EUR-Lex Access to European Union law
This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 61996CC0067
Opinion of Mr Advocate General Jacobs delivered on 28 January 1999. # Albany International BV v Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie. # Reference for a preliminary ruling: Kantongerecht Arnhem - Netherlands. # Compulsory affiliation to a sectoral pension scheme - Compatibility with competition rules - Classification of a sectoral pension fund as an undertaking. # Case C-67/96.
Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 28. Januar 1999.
Albany International BV gegen Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Arnhem - Niederlande.
Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds - Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln - Qualifizierung eines Betriebsrentenfonds als Unternehmen.
Rechtssache C-67/96.
Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 28. Januar 1999.
Albany International BV gegen Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Arnhem - Niederlande.
Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds - Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln - Qualifizierung eines Betriebsrentenfonds als Unternehmen.
Rechtssache C-67/96.
European Court Reports 1999 I-05751
ECLI identifier: ECLI:EU:C:1999:28
Verbundene Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 28. Januar 1999. - Albany International BV gegen Stichting Bedrijfspensioenfonds Textielindustrie. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Arnhem - Niederlande. - Rechtssache C-67/96. - Brentjens' Handelsonderneming BV gegen Stichting Bedrijfspensioenfonds voor de Handel in Bouwmaterialen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Roermond - Niederlande. - Verbundene Rechtssachen C-115/97 bis C-117/97. - Maatschappij Drijvende Bokken BV gegen Stichting Pensioenfonds voor de Vervoer- en Havenbedrijven. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad - Niederlande. - Rechtssache C-219/97. - Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds - Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln - Qualifizierung eines Betriebsrentenfonds als Unternehmen.
Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-05751
I - Einleitung
1 In den vorliegenden Rechtssachen, die dem Gerichtshof vom niederländischen Hoge Raad, vom Kantongerecht Rörmond und vom Kantongerecht Arnheim vorgelegt worden sind, geht es um eine Reihe von Fragen, die die Vereinbarkeit eines obligatorischen Betriebsrentensystems mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages betreffen. Diese Fragen stellen sich im Kontext gerichtlicher Verfahren, die drei Unternehmen durch Klagen anhängig gemacht haben, die sich gegen Verfügungen von Betriebsrentenfonds richten, mit denen Beiträge zu ihrem jeweiligen System angefordert wurden.
2 Die Rechtssachen werfen mehrere Probleme von allgemeiner Bedeutung auf, die der Lösung bedürfen, bevor die konkreten Vorabentscheidungsfragen beantwortet werden können. Es geht in allen drei Rechtssachen darum, ob ein nationales System, für das auf Betreiben der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter einer bestimmten Wirtschaftsbranche die Zwangsmitgliedschaft in einem Betriebsrentensystem für alle Unternehmen dieser Branche eingeführt wurde, entweder gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 oder gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag verstösst. Diese Rechtssachen werfen ausserdem im Rahmen der Artikel 5 und 85 EG-Vertrag die Frage auf, ob ein Tarifvertrag zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einer bestimmten Branche, mit dem ein Branchenbetriebsrentensystem eingeführt wird, unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fällt. Der Gerichtshof hat damit zum ersten Mal über das Verhältnis der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages zu Verträgen zu entscheiden, die auf Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern zurückgehen. Eine weitere, für die Anwendung der Artikel 90 Absatz 1 und 86 EG-Vertrag erhebliche Frage ist die, ob die niederländischen Branchenbetriebsrentenfonds, die im Rahmen der Vorschriften über die Zwangsmitgliedschaft bei einem Branchenbetriebsrentensystem geschaffen wurden, Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages sind.
II - Nationales Recht
3 Das Rentensystem in den Niederlanden ruht auf drei Säulen:
- Zunächst versorgt eine gesetzliche Grundrente, die der Staat nach der Algemene Ouderdomswet (Allgemeines Altersrentengesetz; nachstehend: AOW)(1) und der Algemene Nabestaandenwet (Allgemeines Hinterbliebenenrentengesetz) garantiert, die gesamte Bevölkerung mit einem Pauschalbetrag in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Mindestlohns. Dieser Betrag wird für jedes Jahr, in dem der Betreffende nicht versichert war, gemindert.
- Zweitens wird in den meisten Fällen die Grundrente durch Zusatzrenten aufgestockt, die im Rahmen von unselbständigen oder selbständigen Tätigkeiten gewährt werden. Diese Zusatzrenten werden üblicherweise von Tarifsystemen verwaltet, die für eine Industriebranche, einen Beruf oder die Arbeitnehmer eines Unternehmens zuständig sind.
- Drittens schließlich besteht die Möglichkeit, Einzelrenten- oder Lebensversicherungsverträge auf freiwilliger Basis zu schließen.
4 Die vorliegenden Rechtssachen betreffen allesamt die zweite Säule der Branchenbetriebsrentensysteme, die Arbeitnehmern Zusatzrenten gewähren. Insoweit unterscheiden sie sich von dem Zusatzrentensystem, um das es in der Rechtssache Van Schijndel und Van Veen(2) ging und das Angehörigen eines Berufszweigs Renten gewährte.
5 Nach niederländischem Recht sind die Arbeitgeber im allgemeinen in ihrer Entscheidung frei, ob sie ihren Arbeitnehmern Zusatzrenten gewähren wollen oder nicht. Wenn sie dies wollen, können sie ein Betriebsrentensystem entweder in Form eines Betriebsrentenfonds oder einer Gruppenrentenversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft schaffen. Sie können auch mit anderen Arbeitgebern zusammen ein Branchenrentensystem gründen oder einem bestehenden Branchensystem beitreten.
6 In der Praxis sind die Arbeitgeber jedoch häufig gezwungen, ihre Arbeitnehmer einem Branchenrentenfonds als Pflichtmitglieder anzuschließen. Diese Rentenfonds werden durch Tarifvertrag zwischen den Sozialpartnern in einer bestimmten Industriebranche eingerichtet. Der Staat ordnet dann die Zwangsmitgliedschaft bei dem von diesen Rentenfonds angebotenen System an.
7 Das erste Regelwerk für solche Systeme enthielt die Wet betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensiönfonds vom 17. März 1949 (Gesetz über die Zwangsmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds, mehrfach geändert; nachstehend: BPW)(3).
8 Die zentrale Vorschrift ist Artikel 3 Absatz 1. Er ermächtigt den Sozialminister, auf Antrag einer Gruppe von Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften, die er für hinreichend repräsentativ hält, eine Verordnung zu erlassen, mit der die Pflichtmitgliedschaft aller zu einem bestimmten Sektor gehörenden Personengruppen bei einem Branchenrentenfonds festgelegt wird. Diese Befugnis hat der Minister nur bei besonderem Antrag. Vor seiner Entscheidung hat der zuständige Minister u. a. den Sociaal-Economische Raad (Sozial- und Wirtschaftsausschuß) und die Verzekeringskamer (Versicherungskammer), die die Versicherungen und Rentenkassen beaufsichtigt, anzuhören.
9 Gemäß Artikel 3 Absatz 2 BPW haben sich alle Personen, die unter die Regelung fallen, und ihre Arbeitgeber an die Bestimmungen des entsprechenden Branchenrentenfonds zu halten. Die Verpflichtungen nach diesen Bestimmungen einschließlich der Beitragspflicht sind rechtlich erzwingbar. Artikel 18 ermächtigt den Rentenfonds, für den Einzug unbezahlter Beiträge vollstreckbare Zahlungsverfügungen auszustellen.
10 In der Parlamentsdebatte vor Verabschiedung der BPW gab die Regierung folgende Erklärung zur Anwendung der Vorschriften über die Zwangsmitgliedschaft ab(4):
"Der vorliegende Gesetzentwurf soll Bestimmungen für das Gebiet der Rentenvereinbarungen mit Personen ähnlich denen schaffen, wie sie die Wet op het algemeen verbindend en onverbindend verklaren van bepalingen van collectieve arbeidsovereenkomsten (Gesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen) für die Arbeitsbedingungen enthält. Es soll damit verhindert werden, daß einige Arbeitgeber des Sektors dadurch Vorteile gegenüber anderen Arbeitgebern des gleichen Sektors erlangen, daß sie keine Renten gewähren ..."
Der damalige Sozialminister erklärte(5):
"Eine Berufsrentenversicherung, wie sie dieser Gesetzentwurf fördern will, ist besonders wirksam, da sie auf dem Konzept der Sozialversicherung beruht, d. h. auf der Grundannahme, daß die Mitglieder einer bestimmten Branche, in erster Linie Arbeitgeber und Arbeitnehmer ..., kollektiv Verantwortung für die Aufbringung der notwendigen Mittel übernehmen, um damit sicherzustellen, daß alle Personen, die eine ausreichende Zahl von Beschäftigungsjahren in dieser Branche zurückgelegt und ein bestimmtes Alter erreicht haben, die benötigten Leistungen erhalten können. Geschieht dies - wie in einer Reihe von Fällen - auf einer individuellen Grundlage und wird nichts weiter unternommen, so können diejenigen, die in günstigen Verhältnissen leben, anders als diejenigen, die sich in einer weniger günstigen Situation befinden, relativ leicht für sich Vorsorge treffen."
11 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 BPW muß eine Reihe von Voraussetzungen erfuellt sein, bevor der Minister die Zwangsmitgliedschaft anordnen darf. Zum Beispiel müssen gemäß Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz IV die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Vertretungsgremium in gleicher Zahl vertreten sein, und gemäß Unterabsatz V muß der Rentenfonds Rechtspersönlichkeit haben.
12 Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz II führt eine Reihe von Punkten an, die in der Satzung und den Regelungen des Rentenfonds geregelt sein müssen. Insbesondere müssen gemäß Artikel 5 Absatz 2 Unterabsatz II Buchstabe l Satzung und Vorschriften des Fonds die Möglichkeit der Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft unter bestimmten Umständen oder zumindest von einzelnen Pflichten aufgrund der Zwangsmitgliedschaft vorsehen.
13 Artikel 5 Absatz 3 ermächtigt den Sozialminister, "richtlijnen" (Leitlinien) für die Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft zu erlassen. Aufgrund dieser Bestimmung erließ der zuständige Minister am 29. Dezember 1952 die Beschikking betreffende de vaststelling van de richtlijnen voor de vrijstelling van deelneming in een bedrijspensiönfonds wegens een bijzondere pensiönvoorziening (Erlaß zur Festlegung von Leitlinien für die Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft bei einem Betriebsrentenfonds wegen besonderer Rentenvorkehrungen, mehrfach geändert; nachstehend: Befreiungsleitlinien oder Leitlinien)(6).
14 Gemäß Artikel 1 dieser Leitlinien in der zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt geltenden Fassung gewährt der Branchenrentenfonds die Befreiungen selbst. Befreiungen müssen entweder individuell vom Arbeitnehmer oder, wie im Ausgangsverfahren, von einem Arbeitgeber für alle seine Arbeitnehmer beantragt werden.
15 Gemäß Artikel 1 kann der Rentenfonds nach seinem Ermessen Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft gewähren, wenn das beteiligte Unternehmen sein eigenes Betriebsrentensystem hat und die Voraussetzungen des Artikels 1 Buchstaben a bis d der Leitlinien erfuellt sind. Artikel 1 Buchstabe a zählt die Arten alternativer Rentenvereinbarungen auf, die akzeptiert werden, nämlich ein unternehmenseigener Rentenfonds, ein anderer Branchenrentenfonds oder eine Gruppenversicherung bei einem privaten Versicherer. Artikel 1 Buchstabe b legt fest, daß die Leistungen der besonderen betrieblichen Rentenvereinbarung mindestens denen des Branchenrentenfonds entsprechen müssen. Artikel 1 Buchstabe c fordert, daß das alternative System ausreichende Garantien für die Erfuellung der Rentenverpflichtungen bieten muß. Artikel 1 Buchstabe d legt fest, daß, wenn die Befreiung zum Rückzug von Arbeitnehmern aus dem Fonds führt, ein angemessener Ausgleich für den versicherungsmathematischen Verlust gezahlt werden muß.
16 Nach Artikel 5 der Leitlinien muß der Rentenfonds die Befreiung aussprechen, wenn die besonderen betrieblichen Rentenvereinbarungen des betreffenden Unternehmens die ersten drei der vorgenannten Bedingungen erfuellen und vor Einreichung des Antrags, auf den hin die Zwangsmitgliedschaft beim Rentenfonds angeordnet wurde, sechs Monate in Kraft waren.
17 Gemäß Artikel 8 der Leitlinien muß jede Entscheidung über einen Antrag auf Befreiung mit Gründen versehen sein; eine Durchschrift muß der Versicherungskammer übersandt werden.
18 Artikel 9 der Leitlinien sieht die Möglichkeit einer "bezwaar" (Beschwerde) gegen die Versagung der Befreiung durch den Rentenfonds vor. Über diese Beschwerde entscheidet die Versicherungskammer. Der niederländischen Regierung zufolge ist die Entscheidung der Versicherungskammer lediglich ein Schlichtungsvorschlag und entfaltet keine Rechtskraft. Ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung der Kammer ist nicht möglich.
19 Der niederländischen Regierung zufolge können in der Vergangenheit Befreiungen gewährt worden sein, wenn ein Unternehmen, das zu einem Konzern gehörte, eine eigene Politik der Arbeitsbedingungen verfolgte oder ein Arbeitgeber nur vorübergehend dem Anschlußzwang unterlag. Demgegenüber bestanden die klagenden Unternehmen in der Sitzung darauf, daß in der Praxis Befreiungen nie oder nur sehr selten ausgesprochen worden seien. Auf später erfolgte Änderungen bezueglich der Befreiungen komme ich noch zu sprechen.
20 Artikel 3 Absatz 4 der BPW ermächtigt den zuständigen Minister, die Zwangsmitgliedschaft für den gesamten Sektor zu beenden. Gemäß Artikel 3 Absatz 5 der BPW muß der zuständige Minister bei jeder Änderung der Vorschriften für die Rentenkasse die Zwangsmitgliedschaft aufheben, falls er nicht erklärt, daß er keine Einwände gegen diese Änderungen hat.
21 Das zweite Regelwerk für Branchenrentenfonds ist in der Wet van 15 mei 1962 houdende regelen betreffende pensiön- en spaarvoorzieningen (Gesetz über Renten- und Sparfonds, mehrfach geändert; nachstehend: PSW). Das Gesetz bietet eine allgemeine Rahmenregelung für alle Arten von Renten- oder Sparfonds. Es soll, wenn der Arbeitgeber entsprechende Vereinbarungen trifft, die Versicherten schützen, indem es sicherstellt, daß die für Renten bestimmten Geldmittel auch tatsächlich für diesen Zweck verwendet werden.
22 Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichtet Artikel 2 Absatz 1 PSW die Arbeitgeber, eine von drei Vorkehrungen zu treffen, die auf eine Trennung der für die Renten angesammelten Mittel vom übrigen Vermögen der Gesellschaft abzielen. Der Arbeitgeber kann entweder einem Branchenrentenfonds beitreten, einen unternehmenseigenen Rentenfonds gründen oder Gruppen- bzw. Einzellebensversicherungsverträge mit einem Versicherungsunternehmen abschließen.
23 Artikel 1 Absatz 6 PSW lässt erkennen, daß das Gesetz auch für Branchenrentenfonds gilt, die nach der BPW mit Anschlußzwang versehen wurden.
24 Gemäß den Artikeln 6a und 6b PSW, die 1990 eingefügt wurden, hat die Geschäftsführung jeden Fonds auf Verlangen einer bestimmten Anzahl von angeschlossenen Personen einen "deelnemersrad" (Mitgliederrat) einzusetzen, der beratend an der Verwaltung der Fonds beteiligt ist.
25 Im Interesse der Mitglieder des Rentensystems legen die Artikel 9 und 10 PSW die Art und Weise fest, in der die angesammelten Mittel zu verwalten sind. Die allgemeine Regelung enthält Artikel 9, der die Rentenfonds verpflichtet, das Risiko in Zusammenhang mit den Rentenverpflichtungen zu übertragen oder es rückzuversichern. So kann der Rentenfonds, um das Risiko von Mißverwaltung oder schlechter Anlagen zu beseitigen, das angesammelte Kapital ausschließlich dazu verwenden, um Vereinbarungen mit Versicherungsgesellschaften zu treffen.
26 Als Ausnahmeregelung gestattet es Artikel 10 den Fonds, das angesammelte Kapital auf eigenes Risiko selbst zu verwalten und anzulegen. Vorher jedoch hat der Fonds den zuständigen Behörden einen Verwaltungsplan vorzulegen, in dem im einzelnen beschrieben wird, wie sie die versicherungsmathematischen und finanziellen Risiken zu behandeln gedenkt. Der Plan ist von der Versicherungskammer zu genehmigen. Ausserdem wird der Rentenfonds ständig überwacht. Die versicherungsmathematischen Gewinn- und Verlustrechnungen des Systems sind regelmässig der Versicherungskammer zur Genehmigung vorzulegen. Anscheinend verwalten in der Praxis alle bestehenden Branchenrentenfonds die angesammelten Beiträge selbst auf eigenes Risiko, so daß die Ausnahme zur Regel geworden ist(7).
27 Die Artikel 13 bis 16 PSW enthalten Regeln über die Anlage des angesammelten Kapitals. Gemäß Artikel 13 muß das Vermögen des Systems nebst den erwarteten Erträgen ausreichen, um die Rentenverpflichtungen abzudecken. Nach Artikel 14 haben Anlagen "op solide wijze" (risikoarm) zu erfolgen.
28 Das niederländische Steuerrecht ist für die vorliegenden Rechtssachen ebenfalls von einiger Bedeutung. Nach Darstellung der Kommission sind Steuervorteile nach niederländischem Recht bei Renten auf die Fälle beschränkt, in denen die Gesamtrente ein "angemessenes" Niveau nicht übersteigt. In der Praxis entspricht dieses Niveau 70 % des Endgehalts einer Person nach einem Arbeitsleben von 40 Jahren. In der Praxis beschränkt damit das Steuerrecht das Niveau der Leistungen, die von Rentensystemen erbracht werden können.
29 Der niederländischen Regierung zufolge bestehen in den Niederlanden derzeit 81 Branchenrentenfonds, von denen 66 mit Anschlußzwang ausgestattet sind. Nach Darstellung der beklagten Rentenfonds zahlen 91,6 % der einem Branchenrentenfonds angeschlossenen Personen Beiträge an einen Rentenfonds mit Anschlußzwang. 80 % der Arbeitnehmer sind in den Niederlanden Pflichtmitglied bei einem Branchenrentenfonds.
30 Bei den 15 Branchenrentenfonds, für die der Staat keinen Anschlußzwang vorgesehen hat, vertritt die Regierung die Auffassung, daß in den meisten Fällen ein Eingreifen des Staates nicht erforderlich sei, weil Tarifverträge gälten, die de facto alle Arbeitgeber des Sektors verpflichteten, ihre Arbeitnehmer einem Fonds anzuschließen, oder weil es in diesem Sektor nur eine begrenzte Zahl grosser Arbeitgeber gebe, die sich ohnehin dafür entschieden hätten, ihre Arbeitnehmer bei dem maßgeblichen Rentenfonds zu versichern. Die verbleibenden Rentenfonds ohne Anschlußzwang beträfen eine geringe Anzahl kleiner Sektoren oder Sektoren, in denen es keine nennenswerte industrielle Betätigung mehr gebe.
III - Sachverhalt der Ausgangsverfahren
A - Rechtssache C-67/96, Albany International BV/Stichting Bedrijfspensiönfonds Textielindustrie
31 Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Stichting Bedrijfspensiönfonds Textielindustrie (nachstehend: Textilrentenfonds oder Fonds), ist eine Branchenrentenkasse im Sinne der BPW für die Textilindustrie. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Albany International BV (nachstehend: Albany) ist ein Unternehmen, das u. a. in diesem Industriezweig tätig ist.
32 Nach Darstellung der Parteien des Ausgangsverfahrens und der niederländischen Regierung wurde die Mitgliedschaft bei mehreren Rentenfonds, die jede einen anderen Zweig der Textilindustrie abdeckten, auf Antrag der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter durch eine 1952 erlassene Verordnung zur Pflicht gemacht. Nach einer Reihe von Fusionen machten es die Fusion der beiden letzten verbliebenen Rentenfonds in der Textilindustrie und die Schaffung eines einheitlichen Fonds für den gesamten Industriezweig notwendig, eine neue Verordnung über die Zwangsmitgliedschaft bei dem beklagten Fonds zu erlassen. Albany ist ihrer Pflicht zur Teilnahme an diesem System seit 1975 nachgekommen.
33 Seit 1975 funktioniert der Fonds nach einem sogenannten Festbetragsrenten-Plan. Die Renten waren nicht mehr lohnorientiert, sondern wurden in Form eines festen Betrages je Berufsjahr gezahlt. Laut Albany betrug die Hoechstrente eines Arbeitnehmers nach 50 Berufsjahren lediglich 200 NLG monatlich.
34 Albany schuf daher 1981 ein zusätzliches Betriebsrentensystem, das von einer Versicherungsgesellschaft verwaltet wird. Dieses System sicherte ihren Arbeitnehmern Leistungen, die zusammen mit der Grundrente nach der AOW und der von der Fonds geleisteten Zusatzrente nach 40 Berufsjahren eine Gesamtrente von 70 % des letzten Lohns ergaben.
35 Ab 1. Januar 1989 änderte der Fonds nach Verhandlungen mit den Sozialpartnern der Textilindustrie die Bestimmungen über die Zusatzrente und schuf ein neues lohnorientiertes Rentensystem. Das Ziel dieses Systems sei dem Zusatzrentensystem von Albany ähnlich: Arbeitnehmer sollten nach 40 Berufsjahren eine Gesamtrentenleistung von 70 % ihres letzten Lohns erhalten.
36 Albany war der Meinung, daß ihr eigenes Betriebsrentensystem trotzdem leistungsfähiger sei als das neue System, und daß die nach der Umgestaltung des Branchenpflichtsystems notwendig gewordenen Änderungen ihres eigenen Systems zu belastend und unverhältnismässig seien. Sie beantragte daher bei dem Fonds Freistellung vom Anschlußzwang.
37 Der Fonds wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Dezember 1990 zurück und machte u. a. geltend, sie sei nach den Befreiungsleitlinien nicht zur Freistellung verpflichtet, da das besondere Rentensystem von Albany noch nicht sechs Monate in Kraft gewesen sei, als der Antrag auf Festlegung der Zwangsmitgliedschaft eingereicht worden sei. Albany hätte daher Anspruch auf Befreiung nur gehabt, wenn sie ihr eigenes Rentensystem vor 1975 eingerichtet hätte.
38 Albany legte gegen diesen Bescheid Einspruch bei der Versicherungskammer ein. In einem an die Parteien gerichteten Schreiben vom 18. März 1992 stellte die Versicherungskammer fest, daß der Fonds nach den Befreiungsleitlinien eine Pflicht zur Befreiung zurecht verneint habe.
39 Allerdings fuhr sie in diesem Schreiben fort:
"Da aber zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Ergänzung (1. Januar 1989) die Einspruchsführerin ihrer Belegschaft mehrere Jahre ein Zusatzbetriebsrentensystem zur Verfügung gestellt hatte, das dem von dem Fonds zu diesem Zeitpunkt eingeführten System zumindest gleichwertig ist, hält es die Kammer für vernünftig, den Fonds um Ausübung seiner Befugnis zur Gewährung der Befreiung zu ersuchen oder, falls er der Kammer nachweisen kann - was er bisher nicht getan hat -, daß in diesem Fall eine flexible Haltung nicht angebracht ist, jedenfalls eine Kündigungsfrist einzuräumen."
40 Trotz dieser Entscheidung überprüfte der Fonds seinen Bescheid nicht und ließ Albany am 11. November 1992 eine Verfügung zustellen, mit der ihr gemäß Artikel 18 BPW aufgegeben wurde, die gesetzlichen Beiträge für 1989, Zinsen auf diesen Betrag und die Beitreibungskosten zu zahlen.
41 Albany focht diese Verfügung beim Kantongerecht Arnheim an und machte u. a. geltend, daß das niederländische System der Zwangsmitgliedschaft mit den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages unvereinbar sei.
42 Das Kantongerecht schloß sich der Feststellung der Versicherungskammer an, daß das Albany-Rentensystem dem vom Fonds ab 1. Januar 1989 eingeführten System mindestens vergleichbar sei. Es vertrat ferner die Auffassung, daß die Rechtsbeziehungen zwischen dem Fonds und seinen Mitgliedern durch "Erfordernisse der Verständigkeit und Fairneß und/oder allgemeine Grundsätze ordnungsgemässer Verwaltung" bestimmt würden. Folglich habe jeder Branchenrentenfonds bei seiner Entscheidung, ob Befreiung zu erteilen sei oder nicht, den Standpunkt der Versicherungskammer als einer unabhängigen gesetzlichen Einrichtung sorgfältig zu bedenken.
43 Wegen der angeblichen Verletzung von Gemeinschaftsrecht hat das Kantongerecht mit Urteil vom 4. März 1996 um Vorabentscheidung zu den folgenden Fragen ersucht:
1. Ist ein Betriebsrentenfonds im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Wet betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensiönfonds (Gesetz über die Zwangsmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds) ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 oder 90 EWG-Vertrag?
2. Falls die Frage 1 zu bejahen ist, ist dann die Anordnung der Mitgliedschaft für Industrieunternehmen eine von einem Mitgliedstaat getroffene Maßnahme, die die praktische Wirksamkeit der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln beseitigt?
3. Falls die Frage 2 zu verneinen ist, können dann sonstige Umstände dazu führen, daß die Anordnung der Mitgliedschaft mit Artikel 90 des Vertrages unvereinbar ist, und wenn ja, welche?
B - Verbundene Rechtssachen C-115/97, C-116/97 und C-117/97, Brentjens' Handelsonderneming BV/Stichting Bedrijfspensiönfonds voor de Handel in Bouwmaterialen
44 Mit Verordnung vom 28. Juni 1958 (nachstehend: Verordnung 1958 oder Verordnung) ordnete der Staatssekretär im Sozialministerium auf Antrag von Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Baumaterialienbranche die Zwangsmitgliedschaft in der Stichting Bedrijfspensiönfonds voor de Handel in Bouwmaterialen (nachstehend: Baumaterialienhandel-Fonds oder Fonds) an. Die auf die BPW gestützte Verordnung ist inzwischen mehrfach geändert worden. Nach der Verordnung besteht Zwangsmitgliedschaft für Arbeitnehmer zwischen 23 und 64 Jahren einschließlich, die in einem Unternehmen beschäftigt sind, das ausschließlich oder überwiegend im Großhandel mit Baumaterialien tätig ist.
45 Nach Darstellung der Parteien des Ausgangsverfahrens arbeitet der Fonds nach einem Festbetragsrenten-Plan. Die Renten waren nicht mehr lohnorientiert, sondern wurden in Form eines für alle Arbeitnehmer gleichen Festbetrags je Berufsjahr gezahlt. Dem Fonds zufolge beträgt die Hoechstrente je nach Beschäftigungsdauer 5 300 NLG jährlich. In der Praxis erreichten die meisten Arbeitnehmer der Branche eine Gesamtrente von 70 % ihrer letzten Bezuege.
46 Brentjens' Handelsonderneming BV (nachstehend: Brentjens) begann 1963 mit dem Handel. Am 1. Januar 1968 traf Brentjens Rentenvereinbarungen für ihre Arbeitnehmer mit der Lebensversicherungsgesellschaft De NV Levensverzekerings Maatschappij de Nederlanden van 1870, die später in Generali Levensverzekeringsmaatschappij n.v. (nachstehend: Generali) umfirmierte, als niederländisches Unternehmen unter die Wet tözicht verzekeringsbedrijf 1993 (Versicherungsaufsichtsgesetz von 1993) fällt und dem italienischen Konzern Assicurazioni Generali gehört.
47 1989 erfuhr der Fonds von Brentjens' Existenz und schloß sie seinem System ab 1. Januar 1990 an, befreite sie aber für frühere Zeiträume von der Beitragspflicht. Damit verpflichtete sich der Fonds, Brentjens' bestehende Rentenverpflichtungen für den Zeitraum 1963 bis 1. Januar 1990 zu beachten.
48 Brentjens hielt die Rentenvereinbarung mit Generali sowohl bezueglich der Prämienhöhe als auch der Leistungen für besser als das System des Fonds und beantragte Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft. Mit Entscheidung vom 23. August 1994 wies der Fonds den Antrag von Brentjens zurück. Brentjens legte gegen die Entscheidung Beschwerde bei der Versicherungskammer ein. Die Versicherungskammer hielt die Einwände von Brentjens nicht für begründet und entschied mit Beschluß vom 18. Mai 1995, daß die Entscheidung des Fonds ordnungsgemäß sei.
49 Am 13. Mai 1996 ließ der Fonds Brentjens drei verschiedene Zahlungsaufforderungen für Beiträge nach seinen Rentenregelungen für die Jahre 1990 bis 1994, 1995 und 1996 zustellen.
50 Brentjens machte beim Kantongerecht Rörmond drei getrennte Verfahren anhängig, in denen sie die Aufhebung der Bescheide beantragte. Ausserdem reichten Brentjens und Generali gemeinsam parallel hierzu eine Beschwerde bei der Kommission wegen Verletzung der Artikel 3 Buchstabe g, 5 und 85, 90 und 86, 52 und 59 EG-Vertrag ein.
51 Am 18. März 1997 verkündete das Kantongerecht drei übereinstimmende Urteile, mit denen es drei der vier Klagegründe von Brentjens zurückwies. Zur vierten Rüge von Brentjens, daß die Zwangsmitgliedschaft bei der Fonds gegen Gemeinschaftsrecht verstosse, hat das Kantongerecht dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag so auszulegen, daß im Sinne dieser Bestimmung eine Vereinbarung zwischen Unternehmen oder ein Beschluß von Unternehmensvereinigungen, die bzw. der den Wettbewerb verfälscht oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, vorliegt, wenn Sozialpartner in einer bestimmten Branche Absprachen über Renten treffen, die beinhalten, daß für die gesamte Branche ein Betriebsrentenfonds eingerichtet wird, dem grundsätzlich alle in der Branche beschäftigten Arbeitnehmer angeschlossen werden müssen und der das alleinige Recht zur Verwaltung der in der Branche angesammelten Rentengelder erhält?
2. Sind die Artikel 3 Buchstabe g in Verbindung mit 5 und 85 EG-Vertrag so auszulegen, daß ein Verstoß gegen sie vorliegt, wenn der Staat die Pflichtbeteiligung an einem Betriebsrentenfonds, wie er in der ersten Frage beschrieben ist, für Betriebe einer bestimmten Branche vorschreibt?
3. Ist der Begriff "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsbestimmungen des EG-Vertrags (Artikel 85 bis 94 EG-Vertrag) so auszulegen, daß darunter ein Betriebsrentenfonds im Sinne des Gesetzes über die Zwangsmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds fällt?
4. Ist Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag so auszulegen, daß ein Verstoß gegen diese Bestimmungen vorliegt, wenn der Staat einem Betriebsrentenfonds ein ausschließliches Recht zubilligt, das dazu führt, daß die Freiheit, ein Rentensystem mit einem privaten Versicherer zu vereinbaren, ernsthaft beschränkt wird?
C - Rechtssache C-219/97, BV Maatschappij Drijvende Bokken/Stichting Pensiönfonds voor de Vervör- en Havenbedrijven
52 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, BV Maatschappij Drijvende Bokken (nachstehend: Drijvende Bokken) vermietet Schwimmkräne, oft zusammen mit Schleppern, zum Einsatz in der Küstenseeindustrie, für Konstruktions- und Bautätigkeiten, für Schiffsbau und -reparatur, für die chemische Industrie und zum Heben schwerer Lasten auf Pontons und Schiffe.
53 Die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Stichting Pensiönfonds voor de Vervör- en Havenbedrijven (nachstehend: Rentenfonds) ist ein Betriebsrentenfonds im Sinne der BPW. Mit Verordnung vom 9. September 1959 (nachstehend: Verordnung 1959) ordnete der Staatssekretär für Soziales und Öffentliche Gesundheit in Vertretung des Ministers die Zwangsmitgliedschaft beim Pensionsfonds für alle bei Dockarbeiten im Dockbereich des Hafens von Rotterdam beschäftigten männlichen Arbeitnehmer von mindestens 18 Jahren an. Mit Verordnung vom 17. Dezember 1991 wurde der Anwendungsbereich der Verordnung auf alle Arbeitnehmer erweitert, die regelmässig in einem Dock oder dockähnlichen Bereich beschäftigt sind.
54 Laut Drijvende Bokken arbeitet der Rentenfonds auf der Grundlage eines Festbetragsrenten-Plans, bei dem Rentenleistungen lohnunabhängig sind.
