster Stelle die vierte Vorlagefrage des britischen Gerichts zu untersuchen.

    Zur vierten Vorlagefrage

    25 Mit dieser Frage ersucht das vorlegende Gericht um näheren Aufschluss über die Kriterien für die Beurteilung des in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e verfügten Ausschlusses der "Zeichen, die ausschließlich ... aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist" .

    26 Da das vorlegende Gericht - wie ich glaube, zu Recht - der Auffassung ist, die Marke von Philips sei nichts weiter als eine "Kombination technischer Merkmale, mit denen ein praktisches und zufrieden stellendes Ziel erreicht werden soll", ist die vierte Vorlagefrage, wie ich schon ausgeführt habe, die einzige, auf die es für die Problematik des vorliegenden Falles ankommt. Die übrigen Fragen beziehen sich nämlich auf verschiedene Aspekte der Unterscheidbarkeit oder der durch Gebrauch erlangten Unterscheidungskraft und brauchen in dieser Rechtssache nicht geprüft zu werden.

    27 Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob eine rein funktionelle Form auch dann unter die Ausschlussvorschrift von Buchstabe e fällt, wenn sich nachweisen lässt, dass die gleiche technische Wirkung mittels anderer, unterschiedlicher Formen erreicht werden kann.

    28 Unter einer rein funktionellen Form ist mit dem vorlegenden Gericht eine solche zu verstehen, deren wesentliche Merkmale auf das Erreichen einer technischen Wirkung ausgerichtet sind. Spricht man von "wesentlichen Merkmalen", so ist gemeint, dass das Verbot auch für Formen gilt, die ein vom funktionellen Standpunkt aus gesehen geringfügiges willkürliches Element enthalten wie etwa die Farbe.

    Der Wortlaut von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e bietet aber keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine rein funktionelle Form in das Register eingetragen werden könnte, wenn eine andere Form existiert, die eine vergleichbare technische Wirkung erzielen kann. Es genügt, dass die Zeichen, aus denen sich die Marke zusammensetzt, ausschließlich aus Merkmalen besteht, die zur Erreichung einer bestimmten technischen Wirkung erforderlich sind.

    29 Diese wörtliche Auslegung drängt sich mit derselben Selbstverständlichkeit auf, wenn man die übrigen wichtigsten sprachlichen Fassungen der Richtlinie betrachtet(3).

    Zur gleichen Schlussfolgerung gelange ich aufgrund einer teleologischen Auslegung der Bestimmung.

    30 Das Verbot der Eintragung rein funktioneller Formen oder solcher, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen, hat das unmittelbare Ziel, zu verhindern, dass das ausschließliche und auf Dauer angelegte Recht, das eine Marke verleiht, dazu dienen kann, andere Rechte, für die der Gesetzgeber eine begrenzte Schutzdauer vorsehen wollte, zu verewigen. Konkret gesprochen denke ich an Patente und gewerbliche Muster(4).

    31 Gäbe es Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e nicht, so wäre es leicht, das im öffentlichen Interesse liegende Gleichgewicht zu gefährden, das zwischen der gerechten, ihren Niederschlag in der Gewährung eines Ausschließlichkeitsschutzes findenden Belohnung der innovatorischen Anstrengung einerseits und der Förderung der industriellen Entwicklung andererseits bestehen muss, die es nahe legt, diesen Schutz zu befristen, damit nach Ablauf der Frist das in Rede stehende Erzeugnis oder Muster frei verfügbar wird.

    32 Was den zweiten Gedankenstrich von Buchstabe e betrifft, um dessen Auslegung gestritten wird, so hat der Gemeinschaftsgesetzgeber offensichtlich den Geltungsbereich des Markenschutzes von demjenigen des gewerblichen Patents abgrenzen wollen. Ebenso ist es notwendig, die jeweiligen Geltungsbereiche von Patenten und Mustern voneinander abzugrenzen. Es ist daher höchst aufschlussreich, dass die zu deren Schutz erlassene Richtlinie(5) es ablehnt, ein ausschließliches Recht an Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses anzuerkennen, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind (Artikel 7 Absatz 1). In ähnlicher Weise bestimmt der Vorschlag einer entsprechenden Verordnung(6), dass Erscheinungsmerkmale eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bestimmt sind, nicht als Gemeinschaftsmuster oder -modell anerkannt werden können (Artikel 9 Absatz 1).

