EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 61999CC0269

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 5. April 2001.
Carl Kühne GmbH & Co. KG und andere gegen Jütro Konservenfabrik GmbH & Co. KG.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Hamburg - Deutschland.
Agrarerzeugnisse und Lebensmittel - Geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen - Vereinfachtes Verfahren der Eintragung - Schutz der Bezeichnung "Spreewälder Gurken".
Rechtssache C-269/99.

European Court Reports 2001 I-09517

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2001:200

61999C0269

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 5. April 2001. - Carl Kühne GmbH & Co. KG und andere gegen Jütro Konservenfabrik GmbH & Co. KG. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Hamburg - Deutschland. - Agrarerzeugnisse und Lebensmittel - Geographische Angaben und Ursprungsbezeichnungen - Vereinfachtes Verfahren der Eintragung - Schutz der Bezeichnung "Spreewälder Gurken". - Rechtssache C-269/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-09517


Schlußanträge des Generalanwalts


1. In diesem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Hamburg wird der Gerichtshof um Prüfung der Gültigkeit von Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geschützte geographische Angabe ersucht.

Die einschlägigen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft

2. Die Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel dient zur Einführung gemeinschaftlicher Rahmenvorschriften über Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben für bestimmte Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, bei denen ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Produkte und ihrer geographischen Herkunft besteht. Die Verordnung sieht ein System zur Eintragung von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen auf Gemeinschaftsebene vor, das in allen Mitgliedstaaten Schutz bietet.

3. Artikel 2 Absatz 2 enthält folgende allgemeine Definitionen der Begriffe Ursprungsbezeichnung" und geographische Angabe" im Sinne der Verordnung:

a) ,Ursprungsbezeichnung [bedeutet] der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient,

- das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und

- das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einfluesse verdankt und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde;

b) ,geographische Angabe [bedeutet] der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient,

- das aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land stammt und

- bei dem sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geographischen Ursprung ergibt und das in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde."

4. Artikel 2 Absatz 4 lautet:

Abweichend von Absatz 2 Buchstabe a) werden bestimmte geographische Bezeichnungen Ursprungsbezeichnungen gleichgestellt, wenn die Grunderzeugnisse der betreffenden Erzeugnisse aus einem anderen geographischen Gebiet oder aus einem Gebiet stammen, das größer als das Verarbeitungsgebiet ist, sofern

- das Gebiet, in dem das Grunderzeugnis hergestellt wird, begrenzt ist und

- besondere Bedingungen für die Erzeugung der Grunderzeugnisse bestehen und

- ein Kontrollsystem die Einhaltung dieser Bedingungen sicherstellt."

5. Die ersten drei Unterabsätze von Artikel 3 Absatz 1 sehen Folgendes vor:

Bezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, dürfen nicht eingetragen werden.

Im Sinne dieser Verordnung gilt als ,Bezeichnung, die zur Gattungsbezeichnung geworden ist, der Name eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels, der sich zwar auf einen Ort oder ein Gebiet bezieht, wo das betreffende Agrarerzeugnis oder Lebensmittel ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, der jedoch der gemeinhin übliche Name für ein Agrarerzeugnis oder ein Lebensmittel geworden ist.

Bei der Feststellung, ob ein Name zur Gattungsbezeichnung geworden ist, sind alle Faktoren und insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:

- die bestehende Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, und in den Verbrauchsgebieten;

- die Situation in anderen Mitgliedstaaten;

- die einschlägigen nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften."

6. Artikel 3 Absatz 3 lautet:

Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erstellt der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit ein nicht erschöpfendes, informatives Verzeichnis der Namen von dieser Verordnung unterfallenden Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln, die im Sinne von Absatz 1 als Gattungsbezeichnungen anzusehen und somit nicht nach dieser Verordnung eintragungsfähig sind; der Rat veröffentlicht dieses Verzeichnis im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften."

7. 1996 legte die Kommission einen Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Erstellung eines nicht erschöpfenden, informativen Verzeichnisses der als Gattungsbezeichnungen anzusehenden Namen von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2081/92 vor. Der Vorschlag wurde nicht angenommen, da er nicht die für seine Verabschiedung durch den Rat erforderliche Mehrheit fand.

8. Artikel 4 schreibt vor, dass Agrarerzeugnisse oder Lebensmittel, die eingetragen werden sollen, einer Spezifikation entsprechen müssen. Nach Artikel 4 Absatz 2 muss die Spezifikation mindestens" die unter a bis i aufgeführten Angaben enthalten. Dazu gehören:

b) die Beschreibung des Agrarerzeugnisses oder des Lebensmittels anhand der gegebenenfalls verarbeiteten Grunderzeugnisse, der wichtigsten physikalischen, chemischen, mikrobiologischen und/oder organoleptischen Eigenschaften des Erzeugnisses oder des Lebensmittels;

c) die Abgrenzung des geographischen Gebiets und gegebenenfalls die Angaben über die Erfuellung der Bedingungen gemäß Artikel 2 Absatz 4;

d) Angaben, aus denen sich ergibt, dass das Agrarerzeugnis oder das Lebensmittel aus dem geographischen Gebiet im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) stammt;

e) die Beschreibung des Verfahrens zur Gewinnung des Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels und gegebenenfalls die redlichen und ständigen örtlichen Verfahren;

f) Angaben, aus denen sich der Zusammenhang mit den geographischen Verhältnissen oder dem geographischen Ursprung im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a) oder Buchstabe b) ergibt".

9. Die Artikel 5 bis 7 regeln das gewöhnliche Verfahren für die Beantragung der Eintragung als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geographische Angabe. Kurz gefasst sieht Artikel 5 vor, dass der Antrag zunächst auf nationaler Ebene gestellt und dann vom Mitgliedstaat der Kommission übermittelt wird. Nach Artikel 6 prüft die Kommission förmlich", ob der Antrag sämtliche in Artikel 4 vorgesehenen Angaben enthält, und veröffentlicht Einzelheiten des Antrags im Amtsblatt, falls sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bezeichnung schutzwürdig ist. Artikel 7 sieht, soweit er hier von Bedeutung ist, Folgendes vor:

(1) Innerhalb von sechs Monaten ab der Veröffentlichung im Amtsblatt ... kann jeder Mitgliedstaat Einspruch gegen die beabsichtigte Eintragung einlegen.