55 Drijvende Bokken war der Meinung, sie werde von der Verordnung nicht betroffen, und trat einem anderen Fonds bei. Aufgrund der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung im Jahre 1991 stellte sich der Rentenfonds auf den Standpunkt, daß Drijvende Bokken in den Anwendungsbereich der Verordnung falle und daß die Arbeitnehmer von Drijvende Bokken anschlusspflichtig seien. Der Rentenfonds ließ daher Drijvende Bokken eine letzte Aufforderung zustellen, Rentenbeiträge in Höhe von 132 000 NLG nebst Zinsen und Kosten zu zahlen.
56 Drijvende Bokken erhob gegen die Aufforderung Klage zum Kantongerecht und machte geltend, erstens falle sie nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung und zweitens verstosse die Zwangsmitgliedschaft gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln.
57 Das Kantongerecht entschied, daß die Arbeitnehmer von Drijvende Bokken nicht in einem Dockbetrieb im Sinne der Verordnung tätig seien und die Klage von Drijvende Bokken daher begründet sei.
58 Auf die Berufung des Rentenfonds entschied die Arrondissementsrechtbank, daß die Arbeitnehmer der Drijvende Bokken in einem Dock- oder ähnlichen Betrieb arbeiteten und deshalb unter die Verordnung fielen. Ausserdem verwarf die Rechtbank die Rüge von Drijvende Bokken, daß die Zwangsmitgliedschaft beim Fonds gegen Gemeinschaftsrecht verstosse, und entschied, daß der Fonds nicht als Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag angesehen werden könne.
59 Das Rechtsmittel von Drijvende Bokken an den Hoge Raad war ausschließlich darauf gestützt, daß die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft gegen Gemeinschaftsrecht verstosse. Der Hoge Raad hat daraufhin dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist ein Betriebsrentenfonds wie die Stichting Pensiönfonds voor de Vervör- en Havenbedrijven (PVH), in dem aufgrund der Wet betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensiönfonds (BPW; Gesetz über die Zwangsmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds) alle oder eine oder mehrere bestimmte Gruppen von Betriebsangehörigen pflichtversichert sind, als Unternehmen im Sinne von Artikel 85, 86 oder 90 EG-Vertrag anzusehen?
2. Wenn mehrere Organisationen, die der Minister als eine hinreichend repräsentative Vertretung der organisierten gewerblichen Wirtschaft im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 BPW ansieht, aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmung den Minister ersuchen, die Zwangsmitgliedschaft in einem bestimmten Rentenfonds im Sinne dieses Gesetzes vorzuschreiben, ist dieses gemeinsame Auftreten dieser Organisationen dann als eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, als ein Beschluß von Unternehmensvereinigungen oder als eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen, die - im Sinne dieser Vertragsvorschrift - erstens den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und zweitens eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt?
3. Ist die genannte Anordnung der Zwangsmitgliedschaft als eine Maßnahme anzusehen, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln aufheben kann, oder doch als eine Maßnahme, durch die ein Mitgliedstaat das Zustandekommen von gegen Artikel 85 verstossenden Absprachen vorschreibt, erleichtert oder deren Auswirkung verstärkt, oder ist dies nur unter bestimmten Umständen der Fall, gegebenenfalls unter welchen?
4. Falls die letzte Frage verneint wird, können dann andere Umstände dazu führen. daß die Anordnung der Versicherungspflicht mit Artikel 90 EG-Vertrag unvereinbar ist, und welche Umstände sind dies gegebenenfalls?
5. Bedeutet die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft, daß einem Betriebsrentenfonds ein ausschließliches Recht im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag gewährt wird, und wird diesem Rentenfonds so eine Machtposition verschafft, die er durch die blosse Ausübung des gewährten ausschließlichen Rechts mißbraucht, namentlich weil die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und weil unter Verstoß gegen Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b die Erbringung von Dienstleistungen zum Schaden der von der Zwangsmitgliedschaft betroffenen Unternehmen bzw. Arbeitnehmer eingeschränkt wird? Oder kann die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft dazu führen, daß ein Rentenfonds zu einem derartigen Mißbrauch veranlasst oder zumindest in eine Lage versetzt wird, in die er sich nicht selbst versetzen könnte, ohne dabei gegen Artikel 86 zu verstossen, so daß jedenfalls kein unverfälschter Wettbewerb gewährleistet wird?
6. Ist die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft für den Fall, daß sie gegen das Gemeinschaftsrecht verstösst, ungültig?
IV - Zulässigkeit
60 In der Rechtssache C-67/96 (Albany) geben die französische und die niederländische Regierung unter Berufung auf die Urteile Meilicke(8), Telemarsicabruzzo(9) und Max Mara(10) zu bedenken, daß die Fragen unzulässig sein könnten, weil das vorlegende Gericht den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen, in den sich seine Fragen einfügen, nicht hinreichend dargelegt habe. Auch die Kommission hat in diesem Punkt Zweifel. In den verbundenen Rechtssachen C-115/97 bis C-117/97 (Brentjens) macht die französische Regierung einen ähnlichen Einwand geltend.
61 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes dient die Information über die Sach- und Rechtslage in Vorlagebeschlüssen im wesentlichen zwei Zwecken.
62 Sie versetzt zunächst den Gerichtshof in die Lage, dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben(11). Wie der Gerichtshof betont hat, gelten diese Anforderungen einer angemessenen Information ganz besonders im Bereich des Wettbewerbsrechts, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist(12). Insoweit haben die Parteien des Ausgangsverfahrens, die niederländische Regierung und die Kommission dem Gerichtshof in ihren schriftlichen Erklärungen umfangreiche Hintergrundinformationen zu den tatsächlichen Gegebenheiten der Fälle und zum niederländischen Recht gegeben. Trotz einiger Lücken, die möglicherweise in den Vorlagen der vorlegenden Gerichte bleiben mögen, bin ich daher der Ansicht, daß der Gerichtshof in der Lage ist, auf die Fragen der vorlegenden Gerichte eine sachdienliche Antwort zu geben.
63 Das Erfordernis einer angemessenen Information zur Rechts- und Sachlage dient ferner einem zweiten Zweck, nämlich den Regierungen der Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten die Möglichkeit zu Erklärungen gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes zu verschaffen. Der Gerichtshof hat dafür zu sorgen, daß diese Möglichkeit erhalten bleibt(13). Hierbei muß beachtet werden, daß den Beteiligten nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden(14).
64 Was zunächst die Rechtslage angeht, stimme ich den beiden Regierungen und der Kommission darin zu, daß das Kantongerecht in der Rechtssache Albany verhältnismässig wenig Angaben macht. Es führt lediglich bestimmte anzuwendende Bestimmungen der BPW an. Allerdings wurden die beiden parallelen Vorlagen in den Rechtssachen Brentjens und Drijvende Bokken den Regierungen und der Kommission im Anschluß an das Ruhen des Verfahrens in der Rechtssache Albany vier bzw. drei Monate vor Ende des schriftlichen Verfahrens in dieser Sache zugestellt. Die Vorlage des Hoge Raad in der Rechtssache Drijvende Bokken enthält insbesondere eine ausgiebige Darstellung des niederländischen Rechts. Die französische und die niederländische Regierung sowie die Kommission haben ihre schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache Albany nach ihren Erklärungen in der Rechtssache Brentjens und parallel zu denen in der Rechtssache Drijvende Bokken eingereicht. Ihren Erklärungen in der Rechtssache Albany ist zu entnehmen, daß ihnen die beiden anderen Vorlagen bekannt waren. Somit waren diejenigen, die Erklärungen abgeben wollten, so ausreichend über die maßgebliche Rechtslage in den Niederlanden informiert, daß sie rechtzeitig Stellung zu den aufgeworfenen Fragen nehmen konnten.
65 Was zweitens die Sachlage anlangt, so kann ich der Behauptung nicht zustimmen, daß die Vorlagebeschlüsse in den Rechtssachen Albany und Brentjens nicht genug Aufschluß gäben. Die Beschlüsse stellen eindeutig klar, weshalb die vorlegenden Gerichte eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts brauchen, um in der jeweiligen Sache entscheiden zu können, und welche Überlegungen ihren Fragen zugrunde liegen.
66 Ich bin daher der Auffassung, daß die vorgelegten Fragen in allen drei Rechtssachen zulässig sind.
V - Zum Inhalt der Vorabentscheidungsfragen
67 Ich stimme mit der Kommission darin überein, daß die Fragen der vorlegenden Gerichte die folgenden fünf Probleme aufwerfen.
68 Stellt es erstens einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 dar, wenn Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer bestimmten Wirtschaftsbranche einen Tarifvertrag über die Schaffung eines einheitlichen Branchenbetriebsrentenfonds mit dem ausschließlichen Recht der Verwaltung der eingezogenen Beiträge abschließen und gemeinsam bei den Behörden beantragen, für alle zu dieser Branche gehörenden Personen die Zwangsmitgliedschaft in diesem Fonds anzuordnen(15)? Verstösst zweitens ein Mitgliedstaat gegen Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 85 EG-Vertrag, wenn er auf Antrag der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern für alle zu dieser Branche gehörenden Unternehmen die Zwangsmitgliedschaft in einem Branchenbetriebsrentensystem anordnet(16)? Sind drittens die niederländischen Branchenbetriebsrentenfonds "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrages(17)? Verstösst viertens ein Mitgliedstaat gegen Artikel 86 in Verbindung mit Artikel 90 EG-Vertrag, wenn er die Zwangsmitgliedschaft in einem Branchenbetriebsrentenfonds anordnet und dem Rentenfonds ein ausschließliches Recht zur Verwaltung der eingezogenen Beiträge verleiht(18)? Welche rechtliche Wirkung hat es fünftens, wenn die Zwangsmitgliedschaft als Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht bewertet werden sollte(19)?
69 Sämtliche Klägerinnen ersuchen den Gerichtshof, als sechste Frage die Vereinbarkeit der niederländischen Rechtsvorschriften mit Artikel 90 in Verbindung mit den Artikeln 52 oder 59 EG-Vertrag zu prüfen. Ihrer Ansicht nach hat das Kantongerecht Arnheim in der Rechtssache Albany dieses Problem mittelbar in seiner Frage 3 dadurch angesprochen, daß es gefragt hat, welche "sonstigen Umstände" eine Zwangsmitgliedschaft unvereinbar mit Artikel 90 EG-Vertrag machen könnten.
70 Der Vorlagebeschluß in der Rechtssache Albany zeigt deutlich, daß das Kantongerecht seine Fragen an den letzten drei Fragen des Hoge Raad in der Rechtssache Van Schijndel und Van Veen(20) ausgerichtet hat, die der Gerichtshof aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zu beantworten brauchte. Klar ist auch, daß das Kantongerecht die drei Fragen so verstanden wissen wollte, daß sie lediglich mit den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu tun haben. Nichts in den Akten gibt einen Hinweis darauf, daß die Parteien oder das vorlegende Gericht die Anwendbarkeit des Artikels 52 oder des Artikels 59 EG-Vertrag erörtert hätten, die die Aufhebung von Beschränkungen der Freiheit der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs in der Gemeinschaft festlegen. In der Rechtssache Albany dürfte, im Gegensatz zur Rechtssache Brentjens, in der eine ausländische Versicherungsgesellschaft über ihre Niederlassung in den Niederlanden beteiligt ist, ein grenzueberschreitender Sachverhalt nicht vorliegen. Meines Erachtens kann daher die Frage des Kantongerecht trotz ihrer offenbar weiten Fassung nicht so verstanden werden, daß sie die Frage der Anwendbarkeit der Artikel 52 und 59 EG-Vertrag umfasste.
VI - Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
71 Ich komme damit zur ersten Frage, ob es nämlich gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstösst, wenn Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern einer bestimmten Wirtschaftsbranche einen Tarifvertrag über die Schaffung eines einheitlichen Branchenbetriebsrentenfonds mit dem ausschließlichen Recht der Verwaltung der eingezogenen Beträge abschließen und gemeinsam bei den Behörden beantragen, für alle zu dieser Branche gehörenden Personen die Zwangsmitgliedschaft in diesem Rentenfonds anzuordnen.
72 Sämtliche Klägerinnen sind der Auffassung, daß die Arbeitgeber einer bestimmten Branche unter den gegebenen Umständen gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossen, und begründen dies wie folgt.
73 Zunächst handele es sich um "Vereinbarungen zwischen Unternehmen" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1. Jeder Tarifvertrag zwischen Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer setze ein Übereinkommen zwischen den Arbeitgebern voraus, gemeinsam zu verhandeln und sich durch das Ergebnis der Verhandlung gebunden zu fühlen. In den vorliegenden Fällen hätten sich alle Arbeitgeber verpflichtet, ihre Arbeitnehmer einem einheitlichen Betriebsrentenfonds anzuschließen und sich an die Bestimmungen des Fonds zu halten.
74 Zweitens bedeuteten die Vereinbarungen eine "Beschränkung des Wettbewerbs". Der Wettbewerb werde im Hinblick auf die Arbeitgeber-Unternehmen beschränkt, weil ein wichtiger Kostenfaktor für eine gesamte Branche vereinheitlicht, die Freiheit zur Wahl der attraktivsten Rentenvorsorge beschränkt werde und die Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht mehr durch günstigere Rentenvereinbarungen für sich gewinnen könnten. Versicherungsgesellschaften würden bei der Lebensversicherung in einem wichtigen Teil des Marktes ausgeschlossen.
75 Drittens beeinträchtigten die Vereinbarungen auch "den Handel zwischen Mitgliedstaaten". Die beteiligten Arbeitgeber gingen grenzueberschreitenden Tätigkeiten nach. Ferner würden ausländische Versicherungsgesellschaften effektiv daran gehindert, grenzueberschreitende Dienstleistungen anzubieten oder sich mit Zweigstellen in den Niederlanden niederzulassen.
76 Schließlich hätten die Vereinbarungen eine spürbare Auswirkung auf Wettbewerb und Handel zwischen Mitgliedstaaten. Jeder Rentenfonds decke eine gesamte Wirtschaftsbranche ab. Ausserdem müsse, weil diese Vereinbarungen in praktisch allen Branchen der niederländischen Wirtschaft vorkämen, ihre kumulative Auswirkung berücksichtigt werden.
77 Die Kommission, die drei Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sowie der Fonds, die an den Ausgangsverfahren beteiligt sind, stimmen darin überein, daß ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag nicht vorliegt. Sie stützen diese Auffassung auf eine ganze Reihe von Gründen.
78 Sie führen zunächst an, daß Artikel 85 Absatz 1 von seinem sachlichen Anwendungsbereich her nicht auf Tarifverträge zwischen Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern anwendbar sei. Alternativ liege keine Vereinbarung zwischen "Unternehmen" vor, oder der Wettbewerb werde nicht beschränkt, oder der Handel zwischen Mitgliedstaaten werde nicht beeinträchtigt, jedenfalls aber würden die Vereinbarungen nach der "de minimis-Regel" nicht von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfasst, weil ihre Auswirkung auf Wettbewerb und Handel geringfügig sei.
79 Dieses Vorbringen wirft das Grundproblem des Verhältnisses zwischen dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag und Tarifverträgen zwischen Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf, zu dem sich der Gerichtshof bisher nicht zu äussern brauchte(21). Wegen seiner relativen Neuartigkeit und den möglicherweise weitreichenden Auswirkungen der Antwort des Gerichtshofes dürfte es hilfreich sein zu untersuchen, wie die Wettbewerbssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten und der Vereinigten Staaten mit dem Problem umgehen.
A - Vergleichende Übersicht
80 In Frankreich gilt für Tarifverträge zwischen den Sozialpartnern das Kartellverbot(22). Nach Auffassung des Conseil de la concurrence (Wettbewerbsbehörde) sind Tarifverträge nicht ihrer Natur nach vom materiellen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln ausgenommen. Die Tarifvertragsfreiheit wird lediglich als eine Abwandlung der allgemeinen Vertragsfreiheit gesehen, für die ähnliche allgemeine Beschränkungen einschließlich des Kartellverbots gelten(23). Gewerkschaften werden als Wirtschaftsbeteiligte betrachtet, die zusammen mit der Arbeitgeberseite den Wettbewerbsprozeß beeinflussen können(24). Nach Prüfung der beschränkenden Wirkungen oder einer Abwägung der wettbewerbswidrigen Merkmale gegenüber ihren sozialen Vorteilen hat der Conseil de la concurrence indessen die meisten Klauseln der einschlägigen Vereinbarungen als mit französischem Wettbewerbsrecht vereinbar erklärt(25).
81 Ein gutes Beispiel für diese Argumentation ist eine Stellungnahme (avis) des Conseil de la concurrence in einem Fall, der Ähnlichkeit mit den vorliegenden Fällen aufweist und das französische System kollektiver Vorsorge betraf(26). Dieses System erbringt Sozialleistungen, die die staatliche soziale Sicherheit ergänzen. Es deckt drei Arten von Risiken: erstens Krankheit und Mutterschaft, zweitens Arbeitsunfähigkeit und Invalidität, drittens Tod. Es wird - zumindest teilweise - durch Branchentarifverträge zwischen den Sozialpartnern organisiert. Diese Verträge legen u. a. ein Aufsichtsorgan (organisme de prévoyance) als ausschließlich zuständig für die Verwaltung der Mittel fest. Auf gemeinsamen Antrag der Sozialpartner wird häufig durch Beschluß des zuständigen Ministers Zwangsmitgliedschaft für die gesamte Branche angeordnet.
82 Eine Vereinigung von Versicherungsberatern (assureurs-conseils), die Dienstleistungen auf dem Vorsorgemarkt anbieten wollte, erhob wegen der zwei letztgenannten Merkmale, also Ausschließlichkeit der Fondsverwaltung und Zwangsmitgliedschaft von Arbeitgebern, die nicht an den Tarifverhandlungen teilgenommen hatten, Beschwerde bei der zuständigen Behörde. Der Conseil de la concurrence entschied, daß die organismes de prévoyance Dienstleistungen erbrächten und daher unter die Wettbewerbsregeln fielen. Auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer seien entweder unmittelbar oder über ihre Vertreter den Wettbewerbsregeln unterworfen, soweit es um den Inhalt ihrer Tarifverträge gehe. Allerdings übten die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit der Festlegung eines Vertragspartners lediglich ihr normales Recht aus, mit welchem Erbringer von Dienstleistungen ein Vertrag geschlossen werden solle. Zur Ausdehnung der Vereinbarung auf die gesamte Branche entschied der Conseil, daß sie erstens zu gleichen Wettbewerbsbedingungen in der Branche und zweitens zu wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt beitrage. Ein Verstoß gegen Wettbewerbsregeln liege daher nicht vor.
83 In Finnland schließt das Gesetz 480/1992 über den Wettbewerb (Laki kilpailunrajoituksista) in Artikel 2 Absatz 1 Vereinbarungen über den Arbeitsmarkt von seinem Anwendungsbereich aus. Nach den Gesetzesmaterialien sind daher Tarifvereinbarungen über Arbeitsbedingungen von den Wettbewerbsregeln ausgenommen. Andererseits sollen aber Tarifverträge, die nicht die Arbeitsbedingungen betreffen, sondern beispielsweise die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und seinen Kunden, den Wettbewerbsregeln unterliegen(27).
84 Das Oberste Verwaltungsgericht hatte über den Umfang dieser Ausnahme in einer Sache(28) zu entscheiden, die einen Tarifvertrag in der Papierindustrie betraf, mit dem die Befugnis der Arbeitgeber, bestimmte Aufgaben (z. B. Säuberung), die traditionell von Arbeitnehmern erfuellt wurden, an unabhängige Dienstleistungsunternehmen zu vergeben, eingeschränkt wurde. Das Gericht entschied, daß nur Klauseln, die unmittelbar Arbeitsbedingungen, wie z. B. Löhne, Arbeitszeit und Kündigungsschutz, beträfen, vom Anwendungsbereich des Kartellverbots ausgeschlossen seien. Die betreffenden Beschränkungen seien daher von dieser Ausnahme nicht gedeckt. Arbeitnehmer seien bei Vergabe an Subunternehmer ausreichend durch ein gesetzliches Kündigungsverbot geschützt.
85 In Dänemark bestimmt Artikel 2 Absatz 1 des unlängst erlassenen Wettbewerbsgesetzes(29), daß es für jede Art wirtschaftlicher Betätigung gilt. Nach den Gesetzesmaterialien ist der Begriff der "wirtschaftlichen Betätigung" weit auszulegen und schließt alle Arten wirtschaftlicher Tätigkeit auf Waren- und Dienstleistungsmärkten ein. Weder Gewinnerzielungsabsicht noch eine bestimmte Rechtsform ist für die Geltung des Gesetzes vorausgesetzt.
86 Artikel 3 bestimmt, daß das Gesetz nicht für Löhne und Arbeitsbedingungen gilt. Nach den Gesetzesmaterialien ist diese Ausnahme auf das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern beschränkt.
87 Den Gesetzesmaterialien ist weiter zu entnehmen, daß die in dem neuen Gesetz enthaltene Ausnahme im Einklang mit der Auslegung der früheren Monopolgesetze verstanden werden muß. Ein Urteil des Obersten Gerichts von 1965(30) ist daher nach wie vor von Bedeutung. Das Gericht hatte über Bestimmungen in einem Tarifvertrag zu entscheiden, die im Ergebnis bestimmte Verbrauchergruppen von der Belieferung mit Textilien ausschlossen, die weniger aufwendig hergestellt waren. Es entschied, daß die Ausnahme nicht greife, weil der Vertrag nicht nur Löhne und Arbeitsbedingungen regele. Ausserdem sei das Gesetz ratione personä auf die "Tarifpartner" dann anwendbar, wenn sie sich mit "solchen wirtschaftlichen Interessen" befassten. Damit gilt das dänische Kartellverbot für Bestimmungen in Tarifverträgen, die "in Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betätigung" stehen und nicht nur "Löhne oder Arbeitsbedingungen betreffen".
88 In Deutschland schließt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bestimmte Wirtschaftsbereiche und Vereinbarungen aus seinem Geltungsbereich aus. Weder der Arbeitsmarkt noch Tarifverträge werden aber ausdrücklich genannt.
89 Das allgemeine Kartellverbot betrifft nur Vereinbarungen, "soweit (diese) geeignet sind, die ... Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen ... zu beeinflussen"(31). Nach den Gesetzesmaterialien kann abhängige Arbeit nicht als "gewerbliche Leistung" eingestuft werden. Tarifverträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer über die Gestaltung der Lohn- oder Arbeitsbedingungen fallen also, wie es dort heisst, nicht unter das Gesetz(32).
90 Die Gerichte und das Bundeskartellamt haben mehrfach Gelegenheit gehabt, die Rechtmässigkeit von Tarifverträgen zwischen den Tarifpartnern zu beurteilen, mit denen Geschäftsöffnungszeiten und allgemein Geschäftszeiten in bestimmten Industriebereichen entweder unmittelbar oder mittelbar durch die arbeitszeitrechtliche Regelung berührt wurden.
91 Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden(33), daß Tarifverträge grundsätzlich ausserhalb des materiellen Anwendungsbereichs der Wettbewerbsregeln verblieben. Dafür wurden mehrere Gründe angegeben. Erstens, führte das Gericht einleitend aus, gehörten Tarifverhandlungen Betätigungen zu den Tätigkeiten, die gemäß Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes Grundrechtsschutz genössen. Zweitens genieße der Arbeitsmarkt eine ordnungspolitische Sonderstellung. Drittens seien die Voraussetzungen des § 1 GWB nicht erfuellt: Gewerkschaften könnten nicht als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts eingestuft werden, da sie nicht auf dem Waren- und Dienstleistungsmarkt tätig seien. Tarifverträge seien daher keine Vereinbarungen zwischen Unternehmen. Folglich müsse die notwendige Vorbedingung für den Abschluß solcher Vereinbarungen, nämlich die Entscheidung der Arbeitgeber, gemeinsam zu verhandeln, ebenfalls wettbewerbsrechtlich freigestellt sein. Viertens sei eine Abwägung der beteiligten Interessen nicht möglich, da keine eindeutigen normativen Kriterien vorlägen. Fünftens könne das Kartellverbot höchstens bei mißbräuchlichem Zusammenwirken von Arbeitgebern gelten, die absichtlich den Rahmen von Tarifvereinbarungen benutzten, um ein wettbewerbswidriges Kartell auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten zu verdecken.
92 Das Bundeskartellamt kam zu einem anderen Ergebnis. In einer Stellungnahme zu einem Tarifvertrag, mit der das Ende der Geschäftstätigkeit an Samstagen im Großhandel unmittelbar vereinheitlicht wurde, entschied das Amt(34), daß diese Vereinbarungen unmittelbar die Waren- und Dienstleistungsmärkte beträfen und daher nicht a priori von der Anwendung des § 1 GWB ausgenommen seien. Es unterschied hierbei solche Vereinbarungen von den Vereinbarungen, mit denen lediglich die Arbeitszeit geregelt werde.
93 In einer anderen Sache ging das Bundeskartellamt noch weiter(35). Die Tarifpartner des Einzelhandels hatten sich über vereinheitlichte Arbeitszeiten geeinigt, die Geschäftsinhaber mittelbar daran hinderten, nach einer bestimmten Zeit geöffnet zu halten. Das Kartellamt führte aus, daß die Regelung der Arbeitszeit durch Tarifvertrag wegen ihrer Doppelnatur ein besonderer Fall sei. Einerseits seien Öffnungszeiten im Einzelhandel ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände nähmen mittelbar, aber wirkungsvoll Einfluß auf die Tätigkeit der Unternehmen auf den Waren- und Dienstleistungsmärkten und gingen daher einer unternehmerischen Tätigkeit nach. Andererseits seien Tarifverhandlungen grundgesetzlich geschützt, soweit sie Arbeitsbedingungen beträfen. In diesem besonderen Ausnahmefall eines Konflikts könne nur eine Abwägung der beteiligten Interessen zu einer annehmbaren Lösung führen. In dem betreffenden Fall sei dem Interesse am Wettbewerb der Vorrang einzuräumen.
94 Das Kammergericht, das als Berufungsinstanz über die gleiche Arbeitszeitregelung zu entscheiden hatte(36), zu der das Bundeskartellamt sich geäussert hatte(37), machte sich eine dritte Argumentation zu eigen. Weder Tarifverträge noch die Parteien solcher Vereinbarungen seien a priori vom Anwendungsbereich des deutschen Kartellrechts ausgenommen. Tarifvereinbarungen über Arbeitsbedingungen und Löhne seien indessen normalerweise gemäß § 1 GWB rechtmässig, da sie nicht geeignet seien, "die Marktverhältnisse für den Verkehr mit Waren oder gewerblichen Leistungen zu beeinflussen". Bei den zur Prüfung anstehenden Vereinbarungen führe die mittelbare, aber wirksame Beschränkung der Ladenöffnungszeiten für den Warenmarkt im Grundsatz zu einem Verstoß gegen das Kartellverbot. Vereinbarungen über die Arbeitszeit gehörten indessen zum Kernbereich der deutschen Koalitionsfreiheit. Solche Vereinbarungen seien daher vollumfänglich von den Verboten einfacher Gesetze ausgenommen.
95 Im Vereinigten Königreich konnte der Minister nach dem Fair Trading Act 1973 beschränkende Tarifvereinbarung der Monopolies and Mergers Commission (Monopol- und Fusionsausschuß) vorlegen und diese die Auswirkung auf das öffentliche Interesse prüfen lassen. Bis vor kurzem wurde diese Bestimmung nie genutzt: traditionell wurde im Vereinigten Königreich Wettbewerbsrecht im Bereich von Tarifverträgen nicht herangezogen(38). 1988 erfolgte die erste Vorlage nach diesem Gesetz; sie betraf Vereinbarungen beim Fernsehen und in der Filmindustrie. Der Ausschuß kam zu dem Ergebnis, daß die betreffenden Vereinbarungen nicht gegen das öffentliche Interesse verstießen(39). Die Lage dürfte sich unter dem neuen Competition Act 1998, der weitgehend den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag nachgebildet ist, nicht wesentlich geändert haben.
96 In den Vereinigten Staaten sind die Tätigkeiten von Gewerkschaften vom Kartellverbot nach Section 1 des Sherman Act(40) aufgrund einer "gesetzlichen" und einer "aussergesetzlichen" Ausnahme für Arbeit ausgenommen. Diese Ausnahmen sind jedoch jeweils beschränkt.
97 Bezueglich der "gesetzlichen" Ausnahme erließ der Kongreß bereits 1914 den Clayton Act, der die kartellrechtliche Freistellung für einseitige Tätigkeiten von Gewerkschaften im Verlauf von Arbeitskämpfen bewirken sollte. Er bestimmte u. a., daß "die Arbeit eines Menschen weder eine Ware noch ein Handelsartikel ist". Da die Absicht des Gesetzgebers teilweise durch die enge Auslegung des Gesetzes seitens der Bundesgerichte verhindert wurde(41), erließ der Kongreß 1932 den Norris-La Guardia Act, der den Umfang der früheren Freistellung erweitern sollte. Im Urteil United States(42) legte der Supreme Court die drei Voraussetzungen für die Geltung dieser gesetzlichen Ausnahme fest. Zunächst muß es um einen Arbeitskampf gehen. Zweitens muß die Gewerkschaft im "Eigen-Interesse" handeln. Drittens darf die Gewerkschaft nicht mit nicht-gewerkschaftlichen Gruppen, also Arbeitgebern, zusammengehen.
98 Obwohl die gesetzliche Ausnahme nicht für Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern galt, erkannte der Supreme Court in seiner späteren Rechtsprechung die Geltung einer aussergesetzlichen Ausnahme an, die allerdings grundsätzlich auf Vereinbarungen über Löhne und Arbeitsbedingungen beschränkt war. Im Urteil Connell stellte der Supreme Court fest(43):
"Die aussergesetzliche Ausnahme beruht auf der Arbeitspolitik, die den Zusammenschluß von Arbeitnehmern fördert, um damit Wettbewerb bei Löhnen und Arbeitsbedingungen auszuschließen. Ein gewerkschaftlicher Erfolg bei der Organisation von Arbeitnehmern und der Standardisierung von Löhnen wird letztlich Einfluß auf den Preiswettbewerb zwischen den Arbeitgebern nehmen, doch könnten die Ziele des Bundesarbeitsrechts nie erreicht werden, wenn diese Auswirkungen auf den geschäftlichen Wettbewerb als Verletzung der Antitrust-Gesetze behandelt würden. Der Supreme Court hat daher anerkannt, daß die Arbeitspolitik die Hinnahme einer Schwächung des geschäftlichen Wettbewerbs aufgrund von Unterschieden bei Löhnen und Arbeitsbedingungen erforderlich macht. ... Die Arbeitspolitik erfordert es indessen nicht, daß eine Gewerkschaft befugt sein sollte, für den Wettbewerb unter denjenigen, die ihre Mitglieder beschäftigen, unmittelbare Beschränkungen festzulegen. So gestattet zwar die gesetzliche Ausnahme den Gewerkschaften, einige Beschränkungen durch einseitiges Handeln durchzuführen, die aussergesetzliche Ausnahme gewährt indessen keinen gleichartigen Schutz, wenn eine Gewerkschaft und eine nichtgewerkschaftliche Partei übereinkommen, den Wettbewerb auf einem geschäftlichen Markt einzuschränken."
99 Es wird nützlich sein, hier kurz drei wichtigere Urteile des Supreme Court der Vereinigten Staaten zu untersuchen, die den Umfang der aussergesetzlichen Ausnahme für den Bereich der Arbeit betreffen.
100 Die Sache United Mine Workers of America/Pennington(44) betraf ein angeblich rechtwidriges Zusammenwirken der Gewerkschaften und grossen Kohleunternehmen, um u. a. die in einem Tarifvertrag festgelegten Löhne für alle Unternehmen der Branche ohne Rücksicht auf ihre Zahlungsfähigkeit verbindlich zu machen und damit kleine Arbeitgeber aus dem Geschäft zu drängen.
101 Die Mehrheit entschied (mit 6 gegen 3 Stimmen), daß dieses Verhalten nicht unter die Antitrust-Ausnahme fiel. Die gesetzliche Ausnahme fand keine Anwendung, da es um eine Vereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und Arbeitgebern ging. Eine Kollektivvereinbarung über die Verkaufspreise für Kohle wäre eine eindeutige Verletzung der Antitrustbestimmungen. Demgegenüber sind Löhne der Kern der Bereiche, über die Arbeitgeber und Gewerkschaften Verhandlungen führen. Die Auswirkung auf den Warenmarkt infolge der Verhinderung von Wettbewerb bei den Löhnen zwischen den Arbeitgebern einer verhandelnden Gruppe ist daher grundsätzlich "nicht die Art von Einschränkung, die der Kongreß mit dem Sherman Act verbieten wollte". Somit darf eine Gewerkschaft eine Lohnvereinbarung mit einer Verhandlungsgruppe aus mehreren Arbeitgebern treffen und in Verfolgung eigener Interessen, allerdings nicht durch Vereinbarung mit allen oder einem Teil der Arbeitgeber dieser Gruppe, versuchen, diese Löhne bei anderen Arbeitgebern durchzusetzen. Eine Gruppe von Arbeitgebern darf indessen nicht rechtswidrig zusammenwirken, um Wettbewerber aus der Branche zu verdrängen, und die Gewerkschaft ist zusammen mit den Arbeitgebern haftbar, wenn sie an diesem Zusammenwirken beteiligt ist. Die angebliche Vereinbarung zwischen der Gewerkschaft und den grossen Kohleerzeugern, um für die gesamte Branche einheitliche Arbeitsbedingungen sicherzustellen, steht infolgedessen nicht ausserhalb der Antitrustgesetze.