    33 Die Bezugnahme auf die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Muster und Modelle dient nicht nur dazu, die Ratio des in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e der Markenrichtlinie festgelegten Ausschlussgrundes zu klären, sondern ermöglicht es auch, die genaue Tragweite dieses Grundes zu begreifen, die gerade den Gegenstand dieser vierten Vorlagefrage bildet.

    34 Die Terminologie, die die Richtlinie über Muster und Modelle verwendet, um den genannten Ausschlussgrund zu formulieren, stimmt nicht völlig mit derjenigen der Markenrichtlinie überein. Diese Abweichung ist nicht willkürlich. Während die erste die Anerkennung von äußerlichen Merkmalen eines Erzeugnisses verneint, "die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind", klammert die zweite aus ihrem Schutzbereich die "Zeichen [aus], die ausschließlich ... aus der Form der Ware [bestehen], die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist". Mit anderen Worten, das Niveau der "Funktionalität" muss höher sein, wenn es um den Ausschlussgrund bei Modellen und Mustern geht; das maßgebliche Merkmal muss für die Erreichung einer bestimmten technischen Wirkung nicht nur notwendig, sondern unerlässlich sein: Die Funktion bedingt die Form (form follows function)(7). Dies besagt, dass ein funktionelles Modell dennoch schutzwürdig sein kann, wenn sich nachweisen lässt, dass dieselbe technische Funktion auch durch eine andere, unterschiedliche Form verwirklicht werden könnte.

    35 Die Markenrichtlinie schließt alle Formen aus, die zur Erreichung einer bestimmten technischen Wirkung erforderlich (im Sinne von geeignet) sind. Dies besagt, dass, sobald die wesentlichen Merkmale einer Form erforderlich sind, um eine bestimmte Funktion zu erfuellen, der Schutz der Marke nicht gewährt werden kann, ohne dass man sich zu fragen hätte, ob diese Funktion auch mit anderen Mitteln verwirklicht werden könnte.

    36 Logischerweise muss die Messlatte für die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte funktionelle Form einem Ausschlussgrund unterliegt, bei Modellen höher gelegt werden als bei Marken: Wesen und Umfang des Schutzes, den jeweils die einen und die anderen genießen, sind völlig unterschiedlich.

    37 Erstens soll die Marke die Identifizierung der Herkunft der Ware und damit indirekt den goodwill, der der Ware zuerkannt wird, schützen, während Modelle - wie Patente - die Ware als solche, als wirtschaftlichen Faktor, schützen sollen: ihren wesentlichen Wert (im Fall der Modelle und Muster) oder den Wert, der sich aus ihren technischen Leistungen ergibt (im Fall der Patente). In diesem Sinne ist es folgerichtig, dass der Gesetzgeber weniger die genaue Abgrenzung zwischen Modellen und Patenten im Auge hat als die zwischen Patenten und Marken. Hierdurch wird überdies der Schutz von Mustern erleichtert, die funktionelle und ästhetische Merkmale miteinander verbinden.

    38 Zweitens sind Rechte an Modellen - wie Patentrechte - zeitlich begrenzt, während Marken ohne eine solche Begrenzung geschützt werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es angebracht, für den Ausschluss funktioneller und ornamentaler Formen von der Eintragung ins Markenregister einen strengeren Maßstab anzuwenden, als wenn es um die Abgrenzung von Modellen und Patenten geht.

    39 Würde man sich der Auffassung von Philips anschließen, der zufolge der Ausschluss einer rein funktionellen Marke durch den Nachweis des Vorhandenseins anderer Formen verhindert werden könnte, mit deren Hilfe sich die gleiche technische Leistung erzielen ließe, so wäre ein Unternehmen durch nichts daran gehindert, alle denkbaren Formen eintragen zu lassen, die dieses Ergebnis erreichen, wodurch es ein zeitlich unbegrenztes Monopol für eine bestimmte technische Lösung erwerben könnte. Überdies wäre der für markenrechtliche Streitigkeiten zuständige Richter zu einer komplexen Beurteilung der Gleichwertigkeit der Wirkungen der verschiedenen technischen Prozesse genötigt.