...

(3) Jede in ihrem berechtigten Interesse betroffene natürliche oder juristische Person kann durch eine ordnungsgemäß begründete Erklärung bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihren Hauptverwaltungssitz oder eine Niederlassung hat, Einspruch gegen die beabsichtigte Eintragung einlegen. ..."

10. Nach Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b werden eingetragene Bezeichnungen geschützt gegen

jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ,Art, ,Typ, ,Verfahren, ,Fasson, ,Nachahmung oder dergleichen verwendet wird".

11. Artikel 15 sieht vor, dass die Kommission von einem Ausschuss unterstützt wird, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt.

12. Artikel 17 sieht für eine Übergangszeit nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2081/92 ein vereinfachtes Eintragungsverfahren vor. Er hat, soweit er hier relevant ist, folgenden Wortlaut:

(1) Innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung teilen die Mitgliedstaaten der Kommission mit, welche ihrer gesetzlich geschützten oder, falls in einem Mitgliedstaat ein Schutzsystem nicht besteht, durch Benutzung üblich gewordenen Bezeichnungen sie nach Maßgabe dieser Verordnung eintragen lassen wollen.

(2) Die Kommission trägt die Bezeichnungen im Sinne des Absatzes 1, die den Artikeln 2 und 4 entsprechen, nach dem Verfahren des Artikels 15 ein. Artikel 7 findet keine Anwendung. Gattungsbezeichnungen sind jedoch nicht eintragungsfähig.

..."

13. Nach Artikel 18 tritt die Verordnung zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Sie wurde am 24. Juli 1992 veröffentlicht.

14. Die Verordnung Nr. 1107/96 sieht die Eintragung von etwa 320 in ihrem Anhang aufgeführten Bezeichnungen als geschützte geographische Angaben oder geschützte Ursprungsbezeichnungen gemäß dem vereinfachten Verfahren vor.

15. Die Verordnung Nr. 590/1999 gehört zu einer Reihe von Verordnungen der Kommission, durch die der Anhang der Verordnung Nr. 1107/96 um insgesamt 185 Bezeichnungen ergänzt wird. Mit der Verordnung Nr. 590/1999 werden vier Bezeichnungen hinzugefügt, darunter (für Deutschland) Spreewälder Gurken" und Spreewälder Meerrettich". Die erste Begründungserwägung der Verordnung Nr. 590/1999 lautet:

Für bestimmte Bezeichnungen, die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 mitgeteilt wurden, sind ergänzende Angaben angefordert worden, um zu gewährleisten, dass diese Bezeichnungen mit den Artikeln 2 und 4 der genannten Verordnung übereinstimmen. Die Prüfung dieser ergänzenden Angaben hat ergeben, dass die betreffenden Bezeichnungen den genannten Artikeln entsprechen. Daher ist es notwendig, sie nunmehr einzutragen und dem Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 83/1999, hinzuzufügen."

16. Sowohl die Verordnung Nr. 1107/96 als auch alle anderen Verordnungen, mit denen dem Anhang der Verordnung Nr. 1107/96 weitere Bezeichnungen hinzugefügt werden, enthalten eine ähnliche Begründungserwägung.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

17. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Klägerinnen) stellen Gurkenkonserven her und vertreiben diese in Deutschland. Auch die Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte) stellt Gurkenkonserven her und vertreibt sie bundesweit; zu ihnen gehört das Jütro Gurkenfässchen", das in ganz Deutschland mit dem Zusatz Spreewälder Art" vertrieben wird.

18. Der Spreewald ist ein Gebiet in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zwischen der tschechischen Grenze und Berlin, das von der Spree durchflossen wird. Zwischen den Städten Lübben und Cottbus verzweigt sich der Fluss in zahlreiche Arme, die ein von Wasserwegen durchzogenes Binnendelta bilden. Der ehemals dichte Wald ist teilweise in Agrarland umgewandelt worden, für das sich der alluviale Boden des früheren Urstromtals gut eignet. Das Einlegen von Gemüsesorten wie Gurken wird in diesem Gebiet seit langem betrieben.

19. Die Klägerinnen gehen gegen die Beklagte vor und verlangen von ihr, die Benutzung der Bezeichnung Spreewälder Art" für ihre Gurkenkonserven zu unterlassen, weil nach der Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geschützte geographische Angabe durch die Verordnung Nr. 590/1999 die Verwendung der Bezeichnung Spreewälder Art" gegen Artikel 13 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2081/92 verstoße.

20. Die Beklagte stellt die Gültigkeit der Eintragung von Spreewälder Gurken" als geschützte geographische Angabe in Frage.

21. Die Vorgeschichte der Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geschützte geographische Angabe, die zum Verständnis des Hintergrunds des Vorbringens der Beklagten zur Gültigkeit der Eintragung erforderlich ist, stellt sich wie folgt dar.

22. Nach den Angaben im Vorlagebeschluss beantragte 1993 eine Vereinigung namens Spreewald e. G. (im Folgenden: Spreewaldverein) bei den deutschen Behörden die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geschützte Ursprungsbezeichnung. Als Spezifikation für die nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2081/92 erforderliche Abgrenzung des von der Bezeichnung Spreewälder Gurken" erfassten geographischen Gebietes gab der Spreewaldverein in diesem Antrag an:

Das Urstromtal der Spree zwischen dem nördlichen Rand der Stadt Cottbus und dem nördlich der Stadt Lübben gelegenen Neuendorfer See."

23. Die Kommission erhielt nach ihren Angaben von Deutschland mit Schreiben vom 21. Januar 1994, das am 26. Januar 1994 einging, eine Liste von Bezeichnungen im Sinne von Artikel 17 Absatz 1. Auf dieser Liste stand auch die Bezeichnung Spreewälder Gurken".