102 Die Sache Meat Cutters/Jewel Tea Co.(45), die am gleichen Tage entschieden wurde, betraf Geschäftsöffnungszeiten. Eine örtliche Gewerkschaft, die nahezu sämtliche Metzger der Gegend vertrat, kam mit einem Handelsverband von Lebensmittelgeschäften überein, daß die Fleischabteilungen der Geschäfte montags bis einschließlich samstags nur von 9 bis 18 Uhr geöffnet sein sollten. Ein Arbeitgeber, dem mit Streik gedroht wurde, falls er mit diesen Bedingungen nicht einverstanden sei, unterzeichnete die Vereinbarung und verklagte dann die Gewerkschaft auf Nichtigerklärung der Vereinbarung nach dem Sherman Act.
103 Die Mehrheit (6 gegen 3) entschied, daß die Antitrustregeln nicht anwendbar seien, war sich jedoch in der Begründung nicht einig. Drei Richter der Mehrheit waren der Auffassung, daß die Einschränkung der Öffnungszeiten so eng mit Löhnen, Arbeitsstunden und Arbeitsbedingungen zusammenhingen, daß wirkliche Verhandlungen über eine solche Regelung zwischen unabhängigen Partnern nicht unter den Sherman Act fielen. Die drei anderen Richter der Mehrheit, die in der Sache Pennington in der Minderheit geblieben waren, führten aus, daß Tarifverhandlungen über nach den maßgeblichen Arbeitsgesetzen notwendige Gegenstände der Verhandlung ihrer Natur nach nicht unter das Antitrustrecht falle. Sie begründeten dies in erster Linie damit, daß Gerichte die Absichten des Gesetzgebers zu achten hätten und daß einem Wettbewerbsrichter keine normativen Kriterien zur Verfügung stuenden, um nützliche von abträglichen Tarifverträgen zu unterscheiden.
104 Die Minderheit vertrat den Standpunkt, daß die Vereinbarung unmittelbar den Warenmarkt betreffe und keinerlei wettbewerbsfördernde Wirkungen habe. Sie sei daher nach dem Sherman Act verboten.
105 In seiner jüngeren Entscheidung Brown/Pro Football(46) hatte es der Supreme Court mit Arbeitgebern zu tun, die nach dem Scheitern von Tarifverhandlungen ihren Arbeitnehmern gemeinsam und einseitig Anstellungsbedingungen vorschrieben. Der Fall betraf den besonderen Sachverhalt von Verhandlungen zwischen der National Football Leagü und der Gewerkschaft der Footballspieler.
106 Die Mehrheit entschied (mit 8 gegen eine Stimme), daß die aussergesetzliche Ausnahme für Tarifverträge Vereinbarungen zwischen mehreren Arbeitgebern nach dem Scheitern von Verhandlungen, mit denen die Bedingungen des letzten Lohnangebots der Arbeitgeber durchgesetzt werden sollten, erfasse, weil anzunehmen sei, daß dieses Verhalten arbeitsrechtlich und -politisch bedenkenfrei sei. Das Verhandeln mehrerer Arbeitgeber sei als solches eine anerkannte, wichtige und überzeugende Methode der Tarifverhandlung, das beiden Tarifpartnern Vorteile biete. Zweitens würde die Unterstellung dieser Vorgehensweise unter das Antitrustrecht die Wettbewerbsgerichte zwingen, eine Reihe wichtiger praktischer Fragen über die Art und Weise von Tarifverhandlungen über Arbeitsbedingungen zu beantworten - genau das Ergebnis, das mit der Ausnahme für Tarifverträge habe vermieden werden sollen. Drittens würde die Maßgeblichkeit des Antitrustrechts Unbeständigkeit und Unsicherheit in den Prozeß der Tarifverhandlungen tragen.
107 Die abweichende Stimme (Richter Stevens) brachte zum Ausdruck, daß weder den Arbeits- und Antitrustgesetzen zugrunde liegende Politiken noch der Zweck der aussergesetzlichen Ausnahme eine Rechtfertigung dafür hergäben, eine kollektive Maßnahme von Arbeitgebern, die Löhne unter das Niveau drücken solle, das in einem freien Markt möglich gewesen wäre, von der wettbewerbsrechtlichen Prüfung auszunehmen.
108 Die Ergebnisse dieser vergleichenden Übersicht können wie folgt zusammengefasst werden.
109 In allen untersuchten Rechtssystemen sind Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern in bestimmtem Umfang vom Verbot wettbewerbswidriger Kartelle ausgenommen. Diese Freistellung ist aber nicht unbegrenzt.
110 Die Rechtsquellen für diese Freistellung und die Rechtstechniken für ihre Durchführung sind sehr unterschiedlich. Man findet etwa
- den Vorrang eines Grundrechts auf Tarifverhandlung (Deutschland),
- ausdrückliche Ausnahme in Wettbewerbs- oder anderen Gesetzen (Dänemark, Finnland, gesetzliche Ausnahme in den Vereinigten Staaten),
- richterliche Rechtsschöpfung (aussergesetzliche Ausnahme in den Vereinigten Staaten),
- Aufstellung einer besonderen Voraussetzung dafür, daß ein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt, die aber von den betreffenden Vereinbarungen in der Regel nicht erfuellt wird (Deutschland),
- Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen für einen Verstoß gegen das Kartellverbot in einer Weise, die zu dem gewünschten Ergebnis führt (Frankreich),
- eine Tradition, Wettbewerbsregeln nicht auf das kollektive Arbeitsrecht anzuwenden (Vereinigtes Königreich).
111 Unterschiedlich ist auch der Umfang der Freistellung. Die Gerichte stellen allerdings regelmässig die folgenden Fragen:
- Betreffen die Vereinbarungen Löhne, Arbeitszeit oder andere Arbeitsbedingungen, die Hauptgegenstand von Tarifverhandlungen sind?
- Inwieweit berühren die Vereinbarungen die Waren- und Dienstleistungsmärkte, in denen die Arbeitgeber tätig sind?
- Inwieweit berühren die Vereinbarungen Dritte? Möglicherweise berührte Dritte sind Unternehmen, die im gleichen Markt tätig sind, aber an der Verhandlung nicht beteiligt waren, Unternehmen in anderen Märkten und Verbraucher.
- Haben die Vereinbarungen einen wettbewerbswidrigen Zweck?
- Ist es angemessener, strikte Regeln anzuwenden, oder sollten die beteiligten Interessen von Fall zu Fall zum Ausgleich gebracht werden?
112 Vor diesem Hintergrund komme ich nun zur Untersuchung des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag. Ich untersuche nacheinander erstens, ob Tarifverträge in den sachlichen Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen, zweitens, ob eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise von Unternehmen vorliegt, und drittens, ob diese Abstimmung den Wettbewerb spürbar beeinträchtigt.
B - Sachlicher Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag
113 Nach Auffassung der Fonds und der niederländischen, der französischen und der schwedischen Regierung ist Artikel 85 Absatz 1 seinem materiellen Anwendungsbereich nach grundsätzlich nicht auf Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Renten anwendbar. Ihr Vorbringen lässt sich wie folgt zusammenfassen.
114 Diese Vereinbarungen befassten sich erstens mit sozialen Angelegenheiten und förderten die Ziele des EG-Vertrages auf sozialem Gebiet. Die Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 würde die Erreichung dieser Ziele gefährden.
115 Die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 würde zweitens den Tarifpartnern ihr Grundrecht auf Tarifverhandlungen nehmen, das in zahlreichen völkerrechtlichen und europäischen Normen anerkannt sei.
116 Die Anwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 1 wäre drittens mit zahlreichen Rechtssätzen des Gemeinschaftsrechts unvereinbar, die Tarifverhandlungen zwischen Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich ermutigten und förderten.
117 Dieses Vorbringen wirft zwei unterschiedliche Probleme auf, die ich getrennt behandeln werde.
118 Das erste Argument hängt mit dem Gegenstand der Vereinbarungen zusammen. Es wirft die Frage auf, ob eine bestimmte Vereinbarung unabhängig von ihrer Form ausserhalb des Anwendungsbereichs der Wettbewerbsregeln verbleibt, weil sie soziale Fragen wie Arbeitsbedingungen oder Renten behandelt und eine soziale Zielsetzung hat. Gilt mit anderen Worten im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft eine allgemeine Ausnahme für den Sozialbereich?
119 Das zweite und das dritte Argument haben es mit dem Rahmen zu tun, innerhalb dessen die betreffenden Vereinbarungen getroffen werden. Sie werfen die beschränktere Frage auf, ob Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern nach Gemeinschaftsrecht einen besonderen Rechtsstatus haben, so daß Artikel 85 Absatz 1 auf sie grundsätzlich keine Anwendung finden kann. Gilt eine Ausnahme für Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern?
1. Gilt eine allgemeine Ausnahme für den Sozialbereich?
120 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gehört zu einem "System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt", was nach Artikel 3 Buchstabe g eine der Aufgaben der Gemeinschaft ist.
121 Artikel 3 Buchstabe i bestimmt, daß die Tätigkeit der Gemeinschaft auch "eine Sozialpolitik" umfasst. Artikel 2 bestimmt als eine der Aufgaben der Gemeinschaft, "eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens" sowie "ein hohes Beschäftigungsniveau" und "ein hohes Maß an sozialem Schutz ... zu fördern".
122 Nach Meinung der Fonds ist diesen Bestimmungen zu entnehmen, daß der Sozialbereich nicht den Wettbewerbsregeln unterliegt. Wegen der besonderen Merkmale dieses Bereichs könne und dürfe das Wettbewerbsrecht nicht eingreifen. Tarifvereinbarungen zwischen Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bezweckten die Förderung der sozialen Ziele des EG-Vertrages. Folglich gehörten sie zum Sozialbereich, der grundsätzlich nicht den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag unterliege.
123 Diese Auffassung kann ich nicht teilen. Der Gerichtshof hat ständig entschieden, daß "der Vertrag, soweit er bestimmte Tätigkeiten vom Bereich der Wettbewerbsregeln ausschließen wollte, ausdrücklich eine Ausnahme in diesem Sinne angeordnet hat"(47). Beispiele für solche Vertragsbestimmungen sind Artikel 42 Absatz 1 für die Landwirtschaft, Artikel 223 Absatz 1 Buchstabe b für die Waffenerzeugung und in beschränktem Masse Artikel 90 Absatz 2 im Hinblick auf bestimmte Unternehmen.
124 Für den Sozialbereich enthält der EG-Vertrag keine Bestimmung, die wie Artikel 42 die Anwendung der Wettbewerbsregeln ausdrücklich ausschließt oder sie von einer Entscheidung des Rates abhängig macht.
125 Ausserdem hat der Gerichtshof unzweideutig die Geltung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft für eine Reihe anderer "besonderer" Bereiche bekräftigt, die in bestimmten Mitgliedstaaten ausserhalb der Wettbewerbsregeln stehen. In diesen Bereichen ist die Geltung der Wettbewerbsregeln häufig mit Argumenten bestritten worden, die auf den besonderen Merkmalen der betreffenden Bereiche und widerstreitenden politischen Zielen beruhten, wie sie in Artikel 3 EG-Vertrag aufgeführt sind.
126 Der Gerichtshof hat solche Argumente indessen regelmässig zurückgewiesen und die Artikel 85 und 86 auf solche Branchen wie Transport(48), Energie(49), Banken-(50) und Versicherungswesen(51) deshalb angewandt, weil es andere Mechanismen wie z. B. Ausnahmen nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag gibt, mit deren Hilfe das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht die Berücksichtigung besonderer Merkmale einzelner Branchen ermöglicht(52). In diesen Rechtssachen hat sich der Gerichtshof nicht dem Standpunkt angeschlossen, daß widerstreitende politische Ziele - wie z. B. in Artikel 3f (eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Verkehrs) und Artikel 3t (Maßnahmen im Bereich Energie) - als solche die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf die betreffende Branchen ausschließen. Wenn die Gemeinschaft eine bestimmte Politik betreibt, so heisst das nicht, daß dieser Bereich der Wirtschaft damit den Wettbewerbsregeln entzogen wäre.
127 Ausserdem hat der Gerichtshof - und dies ist von besonderer Bedeutung für die vorliegenden Fälle - in einer Reihe wichtiger Urteile den Grundsatz anerkannt, daß die Wettbewerbsregeln für den Sozialbereich gelten, insbesondere für die Anstellung und für Renten. So hat der Gerichtshof diesen Grundsatz für Arbeitsmärkte in den Urteilen Höfner und Elser(53) und Job Center(54) sowie für Renten in den Urteilen Poucet(55) und Fédération française des Sociétés d'Assurances(56) anerkannt. Diese Rechtssachen müssen später noch näher betrachtet werden. An dieser Stelle genügt die Feststellung, daß der Gerichtshof bei der Prüfung, ob die betreffenden Einrichtungen als Unternehmen im Sinne der Artikel 85 und 86 anzusehen seien, stillschweigend davon ausgegangen ist, daß die Wettbewerbsregeln in diesen Bereichen ratione materiä anwendbar sind. Unlängst hat der Gerichtshof - ohne überhaupt zu prüfen, ob private Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, die sich mit Gesundheitspflege befassten, als Unternehmen anzusehen seien - einfach die Wettbewerbsregeln angewandt und entschieden, daß keine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 vorliege(57).
128 Diese Feststellung wird durch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache García(58) nicht entkräftet, auf das sich insbesondere die französische Regierung beruft. Es ging um den persönlichen Anwendungsbereich der dritten Schadensversicherungs-Richtlinie(59), die auf den Vorschriften über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit beruht. Der Gerichtshof hat entschieden, daß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie ".... dahin auszulegen ist, daß Systeme der sozialen Sicherheit wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen sind".
129 Entgegen der Annahme der französischen Regierung befasst sich Randnummer 14 dieses Urteils mit dem persönlichen Anwendungsbereich der betreffenden Richtlinie, also mit den Stellen, auf die sie Anwendung findet, und betrifft nicht die Anwendbarkeit der Wettbewerbsvorschriften auf den Sozialbereich. Mit seinem Hinweis auf die Begründung im Urteil Poucet hat der Gerichtshof lediglich seine Rechtsprechung zur Anwendbarkeit ratione personä der Wettbewerbsregeln auf bestimmte Einrichtungen in Erinnerung rufen wollen, die soziale Leistungen erbringen. Ausserdem bestätigt Randnummer 12 des Urteils, daß der Gerichtshof an seinem Standpunkt festgehalten hat, den er bereits in den Urteilen Poucet und Fédération française des Sociétés d'Assurances eingenommen hatte. Wie ich bereits erwähnte, setzt dieser Standpunkt voraus, daß der Bereich der Renten und sonstigen Sozialleistungen nicht ipso facto aus dem sachlichen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln herausfällt.
130 Es gibt demgemäß meines Erachtens keine allgemeine Ausnahme, die den Sozialbereich als Ganzes gegen die Wettbewerbsregeln abschirmen würde(60).
2. Gilt eine Ausnahme für Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern?
131 Ich habe bereits bemerkt, daß zwei Argumente ins Feld geführt werden, um die Auffassung zu stützen, daß Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern einen besonderen Status erhalten sollten. Das erste beruht auf einem angeblichen Grundrecht auf Tarifverhandlung, das zweite darauf, daß das Gemeinschaftsrecht selbst den Abschluß solcher Tarifverträge fördert.
a) Besteht ein Grundrecht auf Tarifverhandlung?
132 Die Fonds, die niederländische und die französische Regierung sowie die Kommission bringen vor, daß sich aus einer Reihe völkerrechtlicher Normen ergebe, daß in der Gemeinschaftsrechtsordnung ein Grundrecht auf Tarifverhandlung gelte. Würde man Artikel 85 Absatz 1 auf diese Vereinbarungen anwenden, sagen sie, so würde man letztlich den Tarifpartnern dieses Grundrecht streitig machen.
133 Gilt in der Gemeinschaftsrechtsordnung wirklich ein solches Grundrecht? Das ist eine grundlegende Frage, denn wenn ein solches Recht gilt, könnte jede Beeinträchtigung des Wesensgehalts dieses Rechtes selbst im öffentlichen Interesse unrechtmässig sein(61).
134 Aus analytischen Gründen werde ich drei Rechte unterscheiden: erstens, das Recht von Einzelpersonen, eine Gewerkschaft oder einen Arbeitgeberverband zu gründen und ihnen beizutreten, zweitens, das allgemeine Recht einer Gewerkschaft oder eines Verbandes, sich zum Schutz von Beschäftigteninteressen koalitionsmässig zu betätigen, und drittens das in den vorliegenden Fällen fragliche besondere Recht von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zur Tarifverhandlung.
135 Der EG-Vertrag selbst fördert zwar - wie noch zu erörtern - Tarifverhandlungen, gewährleistet aber keines der genannten drei Rechte ausdrücklich.
136 Nach der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer(62) sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Recht haben, sich zur Bildung beruflicher oder gewerkschaftlicher Vereinigungen ihrer Wahl frei zusammenzuschließen, "um ihre wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu vertreten" (Artikel 11). Die Tarifpartner sollen "das Recht [haben], unter den Bedingungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen" (Artikel 12). Demgemäß enthält die Charta die drei vorgenannten Rechte.
137 Die Charta hat indessen sehr begrenzte Rechtswirkungen. Sie ist kein Rechtsakt der Gemeinschaft, sondern eine feierliche politische Erklärung der Staats- und Regierungschefs von 11 der 12 Mitgliedstaaten, die nicht im Amtsblatt veröffentlicht wurde. In dem Abkommen über die Sozialpolitik im Anhang des Europäischen Unionsvertrages waren dieselben 11 Staaten, die die Charta unterzeichnet hatten, nicht bereit, den Rechten, denen sie in der Charta politische Unterstützung gewährt hatten, rechtliche Wirkungen beizulegen.
138 Die Rechtsprechung des Gerichtshofes ist bezueglich der allgemeinen Frage, ob das Gemeinschaftsrecht eines der drei vorgenannten Rechte anerkennt, aussagekräftiger. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß "die Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen [gehören], deren Wahrung der Gerichtshof zu sichern hat. Dabei lässt sich der Gerichtshof von den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten sowie von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluß die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind"(63). "Hierbei hat die Europäische Menschenrechtskonvention eine besondere Bedeutung"(64).
139 In seinem Urteil Gewerkschaftsbund, Massa und Kortner(65) hat der Gerichtshof erklärt, daß "die in Artikel 24a des Beamtenstatuts anerkannte Vereinigungsfreiheit nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts nicht nur [bedeutet], daß die Beamten und Bediensteten das Recht haben, frei Vereinigungen ihrer Wahl zu gründen, sondern auch, daß diese Vereinigungen sich zur Verteidigung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder jeder erlaubten Tätigkeit widmen können". Damit hat der Gerichtshof, so lässt sich vertreten, erstens das Individualrecht auf Bildung von und Beitritt zu Berufsvereinigungen und zweitens ein kollektives Betätigungsrecht anerkannt. Daß diese beiden Rechte Grundrechte sind, wird durch das Urteil Bosmann in Bezug auf die Koalitionsfreiheit allgemein(66) und durch das Urteil Maurissen(67) insbesondere in Bezug auf Gewerkschaften anerkannt.
140 Ich komme nun zu den einschlägigen völkerrechtlichen Normen, auf die sich der Fonds, bestimmte Mitgliedstaaten und die Kommission berufen.
141 Namentlich die Kommission macht geltend, daß das Recht auf Tarifverhandlung über Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen ein Grundrecht sei, das in Artikel 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Artikel 6 der Europäischen Sozialcharta, Artikel 22 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 8 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie durch die Abkommen Nr. 87 und 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) garantiert werde.
142 Eine Untersuchung dieser Normen bestätigt dies indessen nicht.
143 Das zentrale Recht, das in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten garantiert wird, ist das Inidividualrecht, Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten (Artikel 11). Dieses Recht wird auch in der Europäischen Sozialcharta (Artikel 5), im Internationalen Pakt für bürgerliche und politische Rechte (Artikel 22) und im Internationalen Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Artikel 8) anerkannt, ebenso im Abkommen über die Koalitionsfreiheit und den Schutz des Organisationsrechts (Freedom of Association and Protection of the Right to Organise) sowie im Abkommen über das Recht auf Organisation und Tarifverhandlung (Right to Organise and Collective Bargaining), die im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vereinbart wurden.
144 Beim Recht der Gewerkschaften auf kollektives Tätigwerden hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf die Worte "zum Schutze ihrer Interessen" in Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention abgestellt und entschieden, daß zur Koalitionsfreiheit die Rechte gehörten, die "unerläßlich für die effektive Ausübung" oder "notwendige Elemente" der gewerkschaftlichen Freiheit seien(68). Artikel 11 stelle daher auch "die Freiheit sicher, die Beschäftigungsinteressen von Gewerkschaftsmitgliedern durch gewerkschaftliches Tätigwerden zu sichern, deren Durchführung und Weiterführung die Vertragsstaaten sowohl zulassen als auch möglich machen müssen"(69).
145 Diese dem Anschein nach umfassende Feststellung scheint aber nur einen Kern besonderer Tätigkeiten zu erfassen. Bisher ist das einzige vom Gerichtshof ausdrücklich anerkannte Recht das Recht gewesen, vom Staat "gehört" zu werden(70). Andererseits hat eine Gewerkschaft kein Recht, vom Staat konsultiert zu werden(71), der Staat ist nicht verpflichtet, Tarifverträge abzuschließen(72), und Artikel 11 schließt nicht notwendig ein Streikrecht ein, weil die Interessen der Mitglieder mit anderen Mitteln gefördert werden können(73).
146 Was das Recht auf Tarifverhandlung angeht, scheint entgegen den Darlegungen der Fonds, der Kommission und der genannten Regierungen nur Artikel 6 der Europäischen Sozialcharta seine Geltung ausdrücklich anzuerkennen. Die blosse Aufnahme eines Rechts in die Charta bedeutet indessen nicht, daß es allgemein als Grundrecht anerkannt wäre. Nach der Struktur der Charta stellen die aufgeführten Rechte politische Ziele und keine durchsetzbaren Rechte dar, und die beteiligten Staaten haben lediglich diejenigen Rechte auszuwählen, die sie unter Schutz stellen möchten.
147 Artikel 4 des sorgfältig redigierten Abkommens über das Recht auf Organisation und Tarifverhandlung verpflichtet die Vertragsstaaten, kollektives Verhandeln "zu ermutigen und zu fördern". Ein Recht wird nicht begründet.
148 In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist ein beredtes Fehlen jeglichen Hinweises auf ein Recht auf Tarifverhandlung festzustellen. In der Sache Svenska Lokmannaförbundet hatte sich z. B. die Mehrheit der Kommission für Menschenrechte für die Anerkennung eines Rechts der Gewerkschaften auf Durchführung von Tarifverhandlungen ausgesprochen. Der Gerichtshof entschied, daß er über diese Frage nicht zu entscheiden habe, weil es um ein solches Recht nicht gehe und dieses der antragstellenden Gewerkschaft nach nationalem Recht zustehe(74). Seither hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Geltung dieses Rechtes nie ausdrücklich anerkannt. Es gibt im Gegenteil Hinweise darauf, daß der Gerichtshof insoweit eher Zurückhaltung an den Tag legt.
149 Zunächst legt die Auslegung des Artikels 6 der Europäischen Sozialcharta durch den Gerichtshof eine solche Zurückhaltung nahe. Zu Artikel 6 Absatz 1, wonach die Staaten "gemeinsame Beratungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ... fördern", hat der Gerichtshof erklärt, daß "die vorsichtige Wortwahl zeigt, daß die Charta ein echtes Anhörungsrecht nicht vorsieht"(75). Zu Artikel 6 Absatz 2, demzufolge die Staaten sich verpflichten, "Verfahren für freiwillige Verhandlungen zwischen Arbeitgebern ... und Arbeitnehmerorganisationen ... zu fördern, soweit dies notwendig und zweckmässig ist", hat der Gerichtshof entschieden, daß "die vorsichtige Wortwahl ... belegt, daß die Charta ein echtes Recht auf Abschluß irgendeiner Vereinbarung dieser Art nicht vorsieht ..."(76).
150 Zweitens hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ständig betont, daß "gewerkschaftliche Freiheit nur eine Form oder ein spezieller Aspekt der Vereinigungsfreiheit [ist]", und daß "Artikel [11] keinerlei besondere Behandlung von Gewerkschaften gewährleistet"(77).
151 Von Interesse ist drittens das Urteil Gustafsson(78). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte über einen Streit zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeber zu urteilen, der sich an Tarifverhandlungen in seiner Branche nicht beteiligen wollte. Die Gewerkschaft übte durch Streiks und andere Maßnahmen Druck auf ihn aus, sich der Arbeitgeberseite eines Branchentarifvertrags anzuschließen. Der Arbeitgeber machte geltend, daß ein Zwang zur Beteiligung am Tarifvertrag in der Praxis zu einem Anschlußzwang bei einem Arbeitgeberverband führen würde. Seiner Meinung nach hätte daher die schwedische Regierung eingreifen müssen, um seine (negative) Freiheit zu schützen, einem Arbeitgeberverband nicht beitreten zu müssen.
152 Es ist interessant, zunächst zwei abweichende Richtermeinungen zu betrachten.
153 Acht Richter argumentierten in ihrer teilweise abweichenden Meinung, daß die Beschwerde des Klägers nicht auf seiner negativen Freiheit beruhe, einem Verband nicht beitreten zu müssen, sondern auf seiner negativen Freiheit, sich nicht an Tarifverhandlungen zu beteiligen. Sie gaben der bisherigen Rechtsprechung die Bedeutung, daß "das Recht auf Tarifverhandlung kein immanenter Bestandteil der Koalitionsfreiheit ist." Ihrer Meinung nach war daher Artikel 11 überhaupt nicht anwendbar(79).
154 Zwei abweichende Richtermeinungen nahmen den entgegengesetzten Standpunkt ein. Für sie war das Recht auf Tarifverhandlung ein immanenter Bestandteil der Koalitionsfreiheit. Demgemäß hätte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Abwägung vornehmen sollen zwischen dem positiven Recht der Gewerkschaften auf Tarifverhandlung und dem negativen Recht des Arbeitgebers, nicht gegen seinen Willen in eine solche Verhandlung gezwungen zu werden(80).
155 Beiden Standpunkten ist gemeinsam, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine definitive Stellungnahme zur Geltung eines solchen Rechts hätte abgeben müssen.
156 Die Mehrheit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte folgte indessen einem dritten Lösungsweg. Zu den gewerkschaftlichen Tätigkeiten entschied er zunächst: "Wegen der Sensibilität der sozialen und politischen Fragen, die bei einem angemessenen Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu beantworten sind, ... und den starken Abweichungen zwischen den nationalen Systemen innerhalb des hier anstehenden besonderen Bereichs sollten die Vertragsstaaten bei der Wahl der einzusetzenden Mittel einen weiten Beurteilungsspielraum haben"(81). Dann hob er nur hervor, daß er keinen Grund sehe, "daran zu zweifeln, daß das Vorgehen der Gewerkschaft legitime Interessen verfolgte, die mit Artikel 11 der Konvention übereinstimmen". Schließlich sollte "in diesem Zusammenhang daran gedacht werden, daß die Legitimität von Tarifverhandlungen in einer Reihe völkerrechtlicher Normen anerkannt wird"(82). Damit scheint der Gerichtshof mit Bedacht das Ergebnis vermieden zu haben, daß die Konvention das Recht auf Tarifverhandlung garantiert.
157 Dieses Untersuchung führt meines Erachtens, was die Anerkennung eines Rechts auf Tarifverhandlungen im Gemeinschaftsrecht betrifft, zu folgenden Ergebnissen.
158 Die Gemeinschaftsrechtsordnung schützt das Recht, Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zu gründen und ihnen beizutreten, das den Kern der Koalitionsfreiheit ausmacht.
159 Meines Erachtens ist das Recht auf kollektive Betätigung zum Schutz von Beschäftigungsinteressen, soweit es für die Ausübung der Koalititionsfreiheit unerläßlich ist, ebenfalls durch das Gemeinschaftsrecht geschützt.
160 Bezueglich der Anerkennung eines besonderen Grundrechts fehlt es jedoch den nationalen Rechtsordnungen und völkerrechtlichen Normen an einem gemeinsamen Standpunkt.
161 Ausserdem ist meines Erachtens der Vorgang der Tarifverhandlung wie jede andere Verhandlung zwischen Wirtschaftsteilnehmern ausreichend durch den allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit geschützt. Ein besonderer Grundrechtsschutz wird daher nicht benötigt. Auf jeden Fall dürften die zulässigen Beschränkungen des behaupteten Rechts auf Tarifverhandlungen wohl mit denen der Vertragsfreiheit übereinstimmen.
162 In diesem Zusammenhang darf auch darauf hingewiesen werden, daß der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Freizuegigkeit der Arbeitnehmer und zum gleichen Entgelt regelmässig prüft, ob Klauseln in Verträgen zwischen den Tarifpartnern gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit(83) oder des Geschlechts(84) verstossen. Das könnte als Anwendung des allgemeinen Grundsatzes gesehen werden, daß die Ausübung eines Grundrechts Beschränkungen unterworfen werden kann, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismässigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet(85). Es kann in den vorliegenden Fällen keinem Zweifel unterliegen, daß Artikel 85 Absatz 1 ein wichtiges Ziel des EG-Vertrages verfolgt, nämlich die Schaffung eines Systems, das sicherstellt, daß der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird (Artikel 3 Buchstabe g).
163 Demgemäß sind die Tarifpartner zwar grundsätzlich frei, die von ihnen als angemessen angesehenen Vereinbarungen zu treffen, müssen aber wie jeder andere Wirtschaftsteilnehmer die Beschränkungen des Gemeinschaftsrechts beachten. Die blosse Anerkennung eines Grundrechts auf Tarifverhandlungen würde daher nicht ausreichen, um Tarifverhandlungen von der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln freizustellen.
164 Die vorstehende Untersuchung zeigt aber ebenfalls deutlich, daß international Konsens über die Legitimität und die soziale Erwünschtheit von Tarifverhandlungen besteht.
165 Damit komme ich zum zweiten Argument gegen die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln, nämlich die Unvereinbarkeit dieser Regeln mit verschiedenen Bestimmungen des EG-Vertrages, die Tarifverhandlungen fördern sollen.
b) Förderung von Tarifverhandlungen im Gemeinschaftsrecht
166 Gemäß Artikel 118 EG-Vertrag "hat die Kommission ... die Aufgabe, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in sozialen Fragen zu fördern, insbesondere auf dem Gebiet
...
- des Koalitionsrechts und der Kollektivverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern".
167 Artikel 118b EG-Vertrag bestimmt:
"Die Kommission bemüht sich darum, den Dialog zwischen den Tarifpartnern auf europäischer Ebene zu entwickeln, der, wenn diese es für wünschenswert halten, zu vertraglichen Beziehungen führen kann."
168 Ausserdem enthält das Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik im Anhang des Protokolls über die Sozialpolitik(86) in der Anlage zum Unionsvertrag die nachstehenden Bestimmungen.
169 Artikel 1 des Abkommens lautet: "Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten haben folgende Ziele: ... den sozialen Dialog."
170 Artikel 2 Absatz 4 bestimmt:
"Ein Mitgliedstaat kann den Sozialpartnern auf deren gemeinsamen Antrag die Durchführung von aufgrund der Absätze 2 und 3 angenommenen Richtlinien übertragen."
171 Artikel 3 Absatz 1 lautet:
"Die Kommission hat die Aufgabe, die Anhörung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene zu fördern ...".
172 In Artikel 4 Absatz 1 heisst es:
"Der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene kann, falls sie es wünschen, zur Herstellung vertraglicher Beziehungen, einschließlich des Abschlusses von Vereinbarungen, führen."
173 Gemäß Artikel 4 Absatz 2 erfolgt
"die Durchführung der auf Gemeinschaftsebene geschlossenen Vereinbarungen ... - in den durch Artikel 2 erfassten Bereichen - auf gemeinsamen Antrag der Unterzeichnerparteien durch einen Beschluß des Rates auf Vorschlag der Kommission".