    40 Drittens sehe ich, selbst wenn zuzugeben wäre, dass die von Philips vertretene einschränkende Auslegung des Grundes für die Ausschließung der Eintragung nur eine begrenzte Gefahr des Übergreifens in den Bereich der Patente mit sich bringen würde, nicht ein, weshalb das öffentliche Interesse einer solchen Gefahr ausgesetzt werden sollte, da den Inhabern von Rechten an einem Erzeugnis andere wirksame Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um ihr Betriebsvermögen zu schützen, z. B. die Hinzufügung willkürlicher Merkmale.

    41 Die Haupteinwände gegen die von mir vorgeschlagene Auslegung sind historischer Natur und wurden im Laufe des Verfahrens von der Kommission und natürlich von Philips vorgebracht. Ich begnüge mich mit der Feststellung, dass die Ausführungen dieser Beteiligten zur Entstehungsgeschichte der streitigen Bestimmung - die auf die Ermittlung des Willens des Gesetzgebers zielen - wenig aufschlussreich und jedenfalls nicht geeignet sind, die gewichtigeren Überlegungen zu verdrängen, auf die sich mein Gedankengang stützt. Ebenso wenig überzeugend ist die Behauptung von Philips, die Bezugnahme auf die "wesentlichen Merkmale" einer Form entspreche nicht der von der Richtlinie verwendeten Terminologie. Auch das von Philips verfochtene Kriterium findet sich nicht in der Richtlinie. Es gehört zu den Aufgaben der Gerichte, die Normen unter Beachtung des gesetzgeberischen Zweckes zu vervollständigen.

    42 Alles in allem stimme ich dem vorlegenden Gericht darin zu, dass das Verbot der Eintragung ins Register zur Anwendung kommen muss, da es sich um Zeichen handelt, die ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form der Ware bestehen und deren wesentliche Merkmale lediglich auf die Erzielung dieser Wirkung ausgerichtet sind.

    Zur ersten, zweiten, dritten, fünften, sechsten und siebten Vorlagefrage

    43 Mit seiner ersten Frage möchte der Court of Appeal im Wesentlichen wissen, ob es Marken gibt, die in dem Sinne Unterscheidungskraft besitzen, dass sie nicht aufgrund von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b bis d der Richtlinie von der Eintragung ausgeschlossen sind, oder die Unterscheidungskraft gemäß Absatz 3 dieses Artikels durch Benutzung erlangt haben und dennoch nach Buchstabe a, der seinerseits auf Artikel 2 verweist, ungültig sind.

    44 Nach der Richtlinie ist die Frage zu verneinen: Ein nicht unterscheidungsfähiges Zeichen kann logischerweise keine Unterscheidungskraft besitzen. Mehr noch, ich denke umgekehrt nicht, dass die in diesen Bestimmungen jeweils verwendete Terminologie (einmal ist von "Unterscheidungskraft haben", das andere Mal von "Unterscheidungskraft erworben [haben]" die Rede) und der sich hieraus unleugbar ergebende semantische Unterschied (nämlich zwischen einem potenziellen und einem realen Tatbestand) zwangsläufig zu der Annahme führen, es gebe eine Kategorie von Zeichen, die ihrem Wesen nach unfähig seien, Unterscheidungskraft zu erwerben. So scheint es auch der Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache Windsurfing Chiemsee(8) verstanden zu haben, wenn er feststellt, die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft der Marke besage, dass die Marke geeignet sei, die Ware zu kennzeichnen und sie damit von derjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.

    45 Aus den dargelegten Gründen meine ich jedoch nicht, dass diese Frage für die Entscheidung im Ausgangsverfahren erheblich ist.

    46 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Artikel 2 der Richtlinie niedergelegte Definition der Marke, soweit sie auf Formen anwendbar ist und bestimmt, dass diese geeignet sein müssen, die Ware von anderen Waren zu unterscheiden, verlangt, dass diese Formen irgendeine willkürliche Ergänzung enthalten müsse, z. B. eine Verzierung ohne funktionellen Zweck.

    47 Die Frage nach dem Vorhandensein oder Fehlen funktioneller Elemente bei einer dreidimensionalen Marke ist im Licht von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e zu prüfen, weshalb ich auf meine Ausführungen zur vierten Vorlagefrage verweise. Wie ich überdies bereits dargelegt habe, bezweckt diese Bestimmung im Gegensatz zu den Tatbeständen der Buchstaben b bis d nicht den Schutz der Unterscheidungskraft der Marke. Insoweit ist die Frage unerheblich.