24. Die deutsche Regierung trägt vor, 1995 habe die Kommission sie (und viele andere Mitgliedstaaten) darüber informiert, dass zahlreiche Anmeldungen gemäß Artikel 17 unvollständig seien, und sie aufgefordert, zusätzliche Unterlagen und Informationen vorzulegen. Zwischen Juli 1995 und März 1996 habe die deutsche Regierung deshalb nahezu alle Betroffenen gebeten, die ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ergänzen.

25. Nach den Angaben im Vorlagebeschluss ergänzte der Spreewaldverein seinen ursprünglichen Antrag auf Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" im Juli 1996 dahin gehend, dass nicht mehr die Eintragung als geschützte Ursprungsbezeichnung, sondern als geschützte geographische Angabe beantragt werde. Es ist davon auszugehen, dass der Spreewaldverein die Ergänzung den nationalen Behörden übermittelte, die sie dann an die Kommission weiterleiteten. Als geographisches Gebiet wurde nunmehr angegeben:

Territorium entlang der Spree zwischen Jänschwalde und Dürrenhofe und innerhalb von Grenzen einer durch Beschlüsse der örtlichen Legislativen bestimmten Wirtschaftsregion."

26. Mit dieser geänderten Spezifikation wurde das geschützte Gebiet um ein Mehrfaches erweitert.

27. In der Ergänzung des Antrags hieß es weiter, dass der Anteil von Gurken, der aus Gebieten außerhalb des Wirtschaftsraums Spreewald zugeliefert werde, unter 50 % liege; diese Zahl wurde später (im März 1998) auf 30 % geändert. Nach Angaben der Beklagten bedeutete das erstgenannte Erfordernis, dass bis zu 50 % der Gurken aus außerhalb des genannten Wirtschaftsraums liegenden, aber an ihn angrenzenden Gebieten stammen durften, während das letztgenannte Erfordernis dazu führe, dass bis zu 30 % von irgendwo anders kommen könnten.

28. Im Vorlagebeschluss heißt es, im Vorfeld der Durchführung des vereinfachten Verfahrens nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 2081/92 habe eine Reihe von Drittbetroffenen, vornehmlich Gewerbetreibende aus der Lebensmittelindustrie, Vorbehalte gegen die angemeldete Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" erhoben, die sich insbesondere auf die Ausweitung des geographischen Gebietes und die Zulassung von Gurken aus Randgebieten bezogen hätten. Es sei geltend gemacht worden, dass die in der Anmeldung hervorgehobenen besonderen Boden- und Klimaverhältnisse allenfalls für den Spreewald im engeren Sinne - d. h. für das Binnendelta, nicht jedoch für den gesamten Wirtschaftsraum - zuträfen und dass das verarbeitete Erzeugnis keine Rohware aus anderen Anbaugebieten enthalten dürfe.

29. Wie das vorlegende Gericht im Vorlagebeschluss ausführt, erhob die Beklagte drei Einwände gegen die Gültigkeit der Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken".

30. Erstens sei die Frist von sechs Monaten in Artikel 17 Absatz 1 nicht eingehalten worden, da der Spreewaldverein bei den zuständigen deutschen Behörden im Juli 1996 Unterlagen eingereicht habe, mit denen der ursprüngliche Antrag hinsichtlich der Art der Bezeichnung, deren Eintragung begehrt werde, des erfassten Gebietes und den zulässigen Bezugsquellen für Rohware inhaltlich geändert worden sei.

31. Zweitens sei Artikel 17 nur für Bezeichnungen gedacht, bei denen der Eintragungsanspruch unstreitig sei. Er sei nicht für die Eintragung einer Bezeichnung geeignet, gegen die eine Reihe von Drittbetroffenen zahlreiche Einwände erhoben hätten, die insbesondere die Abgrenzung des geographischen Gebietes beträfen.

32. Drittens verstoße die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geographische Angabe gegen die Artikel 2 und 4 der Verordnung Nr. 2081/92, da nach dem Wesen des Erzeugnisses eine Eintragung als Ursprungsbezeichnung hätte erfolgen müssen.

33. Das Landgericht Hamburg teilt die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der Gültigkeit der Eintragung. Darüber hinaus weist es im Vorlagebeschluss auf folgende zwei Punkte hin.

34. Erstens sei Artikel 17 jedenfalls deshalb unanwendbar, weil Spreewälder Gurken" weder eine gesetzlich geschützte" noch eine durch Benutzung üblich gewordene" Bezeichnung sei, die die Spezifikationen widerspiegele, die eine Eintragung stützten.

35. Zweitens würden die Spezifikationen in Bezug auf das geographische Gebiet und den zulässigen Anteil von nicht aus diesem Gebiet stammenden Gurken den Vorstellungen der Verbraucher von der Bedeutung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" nicht gerecht. Die Eintragung der Bezeichnung und folglich die Rechtsvorschriften, aufgrund deren die Eintragung vorgenommen worden sei, schrieben somit eine Irreführung der Verbraucher fest, die der Verordnungsgeber nicht beabsichtigt haben könne.

36. Das Landgericht hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Verordnung (EG) Nr. 590/1999 der Kommission vom 18. März 1999 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission zur Eintragung geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen um die Bezeichnung Spreewälder Gurken" gemäß dem Verfahren nach Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbar?

37. Die Beklagte, die deutsche und die österreichische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Klägerinnen, die Beklagte, die deutsche Regierung und die Kommission haben mündlich verhandelt.

Die Frist in Artikel 17 der Verordnung Nr. 2081/92

38. Nach Artikel 17 Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung mitzuteilen, welche ihrer - gesetzlich geschützten oder durch Benutzung üblich gewordenen - Bezeichnungen sie im vereinfachten Verfahren eintragen lassen wollen.