174 Der Fonds, die niederländische und die französische Regierung sowie die Kommission ziehen aus diesen Bestimmungen folgenden Schluß: Der Vertrag und das Abkommen über die Sozialpolitik förderten das Verfahren der Tarifverhandlungen und des Abschlusses von Vereinbarungen zwischen den Tarifpartnern ausdrücklich. Das Gemeinschaftsrecht gehe davon aus, daß der Dialog zwischen den Tarifpartnern zum Gesetzgebungsprozeß auf einzelstaatlicher und sogar auf Gemeinschaftsebene beitragen könne. Artikel 85 EG-Vertrag könne daher eindeutig für diese Kategorie von Vereinbarungen nicht gelten.
175 Die Kommission vertritt in ihren schriftlichen Erklärungen die Meinung, daß, sollte Artikel 85 anwendbar sein, die meisten Tarifvereinbarungen die Voraussetzungen der Wettbewerbsbeschränkung und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten erfuellen würden. Gemäß Artikel 85 Absätze 1 und 2 wären sie daher verboten und nichtig. Auch eine Ausnahme nach Artikel 85 Absatz 3 wäre schwerlich möglich, weil diese Bestimmung eine Berücksichtigung sozialer Ziele nicht zulasse.
176 Diesen Argumenten stimme ich bis zu einem bestimmten Punkt zu.
177 Dies folgt zunächst aus einer systematischen Auslegung des EG-Vertrages. Zwei potentiell im Widerspruch stehende Gruppen von Bestimmungen sind hier einschlägig. Zum einen haben wir die genannten Bestimmungen, die den Abschluß von Tarifvereinbarungen fördern. Sie gehen eindeutig von der Annahme aus, daß Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern im Grunde rechtmässig sind. Dem steht zum anderen Artikel 85 gegenüber. Gemäß Artikel 85 Absatz 1 sind bestimmte Vereinbarungen verboten. Diese verbotenen Vereinbarungen sind nach Artikel 85 Absatz 2 ohne weiteres nichtig. Nur wenn die Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 erfuellt sind, kann die Kommission das Verbot des Absatzes 1 für nicht anwendbar erklären.
178 Wie die vorliegenden Fälle und der vergleichende Überblick über die nationalen Rechte zeigen, ist diese mögliche Spannung zwischen diesen beiden Normgruppen in allen Rechtsordnungen gegeben. Normale Tarifverträge über Kerngegenstände der Tarifverhandlungen wie Löhne und andere Arbeitsbedingungen schränken unbestritten den Wettbewerb zwischen Arbeitnehmern ein: Sie können ihre Arbeit nicht zu einem Lohn unter dem vereinbarten Minimum anbieten. Der Hauptzweck von Gewerkschaften und des Verfahrens der Tarifverhandlungen ist es aber gerade, die Arbeitnehmer bei Löhnen und Arbeitsbedingungen an der Teilnahme an einem "Rennen abwärts" zu hindern. Gerade aus diesem Grund werden Tarifverhandlungen in allen staatlichen Rechtsordnungen, völkerrechtlichen Normen und insbesondere durch den EG-Vertrag selbst gefördert. Darüberhinaus enthält das Gemeinschaftsrecht im Beschäftigungsbereich ausgeklügelte Vorschriften über Maßnahmen, die wie durch Gesetzgebung so auch durch Tarifverhandlungen durchzuführen sind(87). Würden solche Vereinbarungen unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1 fallen, müsste man bei der Kommission eine Negativbescheinigung oder eine Freistellung beantragen. Solche Vereinbarungen passen ihrer Natur nach nicht reibungslos in den Rahmen von Wettbewerbsregeln.
179 Die Verfasser des EG-Vertrages waren sich entweder des Problems nicht bewusst oder konnten sich nicht über eine Lösung einigen. Der EG-Vertrag gibt daher keinen klaren Anhaltspunkt. Unter diesen Umständen ist nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zu verfahren. Da beide Gruppen von Bestimmungen gleichrangige Vertragsvorschriften sind, darf eine Gruppe von Vorschriften nicht ohne Rücksicht auf die andere durchgeführt und keine von beiden um ihren gesamten Inhalt gebracht werden. Da die Bestimmungen des EG-Vertrages, die Tarifverhandlungen begünstigen, voraussetzen, daß Tarifvereinbarungen im Grunde rechtmässig sind, kann Artikel 85 Absatz 1 nicht geschaffen worden sein, um auf Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern über Kernthemen wie Löhne und andere Arbeitsbedingungen angewandt zu werden. Folglich sollten Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern über Löhne und Arbeitsbedingungen ohne weiteres von der Wettbewerbswidrigkeitsprüfung freigestellt sein.
180 Auch Erwägungen praktischer Natur bekräftigen diese Grundposition.
181 Es ist weitgehend anerkannt, daß Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern teure Arbeitskämpfe vermeiden und die Geschäftskosten durch einen kollektiven und von Regeln getragenen Verhandlungsprozeß niedrig halten helfen sowie Vorhersehbarkeit und Transparenz fördern. Ein Gleichgewicht der Verhandlungsmacht auf beiden Seiten verhilft zu einem ausgeglichenen Ergebnis für beide Seiten und die Gesellschaft insgesamt.
182 Ausserdem beschränken Tarifvereinbarungen über Löhne, Arbeitszeit oder andere Arbeitsbedingungen zwar möglicherweise den Wettbewerb zwischen Arbeitnehmern, haben aber wahrscheinlich keine fühlbare beschränkende Auswirkung auf den Wettbewerb zwischen Arbeitgebern. Was den Wettbewerb auf der Nachfrageseite des Arbeitsmarktes betrifft, so steht es regelmässig jedem Arbeitgeber frei, seinen Arbeitnehmern günstigere Bedingungen anzubieten. Was den Wettbewerb auf den Waren- oder Dienstleistungsmärkten angeht, auf denen die Arbeitgeber tätig sind, so gleichen zunächst Vereinbarungen über Löhne oder Arbeitsbedingungen lediglich einen von mehreren Produktionskostenfaktoren an. Daher wird nur ein Aspekt des Wettbewerbs berührt(88). Zweitens ist die Marktnähe des betreffenden Faktors, wie der Praxis der Kommission entnommen werden kann(89), ein wichtiges Kriterium bei der Einschätzung der Erheblichkeit. Bei Tarifvereinbarungen über Löhne und Arbeitsbedingungen wird der Endpreis der betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen durch viele andere Faktoren beeinflusst, bevor sie den Markt erreichen. Drittens - und dies ist vielleicht am wichtigsten - werden die Kosten der Produktionsfaktoren nur vordergründig vereinheitlicht, weil wirtschaftlich gesehen Arbeit - im Gegensatz zu Rohstoffen - kein homogenes Gut ist. Daß Arbeitnehmer nominal denselben Lohn beziehen, bedeutet nicht, daß die effektiven Kosten für ihre Arbeitgeber identisch sind. Die effektiven Kosten können nur ermittelt werden, wenn die Produktivität der Arbeitnehmer berücksichtigt wird. Produktivität selbst wird durch viele Faktoren bestimmt wie z. B. berufliche Fähigkeiten, Motivation, technisches Umfeld und Arbeitsorganisation. Genau dies ist die Aufgabe einer effizienten Nutzung menschlicher Ressourcen. Daher ist der Wettbewerb bei Arbeit als einem Kostenfaktor in Wahrheit groß. Schließlich darf es als eine empirische Bestätigung für das Fehlen spürbarer Auswirkungen angesehen werden, daß es mehr als 40 Jahre gedauert hat, bevor der erste Fall der Vereinbarkeit eines Tarifvertrags mit Artikel 85 zum Gerichtshof gelangt ist, und daß in dem vorstehenden Überblick über das nationale Recht kein einziger Fall namhaft gemacht wurde, bei dem es um normale Vereinbarungen über Löhne und Arbeitsbedingungen gegangen wäre.
183 Dieser Schluß zugunsten einer beschränkten Freistellung von Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern vom Wettbewerbsrecht ist nicht unvereinbar mit den vorstehend entwickelten Argumenten, die darauf hinausliefen, daß für den Sozialbereich als Ganzes keine Ausnahme gelten kann. Der Hauptunterschied ist der, daß ich mich bei Tarifverhandlungen für eine Freistellung ausspreche, die nicht nur auf dem Gegenstand der Vereinbarung, sondern in der Hauptsache auf dem Rahmen beruht, innerhalb dessen sie abgeschlossen wird.
184 Die Gründe für den weiten sachlichen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln sind einfach. Es kann davon ausgegangen werden, daß private Wirtschaftsteilnehmer normalerweise im eigenen und nicht im öffentlichen Interesse handeln, wenn sie untereinander Vereinbarungen treffen. Die Folgen ihrer Vereinbarungen liegen daher nicht notwendig im öffentlichen Interesse. Die Wettbewerbsbehörden sollten daher in der Lage sein, Vereinbarungen Privater auch in besonderen Wirtschaftsbereichen wie Kredit- und Versicherungsgewerbe und sogar im Sozialbereich zu überprüfen. Folglich enthält auch der EG-Vertrag nur eine sehr begrenzte Anzahl sektorieller, ausschließlich auf dem Gegenstand der Vereinbarung beruhender Ausnahmen von der Geltung der Wettbewerbsregeln. Wie bereits festgestellt, sollte der Gerichtshof diese Ausnahmen weiterhin eng auslegen.
185 Mit der Förderung des Abschlusses von Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern erkennt aber der EG-Vertrag die Möglichkeit einer Ausnahme von der allgemeinen Vermutung über die Auswirkungen von Vereinbarungen zwischen privaten Wirtschaftsteilnehmern deshalb an, weil diese besondere Kategorie von Vereinbarungen regelmässig das öffentliche Interesse fördert. Das wird durch das nationale Recht und die Praxis der Wettbewerbsbehörden und -gerichte der Mitgliedstaaten bestätigt, für die Tarifverhandlungen regelmässig eine wertvolle soziale Funktion erfuellen. Ließe man Tarifverhandlungen unter die Wettbewerbsregeln fallen, so würde dies nämlich die in den Mitgliedstaaten allgemein befolgte Praxis umkehren. Nicht nur müssten solche Vereinbarungen nach gemeinschaftlichem und/oder nationalem Wettbewerbsrecht angemeldet werden, sie würden damit auch gerichtlich überprüfbar.
186 Ich bin nun allerdings der Meinung, daß die vorgeschlagene Freistellung von Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern vom Wettbewerbsrecht nicht unbegrenzt gilt.
187 Das folgt zunächst und in erster Linie aus der Auslegung des EG-Vertrages, wie ich sie vorgeschlagen habe. Wenn einerseits Artikel 85 Absatz 1 bei der Mehrheit der Vereinbarungen, die durch die Vorschriften über Tarifverhandlungen gefördert werden, nicht zum Zug kommen kann, können andererseits diese Vorschriften Artikel 85 Absatz 1 nicht bedeutungslos machen.
188 Das ergibt sich aber auch aus dem Wortlaut des EG-Vertrages. Artikel 117 ("... sich eine solche Entwicklung [Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitskräfte] ... aus dem Wirken des Gemeinsamen Marktes ergeben wird ...") und Artikel 118 ("Unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Vertrages ...") scheinen vorauszusetzen, daß die Wettbewerbsregeln in bestimmtem Umfang auf Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern Anwendung finden. Auch beim Abkommen über die Sozialpolitik ist in der Präambel des Protokolls ausdrücklich festgehalten, daß "durch dieses Protokoll und das genannte Abkommen dieser Vertrag ... nicht berührt wird".
189 Ausserdem hat der vorstehende Überblick über die nationalen Rechte gezeigt, daß es Fälle geben kann, in denen Tarifverhandlungen als Rahmen für Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern genutzt werden, die erhebliche wettbewerbswidrige Auswirkungen auf Dritte oder dritte Märkte haben können. Tatsächlich betrafen alle dargestellten und von den verschiedenen nationalen Gerichten und Behörden untersuchten Vereinbarungen dritte Märkte und Parteien. Keine dieser Vereinbarungen war eine normale Vereinbarung über Löhne oder Arbeitsbedingungen.
190 Ich schlage daher drei Bedingungen für die automatische Freistellung vor.
191 Erstens: Die Vereinbarung muß, worauf die Kommission hingewiesen hat, im förmlichen Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Tarifpartnern getroffen werden. Einseitige Abstimmung unter Arbeitgebern ohne Zusammenhang mit Tarifverhandlungen sollte - ohne Rücksicht auf den Gegenstand der Abstimmung - nicht automatisch freigestellt sein.
192 Zweitens: Die Vereinbarung sollte in gutem Glauben getroffen worden sein. In diesen Zusammenhang gehören Vereinbarungen, die dem Anschein nach mit Kerngegenständen der Tarifverhandlung wie etwa Arbeitszeit zu tun haben, in Wahrheit aber lediglich als Deckmantel für ernsthafte Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Arbeitgebern auf ihren Produktmärkten dienen. In diesen Ausnahmefällen sollten Wettbewerbsbehörden befugt sein, die betreffende Vereinbarung zu untersuchen.
193 Drittens bedarf es einer Abgrenzung der Freistellung von Tarifverhandlungen, damit diese nur solche Vereinbarungen erfasst, für die dies gerechtfertigt ist. Es wird nicht leicht sein, ein Kriterium zu finden, das die Linie am rechten Ort zieht und zugleich die erforderliche Rechtssicherheit gewährleistet. Ich möchte versuchsweise als denkbares Kriterium vorschlagen, daß die Tarifvereinbarung sich mit Kernbereichen von Tarifverhandlungen wie Löhnen und Arbeitsbedingungen befasst und dritte Personen oder Märkte nicht unmittelbar berührt. Entscheidend sollte sein, ob die Vereinbarung lediglich Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verändert oder begründet, oder ob sie darüber hinausgeht und die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Dritten wie Kunden, Lieferanten, konkurrierenden Arbeitgebern oder Verbrauchern berührt. Der vorstehende Überblick über das nationale Recht liefert mehrere Beispiele für die letztere Art von Vereinbarung. Da diese Vereinbarungen möglicherweise schädliche Wirkungen auf den Wettbewerb haben, sollten sie einer Kartellprüfung durch die Kommission oder andere zuständige Behörden unterworfen werden, die untersuchen würden, ob tatsächlich eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbes vorliegt. Falls dem so wäre, sollte die Kommission die verschiedenen beteiligten Interessen zum Ausgleich bringen und, falls angemessen, eine Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag aussprechen können. Sowohl der Gerichtshof als auch die Kommission haben gelegentlich anerkannt, daß in diesem Zusammenhang insbesondere durch eine weite Auslegung der Voraussetzungen des Artikels 85 Absatz 3 soziale Gründe berücksichtigt werden können, um so Beschäftigungsbelange einschließen zu können(90).
194 Ich komme demnach bezueglich der Freistellung von Tarifvereinbarungen vom Wettbewerbsrecht zu dem Ergebnis, daß Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern, die in gutem Glauben für Kernbereiche der Tarifverhandlung wie Löhne und Arbeitsbedingungen abgeschlossen werden und dritte Märkte und Personen unmittelbar nicht berühren, nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen.
195 Fallen die in den vorliegenden Verfahren zu prüfenden Vereinbarungen unter diese Freistellung?
196 Wie erinnerlich, können Arbeitgeber nach niederländischem Recht grundsätzlich frei entscheiden, ob sie ihren Arbeitnehmern Zusatzrenten gewähren wollen oder nicht. Wenn sie dies möchten, können sie Tarifvereinbarungen treffen, in denen die Tarifpartner sich lediglich über Mindestrenten einigen. In diesen Fällen entscheiden die Arbeitgeber, was mit den eingezogenen Beiträgen geschieht. Die Tarifpartner können sich auch einigen, ein Branchenbetriebsrentensystem zu schaffen. Das Branchensystem kann entweder von Vertretern der Tarifpartner oder von einer Versicherungsgesellschaft verwaltet werden. Haben die Tarifpartner beschlossen, einen Branchenbetriebsrentenfonds zu schaffen, so müssen sie entscheiden, ob sie beim zuständigen Minister beantragen, die Zwangsmitgliedschaft bei dem Branchenbetriebsrentenfonds für die gesamte Branche anzuordnen.
197 Angesichts dieser Vielfalt von Möglichkeiten können die zu prüfenden Vereinbarungen als drei unterschiedliche Vereinbarungen mit folgendem Inhalt begriffen werden:
a) Für jeden Arbeitnehmer, der zu einer bestimmten Branche gehört, zahlen die Arbeitgeber einen vereinbarten Rentenbeitrag in festgelegter Höhe.
b) Mit den eingezogenen Rentenbeiträgen wird ein Branchenbetriebsrentensystem geschaffen, das Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften gemeinsam verwalten.
c) Beide Seiten beantragen gemeinsam beim zuständigen Minister, die Zwangsmitgliedschaft für alle Unternehmen der Branche anzuordnen.
198 Was die erste Vereinbarung anlangt, so sind Rentenbeiträge der Arbeitgeber Teil der Vergütung der Arbeitnehmer(91). Sie führen zu den gleichen analytischen Problemen wie Löhne und andere Arbeitsbedingungen. Tarifverhandlungen über vereinheitlichte Rentenbeiträge stellen daher eine Verhandlung über den Inhalt von Arbeitsverträgen dar und berühren dritte Personen nicht unmittelbar. Für sie gilt daher die von mir vorstehend empfohlene Freistellung.
199 Schwieriger ist die Lage bei den beiden anderen Vereinbarungen. Sie könnten als blosse Anhängsel zur ersten Vereinbarung betrachtet werden. Aufgrund des vorstehend vorgeschlagenen Kriteriums könnte man allerdings die Meinung vertreten, daß sie nicht unter die Freistellung fallen. Zum einen wird die Freiheit der beteiligten Arbeitgeber beschränkt, Versicherungsunternehmen mit der Verwaltung der Rentenfonds zu betrauen (oder aber ihre Freiheit, es selbst zu tun). Zum anderen versuchen die Tarifpartner gemeinsam, Arbeitgeber, die an den Tarifverhandlungen nicht teilgenommen haben, auf das Ergebnis der Verhandlung zu verpflichten. Damit sind beide Vereinbarungen nicht bloß Tarifverhandlungen über den Inhalt von Arbeitsverträgen, sondern betreffen unmittelbar die Beziehungen von Arbeitgebern zu Dritten und können die von mir vorgeschlagene Freistellung nicht für sich in Anspruch nehmen.
200 Damit komme ich zur Untersuchung des Artikels 85 Absatz 1 im Hinblick auf die beiden letzten Vereinbarungen.
C - Vereinbarungen zwischen Unternehmen
201 Nach Auffassung der niederländischen, der französischen und der schwedischen Regierung sowie der Kommission liegt keine Vereinbarung zwischen "Unternehmen" vor und ist daher Artikel 85 Absatz 1 seinem persönlichen Anwendungsbereich nach nicht anwendbar. Die Arbeitnehmer seien keine Unternehmer, weil sie keine unabhängigen Einheiten, die einer wirtschaftlichen Betätigung nachgingen, sondern mit ihren Arbeitgebern verbunden seien. Ihre Vertreter, die Gewerkschaften, gingen keiner wirtschaftlichen Tätigkeit nach, zumindest dann nicht, wenn sie an Tarifverhandlungen über Arbeitsbedingungen oder Renten teilnähmen. Damit könne eine der beiden Parteien der betreffenden Vereinbarungen nicht als Unternehmen eingestuft werden.
202 Zu dem Vorbringen, es handele sich um eine stillschweigende "Vereinbarung zwischen Unternehmen" oder einen "Beschluß einer Unternehmensvereinigung" auf Seiten der Arbeitgeber, macht die niederländische Regierung geltend, daß Arbeitgeber, die an Tarifverhandlungen über Renten beteiligt seien, nicht einer wirtschaftlichen, sondern einer sozialen Tätigkeit nachgingen.
203 Die Kommission gelangt zum gleichen Ergebnis. Ihren Erklärungen lässt sich allerdings nicht entnehmen, auf welchem Weg ihrer Meinung nach dieses Ergebnis erzielt werden sollte. Sie macht den Gerichtshof lediglich auf die Folgen einer gegenteiligen Entscheidung aufmerksam.
204 Ich prüfe zunächst, ob die betreffenden Wirtschaftsbeteiligten als Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen betrachtet werden können. Sodann untersuche ich, ob eine Vereinbarung oder eine andere Form der Abstimmung vorliegt.
1. Unternehmen und Unternehmensvereinigungen
205 Der Gerichtshof hat entschieden, daß "der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit [umfasst], unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung"(92). In dieser Hinsicht könnten zwei Vorbemerkungen hilfreich sein.
206 Zunächst dient nach meinem Verständnis der Begriff des "Unternehmens" im System des Artikels 85 einem doppelten Zweck. Zum einen erlaubt er es - und diese Funktion steht im Vordergrund -, die Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern zu ermitteln, für die Wettbewerbsregeln gelten. Diese Frage stellt sich z. B. in Fällen, in denen öffentliche Einrichtungen beteiligt sind(93). Maßgeblich in solchen Fällen ist, ob der Wirtschaftsteilnehmer einer Tätigkeit wirtschaftlicher oder gewerblicher Natur nachgeht. Andererseits dient er der Ermittlung der Wirtschaftseinheit, der ein bestimmtes Verhalten zurechenbar ist. Diese zweite Frage stellt sich z. B. in Fällen, in denen es um das Verhältnis zwischen Tochter- und Muttergesellschaften geht(94). Entscheidend ist hier, ob wir es mit einer unabhängigen Einheit zu tun haben, die über ihr Vorgehen eigenständig entscheidet, oder nur mit einem "Vertreter", der seine Handlungsweise nicht selbständig festlegen kann.
207 Der Gerichtshof hat zweitens entschieden, daß "[i]m Rahmen des Wettbewerbsrechts unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den jeweiligen Vertragsgegenstand bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen [ist]"(95). Der Begriff des "Unternehmens" ist daher relativ und konkret im Hinblick auf die zur Prüfung anstehende besondere Tätigkeit zu ermitteln. In der Rechtssache Höfner und Elser(96) wurde z. B. eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die u. a. in der Arbeitsvermittlung tätig war, insoweit als Unternehmen behandelt. Demgegenüber fiel in der Rechtssache Calì(97) eine private Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die vom Staat mit der Überwachung der Umweltverschmutzung betraut worden war, nach Auffassung des Gerichtshofes bezueglich dieser besonderen Tätigkeit nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln.
208 Für die vorliegenden Fälle werde ich nun nacheinander prüfen, ob a) Arbeitnehmer, b) Gewerkschaften oder c) Arbeitgeber für die Zwecke des Wettbewerbsrechts als Unternehmen oder als Unternehmensvereinigungen zu behandeln sind.
a) Arbeitnehmer
209 Im Urteil Suiker Unie hat der Gerichtshof entschieden, daß Arbeitnehmer mit dem beschäftigenden Unternehmen eine "wirtschaftliche Einheit"(98) bilden. Ein "in das Unternehmen des Geschäftsherrn eingegliedertes Hilfsorgan"(99) könne nicht als Unternehmen angesehen werden. In dieser Rechtssache hatte der Gerichtshof lediglich die Grenzlinie zwischen Arbeitnehmern und unabhängigen Handelsvertretern in ihren jeweiligen Beziehungen zu Dritten zu ziehen. Somit konnte er seine Argumentation im wesentlichen darauf stützen, ob die Tätigkeit der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zugerechnet werden konnte.
210 In den vorliegenden Fällen geht es indessen um das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und ihren Arbeitgebern. In diesen Fallen stehen Arbeitnehmer über ihre Gewerkschaften in Verhandlungen über Zusatzrenten und deren Verwaltung. Diese Renten sind Teil ihrer Vergütung(100). Insoweit handeln Arbeitnehmer autonom und aufgrund eigenen Rechts. Die Argumentation des Gerichtshofes in der Rechtssache Suiker ist daher nicht unmittelbar einschlägig.
211 Damit stellt sich die Frage, wie der Umstand einzustufen ist, daß Arbeitnehmer Arbeit gegen Entgelt leisten.
212 Man könnte meinen, daß es sich um eine wirtschaftliche Tätigkeit ähnlich dem Verkauf von Gütern oder der Leistung von Diensten handelt. Wirtschaftlich gesehen, lässt sich das vertreten. Ich glaube indessen nicht, daß diese Betrachtungsweise rechtlich zutreffend ist.
213 Zunächst ist schwer einzusehen, wie der Begriff "Unternehmen" im Sinne von "Arbeitnehmer" verstanden werden könnte. Eine Auslegung des EG-Vertrages in der Weise, daß der letztgenannte im erstgenannten Begriff enthalten wäre, würde meines Erachtens die Grenzen überschreiten, die der Wortlaut vorgibt.
214 Zweitens führt die funktionale Auslegung des Begriffs "Unternehmen" durch den Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu demselben Ergebnis. Bei öffentlichen Einrichtungen prüft der Gerichtshof, ob die betreffende Tätigkeit - zumindest potentiell - von privaten Einheiten ausgeführt wird, die bei der Lieferung von Gütern und Diensten tätig sind(101). Auch natürliche Personen können als Unternehmen eingestuft werden, wenn sie unabhängige Wirtschaftsteilnehmer in Güter- und Dienstleistungsmärkten sind(102). Der Grund ist in diesen Fällen, daß die zu prüfenden Einheiten die "Funktion" eines Unternehmens erfuellen. Die Anwendung der Artikel 85 und 86 wird dadurch gerechtfertigt, daß diese öffentlichen Einrichtungen oder Einzelpersonen auf den gleichen oder ähnlichen Märkten und nach ähnlichen Grundsätzen wie "normale" Unternehmen tätig sind(103).
215 Abhängige Arbeit ist ihrer Natur nach das Gegenteil der unabhängigen Ausübung einer wirtschaftlichen oder geschäftlichen Tätigkeit. Arbeitnehmer tragen normalerweise nicht das unmittelbare geschäftliche Risiko eines bestimmten Geschäftsvorgangs. Sie haben den Weisungen ihres Arbeitgebers zu folgen. Sie bieten ihre Dienste nicht verschiedenen Kunden an, sondern arbeiten für einen einzigen Arbeitgeber. Aus diesen Gründen besteht ein wesentlicher funktionaler Unterschied zwischen einem Arbeitnehmer und einem Dienstleistungsunternehmen. Dieser Unterschied spiegelt sich in ihrem unterschiedlichen Rechtsstatus in verschiedenen Bereichen des Gemeinschafts-(104) und des nationalen Rechts wider.
216 Drittens ist das wettbewerbsrechtliche System der Gemeinschaft nicht auf Arbeitnehmer zugeschnitten. Die Beispiele wettbewerbswidriger Praktiken in den Artikeln 85 Absatz 1 und 86 oder die Bedingungen für eine Ausnahme in Artikel 85 Absatz 3 sind klar auf Wirtschaftsteilnehmer zugeschnitten, die Waren liefern und Dienstleistungen erbringen. Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a beispielsweise spricht von "Ankauf- und Verkaufspreise(n)" und "sonstige(n) Geschäftsbedingungen". Arbeitnehmer hingegen haben es mit "Löhnen" und mit "Arbeitsbedingungen" zu tun. Eine Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 auf Arbeitnehmer machte daher den Einsatz prekärer Analogien zwischen Güter- und Dienstleistungsmärkten und den Arbeitsmärkten notwendig machen.
217 Demgemäß verbleiben Arbeitnehmer grundsätzlich ausserhalb des persönlichen Anwendungsbereichs des Verbots des Artikels 85 Absatz 1. Die Zukunft wird wahrscheinlich zeigen, ob dieser Grundsatz auch in bestimmten Grenzbereichen wie z. B. dem Berufssport Anwendung findet.
b) Gewerkschaften
218 Da Arbeitnehmer für die Zwecke des Artikels 85 nicht als Unternehmen eingestuft werden können, sind Gewerkschaften oder andere Arbeitnehmervertretungen keine "Unternehmensvereinigungen".
219 Sind aber Gewerkschaften selbst "Unternehmen"?.
220 Allein der Umstand, daß eine Gewerkschaft keine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Einrichtung ist, nimmt den von ihr ausgeführten Tätigkeiten noch nicht automatisch ihren wirtschaftlichen Charakter(105).
221 Eine Gewerkschaft ist eine Vereinigung von Arbeitnehmern. Es ist anerkannt, daß auch Vereinigungen insoweit als "Unternehmen" betrachtet werden können, als sie selbst einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen(106).
222 Bekanntlich kann eine Vereinigung entweder aufgrund eigenen Rechts, also bis zu einem bestimmten Grad unabhängig vom Willen ihrer Mitglieder, oder aber als Ausführungsorgan einer Vereinbarung ihrer Mitglieder tätig werden. Im ersten Fall ist das Verhalten der Vereinigung selbst zuzurechnen, im zweiten Fall den Mitgliedern als für diese Tätigkeit Verantwortliche.
223 Bei normalen Handelsvereinigungen ist das Ergebnis dieser Abgrenzung oft nicht von Bedeutung, weil Artikel 85 in gleicher Weise auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen Anwendung findet(107). Es kann relevant werden, wenn die Kommission entscheiden muß, an wen die Entscheidung zu richten und wem eine Geldbusse aufzuerlegen ist(108).
224 Bei Gewerkschaften indessen wird diese Abgrenzung entscheidend, denn wenn die Gewerkschaft lediglich als Bevollmächtigter tätig wird, ist sie blosses Exekutivorgan einer Vereinbarung zwischen ihren Mitgliedern, die selbst - wir sahen es - nicht Adressaten des Verbots in Artikel 85 Absatz 1 sind.
225 Bei Gewerkschaften muß man daher in zwei Stufen vorgehen: Erstens ist zu fragen, ob eine bestimmte Tätigkeit der Gewerkschaft selbst zuzurechnen ist, und falls ja, zweitens, ob diese Tätigkeit wirtschaftlicher Natur ist.
226 Sicherlich können Tätigkeiten von Gewerkschaften unter Umständen beide Voraussetzungen erfuellen. Manche Gewerkschaften betreiben beispielsweise selbständig Sparkassen, Reisebüros und andere Geschäfte. Wenn sie in dieser Eigenschaft tätig werden, finden die Wettbewerbsregeln Anwendung.
227 In den vorliegenden Fällen sind die Gewerkschaften hingegen an Tarifverhandlungen mit Arbeitgebern über Renten für Arbeitnehmer der Branche beteiligt. Insoweit werden Gewerkschaften lediglich als Bevollmächtigte für Arbeitnehmer einer bestimmten Branche tätig und nicht für sich selbst. Das allein reicht für den Nachweis aus, daß sie in den vorliegenden Fällen für die Zwecke des Wettbewerbsrechts nicht als Unternehmen tätig werden.
c) Arbeitgeber
228 In den vorliegenden Fällen gehen Arbeitgeber wirtschaftlichen Tätigkeiten auf verschiedenen Güter- und Dienstleistungsmärkten nach. Insoweit sind sie als Unternehmen einzustufen.
229 Um diese Güter oder Dienste erzeugen zu können, stellen sie Arbeitnehmer ein. Die Anstellung von Personen gehört damit zu ihren wirtschaftlichen Haupttätigkeiten.
230 Die niederländische Regierung meint, wie bereits ausgeführt, Arbeitgeber, die an Tarifverhandlungen über Löhne oder Arbeitsbedingungen beteiligt seien, gingen keiner wirtschaftlichen, sondern einer sozialen Tätigkeit nach und könnten zumindest insoweit nicht als Unternehmen eingestuft werden. Die Kommission kommt zum gleichen Ergebnis.
231 Da ich ohnehin eine begrenzte Ausnahme von der sachlichen Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln vorschlage, die die Kategorie von Vereinbarungen umfasst, auf die sich die niederländische Regierung und die Kommission beziehen, bedarf es einer tiefgreifenden Untersuchung dieses Vorbringens nicht. Ich halte gleichwohl den Hinweis für nützlich, daß die Arbeitgeber dabei einer wirtschaftlichen Betätigung nachgehen.
232 Erstens werden Arbeitgeber, die an Tarifverhandlungen über Arbeitsbedingungen, Löhne oder Renten beteiligt sind, üblicherweise nicht oder jedenfalls nicht allein von sozialen Erwägungen geleitet. Realistischerweise sind es wirtschaftliche Motive, die sie bewegen, z. B. die Vermeidung teurer Arbeitskämpfe, geringere Geschäftskosten durch kollektives und regelgetragenes Verhandeln und grössere Planungssicherheit und Transparenz im Bereich der Produktionskosten.
233 Zweitens wird der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens auf den nationalen oder internationalen Waren- und Dienstleistungsmärkten von seiner Fähigkeit abhängen, mit seinen Arbeitnehmern einen optimalen Tarifvertrag abzuschließen, da dieser seine Kostenstruktur beeinflusst. Die Verhandlung mit Arbeitnehmern ist daher Teil seiner wirtschaftlichen Tätigkeit auf den Märkten und kann hiervon nicht künstlich abgetrennt werden.