    Wenn man jedoch unter "willkürlicher Ergänzung" jeden Bestandteil versteht, mit dessen wesentlichen Merkmalen keine technische Wirkung angestrebt wird, so muss die Frage bejaht werden. Nur wenn eine Form eine Ergänzung dieser Art enthält, wird es angebracht sein, ihre Unterscheidungskraft zu prüfen, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um eine durch die Natur der Ware gebotene oder dieser einen wesentlichen Wert verleihende Form.

    48 Mit seiner dritten Vorlagefrage fragt das vorlegende Gericht ferner, diesmal in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 3, nach den Folgen, die sich aus dem Vorliegen einer rein funktionellen Form oder, wie sich das Gericht ausdrückt, einer Form ohne jede willkürliche Ergänzung ergeben.

    49 Aus den bereits dargelegten Gründen bedarf es auch nicht der Prüfung der Möglichkeit, dass ein rein funktionelles dreidimensionales Zeichen infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft erworben hat. Artikel 3 Absatz 3 verweist nämlich ausschließlich auf die Buchstaben b bis d von Absatz 1.

    50 Mit seiner fünften Frage fragt das vorlegende Gericht nach der Bedeutung des Begriffes "ausschließlich", so wie ihn Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie verwendet.

    51 Mit seiner sechsten Frage ersucht das Gericht den Gerichtshof um Aufschluss über das Maß der in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie geforderten Identität mehrerer Zeichen.

    52 Mit seiner siebten Frage ersucht das Gericht schließlich um Präzisierung der Kriterien für die Beurteilung des Identifizierungseffekts bei Waren, die unter Verletzung des Markenrechts vermarktet wurden.

    53 Diese drei Fragen schneiden aus verschiedenen Blickwinkeln das Problem der Unterscheidungskraft einer Marke an. Wie ich bereits ausgeführt habe, genügt es für die Ablehnung einer Eintragung ins Register, dass die wesentlichen Merkmale eines bestimmten Zeichens der Erreichung einer technischen Wirkung dienen. Da das vorlegende Gericht in unserem Fall die gleiche Meinung geäußert hat, besteht kein Anlass, zu rein hypothetischen Zwecken die Schwierigkeiten zu untersuchen, die bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer solche Merkmale aufweisenden Form möglicherweise auftreten.

    Ergebnis

    54 Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass als Zeichen, das ausschließlich aus der zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlichen Form besteht, jede Form anzusehen ist, deren wesentliche Merkmale auf die Erzielung dieser Wirkung gerichtet sind, unabhängig von der Möglichkeit, diese Wirkung auch durch die Verwendung anderer Formen zu erzielen. Die Frage nach der etwaigen Unterscheidungskraft eines Zeichens braucht nicht geprüft zu werden, wenn das Zeichen diese Voraussetzungen erfuellt.

    (1) - ABl. L 40, S. 1.

    (2) - Gesetz zur Einführung einer Neuregelung über eingetragene Marken und zur Anpassung des nationalen Rechts an die Richtlinie 89/104.

    (3) - Im Englischen ist die Rede von "signs which consist exclusively of the shape of goods which is necessary to obtain a technical result", im Französischen von "signes constitués exclusivement par la forme du produit nécessaire à l'obtention d'un résultat technique", im Italienischen von "segni costituiti esclusivamente dalla forma del prodotto necessaria per ottenere un risultato tecnico", während es im Spanischen heißt: "signos constituidos exclusivamente por la forma del producto necesaria para obtener un resultado técnico" (in den Originalfassungen ohne kursive Schreibweise).

    (4) - So schützt z. B. das europäische Patent, so wie es im Abkommen vom 5. Oktober 1973 geregelt ist, gewerblich nutzbare Erfindungen während eines Zeitraums von 20 Jahren, während die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (ABl. L 289, S. 28) eine bis zu einer Gesamtlaufzeit von 25 Jahren verlängerbare Frist vorsieht (Artikel 10). Im gleichen Sinne äußert sich Artikel 13 des geänderten Vorschlags für eine Verordnung des Rates über Muster und Modelle (KOM[00] 660 endg.).

    (5) - Zitiert in Fußnote 5.

    (6) - Ebenda.

    (7) - Besonders aufschlussreich ist der semantische Gegensatz zwischen den Eigenschaftsworten "erforderlich" und "bedingt" in der deutschen Fassung.

    (8) - Verbundene Rechtssachen C-108/97 und C-109/97 (Slg. 1999, I-2779).

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