39. Weder das vorlegende Gericht noch die Beklagte machen geltend, dass der ursprüngliche Antrag Deutschlands zu spät gestellt worden sei. Wie die Kommission ausführt, trat die Verordnung Nr. 2081/92 zwölf Monate nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. Veröffentlicht wurde sie am 24. Juli 1992. Da die Frist von zwölf Monaten jedoch erst am nächsten Tag zu laufen begann, endete sie am 25. Juli 1993 um Mitternacht. Die Verordnung trat somit am 26. Juli 1993 in Kraft, und die Sechsmonatsfrist lief am 26. Januar 1994 um Mitternacht ab. Da die Liste Deutschlands mit den Mitteilungen im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 am 26. Januar 1994 bei der Kommission einging, wurde die Frist eingehalten.

40. Es ist jedoch unstreitig, dass Deutschland etwa zweieinhalb Jahre später erhebliche Änderungen der im ursprünglichen Antrag enthaltenen Spezifikation einreichte und die Bezeichnung Spreewälder Gurken" nunmehr als geographische Angabe und nicht als Ursprungsbezeichnung eintragen lassen wollte. Das vorlegende Gericht fragt, ob die Sechsmonatsfrist unter diesen Umständen eingehalten worden sei.

41. Die deutsche und die österreichische Regierung sowie die Kommission tragen vor, Artikel 17 Absatz 1 verpflichte die Mitgliedstaaten einzig und allein, der Kommission die einzutragenden Bezeichnungen mitzuteilen. Für sonstige Angaben und deren spätere Änderung gelte die Sechsmonatsfrist nicht. Diese Frist sei somit eingehalten worden.

42. Die deutsche und die österreichische Regierung fügen hinzu, die nordeuropäischen Mitgliedstaaten hätten in der Vergangenheit im Allgemeinen keine Register geschützter Bezeichnungen geführt; der Schutz sei durch Gesetze gegen irreführende Praktiken gewährleistet worden. Erst mit Inkrafttreten der Verordnung sei es für diese Mitgliedstaaten erforderlich geworden, eine Liste existierender Bezeichnungen aufzustellen und zu ermitteln, ob es sich um Ursprungsbezeichnungen oder um geographische Angaben handele. Es wäre deshalb unrealistisch gewesen, innerhalb einer so kurzen Frist die Übermittlung vollständiger und abschließender Unterlagen an die Kommission zu verlangen. Dadurch wären auch die Staaten benachteiligt worden, die kein vorhandenes Register hätten nutzen können. Das Übergangsverfahren gemäß Artikel 17 dauere bis zum Erlass der Entscheidung der Kommission über die Eintragung. Bis dahin sei die Kommission Herrin des Verfahrens und könne sowohl Änderungen der Antragsbegründung zulassen als auch zusätzliche Informationen verlangen, um festzustellen, ob der Antrag mit den Artikeln 2 und 4 im Einklang stehe.

43. Ich stimme der deutschen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission in diesem Punkt zu. Ich halte es für unrealistisch, von Mitgliedstaaten, in denen es kein Register von Bezeichnungen gab, zu erwarten, dass sie der Kommission binnen sechs Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung (oder auch binnen 18 Monaten nach ihrer Veröffentlichung) alle für eine Entscheidung über die Eintragung nötigen Informationen und Unterlagen liefern, vor allem in Anbetracht der Zeit, die für die (wie ich vortragen werde) erforderlichen nationalen Verfahrensgarantien für Betroffene benötigt wird. Die in Artikel 4 der Verordnung vorgeschriebene Spezifikation muss mindestens" zu neun Punkten eingehende Angaben enthalten. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt hat, wurden der Kommission allein von Deutschland über 1 000 Bezeichnungen gemäß Artikel 17 Absatz 1 mitgeteilt; diese Zahl stimmt mit dem Auszug aus einer Liste dieser Bezeichnungen überein, die die Kommission ihren schriftlichen Erklärungen beigefügt hat.

44. Es trifft zu, dass die Änderung des ursprünglichen Antrags durch einen Mitgliedstaat - im vorliegenden Fall ein Ersuchen um Eintragung als geographische Angabe statt als Ursprungsbezeichnung, eine Änderung des einbezogenen Gebietes und eine Änderung des zulässigen Anteils an nicht aus diesem Gebiet stammender Rohware - als etwas anderes als die Übermittlung von Informationen oder Unterlagen zur Ergänzung des ursprünglichen Antrags angesehen werden kann. Gleichwohl halte ich die Einreichung solcher Änderungen außerhalb der Sechsmonatsfrist für zulässig. Es ist zu berücksichtigen, dass das durch die Verordnung geschaffene System neu war; selbst Mitgliedstaaten, deren bestehendes System zum Schutz von Bezeichnungen auf einer Eintragung beruhte, dürften geschützte Bezeichnungen nicht unbedingt in gleicher Weise wie in der Verordnung eingeteilt haben, und erst recht konnte von Mitgliedstaaten, in denen es bis dahin kein Eintragungssystem gab, vernünftigerweise nicht erwartet werden, vor der Vorlage ihrer Liste von Bezeichnungen gemäß Artikel 17 abschließend festzulegen, ob eine bestimmte Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung oder als geographische Angabe geschützt werden sollte. Desgleichen war nicht zu erwarten, dass diese Mitgliedstaaten über ausreichende Daten verfügen, um sofort die genaue Ausdehnung des einzubeziehenden Gebietes abschließend festzulegen.

45. Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass die Änderung des ursprünglichen Antrags nach Ablauf der Sechsmonatsfrist die Gültigkeit der angefochtenen Verordnung nicht beeinträchtigte.

Die Anwendbarkeit von Artikel 17 auf umstrittene Bezeichnungen

46. Die Beklagte und das vorlegende Gericht werfen die Frage auf, ob Artikel 17 anwendbar sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - Dritte auf nationaler Ebene Einwände gegen die Eintragung der betreffenden Bezeichnung erhoben hätten.

47. Die Kommission trägt vor, nach Artikel 17 Absatz 2 sei die Anwendung von Artikel 7, der es interessierten Dritten erlaube, Einspruch gegen eine beabsichtigte Eintragung im normalen" Verfahren einzulegen, im vereinfachten" Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen. Auch im vereinfachten Verfahren könnten jedoch Einwände erhoben werden, da Artikel 15 der Verordnung die Unterstützung der Kommission durch einen aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Ausschuss vorsehe. Die Kommission habe diesen Ausschuss im Rahmen der Behandlung des Antrags auf Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" angehört.