234 Drittens bedeutet schon der Begriff der Tarifverhandlungen, daß jede Seite ihre eigenen Interessen vertritt. Die Seite der Arbeitnehmer sucht sich ein Maximum an sozialen Vorteilen zu sichern. Die Arbeitgeberseite versucht, die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Unternehmen zu verteidigen. Ein optimaler Ausgang für beide Seiten und für die Gesellschaft wird bekanntlich durch das Gleichgewicht der Verhandlungsmacht jeder Seite sichergestellt. Es wäre daher nicht einmal wünschenswert, daß Arbeitgeber durch andere als wirtschaftliche Erwägungen geleitet würden.
235 Demgemäß bleiben Arbeitgeber, auch wenn sie an Tarifverhandlungen teilnehmen, weiterhin Unternehmen.
236 Daraus folgt zugleich, daß die Vereinigungen von Arbeitgebern in den vorliegenden Fällen Unternehmensvereinigungen sind.
2. Vereinbarung oder andere Form der Abstimmung
237 Da weder Arbeitnehmer noch ihre Vertreter Unternehmen sind, konzentriere ich mich auf die Frage, ob ein Tarifvertrag zwischen den Tarifpartnern eine stillschweigende Vereinbarung der Arbeitgeber-Unternehmen darstellt.
238 In der Rechtssache BNIC hat der Gerichtshof entschieden, daß "der rechtliche Rahmen, in dem solche Vereinbarungen [zwischen Unternehmen] geschlossen und solche Beschlüsse [von Unternehmensvereinigungen] gefasst werden, für die Anwendbarkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen, insbesondere des Artikels 85 EWG-Vertrag, ebensowenig erheblich [ist] wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationalen Rechtsordnungen".(109)
239 Im Urteil Frubo/Kommission hat der Gerichtshof entschieden, daß "Artikel 85 Absatz 1 auch für Vereinigungen [gilt], soweit deren eigene Tätigkeit oder die der in ihnen zusammengeschlossenen Unternehmen auf die Folgen abzielt, die er unterbinden will. Eine andere Auslegung würde Artikel 85 Absatz 1 jeglicher Wirksamkeit berauben"(110).
240 Ausserdem ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß eine Vereinbarung mündlich(111) oder stillschweigend(112) getroffen werden kann und es ausreicht, wenn die betreffenden Unternehmen ihre gemeinsame Absicht zum Ausdruck gebracht haben, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten(113).
241 Eine Tarifvereinbarung zwischen den Tarifpartnern setzt voraus, daß beide Seiten ihre Vorgehensweise durch besondere Vereinbarungen oder in institutioneller Form durch Vereinigungen koordinieren. Sie müssen zumindest einig sein, gemeinsam zu verhandeln und die von ihren Vertretern erzielten Verhandlungsergebnisse anzuerkennen.
242 Im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann somit kein Zweifel daran bestehen, daß auf Arbeitgeberseite eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 vorliegt. Zumindest aber liegt eine abgestimmte Verhaltensweise vor, für die Artikel 85 Absatz 1 ebenfalls gilt.
243 Die einzige Entscheidung der Kommission, die das Verhältnis zwischen Artikel 85 Absatz 1 und Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern betrifft, entspricht diesem Ansatz. In der Sache Irish Banks' Standing Committee(114) beantragte eine irische Bankenvereinigung ein Negativattest für eine Vereinbarung über Öffnungszeiten, die zwischen den beteiligten Banken "und mit der Gewerkschaft der Bankangestellten" getroffen worden war. Die Kommission entschied zunächst, daß die Wettbewerbsregeln für den Bankensektor gelten, und sodann, daß "die Banken, die Vertragspartner der Übereinkommen sind, für die das Negativattest beantragt wird, Unternehmen im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag [sind]". Sie führte weiterhin aus: "Der Antrag auf Negativattest bezieht sich auf die in dem Antrag aufgeführten Vereinbarungen als Vereinbarungen zwischen den Parteien, in deren Namen der Antrag gestellt wurde. Als solche können die Vereinbarungen als zwischen den Unternehmen geschlossene Vereinbarungen im Sinne des Artikels 85 angesehen werden".
244 Demgemäß komme ich zu dem Ergebnis, daß jede Tarifvereinbarung zwischen den Tarifpartnern auf der Arbeitgeberseite eine stillschweigende Vereinbarung zwischen Unternehmen enthält.
D - Beschränkung des Wettbewerbs
245 Damit stellt sich die Frage, ob die stillschweigenden Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern - soweit sie nicht vom Wettbewerbsrecht freigestellt sind - im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 "eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken".
246 Der Fonds und die niederländische Regierung sind der Auffassung, daß die betreffenden Tarifvereinbarungen eine Wettbewerbsbeschränkung weder bezwecken noch bewirken. Diese Vereinbarungen hätten einen sozialen Zweck und zielten nicht darauf ab, den Wettbewerb zwischen den beteiligten Unternehmen zu beschränken. Eine Beschränkung werde hier, falls überhaupt, nicht durch die Handlungen der Arbeitgeber, sondern durch die Vorgehensweise des Staates verursacht, der für alle Unternehmen der Branche die Zwangsmitgliedschaft angeordnet habe.
247 Bevor ich mit dieser Untersuchung beginne, sind zwei Vorbemerkungen angebracht.
248 Erstens wirken die zu untersuchenden Tarifvereinbarungen und das staatliche Eingreifen in komplexer Weise zusammen. Zunächst haben wir es mit der Tarifvereinbarung zwischen den Arbeitgeber- und den Arbeitnehmervertretern zu tun. Diese Vereinbarung setzt zwei stillschweigende Vereinbarungen voraus, eine zwischen Arbeitgebern, die andere zwischen Arbeitnehmern. Schließlich greift die niederländische Regierung ein und ordnet die Zwangsmitgliedschaft beim Rentenfonds an.
249 Die Analyse muß sich auf die Folgen der stillschweigenden Vereinbarung zwischen Arbeitgebern konzentrieren und damit in jedem Fall auf den Kausalzusammenhang zwischen dieser Vereinbarung und den Auswirkungen auf die verschiedenen Marktbeteiligten und Märkte.
250 Zweitens bedarf es in den vorliegenden Fällen einer sorgfältigen Analyse, bei der der besondere wirtschaftliche Kontext Berücksichtigung findet.
251 Im Gegensatz zu manchen nationalen Wettbewerbsrechtssystemen sind die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf nahezu alle Branchen der Wirtschaft (z. B. Landwirtschaft, Banken, Versicherung, Energie, Verkehr, Sozialbereich) und Kategorien von Vereinbarungen (z. B. vertikale Absprachen) anwendbar. Dieser breite Anwendungsbereich lässt es zunehmend wichtig erscheinen, bei der Prüfung, ob die Wettbewerbsregeln in einem bestimmten Fall verletzt wurden, die besonderen wirtschaftlichen Merkmale einer bestimmten Branche oder Kategorie von Vereinbarungen zu berücksichtigen.
252 Bei der Auslegung der "Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 sind klargefasste Bestimmungen, die lediglich Beschränkungen des Verhaltens einzelner Händler umschreiben, regelmässig ein hinreichender Anlaß für die Annahme einer wettbewerbswidrigen Wirkung und fördern ausserdem die erwünschte Rechtssicherheit. In Fällen allerdings, die spezifische Branchen(115) oder spezifische Kategorien von Vereinbarungen(116) betreffen, ist der Gerichtshof über diesen mechanistischen Ansatz hinaus- und zu einer tiefgründigeren Analyse übergegangen. Angesichts des Gegenstands und der Natur der Vereinbarungen, um die es in den vorliegenden Fällen geht, müssen ihr wirtschaftlicher Kontext und die ihnen zugrundeliegenden, bisweilen komplexen wirtschaftlichen Gründe berücksichtigt werden.
253 Damit komme ich zu den Vereinbarungen selbst. Wie ich bereits sagte, können die betreffenden Tarifvereinbarungen in drei rechtlich und wirtschaftlich unabhängige Teile aufgegliedert werden.
254 Wie bereits ausgeführt ist der erste Teil, die Vereinbarung zwischen Arbeitgebern zur Vereinheitlichung der Rentenbeiträge für eine ganze Branche, dem Artikel 85 Absatz 1 entzogen. Es ist nämlich eine Vereinbarung über die Vergütung von Arbeitnehmern, die einen Kerngegenstand der Tarifverhandlung bildet und Dritte oder dritte Märkte nicht unmittelbar berührt. Die Wettbewerbsregeln sollten daher keine Anwendung finden.
255 Es geht hier daher nur um den zweiten und den dritten Teil der Vereinbarungen, die - zumindest angeblich - Auswirkungen auf Versicherungsunternehmen und an den betreffenden Tarifvereinbarungen nicht beteiligte Arbeitgeber haben. Ausserdem bedarf es des Hinweises, daß nur die stillschweigende Vereinbarung zwischen den Arbeitgebern erheblich ist. Ich werde daher zu prüfen haben, ob hier eine stillschweigende Vereinbarung erstens bezueglich des Abkommens, einen einzigen Rentenfonds zu schaffen, den Arbeitgeber zusammen mit den Gewerkschaften verwalten, und zweitens bezueglich der Absprache, gemeinsam mit den Gewerkschaften beim zuständigen Minister den Antrag zu stellen, die Zwangsmitgliedschaft für alle Unternehmen der Branche anzuordnen, eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs verursacht hat.
1. Vereinbarung zur Errichtung eines einheitlichen Rentenfonds, den Arbeitgeber und Gewerkschaften gemeinsam verwalten
256 Will man die Gründe für eine solche Vereinbarung besser verstehen, so ist es hilfreich, sich die Möglichkeiten vor Augen zu führen, die Arbeitgebern und Arbeitnehmern offenstehen. Bei manchen Tarifvereinbarungen einigen sich die Tarifpartner lediglich über Mindestrentenbeiträge für jeden Arbeitnehmer. In diesen Fallen können die Arbeitgeber entscheiden, was mit den eingezogenen Beiträgen geschehen soll. Sie können entweder einen betriebseigenen Rentenfonds gründen, einen Gruppenversicherungsvertrag mit einem Versicherer nur für ihr Unternehmen abschließen, oder aber mit anderen Arbeitgebern einen gemeinsamen Rentenfonds errichten.
257 In den vorliegenden Fällen haben sich die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer für die dritte Möglichkeit entschlossen, d. h. für die Errichtung eines gemeinsamen Rentenfonds, der von Vertretern beider Seiten verwaltet wird.
258 Wie ist eine solche Vereinbarung unter wettbewerbsrechtlichem Blickwinkel zu analysieren? Zunächst einmal stellt sie eine Form freiwilliger horizontaler Zusammenarbeit zwischen Unternehmen der gleichen Branche bezueglich der Verwaltung der Renten ihrer Arbeitnehmer dar. Erst durch das nachträgliche Eingreifen der niederländischen Regierung ist die Zwangsmitgliedschaft beim Rentenfonds entstanden. Diese Zusammenarbeit wird zweitens nicht auf einer ad-hoc-Grundlage, sondern innerhalb einer Dauerstruktur durchgeführt, die von den beteiligten Unternehmen getrennt ist.
259 Damit stimmt die Schaffung des Rentenfonds als einer institutionalisierten Form der Zusammenarbeit in vielerlei Beziehung mit dem überein, was gewöhnlich als Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens bezeichnet wird.
260 Ich untersuche im folgenden getrennt die Auswirkungen der betreffenden Vereinbarungen a) auf die Arbeitgeber und b) auf Versicherungsunternehmen.
a) Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Arbeitgebern
261 Beschränkt die Schaffung von Rentenfonds den Wettbewerb zwischen Arbeitgebern in beträchtlichem Maß?
262 Zu einer landwirtschaftlichen Einkaufsgenossenschaft hat der Gerichtshof entschieden:
"Die Organisation eines Unternehmens in der besonderen Rechtsform einer Genossenschaft [stellt] nicht an sich ein wettbewerbswidriges Verhalten dar. ... [S]owohl der nationale Gesetzgeber als auch die Gemeinschaftsbehörden [stehen] dieser Rechtsform wohlwollend gegenüber, da sie zur Modernisierung und Rationalisierung des Agrarsektors und zur Leistungsfähigkeit der Unternehmen beiträgt"(117).
263 In ihrer "Bekanntmachung über Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine zwischenbetriebliche Zusammenarbeit betreffen"(118) stellt die Kommission fest:
"...
I. Die Kommission begrüsst zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zwischen kleinen und mittleren Unternehmen, soweit diese dadurch in die Lage versetzt werden, rationeller zu arbeiten und ihre Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit in einem grösseren Markt zu verstärken. Die Kommission sieht es als ihre Aufgabe an, insbesondere die Kooperation zwischen kleinen und mittleren Unternehmen zu erleichtern. Auch die Kooperation zwischen grossen Unternehmen kann wirtschaftlich sinnvoll und wettbewerbspolitisch unbedenklich sein.
...
Es ist möglich, daß auch andere Formen zwischenbetrieblicher Zusammenarbeit, die unten nicht aufgeführt sind, nach Artikel 85 Absatz 1 EWGV ... nicht verboten sind.
...
II. Die Kommission ist der Auffassung, daß die nachstehenden Vereinbarungen nicht als Wettbewerbseinschränkungen anzusehen sind:
...
2. Vereinbarungen, die lediglich zum Gegenstand haben:
a) die Zusammenarbeit in der Buchhaltung,
b) die gemeinsame Kreditsicherung,
c) Inkassogemeinschaften,
d) gemeinsame Betriebs- oder Steuerberatungsstellen.
Es handelt sich in diesen Fällen um eine Zusammenarbeit in Bereichen, die das Angebot von Waren und Dienstleistungen und die wirtschaftlichen Entscheidungen der beteiligten Unternehmen nicht berühren, so daß eine Einschränkung des Wettbewerbs nicht erfolgt."
264 In der "Bekanntmachung der Kommission über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Artikel 85 des EWG-Vertrags"(119) heisst es in Ziffer 15:
"Auf bestimmte Gruppen von Gemeinschaftsunternehmen (GU) findet das Kartellverbot deshalb keine Anwendung, weil sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs weder bezwecken noch bewirken. Dies gilt insbesondere für:
...
- GU mit wettbewerbsneutralen Aufgaben im Sinne der Kooperationsbekanntmachung von 1968: Die dort umschriebenen Arten der Zusammenarbeit beschränken nicht den Wettbewerb, weil diese
...
- ausschließlich die Betriebsführung zum Gegenstand haben;
- ausschließlich marktferne Tätigkeiten betreffen; ..."
265 Der Grund für das Urteil des Gerichtshofes und die beiden Bekanntmachungen ist, daß eine institutionalisierte Arbeitgeberkooperation, die den beteiligten Unternehmen erhebliche Grössenvorteile ermöglicht und ausserdem in einem von den Güter- und Dienstleistungsmärkten entfernten Bereich stattfindet, im allgemeinen wettbewerbsfördernd wirkt.
266 Das gilt auch für Branchenrentenfonds.
267 Die Schaffung eines einzigen Branchenrentenfonds hat für die beteiligten Arbeitgeber mehrere Vorteile. Zunächst entstehen bei Diensten, die für die Verwaltung des Systems wesentlich sind wie die Verwaltung der Beiträge und Zahlungen oder Aufsichtsvorkehrungen, Grössenvorteile. Die Verwaltung ist überdies weit einfacher, wenn ein Arbeitnehmer in derselben Branche von einem Unternehmen zu einem anderen wechselt.
268 Ausserdem ist ein Branchenfonds auf den Investmentmärkten oder gegenüber Dienstleistungserbringern (Beratern, Versicherungen) in einer stärkeren Position. Es sind daher starke wettbewerbsfördernde Wirkungen festzustellen.
269 Andererseits deckt die Zusammenarbeit bei der Rentenverwaltung ganz wie bei gemeinsamen Betriebs- oder Steuerberatungsstellen einen Bereich ab, der "das Angebot von Waren und Dienstleistungen und die wirtschaftlichen Entscheidungen der beteiligten Unternehmen" nicht unmittelbar berührt. Die Zusammenarbeit findet ganz im Gegenteil in einem Bereich statt, der vom Produktmarkt noch weiter entfernt ist als beispielsweise gemeinsame Forschung oder Entwicklung.
270 Demgemäß ist die Schaffung eines freiwilligen Branchenrentenfonds eine effiziente und vernünftige Form wettbewerbsfördernder Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, die grundsätzlich nicht unter Artikel 85 Absatz 1 fällt.
271 Die Klägerinnen sind allerdings der Auffassung, daß Artikel 85 Absatz 1 insofern verletzt wird, als ihre Freiheit zur Organisation eigener Rentenfonds beschränkt wird.
272 Zu Bestimmungen einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, die die Möglichkeiten des Austritts beschränkten, hat der Gerichtshof entschieden:
"Daraus folgt aber nicht, daß die Bestimmungen der Satzung, die das Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Mitgliedern regeln, insbesondere die Bestimmungen über die Auflösung der vertraglichen Beziehungen und über die Verpflichtung der Mitglieder, die erzeugte Milch allein an die Genossenschaft zu liefern, ohne weiteres dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag entzogen wären.
Um nicht unter dieses Verbot zu fallen, dürfen die Beschränkungen, die den Mitgliedern durch die Satzung der Genossenschaft auferlegt werden, um sie an die Gesellschaft zu binden, nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um das ordnungsgemässe Funktionieren der Genossenschaft und insbesondere eine ausreichend breite wirtschaftliche Grundlage und eine gewisse Stabilität des Mitgliederbestands für sie sicherzustellen"(120).
273 Demgemäß können zwar Unternehmen unter bestimmten Umständen Genossenschaften gründen, jedoch müssen vertragliche Beschränkungen ihrer geschäftlichen Freiheit auf das erforderliche Minimum beschränkt bleiben.
274 Meines Erachtens könnte ein freiwilliger Branchenrentenfonds mit Beschränkungen des Austrittsrechts ein ähnlicher Fall sein, bei dem bestimmte ergänzende vertragliche Einschränkungen, die die Loyalität der Mitglieder sicherstellen sollen, erforderlich wären, um "eine ausreichend breite wirtschaftliche Grundlage und eine gewisse Stabilität des Mitgliederbestandes sicherzustellen".
275 In den vorliegenden Fällen ist die Lage indessen anders. Die Akten lassen nicht erkennen, daß die betreffenden Beschränkungen sich unmittelbar aus den zu prüfenden Tarifvereinbarungen ergeben. Die Freiheit zum Abschluß besonderer Rentenvereinbarungen wird nicht durch die Vereinbarung zur Schaffung der Fonds, sondern aufgrund der Entscheidung der Niederlande, die Zwangsmitgliedschaft anzuordnen, beeinträchtigt. Ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen den ursprünglichen Vereinbarungen bestimmter Arbeitgeber, einen gemeinsamen Branchenrentenfonds zu schaffen, und den aktuellen Schwierigkeiten der klagenden Unternehmen bei der Beantragung der Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft besteht daher nicht. Die Beschränkung ihrer Freiheit hängt vom Eingreifen der niederländischen Regierung ab. Die Vereinbarkeit dieses Eingreifens mit den Artikeln 5 und 85 Absatz 1, 86 und 90 Absatz 1 ist eine andere Frage, die später zu untersuchen sein wird.
b) Beschränkungen im Hinblick auf Rentenversicherungsunternehmen
276 Die Klägerinnen bringen vor, daß das Verbot des Abschlusses von Vereinbarungen über ergänzende Renten mit privaten Versicherungsunternehmen deren Wettbewerbssituation nachteilig beeinflusse. Sie würden nämlich effektiv daran gehindert, Gruppenversicherungsverträge mit den Arbeitgebern einer bestimmten Branche abzuschließen, und damit von einem wichtigen Teil des niederländischen Versicherungsmarktes ausgeschlossen. Ausserdem entstehe eine kumulative Wirkung, weil Zwangsmitgliedschaft in nahezu allen Branchen der niederländischen Wirtschaft zu finden sei.
277 Ich werde zunächst die Wirkungen der ursprünglichen Vereinbarungen zwischen bestimmten Arbeitgebern und Vertretern von Arbeitnehmern zur Schaffung eines gemeinsamen Branchenrentenfonds mit gemeinsamer Verwaltung untersuchen. Ich prüfe zu diesem Zweck die Vereinbarung in abstracto ohne Berücksichtigung des späteren Eingreifens der Regierung und gehe daher von der Annahme eines freiwilligen Rentenfonds aus. Anschließend erörtere ich die Wirkungen der Anordnung der Zwangsmitgliedschaft durch die Regierung.
278 Was die Schaffung eines gemeinsamen und freiwilligen Branchenrentenfonds betrifft, darf daran erinnert werden, daß ein einzelner Arbeitgeber die Wahl hat, entweder einen betriebseigenen Rentenfonds zu schaffen oder für seine Arbeitnehmer einen Gruppenversicherungsvertrag mit einer Versicherungsgesellschaft zu schließen.
279 Unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten ist diese Alternative neutral. Die Wahl ist vergleichbar mit der Entscheidung eines Herstellers, bestimmte Dienstleistungen (z. B. Reinigung, Buchhaltung) von aussenstehenden Lieferanten zu "kaufen" oder sie im eigenen Betrieb "herzustellen". Die Entscheidung, unter solchen Umständen keine Vertragsbeziehungen mit betriebsfremden Lieferanten einzugehen, wird durch die Vertragsfreiheit geschützt. Eine solche Verweigerung eines Vertragsschlusses wäre nur im Kontext eines Unternehmens in beherrschender Stellung relevant.
280 Die Entscheidung bestimmter Arbeitgeber, mit anderen zusammenzuarbeiten, um einen einzigen Rentenfonds zu schaffen, verschlechtert die Lage von Rentenversicherungsgesellschaften nicht. Wie wir bereits sahen, können alle beteiligten Arbeitgeber entweder überhaupt keine Renten anbieten oder sie können sie über einen betriebseigenen Rentenfonds anbieten. Aus der Blickrichtung der Versicherungsunternehmen macht es keinen Unterschied, wenn mehrere Arbeitgeber beschließen, die Rentenbeiträge in einem einzigen Rentenfonds zusammenzuführen, statt getrennte betriebseigene Rentenfonds einzurichten.
281 Ausserdem lässt sich, wie bereits gesagt, den Akten nichts entnehmen, daß der ursprüngliche Tarifvertrag zur Schaffung eines gemeinsamen Rentenfonds irgendeine Beschränkung enthalten hätte, der Mitglieder daran gehindert hätte, den Fonds zu verlassen und eine günstigere Vereinbarung mit einer betriebsfremden Versicherungsgesellschaft abzuschließen. Ein bloß freiwilliger Rentenfonds ohne Ausschließlichkeit und ohne Beschränkungen bezueglich des Austritts hat daher keine wirklichen Ausschlußwirkungen.
282 Schließlich stimmen alle Beteiligten und die niederländische Regierung darin überein, daß die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern Versicherungsunternehmen mit der Verwaltung von Branchenfonds betrauen können. Versicherungsunternehmen erhalten dadurch eine zusätzliche Gelegenheit, ihre Verwaltungsdienste grossen Rentenfonds mit vielen Arbeitgebern und Arbeitnehmern anzubieten.
283 Die Entscheidung der Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, den Fonds gemeinsam zu verwalten und keinen Management-Vertrag mit einem Versicherungsunternehmen abzuschließen, ist wiederum ein Fall unterlassenen Vertragsschlusses, der unter die Vertragsfreiheit fällt und lediglich im Rahmen des Artikels 86 erheblich sein könnte.
284 Damit liegen, was die an der ursprünglichen Vereinbarung der Schaffung eines Branchenrentenfonds beteiligten Arbeitgeber betrifft, keine wirklichen Ausschlußwirkungen gegenüber den Versicherungsunternehmen vor. Die Entscheidung eines Arbeitgebers, einem Branchenrentenfonds beizutreten, statt eine Versicherungsgesellschaft mit der Verwaltung der Beiträge zu betrauen, wird durch die Vertragsfreiheit geschützt.
285 Das Vorbringen der Klägerinnen richtet sich daher im wesentlichen auch hier gegen die Wirkungen der Zwangsmitgliedschaft. Die Freiheit der Arbeitgeber, Gruppenversicherungsvereinbarungen mit Versicherungsunternehmen abzuschließen, wird lediglich durch die Zwangsmitgliedschaft begrenzt. Eine weitere Wirkung ist, daß Versicherungsunternehmen keinen Zugang zum potentiellen Markt für Zusatzrentenversicherungen haben. Die Vereinbarkeit des Eingreifens der niederländischen Regierung mit dem Gemeinschaftsrecht ist, wie bereits gesagt, eine andere Frage, die ich noch behandeln werde.
286 Somit fällt die ursprüngliche stillschweigende Vereinbarung zwischen Arbeitgebern, einen gemeinsamen Branchenrentenfonds zu schaffen, den sie gemeinsam mit den Vertretern der Arbeitnehmer verwalten, nicht unter Artikel 85 Absatz 1. Einschränkende Wirkungen sind, wenn überhaupt, auf das Eingreifen der niederländischen Regierung zurückzuführen.
2. Die Vereinbarung, gemeinsam mit den Gewerkschaften zu beantragen, die Zwangsmitgliedschaft für alle Unternehmen der Branche anzuordnen
287 Es geht hier um den gemeinsamen Antrag an den Minister, die Zwangsmitgliedschaft für alle Unternehmen der Branche anzuordnen.
288 Für die Arbeitgeberseite kann die Vereinbarung verstanden werden als ein koordiniertes Vorgehen, mit dem die Regierung bewogen werden soll, gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Arbeitgeber zu schaffen.
289 Ein solches Vorgehen muß zunächst unterschieden werden von einer unmittelbaren Maßnahme gegen konkurrierende aussenstehende Unternehmen, die diese zwingen soll, einer bestimmten Vereinbarung beizutreten oder sie einzuhalten. Übliche Methoden in solchen Fällen sind Boykotte und gegenseitige Exklusivverträge mit Käufern oder Lieferanten. In solchen Fällen haben die zuwiderhandelnden Unternehmen häufig den Anspruch erhoben, zur Verhütung unlauteren Wettbewerbs oder Dumpings oder ganz allgemein in Verfolgung öffentlicher Interessen tätig geworden zu sein. Gerichtshof und Kommission haben ständig entschieden, daß es Sache der öffentlichen Behörden oder der Gerichte und nicht von Privatunternehmen sei, die Interessen der Öffentlichkeit in solchen Bereichen wie Produktsicherheit oder der Verhütung unlauteren Wettbewerbs wahrzunehmen(121).
290 Zweitens habe ich söben nachgewiesen, daß die ursprüngliche Vereinbarung zwischen bestimmten Arbeitgebern und den Vertretern von Arbeitnehmer, einen einzigen gemeinsamen Branchenrentenfonds zu schaffen, nicht unter Artikel 85 Absatz 1 fällt. Der betreffende gemeinsame Antrag lässt sich daher von einem Antrag von Unternehmen unterscheiden, die Wirkung einer verbotenen Vereinbarung auf andere Unternehmen der Branche auszudehnen.
291 Der letzte Punkt ist gleichwohl meines Erachtens für die Beurteilung der Rechtmässigkeit des betreffenden Verhaltens nicht entscheidend. Blosse Bemühungen von Unternehmen, die öffentlichen Behörden davon zu überzeugen, die Wirkungen bestimmter Vereinbarungen auf andere Wirtschaftsteilnehmer auszudehnen, werden nicht von Artikel 85 Absatz 1 erfasst(122).
292 Zunächst einmal beeinträchtigt ein solches Vorgehen für sich betrachtet den Wettbewerb oder die Wettbewerbsfreiheit nicht. Jede Beschränkung ist die Folge späteren staatlichen Handelns.
293 Zweitens ist koordinierte Antragstellung bei staatlichen Behörden Teil unserer demokratischen Gesellschaften. Natürliche und juristische Personen dürfen sich organisieren und gemeinsam ihre Anträge an die Regierung oder die Gesetzgebungsorgane richten. Die Behörden haben dann zu entscheiden, ob das vorgeschlagene Handeln im öffentlichen Interesse liegt. Sie alleine sind zu dieser Entscheidung befugt, tragen aber auch allein die Verantwortung hierfür.
294 Folglich fällt auch der gemeinsame Antrag auf Anordnung der Zwangsmitgliedschaft nicht unter Artikel 85 Absatz 1.
295 Da keine der Vereinbarungen den Wettbewerb beschränkt, bedarf es einer Prüfung ihrer Wirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht.
296 Ich komme zu dem Ergebnis, daß Artikel 85 Absatz 1 seinem sachlichen Anwendungsbereich nach nicht für Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern gilt, in denen Arbeitgeber sich verpflichten, für jeden Arbeitnehmer in einer bestimmten Branche einen Rentenbeitrag in bestimmter Höhe zu leisten, weil solche Vereinbarungen Tarifvereinbarungen zwischen den Tarifpartnern sind, die in gutem Glauben über Kernbereiche der Tarifverhandlung wie Löhne und Arbeitsbedingungen abgeschlossen werden, die dritte Märkte und Personen nicht unmittelbar berühren. Ausserdem ist Artikel 85 Absatz 1 in den vorliegenden Fällen auch seinem persönlichen Anwendungsbereich nach nicht auf Arbeitnehmer oder Gewerkschaften anwendbar, weil beide in Tarifverhandlungen nicht als Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln tätig werden. Die stillschweigenden Vereinbarungen zwischen den Arbeitgebern anlangt, ein einziges von den Tarifpartnern gemeinsam verwaltetes Branchenrentensystem zu schaffen und gemeinsam mit den Gewerkschaften beim zuständigen Minister die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft zu beantragen, fallen zwar grundsätzlich unter Artikel 85 Absatz 1; jedoch liegt kein Verstoß gegen diese Vorschrift vor, weil keine dieser Vereinbarungen den Wettbewerb beschränkt.
297 Demgemäß liegt kein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 vor, wenn Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer bestimmten Wirtschaftsbranche aufgrund von Tarifverhandlungen übereinkommen, einen einheitlichen Branchenrentenfonds zu schaffen, und gemeinsam bei den Behörden beantragen, für alle der Branche zugehörigen Personen die Zwangsmitgliedschaft beim Fonds anzuordnen.
VII - Artikel 5 und 85
298 Die Frage ist, ob ein Mitgliedstaat gegen die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag verstösst, wenn er auf Antrag der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Zwangsmitgliedschaft in einem Branchenrentensystem für alle zu dieser Branche gehörenden Unternehmen anordnet.
299 Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, daß die Niederlande dadurch eine Vereinbarung gefördert und deren Wirkungen verstärkt hätten, die gegen Artikel 85 verstosse, daß sie den gesetzgeberischen Rahmen für die Zwangsmitgliedschaft geschaffen und diese dann für alle drei Fonds angeordnet hätten. Dies stelle einen Verstoß gegen die Artikel 5 und 85 dar, wie sie der Gerichtshof in den Urteilen Meng(123) und Ohra(124) ausgelegt habe.
300 Die Fonds, die niederländische, die französische und die schwedische Regierung sowie die Kommission stehen auf dem Standpunkt, daß in den vorliegenden Fällen keine gegen Artikel 85 Absatz 1 verstossende Vereinbarung vorliege, die gefördert oder deren Wirkungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes verstärkt werden könnten. Ausserdem hätten die Niederlande, wie der Fonds betonen, die Verantwortung für wirtschaftliche Entscheidungen nicht im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf private Wirtschaftsteilnehmer übertragen.
301 In der Rechtsprechung des Gerichtshofes wurden die folgenden Grundsätze herausgearbeitet(125). Artikel 85 regelt für sich betrachtet lediglich das Verhalten von Unternehmen. Er erfasst daher grundsätzlich nicht den Erlaß von Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten. In Verbindung mit Artikel 5 Absatz 2 verpflichtet indessen Artikel 85 die Mitgliedstaaten, keine Maßnahmen, nicht einmal Rechtsvorschriften, einzuführen oder beizubehalten, die den für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln ihre Wirksamkeit nehmen würden. Dies ist in drei Situationen der Fall, wenn nämlich ein Mitgliedstaat erstens Vereinbarungen, Entscheidungen oder abgestimmte Verhaltensweisen fordert oder fördert, die gegen Artikel 85 verstossen, wenn er zweitens deren Wirkungen verstärkt und wenn er drittens seinen eigenen Rechtsvorschriften ihren amtlichen Charakter dadurch nimmt, daß er privaten Wirtschaftsteilnehmern die Verantwortung für wirtschaftliche Entscheidungen im Bereich der Wirtschaft überträgt.
302 Bei den beiden ersten Situationen ist nach der Rechtsprechung ein Zusammenhang mit wettbewerbswidrigem Verhalten der Unternehmen Voraussetzung der Rechtswidrigkeit der staatlichen Maßnahmen(126). So werden staatliche Maßnahmen, die eine bestimmte Vereinbarung zwischen Unternehmen verlangen oder begünstigen oder deren Wirkung verstärken, nicht von den Artikeln 5 und 85 erfasst, wenn diese Vereinbarung selbst nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 verstösst(127). In den vorliegenden Fällen schränken die betreffenden Vereinbarungen, wie wir bereits sahen, den Wettbewerb nicht ein und werden daher nicht von Artikel 85 Absatz 1 erfasst.
303 Bei der dritten Frage, ob nämlich die öffentlichen Behörden ihre Befugnisse privaten Wirtschaftsteilnehmern übertragen haben, zeigen die niederländischen Rechtsvorschriften, daß der zuständige Minister allein für die Entscheidung zuständig ist, die Zwangsmitgliedschaft in einem Rentenfonds anzuordnen. Gemäß Artikel 3 BPW stellen die Tarifpartner lediglich einen Antrag an den Minister. Die Versicherungskammer und der Sozial- und Wirtschaftsausschuß, die ohnehin öffentliche Einrichtungen sind, haben lediglich ein Recht auf Anhörung. In diesem Zusammenhang muß beachtet werden, daß der zuständige Minister befugt ist, die Zwangsmitgliedschaft zu beenden, und jedesmal, wenn die Rentenvorschriften geändert werden, eine neue Entscheidung über die Zwangsmitgliedschaft zu treffen hat (Artikel 3 Absatz 5 BPW). Die Befugnis zu Entscheidungen über die Zwangsmitgliedschaft verbleibt daher beim zuständigen Minister und wird nicht einer Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern überlassen.
304 Es wird sich später noch zeigen, daß die Delegation von Entscheidungsbefugnissen an die Rentenfonds für individuelle Ausnahmen von der Zwangsmitgliedschaft ein anderes Problem ist, das im Rahmen der Lex specialis(128) des Artikels 90 Absatz 1 zu untersuchen sein wird.
305 Demgemäß liegt kein Verstoß gegen die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag vor, wenn es bei der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 5 bleiben sollte.
VIII - Einstufung der niederländischen Branchenrentenfonds als Unternehmen
306 Es geht hier um die Frage, ob die niederländischen Branchenrentenfonds "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages sind. Es ist insbesondere festzustellen, ob die fragliche Tätigkeit der Branchenrentenfonds, nämlich die Leistung von Zusatzrenten an Arbeitnehmer, eine wirtschaftliche Tätigkeit ist(129).
307 Die wesentlichen Merkmale der hier in Rede stehenden Rentenfonds sind die folgenden:
- Sie leisten zusätzliche Altersrenten.
- Sie wurden ursprünglich durch Tarifvertrag der Tarifpartner geschaffen und decken eine gesamte Wirtschaftsbranche ab.
- Durch Verordnung des Ministers ist Zwangsmitgliedschaft angeordnet, von der in bestimmten Fällen Ausnahmen möglich sind.
- Diese Fondssysteme arbeiten nach der Kapitalisierungsmethode.
- Das Niveau der Beiträge und Leistungen wird vom Verwaltungsausschuß des Fonds festgelegt.
- Die Rentenleistungen sind abhängig von dem durch die Beiträge aufgebrachten Kapital, den finanziellen Erträgen aus den Investitionen des Fonds und den Verwaltungskosten.
- Die Systeme haben ein soziales Ziel.
- Die branchenweite Solidarität zeigt sich in folgenden Punkten. Die Fonds sind effektiv verpflichtet, jeden Arbeitgeber und jeden Arbeitnehmer aufzunehmen, der zur Branche gehört. Es gibt keine Risikoauswahl durch Fragebogen oder ärztliche Untersuchungen. Ausserdem besteht keine Verbindung zwischen Risiko und Beiträgen. Alle Angeschlossenen zahlen einen Durchschnittsbetrag, bei dem beispielsweise das Alter der Arbeitnehmer nicht berücksichtigt wird. Die Beiträge der Arbeitnehmer kleiner und mittlerer Unternehmen entsprechen denen der Arbeitnehmer grosser Unternehmen. Bei Arbeitsunfähigkeit werden Ausnahmen von der Beitragspflicht zugestanden.
- Die Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer müssen im Verwaltungsausschuß des Fonds in gleicher Zahl vertreten sein.
- Die Fondsverwaltung ist verpflichtet, das finanzielle Gleichgewicht sicherzustellen.
- Die Mittel sind mit der gebotenen Vorsicht (op solide wijze) anzulegen.
- Wie private Versicherungsunternehmen wird die Fondsverwaltung durch die Versicherungskammer beaufsichtigt.
- Der Fonds strebt nicht nach Gewinnerzielung.
308 Die Klägerinnen sind der Auffassung, daß die betreffenden Rentenfonds Unternehmen sind; auch die Kommission ist dieser Auffassung.
309 Die Fonds sowie die niederländische, die französische, die deutsche und die schwedische Regierung sind allesamt der Meinung, daß die Rentenfonds nicht als Unternehmen einzustufen sind.
310 Bevor ich mich spezifischen Rechtssachen - Poucet(130), Van Schijndel(131) und FFSA(132) - zuwende, sollen einige allgemeine Grundsätze zur Einstufung von Unternehmenstätigkeiten nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft in Erinnerung gerufen werden.
311 Der Gerichtshof hat im allgemeinen, wie bereits ausgeführt, einen funktionalen Ansatz gewählt. Die Grundfrage ist daher, ob die betreffende Einheit einer Tätigkeit nachgeht, die zumindest grundsätzlich von einem privaten Unternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung ausgeuebt werden könnte(133).
312 Infolge dieser funktionalen Auslegung hat der Gerichtshof mehrere häufig wiederkehrende Argumente als irrelevant zurückgewiesen. Zunächst ist weder die Rechtsform der Einheit noch die Art ihrer Finanzierung von Bedeutung(134). So ist z. B. entschieden worden, daß öffentliche Behörden wie die deutsche Bundesanstalt für Arbeit(135) oder die italienische Amministrazione Autonoma dei Monopoli di Stato(136) im Hinblick auf die Arbeitsvermittlung oder das Angebot von Waren und Dienstleistungen auf dem Markt für Manufakturtabak Tätigkeiten wirtschaftlicher Art ausüben. Für unanwendbar wurden demgegenüber die Wettbewerbsregeln bei einem privaten Unternehmen erklärt, das im Auftrag eines Mitgliedstaates mit der Überwachung der Umweltverschmutzung befasst war(137). Zweitens sind die fehlende Gewinnerzielungsabsicht einer Einheit(138) oder der Umstand, daß sie nichtwirtschaftliche Ziele verfolgt(139), grundsätzlich unerheblich. Drittens bedeutet die Betrauung bestimmter Unternehmen mit bestimmten Aufgaben in öffentlichen Interesse durch den Staat nicht, daß diese Einheiten keine Unternehmen wären, weil sonst Artikel 90 Absätze 1 und 2 bedeutungslos wären. Die Wettbewerbsregeln gelten daher für die Tätigkeiten etwa der öffentlichen Telekommunikation(140) und von Postdienstunternehmen(141), für öffentliche Fernsehsender(142) und für Gesellschaften und Unternehmen für Hafenarbeiten(143). Ferner reicht es nicht aus, um diese Tätigkeiten von den Wettbewerbsregeln auszunehmen, daß sie normalerweise öffentlichen Stellen anvertraut sind(144).
313 In einigen Fällen hat der Gerichtshof einen Standpunkt vertreten, der über diese funktionale Auslegung hinausgeht. In der Rechtssache IAZ hat er z. B. entschieden, daß "Artikel 85 Absatz 1 auch für Vereinigungen [gilt], soweit deren eigene Tätigkeit oder die der in ihnen zusammengeschlossenen Unternehmen auf die Folgen abzielt, die er unterbinden will"(145). In gleicher Richtung hat das Gericht festgestellt, daß "... Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ... an wirtschaftliche Einheiten gerichtet ist, die von einer Gesamtheit materieller und personeller Faktoren gebildet werden, die an einer Zuwiderhandlung im Sinne der Vorschrift beteiligt sein können"(146).
314 Im Gegensatz hierzu können die Tätigkeiten eines Unternehmens der Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln in zwei Situationen entzogen sein. Die Wettbewerbsregeln sind erstens nicht anwendbar auf "Handlungen der öffentlichen Hand"(147) oder Einrichtungen des Staates, die "in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt tätig werden"(148). Es ist in diesem Zusammenhang unerheblich, ob der Staat seine Hoheitsgewalt unmittelbar durch eine Einrichtung ausübt, die in die staatliche Verwaltung eingegliedert ist, oder über eine private Einrichtung, der er besondere oder ausschließliche Rechte übertragen hat(149). Eine Einheit handelt in der Ausübung hoheitlicher Gewalt, wenn die betreffende Tätigkeit "einen im Allgemeininteresse stehenden Auftrag dar[stellt], der zu den wesentlichen Staatsaufgaben ... gehört" und "ihrer Art, ihrem Gegenstand und den für die geltenden Regeln nach mit der Ausübung von Vorrechten zusammen[hängt], ... [die] typischerweise hoheitliche Vorrechte [sind]"(150). Zweitens dürfte sich aus Randnummer 22 des Urteils Höfner ergeben, daß die Wettbewerbsregeln keine Anwendung finden, wenn die betreffende Tätigkeit stets von öffentlichen Einrichtungen ausgeuebt worden ist und notwendig ausgeuebt werden muß(151).
315 Damit wende ich mich den drei Fällen zu, in denen es um die Einstufung ähnlicher Einrichtungen wie in den vorliegenden Rechtssachen ging.
316 In der Rechtssache Poucet(152) hat der Gerichtshof entschieden, daß bestimmte französische Einrichtungen, die Versicherungssysteme für Krankheit und Mutterschaft für die Selbständigen nichtlandwirtschaftlicher Berufe und das Grundaltersrentensystem für Handwerker verwalten, nicht als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts einzustufen seien.
317 Die Systeme wiesen folgende Merkmale auf:
- Das Altersrentensystem zahlte die Grundrente.
- Die Systeme beruhten auf gesetzlicher Grundlage.
- Die Systeme waren durch Pflichtmitgliedschaft gekennzeichnet.
- Das Rentensystem war ein fondsfreies System, das auf einer Umverteilungsgrundlage arbeitete, wobei die Beiträge der erwerbstätigen Mitglieder unmittelbar zur Finanzierung der Renten der im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer benutzt wurden.
- Die Systeme dienten einem sozialen Zweck, da sie die Leistungsempfänger unabhängig von ihrer Vermögenslage und ihrem Gesundheitszustand zur Zeit des Beitritts gegen die Risiken der Krankheit oder des Alters sichern sollten.
- Der Grundsatz der Solidarität war im System der Alterssicherung dadurch verkörpert, daß die von den erwerbstätigen Arbeitnehmern gezahlten Beiträge zur Finanzierung der Renten der im Ruhestand befindlichen Arbeitnehmer dienten. Er zeigte sich ausserdem in der Gewährung von Rentenansprüchen, denen keine Beiträge gegenüberstanden und deren Höhe nicht von den geleisteten Beiträgen abhing. Zwischen den einzelnen Systemen der sozialen Sicherheit bestand Solidarität insoweit, als die Systeme mit Überschüssen sich an der Finanzierung der Systeme mit strukturellen finanziellen Schwierigkeiten beteiligten.
318 Zur Natur dieser Systeme hat der Gerichtshof entschieden:
"Folglich beruhen die so gestalteten Systeme der sozialen Sicherheit auf einem System der Versicherungspflicht, das für die Anwendung des Solidaritätsgrundsatzes sowie für das finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme unerläßlich ist."
319 Die Einrichtungen, die diese Systeme verwalteten, zeigten folgende Merkmale:
- Die Verwaltung war ihnen gesetzlich anvertraut.
- Ihre Tätigkeiten unterlagen staatlicher Kontrolle.
- Sie hatten die Gesetze anzuwenden und konnte die Höhe der Beiträge, die Verwendung der Mittel oder die Bestimmung des Leistungsumfangs nicht beeinflussen.
320 Zur Natur der Tätigkeit des Fonds hat der Gerichtshof entschieden:
"Die ... Einrichtungen, die bei der Verwaltung der öffentlichen Aufgabe der sozialen Sicherheit mitwirken, erfuellen ... eine Aufgabe mit ausschließlich sozialem Charakter. Diese Tätigkeit beruht nämlich auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität und wird ohne Gewinnzweck ausgeuebt. Die Leistungen werden von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht.
Folglich ist diese Tätigkeit keine wirtschaftliche Tätigkeit."
321 In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Van Schijndel(153) bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß der niederländische Berufsrentenfonds der Physiotherapeuten, der ähnliche Merkmale aufwies wie der Fonds in den vorliegenden Rechtssachen, im Verhältnis zu seinen Mitgliedern nicht als Unternehmen tätig wurde. Angesichts fehlender Informationen über den tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund beschränkte ich mich allerdings auf einen vorläufigen Standpunkt.
322 Die Merkmale des Systems und des Rentenfonds waren folgende:
- Das System leistete Zusatzrenten.
- Das System war von den Physiotherapeuten geschaffen worden.
- Durch Ministerialerlaß aufgrund eines niederländischen Rentengesetzes war Zwangsmitgliedschaft angeordnet worden.
- Das System arbeitete mit einem Fonds, d. h. es wurde aus Reserven und nicht aus laufenden Beiträgen finanziert. Staatliche Mittel wurden nicht zur Finanzierung herangezogen.
- Das System der Physiotherapeuten übte eine soziale Funktion aus. Das Gesetz, auf dessen Grundlage die Zwangsmitgliedschaft angeordnet wurde, bezweckte, das Ruhestandseinkommen dem steigenden allgemeinen Einkommensniveau anzupassen, jüngere Berufsangehörige zu den höheren Lasten der Versorgung älterer Berufsangehöriger heranzuziehen und für die Jahre vor dem Inkrafttreten der Systeme Rentenansprüche vorzusehen.
- Das System wies ein erhebliches Maß an Solidarität zwischen Mitgliedern auf. Grundsätzlich wurde ein Standardbeitrag erhoben und eine Standardrente gezahlt. Das galt ohne Rücksicht auf das Alter, in dem das einzelne Mitglied in den Berufsstand eingetreten war, und ohne Rücksicht auf seinen damaligen Gesundheitszustand. Im Falle der Arbeitsunfähigkeit bestand der Versicherungsschutz beitragsfrei weiter.
- Der Fonds, der das System verwaltet, strebte nicht nach Gewinn.
- Der Vorstand bestand ausschließlich aus Mitgliedern des Fonds.
- Die Vorstandsmitglieder erhielten lediglich eine Unkostenvergütung, aber kein Entgelt.
323 In meinen Schlussanträgen habe ich die Argumentation des Gerichtshofes in der Rechtssache Poucet herangezogen und - wenn auch nur vorläufig, wie bereits erwähnt - die Auffassung vertreten, daß der Rentenfonds mehr einer Einrichtung der sozialen Sicherheit ähnelte als einem gewerblichen Versicherer. Der Fonds werde im Verhältnis zu seinen Mitgliedern nicht als ein Unternehmen, sondern als eine soziale Einrichtung tätig, der die Angehörigen des Berufsstands die Verantwortung übertragen hätten, für ihr Alter Vorsorge zu treffen. Der Gerichtshof hat die Frage, ob der Rentenfonds ein Unternehmen im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 sei, nicht behandelt.
324 In der Rechtssache FFSA(154) hat der Gerichtshof dann seine Rechtsprechung zur Geltung der Wettbewerbsregeln für Rentensysteme und die sie verwaltenden Einrichtungen klargestellt und beträchtlich verfeinert.
325 Das betreffende französische Zusatzrentensystem für Selbständige landwirtschaftlicher Berufe wies folgende Merkmale auf:
- Das System leistete Zusatzrenten.
- Es wurde durch Gesetz geschaffen und geregelt.
- Die Mitgliedschaft war freiwillig.
- Das System war ein fondsbezogenes System, d. h. es arbeitete nach der Kapitalisierungsmethode und nicht auf einer Umverteilungsgrundlage.
- Die Beiträge waren unmittelbar einkommensbezogen.
- Die Leistungsansprüche hingen ausschließlich vom Betrag der gezahlten Beiträge und den finanziellen Ergebnissen der von der verwaltenden Einrichtung getätigten Investitionen ab. Beiträge und Leistungen waren nicht gesetzlich festgelegt, sondern wurden vom Vorstand des verwaltenden Fonds bestimmt.
- Das System verfolgte einen sozialen Zweck. Es wurde von der Regierung geschaffen, um die Bevölkerung zu schützen, deren Einkommen niedriger und deren Alter höher war als das anderer sozio-ökonomischer Kategorien und deren Grundaltersversicherung nicht ausreichend war.
- Es galten gewisse Elemente der Solidarität. Beiträge waren nicht risikobestimmt. In diesem Zusammenhang waren vorher keine Fragebogen oder ärztliche Untersuchungen vorgeschrieben und fand keine Auswahl statt. Mitglieder, die wegen Krankheit keine Beiträge zahlen konnten, waren beitragsfrei versichert. Die Beitragszahlung konnte aus Gründen, die mit der wirtschaftlichen Situation des Mitgliedes zusammenhingen, zeitweilig ausgesetzt werden. Beim vorzeitigen Tod eines Mitgliedes wurde ein den gezahlten Beiträgen entsprechender Betrag dem System und nicht seinen Rechtsnachfolgern zugeführt.
- Die verwaltende Einrichtung war nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet und wurde ehrenamtlich verwaltet.
- Die Verwaltung wurde vom Staat kontrolliert.
- Die angesammelten Mittel durften nur für bestimmte, von der Regierung genehmigte Investitionen verwandt werden.
326 Das Urteil des Gerichtshofes lautete in den wesentlichen Punkten wie folgt:
"Zunächst ist die Mitgliedschaft im Coreva-Versicherungssystem freiwillig; das System funktioniert nach dem Kapitalisierungsprinzip; die von ihm gewährten Leistungen richten sich ausschließlich nach der Höhe der von den Leistungsempfängern gezahlten Beiträge und den Erträgen der von der Einrichtung vorgenommenen Investitionen. Die [Einrichtung] übt somit im Wettbewerb mit Lebensversicherungsunternehmen eine wirtschaftliche Tätigkeit aus.
...
Die in dem Versicherungssystem enthaltenen Elemente der Solidarität und die übrigen Merkmale ... stehen dieser Bewertung nicht entgegen.
Da das Versicherungssystem auf Freiwilligkeit beruht, gilt der Grundsatz der Solidarität jedenfalls nur äusserst begrenzt. Unter diesen Umständen lässt er den wirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit, die die das Versicherungssystem verwaltende Einrichtung ausübt, nicht entfallen.
Weiterhin sind zwar die Verfolgung eines sozialen Zwecks, die Anforderungen der Solidarität und die übrigen ... Regelungen, die vor allem die Rechte und Pflichten des Verwaltungsträgers und der Versicherten, die Rechtsstellung des Trägers und die für seine Investitionen geltenden Beschränkungen betreffen, geeignet, die Konkurrenzfähigkeit der Leistungen des Coreva-Versicherungssystems gegenüber denjenigen vergleichbarer Leistungen von Lebensversicherungsunternehmen zu mindern. Der Einstufung der Tätigkeit [der Einrichtung] als einer wirtschaftlichen stehen derartige Zwänge aber nicht entgegen. Offenbleiben kann hier, ob sie etwa die ausschließliche Befugnis dieser Einrichtung zum Angebot von Rentenversicherungen rechtfertigen könnten, deren Beiträge von den steuerpflichtigen Einkünften aus Erwerbstätigkeit abgezogen werden können.
Schließlich entfällt der wirtschaftliche Charakter der Tätigkeit [der Einrichtung] auch nicht allein deshalb, weil sie keine Gewinnerzielungsabsicht hat; aufgrund der ... genannten Merkmale kann diese Tätigkeit nämlich zu Verhaltensweisen führen, die die Wettbewerbsregeln unterbinden sollen.
Dem nationalen Gericht ist daher zu antworten, daß eine Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ein zur Ergänzung einer Grundpflichtversicherung durch Gesetz geschaffenes, auf Freiwilligkeit beruhendes Rentenversicherungssystem verwaltet, das insbesondere hinsichtlich der Beitrittsvoraussetzungen, der Beiträge und der Leistungen aufgrund einer Verordnung nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. EG-Vertrag ist."
327 Bevor ich mit der Erörterung der einzelnen Merkmale der in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehenden Fonds beginne, möchte ich aus dieser Rechtsprechung einige allgemeine Schlußfolgerungen ableiten.
328 Zunächst einmal besteht bei Rentensystemen, wie ich bereits in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Van Schijndel ausgeführt habe, eine Vielfalt von Formen, die von staatlichen Systemen der sozialen Sicherheit bis zu privaten Sicherungssystemen reichen, die von gewerblichen Versicherern angeboten werden. Die Schwierigkeit liegt in der Einordnung von Zwischen- und Mischsystemen: Das ist eine graduelle Frage, die die Untersuchung einer Reihe von Merkmalen erforderlich macht.
329 Zweitens hat der Gerichtshof in seinem Urteil FFSA die Untersuchung der Frage klargestellt und beträchtlich verfeinert. Ich kann daher meinen vorläufigen Standpunkt, den ich in der Rechtssache Van Schijndel zum Ausdruck gebracht habe, einer Überprüfung unterziehen.
330 Drittens ergibt sich aus der allgemeinen Rechtsprechung zum Begriff des Unternehmens - insbesondere aus dem Urteil Höfner und Randnummer 20 des Urteils FFSA -, daß entscheidend ist, ob eine bestimmte Tätigkeit notwendig von öffentlichen Stellen oder ihren Bevollmächtigten ausgeführt wird. Entgegen der Darlegung der Fonds ist diese Frage von dem anderen Problem zu unterscheiden, ob und in welchem Umfang die Übertragung bestimmter ausschließlicher Rechte für die Erfuellung von Aufgaben im öffentlichen Interesse notwendig ist. Die letztgenannte Frage ist nur für die Zwecke des Artikels 90 Absatz 2 EG-Vertrag relevant. Aus Artikel 90 ergibt sich, daß die Erforderlichkeit der Übertragung ausschließlicher Rechte für sich genommen die Tätigkeiten einer Einheit nicht ihrer wirtschaftlichen Natur beraubt.
331 Viertens ist es nach der Rechtsprechung und Randnummer 21 des Urteils FFSA ebenfalls von Bedeutung, ob die Einheit in der Lage ist, ein bestimmtes Verhalten an den Tag zu legen, das die Wettbewerbsregeln gerade zu verhindern suchen.
332 Auf diesem Hintergrund werde ich nun erörtern, welche Merkmale der hier zu prüfenden niederländischen Fonds für die Frage von Bedeutung sind, ob ihre Tätigkeit wirtschaftlicher Natur ist.
333 Folgende Merkmale halte ich nicht für erheblich.
334 Unwesentlich für die Einstufung der Tätigkeiten eines Rentenfonds sind zunächst die Art und Weise, in der das System oder die Verwaltungsorganisation geschaffen wurden, sowie die Rechtsstellung des Systems. Im Urteil FFSA hat der Gerichtshof entschieden, daß die Tätigkeiten der französischen Caisse Centrale de la Mutualité Sociale Agricole, die ein durch Gesetz geschaffenes System verwaltete, wirtschaftlicher Natur seien. Weder im Urteil Poucet noch im Urteil FFSA wurde die Rechtsstellung der verschiedenen Caisses erwähnt. Es stimmt völlig mit der allgemeinen Rechtsprechung überein, daß der Gerichtshof sie für seine Prüfung nicht als erheblich betrachtete(155). Daß in den vorliegenden Fällen die Zusatzrentensysteme durch Tarifvertrag geschaffen wurden und gemeinsam von Vertretern der Tarifpartner in der Rechtsform einer stichting (Anstalt) verwaltet werden, hat demgemäß keine Bedeutung für die Einstufung ihrer Tätigkeiten.
335 Zweitens sind auch die Vorschriften über die Zusammensetzung des Verwaltungsorgans, die Beschränkungen bei der Vornahme von Investitionen und die Art und Weise der Kontrolle durch die öffentlichen Behörden gemäß Randnummer 20 des Urteils FFSA unmaßgeblich. Im Urteil Poucet hat der Gerichtshof noch die staatliche Kontrolle als relevant bezeichnet(156). Im Urteil FFSA ist dieses Merkmal nicht erwähnt, obwohl die französische Regierung die Frage aufgeworfen hatte(157). Demgemäß ist es in den vorliegenden Fällen nicht von Bedeutung, daß die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Verwaltungsausschuß des Fonds gleichstark vertreten sein müssen, daß die Verwaltung zur Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts und zu vorsichtiger Investition verpflichtet ist und durch die Versicherungskammer kontrolliert wird. Hingegen bin ich mit den Klägerinnen der Meinung, daß die Übereinstimmung der Kontrollmechanismen für Versicherungsunternehmen und Rentenfonds ein Beleg dafür ist, daß ihre Tätigkeiten sich ähneln.
336 Drittens ist auch die Verfolgung sozialer Ziele durch den Rentenfonds und die fehlende Gewinnerzielungsabsicht unerheblich. Im Urteil Poucet scheint der Gerichtshof diesen beiden Merkmalen einiges Gewicht beigemessen zu haben(158). In seiner Zusammenfassung des Urteils Poucet in Randnummer 15 des Urteils FFSA hat der Gerichtshof sie indessen nicht erwähnt. Entsprechend seiner allgemeinen Vorgehensweise, weder das verfolgte Ziel noch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht(159) zu berücksichtigen, hat er in den Randnummern 20 und 21 des Urteils FFSA entschieden, daß diese beiden Merkmale seine Würdigung nicht berühren könnten.
337 Folgende Merkmale sind hingegen für unsere Untersuchung relevant.
338 Erstens ist die Funktionsweise des Rentenfonds im Lichte des Urteils FFSA (Randnr. 16) und entgegen meiner vorläufigen Stellungnahme in der Rechtssache Van Schijndel ein wichtiger Faktor. Ein fondsloses Rentensystem, das nach der Umverteilungsmethode arbeitet, bei der die laufenden Beiträge die Renten der Ruheständler finanzieren, wird notwendig vom Staat oder mittelbar durch Einrichtungen betrieben, die wie oder in ähnlicher Weise wie Vertreter des Staates tätig werden. Ich sehe keine - selbst theoretische - Möglichkeit, daß private Unternehmen ohne Mitwirkung des Staates ein nach dem Umverteilungssystem arbeitendes Rentensystem auf den Märkten anbieten könnten. Niemand wäre bereit, für die Renten anderer ohne die Garantie aufzukommen, daß die nächste Generation dasselbe tun würde. Genau aus diesem Grunde war es historisch notwendig, solche Systeme einzuführen, die vom Staat verwaltet oder zumindest geschützt werden. Ich habe daher auch einige Schwierigkeiten mit dem Standpunkt, daß die Tätigkeiten eines solchen Systems wirtschaftlicher Natur sein könnten. Demgegenüber ist klar, daß der Markt Rentensysteme hervorgebracht hat, die auf der Grundlage des Kapitalisierungsprinzips arbeiten. Daß die Tätigkeiten solcher Systeme wie die vieler anderer Versicherungstätigkeiten vom Gesetzgeber zum Wohl der Verbraucher und Investoren geregelt werden, nimmt diesen Tätigkeiten nicht ihre wirtschaftliche Natur. Beschränkungen ihrer Tätigkeiten können unter Artikel 90 EG-Vertrag fallen. Demgemäß ist es von Bedeutung, daß die Branchenrentenfonds in den vorliegenden Fällen auf einer Fondsbasis arbeiten.
339 Zweitens sind die entscheidungsbestimmenden Mechanismen und die finanziellen Faktoren von Bedeutung, die das Niveau der Beiträge und Leistungen bestimmen.
340 Zum einen sind die Systeme, bei denen das Niveau der Beiträge und Leistungen vom Gesetzgeber festgelegt wird, von den Systemen zu unterscheiden, bei denen dieses Niveau durch unabhängige Entscheidung der Fondsverwaltung festgelegt wird. In diesem Zusammenhang ist das in Randnummer 21 des Urteils FFSA und bestimmten anderen, vorstehend erörterten Urteilen des Gerichtshofes(160) zugrunde gelegte Prinzip von Bedeutung: unabhängige Einheiten, deren Tätigkeit zu Verhaltensweisen führen kann, die die Wettbewerbsregeln gerade zu unterbinden suchen, sollten diesen Regeln dann auch unterliegen.
341 Hierzu tragen die deutsche Regierung und die Kommission vor, daß die Rechtslage in den vorliegenden Verfahren der in der Rechtssache Poucet - hier waren Beiträge und Leistungen gesetzlich festgelegt - vergleichbar sei, weil die Rechtswirkungen von Tarifverträgen zwischen den Tarifpartnern denen der Gesetzgebung ähnlich seien. Meines Erachtens bedarf es indessen keiner Stellungnahme zu der Frage, in welchem Umfang Tarifverträge und Gesetzgebung ähnliche Rechtswirkungen haben. In den vorliegenden Verfahren werden die Entscheidungen über Beiträge und Leistungen nicht im Wege der Tarifverhandlung, sondern durch Mehrheitsentscheidung der Fondsverwaltung getroffen. Darüberhinaus ist es das Hauptziel der Fondsverwaltung, die Interessen aller Mitglieder des Fonds zu fördern, und diese Interessen können von den Interessen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, die die Mitglieder der Fondsverwaltung ernennen, durchaus verschieden sein.
342 Zum anderen unterscheiden sich Systeme, bei denen der Staat ein bestimmtes Niveau der Beiträge oder Leistungen garantiert, von den Systemen, die ohne staatlichen Eingriff funktionieren. Dieses Merkmal war im Urteil Poucet des Gerichtshofes von Bedeutung, weil zwischen den verschiedenen Einrichtungen der sozialen Sicherheit Solidarität bestand(161) und diejenigen, die Überschüsse aufwiesen, zur Finanzierung derjenigen beitrugen, die in finanziellen Schwierigkeiten waren. Dieses Merkmal wurde in der Zusammenfassung dieses Urteils im Urteil FFSA erneut erwähnt(162). Demgegenüber wird in den vorliegenden Fällen - wie in der Rechtssache FFSA - das Niveau der Leistungen allein durch das Beitragsaufkommen, die finanziellen Ergebnisse der Investitionen der Fondsverwaltung und die von dieser verursachten Kosten bestimmt.
343 Drittens sind die Elemente der Solidarität als Teil des Systems von Bedeutung. Das ergibt sich aus dem Urteil Poucet(163) und dessen Zusammenfassung im Urteil FFSA(164). Der Gerichtshof hat allerdings im Fall FFSA die Auffassung vertreten, daß in dem betreffenden Fall die Elemente der Solidarität als Teil des Systems nur sehr geringfügig seien und der Tätigkeit des Systems nicht ihre wirtschaftliche Natur nähmen(165). In den vorliegenden Fällen sind die Elemente einer branchenübergreifenden Solidarität weder zahlreicher noch stärker als in der Rechtssache FFSA, in der kein Zusammenhang zwischen Beiträgen und Risiko bestand und eine Auswahl von Risiken aufgrund von Fragebogen oder ärztlichen Untersuchungen nicht stattfand. Der Fonds war verpflichtet, jeden Selbständigen oder Arbeitnehmer der Branche aufzunehmen(166). Bei Krankheit wurde Befreiung von der Beitragszahlung gewährt(167). Der einzige Unterschied ist wohl, daß einige der niederländischen Rentenfonds die Zahlung durchschnittlicher Beiträge vorschreiben, während die Beiträge in der Rechtssache FFSA einkommenbezogen waren. Da indessen die niederländischen Fonds Durchschnittsrenten leisten, die nicht lohnbezogen sind, ist dieser Unterschied bedeutungslos. Folglich sind auch in den vorliegenden Fällen die Elemente der Solidarität nicht stark genug, um die Tätigkeiten der Fonds als nichtwirtschaftlicher Natur gelten zu lassen.
344 Alle bisher erörterten relevanten Merkmale der niederländischen Zusatzrentenfonds legen den Schluß nahe, daß ihre Tätigkeiten wirtschaftlicher Natur sind. Allerdings stellt sich die Frage, ob diesem Schluß entgegensteht, daß bei der grossen Mehrheit dieser Fonds die niederländische Regierung aufgrund besonderer gesetzlicher Rahmenbestimmungen die Zwangsmitgliedschaft angeordnet hat. In der Rechtssache FFSA war die Mitgliedschaft hingegen freiwillig.
345 Im Urteil Poucet hat der Gerichtshof festgestellt, daß ein System der Versicherungspflicht für die Anwendung des Solidaritätsgrundsatzes sowie für das finanzielle Gleichgewicht dieser Systeme unerläßlich sei(168). In seiner Zusammenfassung des Urteils Poucet in seinem Urteil FFSA hat der Gerichtshof diesen Punkt wiederholt und entschieden, daß diese Solidarität als Teil der fraglichen Systeme zur notwendigen Voraussetzung habe, daß die verschiedenen Versicherungssysteme von einem einzigen Träger verwaltet würden und eine Pflichtmitgliedschaft bestehe. Die Zwangsmitgliedschaft wurde somit als notwendige Folge starker Elemente der Solidarität betrachtet(169). Allerdings ist nicht klar, ob sie eine Voraussetzung für den Schluß war, daß die Tätigkeiten des Fonds nichtwirtschaftlicher Natur seien.