48. Die deutsche Regierung ist der Ansicht, allein die Tatsache, dass es Meinungsverschiedenheiten über die Eintragung einer Bezeichnung gebe, schließe die Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens nicht aus. In solchen Fällen hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass den Betroffenen rechtliches Gehör gewährt werde. Vorliegend habe die deutsche Regierung die Einwände der Betroffenen zur Kenntnis genommen und die vorgetragenen Bedenken eingehend geprüft. Sie sei jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Bedenken dem Schutz der Bezeichnung nicht entgegenstuenden.

49. Meines Erachtens gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass das vereinfachte Verfahren gemäß Artikel 17 Absatz 1 nur für die Eintragung von Bezeichnungen in Betracht kommt, über die es keinen Streit gibt. Ein solches Kriterium könnte sich als unbrauchbar erweisen. Die Kommission vermag nicht zu prüfen, ob alle gemäß Artikel 17 Absatz 1 vorgelegten Anträge auf Eintragung - deren Zahl, wie oben erwähnt, über 1 000 betrug - auf nationaler Ebene unumstritten sind.

50. Es ist jedoch sehr wichtig, dass interessierte Dritte Gelegenheit erhalten, auf nationaler Ebene zu jeder Bezeichnung Stellung zu nehmen, die ein Mitgliedstaat gemäß Artikel 17 Absatz 1 eintragen lassen will, bevor der betreffende Mitgliedstaat die Liste dieser Bezeichnungen der Kommission übermittelt. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache Molkerei Großbraunshain und Bene Nahrungsmittel/Kommission ausgeführt hat, müssen im Rahmen des normalen" Verfahrens für die Eintragung einer Bezeichnung gemäß Artikel 5 der Verordnung Differenzen zwischen der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, der die Eintragung einer Bezeichnung beantragt, und einer in diesem Staat ansässigen natürlichen oder juristischen Person grundsätzlich behandelt werden, bevor der betreffende Mitgliedstaat der Kommission den Antrag nach Artikel 5 übermittelt. Hat ein in seinem berechtigten Interesse betroffener Wirtschaftsteilnehmer bei der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats Bemerkungen gegen einen Eintragungsantrag vorgebracht, denen die Behörde nicht Rechnung getragen hat, so muss er sich an die nationalen Gerichte wenden, um feststellen zu lassen, dass die zuständige Behörde gegen die Verordnung verstoßen hat.

51. Dieses Erfordernis des Schutzes auf nationaler Ebene ist, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Molkerei Großbraunshain und Bene Nahrungsmittel/Kommission klargestellt hat, von dem in Artikel 7 der Verordnung vorgesehenen Verfahren unabhängig. Dieses Verfahren dient nur zur Beilegung von Differenzen zwischen Mitgliedstaaten.

52. Auch die Mitwirkung des nach Artikel 15 der Verordnung einzusetzenden Ausschusses kann entgegen dem Vorbringen der Kommission die ordnungsgemäße Berücksichtigung von Einwänden auf nationaler Ebene vor der Einreichung des Eintragungsantrags nicht ersetzen. Dieser Ausschuss soll eine enge Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Kommission erleichtern. Seine Stellungnahme ist überdies für die Gesetzgebungsorgane nicht bindend.

Hat der Mitgliedstaat oder die Kommission darüber zu entscheiden, ob eine Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung" oder als geographische Angabe" eingetragen werden soll?

53. Die Beklagte und das vorlegende Gericht sind der Ansicht, dass die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geographische Angabe gegen die Artikel 2 und 4 der Verordnung Nr. 2081/92 verstoßen könnte, da aufgrund des Wesens des Erzeugnisses und der Vorstellung der Verbraucher eine Eintragung als Ursprungsbezeichnung angebracht gewesen wäre. Den Begriff Spreewälder Gurken" verstuenden die Verbraucher als Hinweis auf Gurken, die aus dem eigentlichen Spreewald stammten und folglich von besonderer Qualität seien, nicht aber auf ihre Verarbeitung oder das Rezept dafür.

54. Die Beklagte trägt vor, aus der Feta-Entscheidung des Gerichtshofes sei abzuleiten, dass die Kommission bei einem Antrag auf Eintragung einer Bezeichnung gemäß Artikel 17 der Verordnung prüfen müsse, ob die Anforderungen von Artikel 2 der Verordnung erfuellt seien. Im vorliegenden Fall habe die Kommission keine Ermittlungen darüber angestellt, ob die vorgeschlagene Bezeichnung diese Anforderungen erfuelle, sondern sei schlicht der von der deutschen Regierung - nach Einreichung der geänderten Spezifikation - vertretenen Auffassung gefolgt, dass die Bezeichnung als geographische Angabe eingetragen werden sollte.

55. Wenn die im eigentlichen Spreewald erzeugten Gurken Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geographischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einfluesse" im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung verdankten, hätte die Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung eingetragen und an die Bedingung geknüpft werden müssen, dass alle Gurken aus dem eigentlichen Spreewald stammten. Ergebe sich dagegen die bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft" der Gurken im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b aus [ihrem] geographischen Ursprung" - und zwar daraus, dass sie aus dem Wirtschaftsraum und nicht aus dem eigentlichen Spreewald stammten -, so reiche die bloße Tatsache, dass Gurken aus anderen Gebieten im Wirtschaftsraum Spreewald verarbeitet würden, nicht aus, um die Bezeichnung in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung einzubeziehen, denn die Verarbeitungsmethode könnten auch Hersteller von Gurkenkonserven außerhalb des Wirtschaftsraums gewährleisten.