346 Im Urteil FFSA hat sich der Gerichtshof auf die freiwillige Mitgliedschaft berufen, um daraus die wirtschaftliche Natur der Tätigkeiten des Systems abzuleiten(170). Dem stimme ich zu. Freiwillige Mitgliedschaft ist ein besonders deutliches Anzeichen dafür, daß die betreffenden Tätigkeiten denen eines privaten Versicherers vergleichbar sind und von den Wettbewerbsbehörden überprüft werden sollten.
347 Die Rechtsprechung zeigt indessen, daß der Gerichtshof die vorliegende Frage noch nicht entschieden hat, ob nämlich Schlußfolgerungen daraus gezogen werden sollten, daß bei einem bestimmten System Zwangsmitgliedschaft besteht. Meines Erachtens sollte das nicht geschehen. Andernfalls würde zunächst den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, die Tätigkeiten einer bestimmten Einheit dadurch den Wettbewerbsregeln zu entziehen, daß Zwangsmitgliedschaft bei diesem System angeordnet würde. Zweitens ist Zwangsmitgliedschaft als Übertragung ausschließlicher Rechte zu verstehen. Artikel 90 Absatz 1 ist zu entnehmen, daß Unternehmen mit solchen ausschließlichen Rechten Unternehmen bleiben und den Wettbewerbsregeln unterliegen.
348 Demgemäß komme ich zu dem Ergebnis, daß die niederländischen Zusatzrentenfonds wirtschaftlicher Natur sind und daher für die Zwecke des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts Unternehmen darstellen.
IX - Artikel 90 und 86
349 Die nächste Frage geht dahin, ob ein Mitgliedstaat gegen Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86 EG-Vertrag verstösst, wenn er ein System mit Zwangsmitgliedschaft bei Branchenrentenfonds wie das niederländische schafft und wenn er im Rahmen dieses Systems Zwangsmitgliedschaft bei Branchenrentenfonds anordnet.
350 An dieser Stelle darf an die Merkmale des niederländischen Systems erinnert werden.
351 Eine erste Reihe von Vorschriften (über die branchenweite Zwangsmitgliedschaft) legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Regierung die Zwangsmitgliedschaft bei einem bestimmten Rentenfonds für alle zu dieser Branche gehörenden Unternehmen anordnen kann. Die Sozialpartner einer bestimmten Wirtschaftsbranche beantragen gemeinsam beim Minister die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft bei einem Branchenrentenfonds. Der Minister prüft dann, ob die Regelungen für die Tätigkeiten des Rentenfonds alle gesetzlichen Erfordernisse erfuellen. Vor einer Entscheidung hört er verschiedene Einrichtungen einschließlich der Versicherungskammer an. Dann erlässt er eine Verordnung über die Zwangsmitgliedschaft aller Unternehmen und Arbeitnehmer dieser Branche. Bei einer Änderung der Vorschriften für das System muß der Minister erneut entscheiden.
352 In einer zweiten Reihe von Vorschriften (über Befreiungen im Einzelfall) werden die Umstände geregelt, unter denen einzelne Unternehmen oder Arbeitnehmer von der Zwangsmitgliedschaft befreit werden können, falls sie besondere alternative Rentenvereinbarungen getroffen haben oder treffen möchten.
353 Eine Befreiung setzt voraus, daß das alternative System bestimmte Voraussetzungen erfuellt. In allererster Linie muß das alternative System Rentenleistungen gewähren, die den vom Branchenfonds gezahlten zumindest gleichwertig sind.
354 Der Branchenrentenfonds entscheidet selbst über den Befreiungsantrag. Der Fonds muß Befreiung gewähren, wenn die alternative Rentenvereinbarung bereits sechs Monate in Kraft war, als der Antrag eingereicht wurde, aufgrund dessen die Zwangsmitgliedschaft beim Rentenfonds angeordnet wurde (der "Sechs-Monate-Befreiungsgrund"). In allen anderen Fällen steht die Entscheidung im Ermessen des Fonds.
355 Gegen die Weigerung des Fonds, eine Befreiung auszusprechen, ist eine "bezwaar" (Beschwerde) zulässig. Sie wird bei der Versicherungskammer verhandelt. Nach Darstellung der niederländischen Regierung ist aber die Entscheidung der Versicherungskammer über die Beschwerde lediglich ein Schlichtungsvorschlag und rechtlich nicht bindend. Ein Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung ist nicht möglich.
356 Den Vorlagebeschlüssen, insbesondere dem des Kantongerecht in der Rechtssache Albany, ist zu entnehmen, daß die Prüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidungen der Rentenfonds grundsätzlich den Zivilgerichten obliegt. Dies mag eine unmittelbare oder mittelbare Folge dessen sein, daß die Rentenfonds in Form einer Stichting (Anstalt) organisierte juristische Personen sind.
357 Das Ausmaß der Befugnis der Zivilgerichte zur Überprüfung der Ermessensentscheidungen über die Befreiung ist indessen nicht ganz klar. In der Rechtssache Brentjens stellte das vorlegende Kantongerecht hierzu fest:
"Es ist nicht Sache des erkennenden Gerichts, darüber zu entscheiden, daß das Rentensystem keinen Anlaß gesehen hat, sein Ermessen im Sinne einer Befreiung von Brentjens zu gebrauchen, da diese Befugnis Teil der Verwaltungspolitik des Rentensystems selbst ist."
358 Andere Feststellungen der vorlegenden Gerichte und eine Wendung im Vorlagebeschluß der Rechtssache Albany lassen jedoch die Vermutung zu, daß eine beschränkte Befugnis zur Überprüfung besteht:
"Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Rentensystem und ihren Mitgliedern werden auch durch Erfordernisse der Angemessenheit und Fairneß und/oder durch allgemeine Grundsätze ordnungsgemässer Verwaltung gestaltet."
359 Dieser Wendung lässt sich entnehmen, daß die niederländischen Gerichte einige Zweifel bezueglich der hier maßgebenden Grundsätze haben. Das kann ebenfalls eine Folge der gemischten Natur der Entscheidung des Rentenfonds sein.
360 Nach Darstellung der niederländischen Regierung gilt seit dem 26. April 1998 eine geänderte Fassung der Befreiungsleitlinien. Zunächst wurden drei neue zwingende Befreiungsgründe hinzugefügt, während früher nur der Sechs-Monate-Befreiungsgrund zwingend war. Befreiung muß jetzt auch gewährt werden, wenn
- der Arbeitgeber Teil einer Unternehmensgruppe ist oder sein wird, die nicht in den Anwendungsbereich des betreffenden Branchenrentenfonds fällt;
- der Arbeitgeber seine eigene Tarifvereinbarung mit seinen Arbeitnehmern getroffen hat und daher von der Zwangsteilnahme an einem allgemeinen Tarifvertrag befreit ist, und
- die Leistung eines Branchenrentenfonds im Hinblick auf die Ertragsfähigkeit seiner Investitionen über eine Reihe von Jahren spürbar niedriger ist als die Ergebnisse eines Standardportfolios, das früher vom Rentenfonds zusammengestellt wurde. Für die Messung dieser Leistung werden Rechnungsgrundsätze festgelegt.
361 Zweitens wurden neue Vorschriften bezueglich der Gleichwertigkeit des alternativen Systems und der Berechnung des vorgenannten Ausgleichs für versicherungsmathematischen Verlust erlassen(171).
362 Drittens wurde die Beschwerde an die Versicherungskammer abgeschafft.
363 Da indessen in den Ausgangsverfahren die frühere Fassung der Befreiungsleitlinien maßgebend ist, hat die geänderte Fassung für die vorliegenden Verfahren keine unmittelbare Bedeutung.
364 Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß bei 15 Branchenrentenfonds keine Zwangsmitgliedschaft angeordnet worden ist.
365 Damit komme ich zur Untersuchung des Artikels 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 86.
366 Artikel 90 Absatz 1 bestimmt:
"Die Mitgliedstaaten werden in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 7 und 85 bis 94 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten."
367 Artikel 86 lautet:
"Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen ..."
368 Die Klägerinnen bringen vor, das niederländische System von Branchenrentenfonds mit Zwangsmitgliedschaft verstosse hiergegen in zweifacher Hinsicht. Zunächst einmal entsprächen die Rentenleistungen nach dem System der Rentenfonds nicht oder nicht mehr den Bedürfnissen der Unternehmen. Sie verweisen hierzu auf das Urteil Höfner und Elser(172). Sodann folgt ihrer Meinung nach aus dem Urteil GB-Inno-BM(173), daß der Fonds nicht allein über individuelle Befreiungen von der Zwangsmitgliedschaft entscheiden dürften.
369 Der Fonds, die niederländische und die französische Regierung sowie die Kommission sind sich - wenn auch aus unterschiedlichen Gründen - darin einig, daß die Artikel 90 Absatz 1 und 86 nicht verletzt seien und das niederländische System zumindest nach Artikel 90 Absatz 2 gerechtfertigt sei.
370 Ich möchte einleitend zwei Bemerkungen zu den Artikeln 90 Absatz 2 und 86 machen.
371 Zunächst gilt es, den systematischen Standort der Artikel 90 Absatz 1 und 86 im EG-Vertrag zu bestimmen. Sie sind, wie bereits erwähnt(174), an Unternehmen und nicht an Mitgliedstaaten gerichtet. Es gilt allerdings der allgemeine - aus Artikel 5 Absatz 2 EG-Vertrag abzuleitende - Grundsatz, daß Mitgliedstaaten Maßnahmen (auch normativer Art) nicht treffen oder beibehalten dürfen, die die praktische Wirksamkeit dieser Bestimmungen ausschalten könnten(175). Die Rechtsprechung zu den Artikeln 5 und 85, die dieses allgemeine Prinzip auf staatliche Interventionen bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen zur Anwendung bringt, habe ich bereits untersucht(176). Artikel 90 Absatz 1 ist eine andere - positiv-rechtliche - Anwendung dieses allgemeinen Grundsatzes(177). Ist Artikel 90 Absatz 1 ratione personä anwendbar, so ist er lex specialis gegenüber Artikel 5 Absatz 2(178).
372 Zweitens muß man stets daran denken, daß die Anwendbarkeit oder gar die Verletzung des Artikels 90 Absatz 1 keine automatischen Wirkungen bezueglich der Geltung der Artikel 85 und 86 für die betroffenen Unternehmen hat. Unternehmen, denen ausschließliche Rechte gewährt wurden, unterliegen gleichwohl den Wettbewerbsregeln(179). Hiervon gibt es eine die einzige Ausnahme: Wenn die aktuelle Verhaltensweise, die zu bewerten ist, nicht dem Unternehmen zuzurechnen ist, insbesondere wenn wettbewerbswidriges Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird oder die Gesetzgebung einen Rahmen schafft, der selbst jede Möglichkeit einer wettbewerblichen Tätigkeit ausschließt(180). Demzufolge unterliegen die einzelnen Fonds unabhängig von der Antwort des Gerichtshofes auf die mit Artikel 90 Absatz 1 zusammenhängenden Fragen grundsätzlich den Wettbewerbsregeln.
373 Um die Frage der vorlegenden Gerichte zu beantworten, bedarf es der Feststellung, ob erstens der Fonds Unternehmen sind, denen die Niederlande besondere oder ausschließliche Rechte übertragen haben, zweitens, ob der Fonds eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehaben, und drittens, ob die Niederlande - im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 - "diesem Vertrag widersprechende Maßnahmen getroffen oder beibehalten haben", insbesondere solche, die gegen Artikel 86 verstossen und nicht nach Artikel 90 Absatz 2 gerechtfertigt werden können.
A - Anwendbarkeit von Artikel 90 Absatz 1: Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten
374 Nach Auffassung der niederländischen Regierung schafft die Verordnung des Ministers über die Zwangsmitgliedschaft lediglich Pflichten auf Seiten der betroffenen Unternehmen, begründet aber keine ausschließlichen Rechte mit Rücksicht auf Rentenversicherung oder auch nur Zusatzrenten.
375 Meines Erachtens geht dieses Vorbringen fehl, da die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer für Zusatzrenten von den Fonds verwaltet werden müssen. Damit steht den Fonds das ausschließliche Recht zu, diese Beiträge einzuziehen und zu verwalten. Das entsprechende ausschließliche Recht der Fonds ist lediglich die Kehrseite der branchenweiten Verpflichtung, Arbeitnehmer einem bestimmten Zusatzrentenfonds anzuschließen.
376 Ausserdem ließe sich sagen, daß nach den niederländischen Vorschriften über die Befreiung im Einzelfall den Fonds ein zweites ausschließliches Recht zusteht, nämlich das Recht, nach ihrem Ermessen über Anträge auf Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft im Einzelfall zu entscheiden.
377 Demgemäß gehören die Rentenfonds zu den Unternehmen, für die Artikel 90 Absatz 1 gilt.
B - Anwendbarkeit von Artikel 86: Beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes
378 Nach Auffassung der Klägerinnen nimmt jeder Fonds eine beherrschende Stellung auf dem Markt für Zusatzrentenversicherungsleistungen in seinem besonderen Wirtschaftszweig ein.
379 Der Fonds sind der Meinung, sie seien verhältnismässig kleine Teilnehmer des Marktes der Rentenversicherung, auf dem viele andere Unternehmen tätig seien. Das Vorbringen der Klägerinnen beruhe auf einer extrem engen Definition des relevanten Marktes.
380 Ursprünglich bestritt die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen, vorwiegend auf der Basis des Vorbringens der Fonds, deren beherrschende Stellung. In der Sitzung nahm sie indessen den entgegengesetzten Standpunkt ein und trat insoweit der französischen Regierung bei. Sie begründete dies damit, daß bei Zwangsmitgliedschaft weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite des Marktes eine Alternative bestehe.
381 Hier kann ich mich kurz fassen. Der Gerichtshof hat ständig entschieden, daß ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol besitzt, als Inhaber einer beherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag angesehen werden kann(181). Somit ist es unerheblich, daß die Stellung des Fonds auf einer Intervention der Regierung beruht(182).
382 Bei Zwangsmitgliedschaft sind andere Formen privater Rentenversicherung kein gültiger Ersatz für eine Branchenzusatzrente. Die Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben bei Zusatzrenten schlicht keine Möglichkeit, sich anderswo anzuschließen. Deshalb ist es ebenfalls ohne Bedeutung, daß jeder Fonds nur ein Rentensystem verwaltet und daneben viele andere wichtigere Systeme bestehen(183).
383 Schließlich erfasst jeder Rentenfonds das gesamte niederländische Staatsgebiet und damit einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes. Somit hält jeder Fonds eine beherrschende Stellung im Hinblick auf das Angebot von Zusatzrentenversicherungen für eine bestimmte Branche in den Niederlanden.
C - Gegen die Artikel 90 und 86 verstossende nationale Maßnahmen
384 Die Klägerinnen bestreiten, wie bereits erwähnt, die Vereinbarkeit des niederländischen Systems mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 aus zwei Gründen, wobei sie sich auf die Urteile Höfner und GB-Inno-BM beziehen.
385 Was den ersten Punkt betrifft, also das Argument, die Rentendienstleistungen der Fonds genügten den Bedürfnissen der Unternehmen nicht oder nicht mehr, machen die Klägerinnen geltend, daß die Rentenleistungen zu niedrig, nicht am Lohn ausgerichtet und daher durchgehend unangemessen seien. Weitere zweitrangige negative Wirkungen seien, daß die Arbeitgeber Rentenvereinbarungen treffen müssten und nicht eine einzige Globalversicherung mit einem Versicherungsunternehmen abschließen könnten. Damit hätten die Unternehmen mit verschiedenen Schichten eines Rentensystems zu tun, was die Verwaltungskosten erhöhe und zu anderen Effizienzverlusten führe.
386 Bezueglich des Arguments, daß es den Fonds nicht gestattet sein sollte, selbst über Ausnahmen von der Zwangsmitgliedschaft im Einzelfall zu entscheiden, machen die Klägerinnen zweitens geltend, daß der Fonds damit in die Lage versetzt würde, selbst den Grad von Wettbewerb zu bestimmen, dem sie ausgesetzt seien.
387 Meines Erachtens werfen diese Argumente zwei unterschiedliche Fragen auf: ob und in welchem Umfang nämlich erstens die Zwangsmitgliedschaft bei Branchenrentenfonds als solche und zweitens die Vorschriften über die in das Ermessen gestellte Befreiung hiervon im Einzelfall mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 vereinbar sind.
1. Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft mit den Artikeln 90 und 86
388 Artikel 90 Absatz 1 ist, wie ich bereits feststellte, eine besondere Ausformung des Artikels 5 Absatz 2 und verpflichtet die Mitgliedstaaten, nicht aber unmittelbar Unternehmen. Aus seinem Zusammenwirken mit Artikel 86 ergibt sich, daß er keine angemessene Rechtsgrundlage dafür ist, Mitgliedstaaten für das unabhängige wettbewerbswidrige Verhalten von Unternehmen verantwortlich zu machen, nur weil dieses innerhalb ihres Hoheitsgebietes stattfindet. Ein Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 kann daher nur vorliegen, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem Eingreifen der Gesetzgebung oder Verwaltung eines Mitgliedstaats einerseits und dem wettbewerbswidrigen Verhalten von Unternehmen andererseits besteht. Der Gerichtshof hat entschieden, daß angebliche Mißbräuche im Kontext des Artikels 90 Absatz 1 die "unmittelbare Folge" des nationalen rechtlichen Rahmens sein müssten(184).
389 Dies ist einer der Gründe für ein fundamentales Dilemma bei der Anwendung des Artikels 90 Absatz 1. Einerseits ist die Übertragung ausschließlicher Rechte, anders gesagt die Schaffung eines gesetzlichen Monopols, eine strukturelle staatliche Maßnahme, die typischerweise wettbewerbswidriges Verhalten begünstigt. Andererseits scheint der Wortlaut des Artikels 90 nahezulegen, daß die Übertragung ausschließlicher Rechte als solche grundsätzlich keine Maßnahmen von der Art ist, die Artikel 90 Absatz 1 nach dem Willen der Verfasser des EG-Vertrages verbieten sollte.
390 Indem sie die Zwangsmitgliedschaft in Frage stellen, greifen die klagenden Unternehmen das ausschließliche Recht der Fonds als solches an. Damit ist genau dieses Dilemma angesprochen.
391 Der Gerichtshof hat ständig entschieden, daß die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte als solche regelmässig mit Artikel 90 Absatz 1 und 86 vereinbar ist(185).
392 Dieser allgemeine Grundsatz war der Kern des Urteils in der Rechtssache Crespelle(186). Es ging dabei um das Monopol bestimmter Besamungsstationen für bestimmte Dienstleistungen an Zuechter. Der Gerichtshof betonte zunächst den genannten Grundsatz und entschied dann, daß die Artikel 90 Absatz 1 und 86 ausnahmsweise verletzt würden, wenn das Unternehmen durch die blosse Ausübung des ihm übertragenen ausschließlichen Rechts seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutze. Der Gerichtshof hat dann geprüft, ob ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem nationalen Recht und dem angeblichen Mißbrauch bestehe, dabei allerdings klargestellt, daß die blosse Begründung eines ausschließlichen Rechts regelmässig nicht ausreiche, um Mißbräuche im Sinne seiner Formel unvermeidbar erscheinen zu lassen(187). Er hat entschieden, daß nach dem Sachverhalt die nationalen Rechtsvorschriften die Stationen nicht "veranlasste", ihre beherrschende Stellung zu mißbrauchen. In einem weiteren Abschnitt hat er dann untersucht, ob die Stationen selbst einen Mißbrauch im Sinne von Artikel 86 begangen hätten, für den nur sie verantwortlich wären.
393 Obwohl nun ausschließliche Rechte regelmässig nicht gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstossen, hat der Gerichtshof doch in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß das Recht der Mitgliedstaaten, ausschließliche Rechte zu übertragen, nicht unbegrenzt ist. So hat der Gerichtshof ausgeführt:
"Sodann ist festzustellen, daß [Artikel 90 Absatz 1] zwar von der Existenz von Unternehmen ausgeht, die bestimmte besondere und ausschließliche Rechte innehaben, daß damit jedoch nicht alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendigerweise mit dem Vertrag vereinbar sind. Dies hängt vielmehr von den einzelnen Vorschriften ab, auf die Artikel 90 Absatz 1 verweist"(188).
394 Was den Umfang dieser Begrenzungen anlangt, so sind die Wendungen, die der Gerichtshof hier gebraucht, nicht völlig miteinander vereinbar(189). Es bedarf daher der Prüfung der Hauptfälle, in denen der Gerichtshof die gleiche schwierige Frage - Vereinbarkeit eines ausschließlichen Rechts als solchen mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 - zu beantworten hatte. In diesen Fällen ist das vorgenannte Dilemma naturgemäß besonders ausgeprägt.
395 Die richtungsweisenden Urteile zur Vereinbarkeit eines ausschließlichen Rechts mit Artikel 90 Absatz 1 können dreifach unterteilt werden. Ich bezeichne sie der Einfachheit halber als Fälle des ERT-Typus(190), des Höfner-Typus(191) und des Corbeau-Typus(192). Ich prüfe nunmehr die tragenden Gründe jeder Gruppe und wende sie dann auf die vorliegenden Fälle an.
a) Fälle des ERT-Typus
396 In der Rechtssache ERT war es die Kumulierung zweier ausschließlicher Rechte, die eigenen Programme des Unternehmens zu senden und ausländische Sendungen zu verbreiten, die den Interessenkonflikt verursachte. Der Monopolist wurde zu einem Mißbrauch seiner beherrschenden Stellung durch eine diskriminierende Politik getrieben, die seine eigenen Programme begünstigte.
397 In der Rechtssache Raso(193) übertrug das betreffende italienische System Hafenunternehmen nicht nur das ausschließliche Recht, bestimmten Unternehmen Zeitarbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, sondern setzte diese Unternehmen auch in die Lage, mit Unternehmen in Wettbewerb zu treten, die von ihren Dienstleistungen abhängig waren. Wiederum war ein Interessenkonflikt unvermeidlich, weil das Hafenunternehmen allein durch die Ausübung seines Monopols den Wettbewerb auf dem zweiten Markt zu seinen Gunsten verzerren konnte.
398 Im Urteil Merci Convenzionali Porto di Genova(194) hat der Gerichtshof über das einer italienischen Hafenbetriebsgesellschaft verliehene ausschließliche Recht wie folgt entschieden:
"Insoweit ergibt sich aus dem von dem vorlegenden Gericht beschriebenen und vor dem Gerichtshof erörterten Sachverhalt, daß die Unternehmen, die nach den in der betreffenden nationalen Regelung festgelegten Modalitäten mit ausschließlichen Rechten ausgestattet sind, aus diesem Grunde geneigt sind, die Bezahlung nicht verlangter Dienstleistungen zu fordern, unverhältnismässige Preise in Rechnung zu stellen ..."(195)
399 Weder aus der zitierten Passage noch aus dem übrigen Urteil geht eindeutig hervor, ob der gesetzliche Rahmen über die Gewährung ausschließlicher Rechte hinaus Merkmale enthielt, die die Anwendung von Artikel 90 Absatz 1 rechtfertigten. Da sich jedoch der Gerichtshof auf den "von dem vorlegenden Gericht beschriebenen ... Sachverhalt" bezogen hat, neige ich dazu, diesen Fall zur ersten Gruppe zu zählen.
400 In diesen drei Fällen war es nicht das Monopol selbst, das gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstieß, sondern das Monopol in Verbindung mit zusätzlichen Merkmalen, die Mißbräuche wahrscheinlich machten. Strukturelle Maßnahmen jenseits der Gewährung eines ausschließlichen Rechts führten die betreffenden Unternehmen dazu, ihre beherrschende Stellung zu mißbrauchen. Nur in diesem Fall war es gerechtfertigt, den Staat - zumindest teilweise - für das wettbewerbswidrige Verhalten des Monopolisten verantwortlich zu machen.
401 Es stellt sich die Frage, ob die vorliegenden Rechtssachen zum ERT-Typus gehören, und ob neben der Geltung des ausschließlichen Rechts andere strukturelle Merkmale vorliegen, die dazu führen, daß der Fonds ihre beherrschende Stellung mißbrauchen.
402 Zunächst wird vorgebracht, daß bisher kein konkreter Mißbrauch wie etwa übertrieben hohe Beiträge oder übertrieben niedrige Leistungen bewiesen worden sei.
403 Das allein ist nicht entscheidend. Der Struktur des Artikel 90 Absatz 1 und der Rechtsprechung des Gerichtshofes(196) ist zu entnehmen, daß es nicht darum geht, ob Mißbräuche tatsächlich stattgefunden haben, sondern ob das gesetzliche Rahmenwerk die Unternehmen - sogar nur hypothetisch - zu solchen Mißbräuchen anhält.
404 Gleichwohl kann ich dem niederländischen System nichts entnehmen, was die Fonds dazu anhalten würde, solche Mißbräuche zu begehen. Der Fonds werden ganz im Gegenteil von verschiedenen staatlichen Behörden und von einem Ausschuß angeschlossener Personen kontrolliert. Sie haben die eingezogenen Beiträge umsichtig anzulegen. Die Steuerbestimmungen begrenzen Höchtsrentenleistungen. Der Spielraum der Fonds ist daher insoweit beschränkt. Folglich wären selbst bei konkreten Mißbräuchen dieser Art die Rentenfonds selbst nach Artikel 86 haftbar zu machen.
405 Mithin gibt es in den niederländischen Rechtsvorschriften keine zusätzlichen strukturellen Merkmale, die die Rentenfonds zu einem Mißbrauch ihrer beherrschenden Stellung anhalten würden.
b) Fälle des Höfner-Typus
406 In der Rechtssache Höfner(197) hatte der Gerichtshof über die Rechtmässigkeit des Arbeitsvermittlungsmonopols in Deutschland zu entscheiden. Er hat hierzu festgestellt:
"Ein Mitgliedstaat verstösst ... gegen die Verbote dieser beiden Bestimmungen nur, wenn das betreffende Unternehmen durch die blosse Ausübung des ihm übertragenen ausschließlichen Rechts seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnützt.
Nach Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe b EWG-Vertrag kann ein solcher Mißbrauch insbesondere in einer Beschränkung der Leistung zum Schaden derjenigen, die die betreffende Dienstleistung in Anspruch nehmen wollen, bestehen.
Ein Mitgliedstaat schafft eine Lage, in der die Leistung beschränkt wird, wenn das Unternehmen, dem er ein ausschließliches Recht übertragen hat, das sich auf Tätigkeiten zur Vermittlung von Führungskräften der Wirtschaft erstreckt, offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach solchen Leistungen zu befriedigen, und wenn die tatsächliche Ausübung dieser Vermittlungstätigkeiten durch private Personalberatungsunternehmen durch die Beibehaltung einer Gesetzesbestimmung unmöglich gemacht wird, die diese Tätigkeiten bei Strafe der Nichtigkeit der entsprechenden Verträge verbietet"(198).
407 In der Rechtssache Job Centre(199) setzte der italienische Staat ein ähnliches Arbeitsvermittlungsmonopol mit Hilfe von Strafverfahren durch. Der Gerichtshof hat sein Urteil Höfner bestätigt und die auf die Besonderheiten des Marktes für die Erbringung von Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Anstellung von Arbeitnehmern wie folgt hingewiesen:
"Auf einem so ausgedehnten und differenzierten Markt, der überdies aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung grossen Veränderungen unterliegt, kann es dazu kommen, daß die staatlichen Vermittlungsstellen einen bedeutenden Teil der Gesamtnachfrage nach Dienstleistungen nicht mehr befriedigen können"(200).
408 In diesen beiden Sachen hat der Staat im Gegensatz zu den Fällen des ERT-Typus nur ein ausschließliches Recht übertragen. Gleichwohl hat der Gerichtshof wegen des besonderen wirtschaftlichen Kontextes und der Natur der betreffenden Dienstleistungen festgestellt, daß der Monopolist seine beherrschende Stellung notwendig ständig "durch Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher" im Sinne des Artikels 86 Absatz 2 Buchstabe b mißbrauchen musste. Unter diesen aussergewöhnlichen Umständen sah sich der Gerichtshof daher berechtigt, wirklich von dem Grundsatz abzuweichen, daß die Freiheit eines Mitgliedstaats zur Übertragung ausschließlicher Rechte nicht angetastet werde.
409 Mit dem Hinweis im Urteil Höfner auf ein Unternehmen, das offensichtlich nicht in der Lage ist, den Bedarf zu befriedigen, hat der Gerichtshof allerdings klargestellt, daß er bei Monopolen lediglich eine marginale Rechtmässigkeitskontrolle durchführt.
410 Damit stellt sich die Frage, ob die vorliegenden Fälle dem Höfner-Typus zuzurechnen sind, bei dem der Rentenfonds durch Ausübung seines ausschließlichen Rechts notwendig seine beherrschende Stellung mißbraucht. Ist der tatsächliche und wirtschaftliche Kontext so beschaffen, daß Zusatzrentenfonds mit Zwangsmitgliedschaft offensichtlich und durchgehend ausserstande sind, die Nachfrage zu befriedigen?
411 In diesem Punkt gehen die Meinungen der Parteien weit auseinander. Der Gerichtshof kann diese Frage, die eingehende wirtschaftliche und tatsächliche Beurteilungen erforderlich macht, nicht lösen. Bei einer Vorlage eines nationalen Gerichts zur Vorabentscheidung nach Artikel 177 EG-Vertrag sind solche Feststellungen Sache der nationalen Gerichte. Eine Hilfestellung mag gleichwohl bei den Faktoren, die die nationalen Gerichte bei solchen Feststellungen für maßgeblich halten könnten, durchaus nützlich sein.
412 Zunächst und in erster Linie müssen die nationalen Gerichte die jeweiligen Zuständigkeiten der niederländischen Regierung und der Fonds im Rahmen der Artikel 90 Absatz 1 und 86 in Rechnung stellen. Ein Mitgliedstaat kann nur haftbar gemacht werden, wenn ein Systemfehler vorliegt, d. h. wenn die Mißbräuche die "unmittelbare Folge" seines Eingreifens durch Vorschriften oder Entscheidungen sind, während Unternehmen, denen ausschließliche oder besondere Rechte zustehen, alleine für die Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln verantwortlich sind, die ausschließlich ihnen selbst zuzurechnen sind. Die Artikel 90 Absatz 1 und 86 sind daher nicht verletzt, wenn der einzige Grund dafür, daß der Fonds "offensichtlich ausserstande ist, den Bedarf zu befriedigen", seine eigene schlechte Verwaltung oder Investitionspolitik ist.
413 Zweitens sollten sich die nationalen Gerichte stets bewusst bleiben, daß diese Art von Fragen meist ein Abstufungsproblem darstellt, Probleme beträchtlicher Komplexität aufwirft und Urteile über wichtige wirtschaftliche und soziale Präferenzen mit sich bringt. Es muß daher betont werden, daß der Gerichtshof in Situationen des Höfner-Typus seine und die Kontrolle der nationalen Gerichte auf nationale Systeme beschränkt hat, die offensichtlich unangemessen sind.
414 Schließlich müssen die Mitgliedstaaten, da die Übertragung ausschließlicher Rechte schwierige wirtschaftliche Überlegungen mit sich bringt, in Bereichen wie diesem einen gewissen Spielraum bei der Entscheidung haben, ob der Monopolist die Nachfrage befriedigen kann. Das ist ein weiterer Grund, den Umfang der Überprüfung durch das nationale Gericht zu begrenzen.
415 Nach einem ergänzenden Vorbringen der Kommission können der Fonds auf jeden Fall nicht mit einem normalen Versicherer verglichen werden, da sie ihre Tätigkeiten auf eine Branche zu beschränken haben und keine Auswahl guter und schlechter Risiken treffen dürfen.
416 Diese Argumente hängen mit Artikel 90 Absatz 2 zusammen und bringen mich unmittelbar zu der dritten Gruppe von Fällen, nämlich den Fällen des Corbeau-Typus.
c) Fälle des Corbeau-Typus
417 In der Rechtssache Corbeau(201) hatte der Gerichtshof über die Vereinbarkeit des Monopols für Postdienste in Belgien mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 zu entscheiden. Der Gerichtshof hat sich nicht klar dazu geäussert, welche Merkmale der belgischen Vorschriften, falls überhaupt, gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstießen, sondern lediglich festgestellt, daß Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 90 Absatz 2 zu sehen sei, und dann unmittelbar eine Abwägung im Hinblick auf die Rechtfertigung des Umfangs des Monopols vorgenommen. Er hat u. a. entschieden:
"[Artikel 90 Absatz 2] erlaubt es somit den Mitgliedstaaten, Unternehmen, die sie mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrauen, ausschließliche Rechte zu verleihen, die der Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrags entgegenstehen können, soweit Wettbewerbsbeschränkungen oder sogar der Ausschluß jeglichen Wettbewerbs von Seiten anderer Wirtschaftsteilnehmer erforderlich sind, um die Erfuellung der den Unternehmen, die über die ausschließlichen Rechte verfügen, übertragenen besonderen Aufgaben sicherzustellen"(202).