56. Die Kommission hätte auch Artikel 3 der Verordnung heranziehen und sich davon überzeugen müssen, dass die Bezeichnung Spreewälder Gurken" nicht insofern zur Gattungsbezeichnung geworden sei, als sie jetzt nur darauf hinweise, dass die so vermarkteten Gurken nach einer bestimmten Rezeptur konserviert worden seien. In diesem Fall könnten mit ihr bezeichnete Gurken von überall stammen, sofern die Rezeptur befolgt worden sei.

57. Die deutsche Regierung trägt vor, die Bezeichnung Spreewälder Gurken" könne grundsätzlich entweder als Ursprungsbezeichnung im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung oder als geographische Angabe im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b geschützt werden. Beide Bestimmungen bezögen sich auf Agrarerzeugnisse und Lebensmittel aus dieser Gegend, diesem bestimmten Ort oder diesem Land". Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b erlaube ausdrücklich den Schutz eines Agrarerzeugnisses, das in einem bestimmten Gebiet nur verarbeitet worden sei; auf den Grad der Verarbeitung komme es nicht an. Werde bei einem verarbeiteten Erzeugnis Schutz als geographische Angabe begehrt, so müsse nur das Endprodukt aus dem angegebenen geographischen Gebiet stammen. Die deutsche Regierung sei nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte einschließlich der Verkehrsauffassung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Bezeichnung Spreewälder Gurken" eine geographische Angabe und keine Ursprungsbezeichnung sei.

58. Sowohl die österreichische Regierung als auch die Kommission sind der Ansicht, dass es Sache des Mitgliedstaats sei, in seinem Antrag anzugeben, ob er eine Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung oder als geographische Angabe eintragen lassen wolle; ob die Bezeichnung dann in der gewünschten Form eingetragen werde, hänge von der Erfuellung der dafür geltenden Voraussetzungen ab.

59. Meines Erachtens ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 17, dass zwar zunächst der Mitgliedstaat anzugeben hat, ob eine bestimmte Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung oder als geographische Angabe eingetragen werden soll, doch muss die Kommission vor der Eintragung prüfen, ob diese Bezeichnung die Anforderungen von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a oder Buchstabe b erfuellt und ob die dem Antrag beigefügte Spezifikation des Erzeugnisses mit Artikel 4 im Einklang steht.

60. In Artikel 17 Absatz 2 heißt es ausdrücklich, dass die Kommission die Bezeichnungen einträgt, die den Artikeln 2 und 4 entsprechen". Artikel 4 enthält die Mindestanforderungen an die Spezifikation des Erzeugnisses, die erfuellt sein müssen, damit eine Ursprungsbezeichnung oder geographische Angabe geführt werden darf. Aus diesen Anforderungen geht klar hervor, dass der den Antrag einreichende Mitgliedstaat anzugeben hat, welche Art von Eintragung gewünscht wird. In Artikel 2 werden die Begriffe Ursprungsbezeichnung" und geographische Angabe" definiert. Bevor die Kommission die übermittelte Bezeichnung gemäß Artikel 17 Absatz 1 einträgt, muss sie daher prüfen, ob die Bezeichnung dieser Definition entspricht. Somit stellt sich die Frage, ob die Kommission im vorliegenden Fall entgegen der Behauptung der Beklagten die Einhaltung der Artikel 2 und 4 ordnungsgemäß geprüft hat.

61. Hinsichtlich der Einhaltung der Definition in Artikel 2 Absatz 2 scheinen sich alle, die im vorliegenden Fall beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, darüber einig zu sein, dass ein Lebensmittel im Rahmen von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b - anders als bei Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a - schon dann als aus dem betreffenden geographischen Gebiet stammend anzusehen ist, wenn es dort verarbeitet (oder erzeugt oder hergestellt) wurde, auch wenn die Rohstoffe eine andere Herkunft haben. Ich kann Artikel 2 Absatz 2 diese Unterscheidung nicht klar entnehmen, aber der Wortlaut von Artikel 2 Absatz 4 scheint sie zu bestätigen. Auch Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d deutet darauf hin, dass es einen Unterschied zwischen den Anforderungen an den geographischen Ursprung in den Buchstaben a und b von Artikel 2 Absatz 2 gibt, doch da diese Anforderungen in beiden Fällen im ersten Gedankenstrich identisch formuliert sind, ist nicht klar ersichtlich, worauf dieser Unterschied beruht. Geht man jedoch davon aus, dass die übereinstimmende Auffassung in den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen zutrifft, so kann die Kommission meines Erachtens eine Bezeichnung auf Wunsch des betreffenden Mitgliedstaats auch dann als geographische Angabe eintragen, wenn nach der Spezifikation nicht alle Rohstoffe aus dem fraglichen geographischen Gebiet stammen müssen, vorausgesetzt natürlich, dass nach ihrer Überzeugung alle Anforderungen von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b erfuellt sind, d. h. insbesondere, dass sich bei dem Erzeugnis oder Lebensmittel eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus seinem geographischen Ursprung ergibt.

62. Was die Einhaltung von Artikel 4 anbelangt, so muss die darin vorgeschriebene Spezifikation die Abgrenzung des geographischen Gebietes enthalten. Liegen keine Anhaltspunkte für einen offensichtlichen Irrtum vor, so ist die Kommission meines Erachtens berechtigt, die Festlegung dieses Gebietes durch den Mitgliedstaat zu akzeptieren, da dessen zuständige Behörden besser in der Lage sind, das Gebiet unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten bei Herstellung und Vermarktung festzulegen. Es gibt im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass andere Anforderungen von Artikel 4 nicht erfuellt wurden.

63. Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass die Kommission ihre Pflicht zur Prüfung der formalen Einhaltung der Artikel 2 und 4 der Verordnung erfuellt hat, bevor sie die Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geographische Angabe eintrug.

64. Die Beklagte macht ferner geltend, die Kommission hätte sich davon überzeugen müssen, dass die Bezeichnung nicht zur Gattungsbezeichnung geworden sei.

65. Aus dem Wortlaut von Artikel 17 Absatz 2 geht klar hervor, dass die Kommission eine Gattungsbezeichnung nicht im vereinfachten Verfahren gemäß Artikel 17 eintragen darf (und dies natürlich auch im normalen Verfahren nicht tun darf, da Artikel 3 Absatz 1 die Eintragung von Gattungsbezeichnungen verbietet). Ich halte die Kommission aber deswegen nicht für verpflichtet, von sich aus bei jeder Bezeichnung, deren Eintragung gemäß Artikel 17 begehrt wird, zu prüfen, ob sie keine Gattungsbezeichnung ist.

66. Meines Erachtens besteht eine solche Prüfungspflicht nur dann, wenn der Kommission vor der Stellung eines Antrags gemäß Artikel 17 auf Eintragung einer bestimmten Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder Lebensmittels als Ursprungsbezeichnung oder geographische Angabe von einem Mitgliedstaat mitgeteilt wird, dass es sich um eine Gattungsbezeichnung handeln könnte.

67. Im Juli 1992 ersuchte die Kommission die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung, ihr die Bezeichnungen von Erzeugnissen bekannt zu geben, die ihres Erachtens als Gattungsbezeichnungen anerkannt werden können; die Mitgliedstaaten übersandten ihr daraufhin verschiedene Vorschläge. Die Kommission verfügte damit als Arbeitsgrundlage über eine Liste von Bezeichnungen, die mindestens ein Mitgliedstaat als Gattungsbezeichnung ansah.

68. In der englischen Fassung der 13. Begründungserwägung der Verordnung - die in keiner Bestimmung der Verordnung ihren Niederschlag gefunden hat - heißt es zwar, dass das Eintragungsverfahren jedem in einem Mitgliedstaat persönlich und unmittelbar Betroffenen die Möglichkeit geben müsse, seine Rechte durch Einspruch bei der Kommission geltend zu machen (the registration procedure should enable any person individually and directly concerned in a Member State to exercise his rights by notifying the Commission of his opposition"), doch geht aus den übrigen Sprachfassungen klar hervor, dass ein solcher Einspruch über den betreffenden Mitgliedstaat geleitet werden muss. Ich halte Privatpersonen deshalb nicht für berechtigt, die Kommission darauf aufmerksam zu machen, dass eine Bezeichnung, deren Eintragung begehrt wird, eine Gattungsbezeichnung sein könnte.

69. Wird die Eintragung einer Bezeichnung beantragt, die nach Kenntnis der Kommission von einem Mitgliedstaat als Gattungsbezeichnung angesehen wird, so muss sich die Kommission daher anhand der nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung zu berücksichtigenden Faktoren davon überzeugen, dass es sich nicht um eine Gattungsbezeichnung handelt. Trägt die Kommission die Bezeichnung ein, ohne all diese Faktoren ordnungsgemäß zu berücksichtigen, so ist die Eintragung ungültig. Dies war in der die Bezeichnung Feta" betreffenden Rechtssache der Fall.

70. Wird bei der Kommission jedoch gemäß Artikel 17 beantragt, eine Bezeichnung als Ursprungsbezeichnung oder geographische Angabe einzutragen, ohne dass ihr bekannt wird, dass diese Bezeichnung von mindestens einem Mitgliedstaat als Gattungsbezeichnung angesehen wird, so halte ich sie nicht für verpflichtet, zu prüfen, ob es sich dabei um eine Gattungsbezeichnung handelt.

71. Etwas anderes mag gelten, wenn im normalen Verfahren die Eintragung beantragt wird, denn nach Artikel 7 der Verordnung können die Mitgliedstaaten im Rahmen dieses Verfahrens Einspruch gegen die beabsichtigte Eintragung einlegen, wenn die Bezeichnung, deren Eintragung beantragt wurde, eine Gattungsbezeichnung ist. Legt ein Mitgliedstaat einen solchen Einspruch ein und können die Mitgliedstaaten keine einvernehmliche Regelung erzielen, so muss die Kommission gemäß Artikel 15 der Verordnung gemeinsam mit dem Ausschuss eine Entscheidung treffen. Beim Erlass der Entscheidung muss sie sich unter diesen Umständen auch davon überzeugen, dass die Bezeichnung keine Gattungsbezeichnung ist.

Ist die Bezeichnung Spreewälder Gurken" durch Benutzung üblich geworden?

72. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass das in Artikel 17 der Verordnung vorgesehene Eintragungsverfahren im Fall der Bezeichnung Spreewälder Gurken" nicht anwendbar sei, da diese Bezeichnung weder eine gesetzlich geschützte" noch eine als geographische Angabe durch Benutzung üblich gewordene Bezeichnung" im Sinne der Verordnung sei. Sie sei nicht gesetzlich geschützt, da es in Deutschland kein System eines förmlichen gesetzlichen Schutzes geographischer Angaben gebe. Sie könne auch nicht als durch Benutzung üblich gewordene Bezeichnung gemäß Artikel 17 eingetragen werden, denn sie sei den Verbrauchern seit Jahrhunderten als Bezeichnung für Erzeugnisse aus dem Spreewald selbst und nicht für Erzeugnisse aus einer darüber hinausgehenden Wirtschaftsregion bekannt.

73. Die deutsche Regierung trägt vor, die Bezeichnung Spreewälder Gurken" sei ohne Zweifel durch Benutzung üblich geworden". Sie sei den Verbrauchern seit Jahrhunderten als Bezeichnung für Gurken aus dem Spreewald bekannt. Sie beziehe sich nicht nur auf Erzeugnisse, die im Spreewald selbst angebaut würden, sondern auch auf Produkte, die im gesamten, auch das Umland umfassenden Wirtschaftsraum angebaut würden. Die im Wirtschaftsraum Spreewald verarbeiteten Gurken seien seit Jahrzehnten als Spreewälder Gurken bekannt. Nach Artikel 17 hätten die Mitgliedstaaten zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Eintragung gemäß der Verordnung vorlägen. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ein Antrag nicht automatisch zu einer Eintragung führe; er werde dem in Artikel 15 genannten Ausschuss vorgelegt und von der Kommission, die von einem wissenschaftlichen Ausschuss beraten werde, geprüft.

74. Die Kommission führt aus, sie habe nicht zu prüfen, ob und inwieweit eine von einem Mitgliedstaat mitgeteilte Bezeichnung durch Benutzung üblich geworden" sei. Nach Artikel 17 Absatz 2 habe sie nur zu prüfen, dass die gemäß Artikel 17 Absatz 1 übermittelten Bezeichnungen die Anforderungen der Artikel 2 und 4 erfuellten. Ob eine Bezeichnung durch Benutzung üblich geworden" sei, habe stets der betreffende Mitgliedstaat zu beurteilen.

75. Das vorlegende Gericht stelle in seinem Beschluss jedenfalls fest, dass Spreewälder Gurken" eine den Verbrauchern schon seit Jahrhunderten bekannte Bezeichnung für Gurken aus dem Spreewald sei. Der Hinweis des vorlegenden Gerichts, dass sich diese Bezeichnung auf Erzeugnisse beziehe, die im Spreewald selbst angebaut würden, und nicht auf solche aus einer Wirtschaftsregion Spreewald, sei irrelevant, da die Kommission nicht zu prüfen habe, in Bezug auf welches geographische Gebiet eine Bezeichnung durch Benutzung üblich geworden sei.

76. Ich stimme den Ausführungen der deutschen Regierung und der Kommission zu. Der Wortlaut von Artikel 17 Absatz 1, der den Mitgliedstaaten aufgibt, der Kommission mitzuteilen, welche ihrer ... durch Benutzung üblich gewordenen Bezeichnungen sie ... eintragen lassen wollen", deutet darauf hin, dass der betreffende Mitgliedstaat zu klären hat, ob eine Bezeichnung, deren Eintragung auf nationaler Ebene beantragt worden ist, durch Benutzung üblich geworden ist. Die Kommission wäre gar nicht in der Lage, die Einhaltung dieses Kriteriums zu überprüfen. Dagegen sind die zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats eindeutig besser imstande, die erforderliche Beurteilung vorzunehmen.

77. Ich möchte jedoch meinen Hinweis in Nummer 50 wiederholen, dass es sehr wichtig ist, dass interessierte Dritte Gelegenheit erhalten, auf nationaler Ebene zu Bezeichnungen Stellung zu nehmen, die ein Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 17 Absatz 1 mitteilen will, und dass das nationale Recht einen Rechtsbehelf für den Fall eines Verstoßes der zuständigen Behörde gegen die Verordnung vorsieht.

Führt die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" die Verbraucher irre?

78. Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass die Spezifikationen in Bezug auf das geographische Gebiet und den zulässigen Anteil nicht aus diesem Gebiet stammender Gurken den Vorstellungen der Verbraucher von der Bedeutung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" nicht gerecht würden. Die Eintragung der Bezeichnung und folglich die Rechtsvorschriften, aufgrund deren die Eintragung vorgenommen worden sei, schrieben somit eine Irreführung der Verbraucher fest, die der Verordnungsgeber nicht beabsichtigt haben könne.

79. Die deutsche Regierung macht geltend, die Verbraucher sähen den fraglichen Wirtschaftsraum als Herkunft der Spreewälder Gurken an. Der zulässige Anteil von Gurken, die nicht aus dem eigentlichen Spreewald stammten, sei nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung für die Eintragung als geographische Angabe unerheblich.

80. Die Kommission weist darauf hin, dass es nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b zweiter Gedankenstrich für eine geographische Angabe genüge, dass ein Erzeugnis in dem begrenzten geographischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde". Es sei mithin nicht erforderlich, dass die Rohware aus dem betreffenden geographischen Gebiet stamme, sofern das Endprodukt dort z. B. verarbeitet worden sei.

81. Es kann natürlich nicht in der Absicht des Verordnungsgebers gelegen haben, die Irreführung der Verbraucher zu sanktionieren; Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung, der die Eintragung einer Ursprungsbezeichnung oder einer geographischen Angabe verbietet, wenn sie in Anbetracht des Ansehens, des Bekanntheitsgrads und der Verwendungsdauer einer kollidierenden Marke geeignet ist, die Verbraucher über die wirkliche Identität des Erzeugnisses irrezuführen, kann insoweit als Ausprägung eines allgemeinen Grundsatzes betrachtet werden. Ich teile jedoch nicht die Auffassung des vorlegenden Gerichts, dass die Eintragung der Bezeichnung Spreewälder Gurken" als geographische Angabe eine Irreführung der Verbraucher festschreibe. Unter der oben genannten Annahme, dass die Auslegung von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b durch die Kommission zutrifft, hat meines Erachtens die Tatsache, dass ein Teil der Rohware aus einem anderen als dem betreffenden geographischen Gebiet kommen darf, keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Eintragung einer geographischen Angabe gemäß der Verordnung Nr. 2081/92, sofern die übrigen Voraussetzungen von Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b erfuellt sind. Zum Umfang des geographischen Gebietes habe ich bereits ausgeführt, dass die Spezifikation des zu einer geographischen Angabe gehörenden geographischen Gebietes Sache des betreffenden Mitgliedstaats ist.

82. In dem nationalen Verfahren, das dem Antrag der zuständigen Behörde bei der Kommission, eine Bezeichnung einzutragen, vorausgeht, muss jedoch, wie ebenfalls bereits ausgeführt, gewährleistet sein, dass in ihren berechtigten Interessen betroffene Dritte Gelegenheit haben, Einwände gegen einen beabsichtigten Antrag zu erheben und einen unter Verletzung dieses Erfordernisses gestellten Antrag gerichtlich überprüfen zu lassen.

Ergebnis

83. Ich bin daher der Ansicht, dass die vom Landgericht Hamburg vorgelegte Frage wie folgt beantwortet werden sollte:

Die Prüfung der vorgelegten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Verordnung (EG) Nr. 590/1999 der Kommission vom 18. März 1999 zur Ergänzung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 1107/96 der Kommission zur Eintragung geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen um die Bezeichnung Spreewälder Gurken" gemäß dem Verfahren nach Artikel 17 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates beeinträchtigen könnte.

Top