418 Unlängst ist der Gerichtshof in der Rechtssache Corsica Ferries France(203) bei der Prüfung der ausschließlichen Rechte zweier Schiffsfestmachergruppen in zwei wichtigen italienischen Häfen in gleicher Weise vorgegangen. Ohne Entscheidung über einen prima-facie-Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 hat er festgestellt, daß diese ausschließlichen Rechte zumindest gemäß Artikel 90 Absatz 2 gerechtfertigt seien.
419 Auch das frühe Urteil in der Rechtssache Sacchi(204) gehört meines Erachtens zu dieser Gruppe. Im Tenor des Urteils(205) hat sich der Gerichtshof auf Artikel 90 bezogen, ohne wie an anderer Stelle im Urteil den Absatz klarzustellen. Auf dem Hintergrund der Schlussanträge von Generalanwalt Reischl(206) kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Gerichtshof Artikel 90 Absatz 2 im Sinn hatte.
420 Dieser Rechtsprechung lässt sich entnehmen, daß stets dann, wenn die Ausnahme des Artikels 90 Absatz 2 greift, die Übertragung ausschließlicher Rechte zumindest gerechtfertigt ist. Kommt nun Artikel 90 Absatz 2 in den vorliegenden Fällen zur Anwendung?
421 Artikel 90 Absatz 2 bestimmt:
"Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften dieses Vertrages, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Gemeinschaft zuwiderläuft."
422 Als erstes ist zu fragen, ob der Fonds mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut worden sind. Meines Erachtens ist dieser Punkt kaum zweifelhaft.
423 In den Niederlanden gewährt das gesetzliche Rentensystem lediglich eine Grundrente, die vom Mindestlohn abhängig ist. Zusatzrentensysteme tragen dazu bei sicherzustellen, daß ein grosser Teil der Bevölkerung Rentenleistungen erhält, die über dieses Minimum hinausgehen. Der Fonds haben daher einen sozialen Zweck. Sie werden in erster Linie nicht in ihrem eigenen oder im privaten Einzelinteresse ihrer angeschlossenen Mitglieder(207), sondern vorwiegend im allgemeinen Interesse tätig. Die Gemeinschaftsgesetzgebung hat kürzlich mit dem Erlaß einer Richtlinie zur Gewährung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern(208), mittelbar die wichtige soziale Funktion von Zusatzrenten anerkannt.
424 Ausserdem sind der Fonds, wie bereits erwähnt, nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Sie müssen jeden Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der der Branche angehört, anschließen. Sie dürfen daher nicht durch Fragebogen oder ärztliche Untersuchungen eine Risikoauswahl betreiben. Ein Zusammenhang zwischen Risiko und Beiträgen besteht nicht. Alle angeschlossenen Personen zahlen einen Durchschnittsbeitrag, der z. B. weder das Alter des Arbeitnehmers noch die Grösse des Arbeitgebers berücksichtigt. Bei Arbeitsunfähigkeit werden Ausnahmen von der Beitragspflicht zugelassen.
425 Die Verordnung, mit der die Zwangsmitgliedschaft angeordnet wird, ist folglich eine hoheitliche Maßnahme, mit der dem betreffenden Fonds eine Dienstleistung von allgemeinem Interesse übertragen wird.
426 Entscheidend ist daher die nächste Frage, ob die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft die Erfuellung der den Fonds zugewiesenen besonderen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindern würde.
427 Der Fonds und die niederländische Regierung machen geltend, die Beibehaltung der ausschließlichen Rechte sei eine notwendige Bedingung für das Überleben der Rentensysteme. Unter Hinweis auf das Urteil Corbeau des Gerichtshofes bringen sie vor, ohne Zwangsmitgliedschaft wäre ihr finanzielles Gleichgewicht gefährdet. Sie führen hierbei das Beispiel einer negativen Spirale an, bei dem die "guten Risiken" (d. h. grosse Unternehmen mit jungen und gesunden Arbeitskräften und ungefährlichen Tätigkeiten) sich nach günstigeren Vereinbarungen mit privaten Versicherern umsähen und der Fonds mit einer höheren Konzentration schlechterer Risiken zurückließen. Dies wiederum würde zu einer Kostensteigerung bei Renten für Arbeitnehmer beispielsweise kleiner oder mittlerer Unternehmen mit älterem Personal und gefährlichen Tätigkeiten führen. Damit würde es immer schwieriger, ja unmöglich werden, schlechte Risiken zu annehmbaren Preisen zu versichern.
428 Ausserdem seien (nicht an Risiken gebundene) Durchschnittsbeiträge und (nicht lohngebundene) Durchschnittsrenten nur auf der Grundlage der Zwangsmitgliedschaft möglich. Diese Art der Rentenversicherung könne von privaten Versicherern niemals angeboten werden.
429 Nach Auffassung der Klägerinnen geht das System der Zwangsmitgliedschaft über das hinaus, was erforderlich sei, um das Ziel eines angemessenen Niveaus sozialen Schutzes zu erreichen.
430 Zunächst wären Tarifvereinbarungen mit Mindestrentenerfordernissen ausreichend. Die Detailregeln für die Verwaltung der eingezogenen Rentenbeiträge sollte grundsätzlich den Arbeitgebern überlassen bleiben. Mindesterfordernisse könnten, falls notwendig, auch durch Gesetz vorgeschrieben werden. Ein gutes Beispiel für einen solchen Weg sei das am 1. Januar 1998 in Kraft getretene Gesetz, das im Zusammenhang mit Gruppenrentenversicherungsverträgen die vorherige ärztliche Untersuchung untersage.
431 Zu dem Argument, Durchschnittsbeiträge und -renten seien nur im Kontext einer Zwangsmitgliedschaft denkbar, bringen sie vor, daß ein System von Durchschnittsbeiträgen nicht länger ein wesentliches Merkmal von Zusatzrentensystemen und gesetzlich nicht vorgeschrieben sei. Umgekehrt arbeiteten verschiedene Branchenrentensysteme mit Durchschnittsbeiträgen und ohne Zwangsmitgliedschaft.
432 Ausserdem sei empirisch belegt, daß Zwangsmitgliedschaft nicht notwendig sei, da fünfzehn Branchenrentensysteme in den Niederlanden ohne Zwangsmitgliedschaft arbeiteten.
433 Meines Erachtens sind zuviele wichtige Punkte, die den tatsächlichen Hintergrund betreffen, zwischen den Parteien immer noch in Streit und/oder nicht völlig klar.
434 Wie können z. B. bestimmte Branchenrentenfonds ohne Zwangsmitgliedschaft überleben? Die schriftliche Antwort der niederländischen Regierung auf eine Frage des Gerichtshofes lässt immer noch einige Zweifel weiterbestehen und wurde darüberhinaus von den Klägerinnen zum Teil angegriffen. In der Sitzung waren sich die Parteien auch nicht einig darüber, ob Durchschnittsbeiträge und -renten, und falls ja, in welchem Umfang, noch ein typisches Merkmal niederländischer Zusatzbranchenrentenfonds seien.
435 Demgemäß ist der Gerichtshof wiederum nicht in der Lage zu entscheiden, ob die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft die Erfuellung der den Rentenfonds übertragenen besonderen Aufgaben verhindern würde. Die eingehende Untersuchung der betreffenden wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Sachverhalte ist Sache der vorlegenden Gerichte, die hierbei Folgendes zu berücksichtigen haben werden.
436 Artikel 90 Absatz 2 unternimmt es, das Interesse der Mitgliedstaaten an der Verwendung bestimmter Unternehmen als Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik mit dem Interesse der Gemeinschaft an der Einhaltung der Wettbewerbs- und Binnenmarktregeln zum Ausgleich zu bringen(209). Als Vorschrift, die Ausnahmen von den Bestimmungen des Vertrages ermöglicht, ist sie eng auszulegen(210).
437 Wenn Mitgliedstaaten aber Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse festlegen, die sie bestimmten Unternehmen übertragen, darf man sie nicht daran hindern, Ziele nationaler Politik zu berücksichtigen(211). Hierbei ist zu beachten, daß die Mitgliedstaaten weiterhin zuständig sind, ihre Systeme der sozialen Sicherheit zu organisieren(212). Sie haben daher in diesem Bereich einen weiten Entscheidungsspielraum.
438 Der Gerichtshof hat unlängst klargestellt, daß eine Anwendung der Ausnahme des Artikels 90 Absatz 2 nicht voraussetzt, daß das Überleben des Unternehmens selbst gefährdet ist(213). Nach der Fassung dieser Vorschrift reicht es aus, daß die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfuellung der diesem Unternehmen übertragenen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindern würde.
439 Die vorlegenden Gerichte werden daher erstens festzustellen haben, welche öffentlichen Dienstleistungen genau diesen Fonds übertragen wurde, und zweitens, ob die Erfuellung dieser Aufgaben ohne die Zwangsmitgliedschaft verhindert würde.
440 Demgemäß verstösst die Zwangsmitgliedschaft als solche nur dann gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86, wenn der Fonds aufgrund des niederländischen Regelungsrahmens offensichtlich nicht in der Lage sind, die Nachfrage zu befriedigen, und die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft die Erfuellung der den Fonds übertragenen Dienstleistungen von allgemeinem Interesse nicht verhindern würde.
2. Die Regeln über die in das Ermessen gestellte Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft
441 Wie bereits festgestellt, enthält das niederländische System Vorschriften über Befreiungen von der Zwangsmitgliedschaft im Einzelfall, wenn Arbeitgeber oder Arbeitnehmer besondere alternative Rentenvereinbarungen getroffen haben oder treffen möchten. Drei Merkmale dieser Vorschriften sind von Bedeutung. Erstens wird die Entscheidung über eine Ausnahme im Einzelfall von dem zuständigen Branchenfonds selbst getroffen. Zweitens steht dem Fonds in den meisten Fällen ein Ermessen zu. Als Folge dieses Ermessens führen die nationalen Gerichte eine Überprüfung der Entscheidung des Fonds nur am Rande durch(214).
442 Die Klägerinnen machen unter Berufung auf das Urteil GB-Inno-BM(215) geltend, daß diese Bestimmungen deshalb gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstießen, weil sie der Fonds in die Lage versetzten, selbst über den Grad von Wettbewerb zu entscheiden, dem sie ausgesetzt seien.
443 Der Fonds halten dem entgegen, daß ihr Ermessen de facto begrenzt sei. In der Praxis könnten sie Befreiungen nicht häufiger gewähren, weil dies zu gefährlichen Präzedenzfällen führen könnte. Mehr Befreiungen würden die Branchensolidarität, die Zwangsmitgliedschaft und letztlich die Existenz der Fonds gefährden. Deshalb seien der Fonds nicht mit dem öffentlichen Unternehmen in der Rechtssache GB-Inno-BM vergleichbar.
444 Die Kommission weist erstens daraufhin, daß die Möglichkeit von Ausnahmen im Einzelfall eine ausnahmsweise Öffnung eines sonst hermetisch geschlossenen Systems sei. Ihrer Ansicht nach wäre es nicht folgerichtig, die Vereinbarkeit von Vorschriften über Befreiungen im Einzelfall zu prüfen, wenn die Zwangsmitgliedschaft als solche mit dem Vertrag vereinbar sei.
445 Wenn ich das Vorbringen der Kommission richtig verstehe, wäre jede Vorschrift über Befreiungen im Einzelfall ohne weiteres rechtmässig, wenn erst die Zwangsmitgliedschaft, und daher das ausschließliche Recht des Fonds als solches, als mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 vereinbar zu gelten hätte.
446 Diese Auffassung teile ich nicht.
447 Der Umfang des Monopols jedes einzelnen Rentenfonds wird nicht nur durch die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft, sondern auch durch die jeweiligen Möglichkeiten der Befreiung umrissen. Wenn das so umrissene ausschließliche Recht rechtmässig sein sollte, würde es wohl hierzu im Widerspruch stehen, wenn man sich auf den Standpunkt stellte, nach den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 müssten weitere (zwingende) Befreiungsgründe geschaffen werden. Insoweit stimme ich mit der Kommission überein.
448 Unser Problem liegt aber anders. Das Problem ist nicht der materielle Umfang des ausschließlichen Rechts des Fonds, wie er durch die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft und die geltenden Befreiungsgründe umrissen wird, sondern der formale Mechanismus, der für Entscheidungen über diesen Umfang maßgebend ist. Trifft ein Fonds eine Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Befreiung im Einzelfall, so legt er nämlich den Umfang seines gesetzlichen Monopols selbst fest. Diese Delegation von Entscheidungsbefugnissen ist kein notwendiger und selbstverständlicher Teil der Bestimmungen über den materiellen Umfang eines ausschließlichen Rechts. Sie kann daher von diesen Vorschriften getrennt werden und selbständig angefochten werden.
449 In der Sitzung machte die Kommission zweitens geltend, daß die niederländischen Rahmenvorschriften der Fonds in keiner Weise zu einem Mißbrauch ihres Ermessens anhielten. Unter Hinweis auf das Urteil Crespelle(216) meinte die Kommission daher, der Fonds seien daher für jeden Mißbrauch selbst verantwortlich.
450 Auch das überzeugt mich nicht. Das niederländische Recht schafft nämlich, wenn es die Entscheidung über Befreiungen im Einzelfall den Fonds selbst überlässt, einen offensichtlichen Interessenkonflikt.
451 Mit dem Erlaß von Vorschriften über die in das Ermessen gestellte Befreiung hat der niederländische Gesetzgeber anerkannt, daß Unternehmen einer bestimmten Branche in bestimmten Situationen ein legitimes Interesse an einer Befreiung haben können. Man denke etwa an Unternehmen, die zu einem Konzern mit einer eigenen Gruppenrentenpolitik gehören, oder an andere Situationen, die nunmehr als zwingende Befreiungsgründe in der letzten Fassung der Befreiungsleitlinien festgelegt sind(217).
452 Im Gegensatz hierzu haben Branchenrentenfonds ein offensichtliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines hohen Mitgliederbestandes. Mehr angeschlossene Personen bedeuten z. B. höhere Grössenvorteile bei den Verwaltungskosten, mehr Kaufkraft auf den Investmentmärkten und eine günstigere Risikoverteilung.
453 Die Befreiungsleitlinien in der in den Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung übertragen den Fonds die Aufgabe, diese beiden Interessenlagen zum Ausgleich zu bringen. Der Fonds übernimmt damit in gewisser Weise zugleich die Aufgabe des Richters und der Partei.
454 Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Schaffung solcher Interessenkonflikte gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstösst.
455 In der Rechtssache Frankreich/Kommission(218) hatte der Gerichtshof über eine auf den Artikeln 90 Absätze 1 und 3 beruhende Richtlinie(219) zu entscheiden, die die Mitgliedstaaten verpflichtete, sicherzustellen, daß bei Telekommunikations-Endgeräten die Verantwortung für Spezifikationen und Kontrollen einer von dem das öffentliche Netz betreibenden Unternehmen unabhängigen Einrichtung übertragen wird. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden:
"Ein System nicht verfälschten Wettbewerbs, wie es der Vertrag vorsieht, kann nur gewährleistet werden, wenn die Chancengleichheit der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer sichergestellt ist. Wird einem Unternehmen, das Endgeräte vertreibt, die Aufgabe übertragen, die Spezifikationen festzuschreiben, denen die Endgeräte entsprechen müssen, deren Anwendung zu kontrollieren und diese Apparate zuzulassen, so läuft dies darauf hinaus, ihm die Befugnis zu übertragen, nach Belieben zu bestimmen, welche Endgeräte an das öffentliche Netz angeschlossen werden können, und ihm damit einen eindeutigen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern zu verschaffen"(220).
456 Im Urteil GB-Inno-BM(221) hat der Gerichtshof diese Feststellung wiederholt und hinzugefügt,
"die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs und die Gewährleistung von Transparenz" verlangten, daß die Einrichtung, die Normen festlegt und Typ-Zulassungen ausspricht, von den auf dem Markt für Fernsprechgeräte tätigen Unternehmen unabhängig ist.
457 In der Rechtssache Tranchant(222) hat der Gerichtshof spezifisch entschieden, daß durch das Erfordernis der Unabhängigkeit "jeder Interessenkonflikt zwischen der Regelungsbehörde ... und den Unternehmen ... ausgeschlossen werden [soll]."
458 In anderen ähnlichen Fällen hat der Gerichtshof ebenfalls eine strenge Kontrolle der Unabhängigkeit durchgeführt(223). In den Rechtssachen Decoster(224) und Taillandier(225) hat er z. B. entschieden, daß die Unabhängigkeit nicht sichergestellt sei, wenn von verschiedenen Abteilungen des französischen Post- und Telekommunikationsministeriums die eine für den Betrieb des öffentlichen Netzes und die Durchführung der Handelspolitik und die andere für die Typenzulassung der Endgeräte zuständig sei.
459 Eine andere Art von Interessenkonflikt ist im Urteil ERT(226) und unlängst im Urteil Raso(227) als Verstoß gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 bewertet worden. Insbesondere im letztgenannten Urteil hat der Gerichtshof deutlich dargelegt, weshalb solche Interessenkonflikte eine Bedrohung für den Wettbewerb und die Wettbewerber darstellen.
460 Ausserdem ergibt sich aus den Urteilen GB-Inno-BM(228) und Raso(229), daß die Herbeiführung des Interessenkonflikts durch das rechtliche Rahmenwerk den Verstoß gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 bewirkt. Der Feststellung eines konkreten Mißbrauchs bedarf es nicht.
461 In den vorliegenden Fällen werden die mit einem solchen Interessenkonflikt verbundenen Gefahren durch zwei weitere Merkmale des Systems beträchtlich erhöht, nämlich das Ermessen der Fonds und die beschränkte richterliche Kontrolle ihrer Entscheidungen.
462 Für eine ähnliche Situation hat der Gerichtshof, wenn auch in anderem Zusammenhang, im Urteil Meroni/Hohe Behörde entschieden:
"Es ist in diesem Zusammenhang weiter zu beachten, daß eine Übertragung von Befugnissen sich sehr verschieden auswirken kann. Handelt es sich dabei um genau umgrenzte Ausführungsbefugnisse, so unterliegt deren Ausübung einer strengen Kontrolle im Hinblick auf die Beachtung objektiver Tatbestandsmerkmale, die von der übertragenden Behörde festgesetzt werden; handelt es sich dagegen um Befugnisse, die nach freiem Ermessen auszuüben sind und die einen weiten Ermessensspielraum voraussetzen, so ermöglichen sie, je nach der Art ihrer Ausübung, die Verwirklichung einer ausgesprochenen Wirtschaftspolitik"(230).
463 Was insbesondere das Ermessen der Fonds anlangt, ist hier auf das Urteil Lagauche(231) hinzuweisen. Der belgischen Einrichtung der Funkverkehrsüberwachung war zugleich die Aufgabe anvertraut, Typenzulassungen für Funkendgeräte zu erteilen. Anders als in der Rechtssache GB-Inno-BM legte aber der Minister die technischen Voraussetzungen für die Typenzulassungen fest. Der Monopolist war also allein mit der Prüfung beauftragt, ob das Gerät die vom Minister festgelegten Erfordernisse erfuellte. Da jedes Ermessen fehlte, stellte der Gerichtshof keinen Verstoß gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 fest.
464 Was die Bedeutung der gerichtlichen Nachprüfung betrifft, mag ein Hinweis auf die genannten Urteile GB-Inno-BM(232) und Lagauche(233) genügen. In beiden Urteilen hat der Gerichtshof - allerdings im Rahmen des Artikels 30 - klargestellt, daß gegen Entscheidungen einer Einrichtung mit regelnden oder kontrollierenden Befugnissen, die möglicherweise die Rechte einzelner nach dem Gemeinschaftsrecht beeinträchtigen, der Rechtsweg eröffnet sein muß.
465 In den vorliegenden Fällen schaffen die Befreiungsleitlinien ein Rahmenwerk, das alle drei entscheidenden Merkmale, also Interessenkonflikt, Ermessen und eingeschränkte richterliche Kontrolle, aufweist. Ich bin daher, ohne daß hier ein Blick auf die neue Fassung der Befreiungsleitlinien notwendig wäre, der Meinung, daß die niederländischen Vorschriften über in das Ermessen gestellte Befreiungen im Einzelfall gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstossen.
466 Damit habe ich mich nur noch kurz mit den restlichen Argumenten der Kommission zu befassen. Sie verweist zunächst darauf, daß der Fondsverwaltung das einzige Organ sei, daß tatsächlich in der Lage sei, über Befreiungsanträge zu entscheiden, und zweitens darauf, daß eine Beschwerde bei der Versicherungskammer möglich sei.
467 Meines Erachtens wird das erste Argument - zumindest teilweise - durch das zweite widerlegt. Wenn die unabhängige Versicherungskammer Beschwerden gegen Entscheidungen des Fonds behandeln kann, wieso ist sie dann nicht fähig, Entscheidungen über Befreiungen im Einzelfall zu treffen? Weshalb sollte nicht eine andere unabhängige Einrichtung in der Lage sein, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Fonds und denen der angeschlossenen Personen herbeizuführen? Was das zweite Argument angeht, so wurde im schriftlichen und mündlichen Verfahren deutlich, daß die Versicherungskammer, wie bereits bemerkt, keine rechtlich bindenden Entscheidungen treffen kann. Die Beschwerde an die Versicherungskammer ist daher kein angemessener Rechtsbehelf.
468 Folglich verstossen Vorschriften wie die niederländischen Befreiungsleitlinien insoweit gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86, als sie den Rentenfonds die Befugnis geben, Ermessensentscheidungen über Anträge auf Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft im Einzelfall zu treffen, die richterlich nur beschränkt nachprüfbar sind.
X - Das Urteil des Gerichtshofes und seine Rechtsfolgen
469 Der Hoge Raad ersucht den Gerichtshof ausdrücklich, sich zu den Wirkungen seines Urteils zu äussern.
470 Den vorstehenden Darlegungen ist zu entnehmen, daß zwei Merkmale der niederländischen Rechtsvorschriften unterschieden werden müssen: Zwangsmitgliedschaft als solche und die Regeln über in das Ermessen gestellte Befreiungen im Einzelfall.
471 Die erste Frage würde sich nur stellen, wenn das vorlegende Gericht entscheiden sollte, daß das niederländische System der Zwangsmitgliedschaft als solches oder die Verordnung über die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft bei einem besonderen Fonds gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 86 verstösst, und betrifft die Wirkungen eines solchen Urteils.
472 Entgegen der Annahme der Fonds würde dieses nationale Urteil auf der Lex specialis der Artikel 90 Absatz 1 und 86 und nicht auf Artikel 5 Absatz 2 beruhen(234). Die Artikel 90 Absatz 1 und 86 haben unmittelbare Wirkung(235). Nationale Gesetze und Verordnungen über die Zwangsmitgliedschaft wären daher grundsätzlich unanwendbar (236).
473 Die niederländische Regierung ersucht den Gerichtshof, die zeitlichen Wirkungen seines Urteils zu begrenzen.
474 Die Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof klärt und umreisst die Bedeutung und den Umfang einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts so, wie sie seit ihrem Inkrafttreten verstanden und angewandt werden musste. Der Gerichtshof hat indessen entschieden, daß ausnahmsweise die zeitlichen Wirkungen seines Urteils angesichts des allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit und unter Berücksichtigung der schwerwiegenden Auswirkungen, die sein Urteil haben könnte, für die Vergangenheit beschränkt werden können(237).
475 Gegen eine solche Beschränkung könnte eingewandt werden, daß die betreffenden Wirtschaftsteilnehmer seit der Vorlage des Hoge Raad in der Rechtssache Van Schijndel(238) einige Zweifel bezueglich der Rechtmässigkeit der Zwangsmitgliedschaft bei Zusatzrentenfonds haben konnten(239).
476 Im Bereich der Rentenversorgung ist andererseits das Bedürfnis einer zeitlichen Begrenzung besonders dringlich. Urteile ohne solche Begrenzung könnten rückwirkend das finanzielle Gleichgewicht zahlreicher Versorgungssysteme stören und Rechtsverhältnisse in Frage stellen, deren Wirkungen sich in der Vergangenheit erschöpft haben(240). Ich möchte daher eher einer zeitlichen Begrenzung der Wirkungen des Urteils das Wort reden.
477 Es muß betont werden, daß allein der Gerichtshof über eine solche zeitliche Beschränkung zu entscheiden hat und dies nur in dem Urteil zulässig ist, in dem über die beantragte Auslegung entschieden wird(241).
478 In den vorliegenden Fällen wird nach meinen Untersuchungen das nationale Gericht letztlich über die Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden haben. Meines Erachtens hindert dies indessen den Gerichtshof nicht daran, die endgültige Entscheidung über die zeitliche Begrenzung seines Urteils zu treffen, wenn er dies ausdrücklich von der Bedingung abhängig macht, daß die vorlegenden Gerichte die niederländischen Rahmenvorschriften im Lichte seiner Auslegung als unvereinbar mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 erklären werden.
479 Das zweite Problem betrifft die Wirkungen eines Urteils, mit dem Vorschriften über die Befreiung im Einzelfall wie die in den Niederlanden geltenden für unvereinbar mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 86 erklärt werden.
480 Aufgrund der unmittelbaren Wirkung der Artikel 90 Absatz 1 und 86 sind Vorschriften über die in das Ermessen gestellte Befreiung im Einzelfall unanwendbar. Da diese Vorschriften, wie bereits ausgeführt, von den anderen getrennt werden können, werden die Bestimmungen über die Zwangsmitgliedschaft als solche nicht berührt(242). Andere Wirkungen wären wiederum innerhalb der durch das Gemeinschaftsrecht gesetzten Grenzen Sache des nationalen Rechts.
XI - Ergebnis
Demgemäß sind die in diesen Rechtssachen vorgelegten Vorabentscheidungsfragen meines Erachtens wie folgt zu beantworten.
1. Es stellt keinen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dar, wenn Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einem bestimmten Wirtschaftszweig einen Tarifvertrag über die Schaffung eines einheitlichen Branchenrentenfonds abschließen und gemeinsam bei den Behörden beantragen, für alle zu dieser Branche gehörigen Personen die Zwangsmitgliedschaft in diesem Fonds anzuordnen.
2. Es ist kein Verstoß gegen die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat auf Antrag der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern für alle zu dieser Branche gehörenden Unternehmen die Zwangsmitgliedschaft in einem Branchenrentensystem anordnet.
3. Die niederländischen Branchenrentenfonds sind "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags.
4. Artikel 90 Absatz 1 und Artikel 86 EG-Vertrag schließen Bestimmungen über Zwangsmitgliedschaft bei Branchenrentenfonds wie die in den Niederlanden geltenden nur dann aus, wenn der Fonds wegen der Rahmenvorschriften und der Verordnung, mit der die Zwangsmitgliedschaft angeordnet wird, offensichtlich nicht in der Lage sind, den Bedarf zu befriedigen, und wenn die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft die den Fonds anvertraute Erbringung von Diensten im allgemeinen Interesse nicht beeinträchtigen würde.
Artikel 90 Absatz 1 und Artikel 86 EG-Vertrag schließen Bestimmungen wie die in den Niederlanden geltenden Befreiungsleitlinien aus, soweit diese die Branchenrentenfonds ermächtigen, Ermessensentscheidungen über Anträge auf Befreiung von der Zwangsmitgliedschaft im Einzelfall zu treffen, die nur beschränkter gerichtlicher Überprüfung unterliegen.
5. Verstossen nationale Rechtsvorschriften gegen Artikel 90 Absatz 1 und Artikel 86 EG-Vertrag, so sind sie unanwendbar, falls nicht der Gerichtshof Beschränkungen wegen der zeitlichen Wirkungen seines Urteils anordnet.
(1) - Staatsblad 1956, 281.
(2) - Urteil vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (Slg. 1995, I-4705).
(3) - Staatsblad 1949, J 121.
(4) - Kamerstukken II 1948-1949, 785, Nr. 5, S. 2.
(5) - Hand. II, 1. Februar 1949, S. 1101.
(6) - Staatscourant 1953, 1.
(7) - E. Lutjens, Pensiönvoorzieningen voor werknemers: juridische beschouwingen over ouderdomspensiön, Zwolle, 1989, S. 364.
(8) - Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-83/91 (Slg. 1992, I-4871).
(9) - Urteil vom 26. Januar 1993 in den Rechtssachen C-320/90, C-321/90, und C-322/90 (Slg. 1993, I-393).
(10) - Beschluß vom 21. Dezember 1995 in der Rechtssache C-307/95 (Slg. 1995, I-5073).
(11) - Urteile Meilicke (zitiert in Fußnote 8, Randnr. 26) und Telemarsicabruzzo (zitiert in Fußnote 9, Randnr. 6).
(12) - Urteil Telemarsicabruzzo (zitiert in Fußnote 9, Randnr. 7) und Beschluß vom 19. März 1993 in der Rechtssache C-157/92 (Banchero, Slg. 1993, I-1085, Randnr. 5).
(13) - Beschluß Max Mara (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 8) und Beschluß vom 12. März 1996 in der Rechtssache C-326/95 (Banco de Fomento e Exterior, Slg. 1996, I-1385, Randnr. 7).
(14) - Beschluß Max Mara (zitiert in Fußnote 10, Randnr. 8) und Beschluß vom 20. März 1996 in der Rechtssache C-2/96 (Sunino und Data, Slg. 1996, I-1543, Randnr. 5).
(15) - Frage 1 in der Rechtssache Brentjens, Frage 2 in der Rechtssache Drijvende Bokken.
(16) - Frage 2 in der Rechtssache Brentjens, Frage 3 in der Rechtssache Drijvende Bokken und in gewissem Umfang Frage 2 in der Rechtssache Albany.
(17) - Frage 3 in der Rechtssache Brentjens, Frage 1 in der Rechtssache Drijvende Bokken und Frage 1 in der Rechtssache Albany.
(18) - Frage 4 in der Rechtssache Brentjen, Fragen 4 und 5 in der Rechtssache Drijvende Bokken und Frage 3 in der Rechtssache Albany.
(19) - Frage 6 in der Rechtssache Drijvende Bokken.
(20) - Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (zitiert in Fußnote 2).
(21) - Vgl. aber Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache C-415/93 (Bosman u. a., Slg. 1995, I-4921, Nrn. 273 und 274); vgl. auch Entscheidung 86/507/EWG der Kommission vom 30. September 1986, Irish Banks' Standing Committee (ABl. L 295, S. 28) und Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 777/89 (ABl. 1990, LC 328, S. 3). Ich werde diese Ausführungen später eingehend erörtern.
(22) - Artikel 7 der Ordonnance Nr. 86-1243 vom 1. Dezember 1986.
(23) - Entscheidung Nr. 90-D-21 des Conseil de la concurrence vom 26. Juli 1990 (Syndicats d'artistes-interprètes).
(24) - Cour d'appel Paris, 1. Kammer, 6. März 1991, Syndicat français des artistes interprètes et autres, abgedruckt in Contrats-Concurrence-Consommation 1991, 108: "[L]a prohibition édictée par l'ordonnance ... intéresse toute forme de concertation, quels qu'en soient les auteurs et les victimes directes, dès lors qu'objectivement elles ont pour objet ou peuvent avoir pour effet d'empêcher, de restreindre ou de fausser le jeu de la concurrence sur un marché".
(25) - Vgl. die Begründung der in Fußnote 23 zitierten Entscheidung des Conseil de la concurrence.
(26) - Avis Nr. 92-A-01 des Conseil de la Concurrence vom 21. Januar 1992, Syndicat français des assureurs-conseils.
(27) - Kom. 1987:4, S. 61; HE 148/1987 vp., S. 14, und HE 162/1991 vp., S. 9.
(28) - KHO taltio 1586, 11. April 1995.
(29) - Lov Nr. 384 vom 10. Juni 1997.
(30) - Ufr. 1965.634H cf. Ufr. 1965B.260.
(31) - (Wiedergabe des deutschen Textes)
(32) - Amtliche Begründung für den Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drucksache 2/1158, S. 30.
(33) - Urteil vom 27. Juni 1989, 1 AZR 404/88, Teilabdruck WuW/E VG 347 (S. 41).
(34) - Brief des Bundeskartellamts vom 31. Januar 1961 - Z 2 - 121 100 - 465/60, abgedruckt WuW/E BKartA 339 (S. 305).
(35) - Stellungnahme des Bundeskartellamts vom 3. April 1989 in einem Verfahren beim Landgericht Berlin - P-178/88, Zusammenfassung WuW 1989, S. 563 und 564.
(36) - Urteil des Kammergerichts vom 21. Februar 1990 - Kart. U 4357/89, abgedruckt WuW/E OLG 4531 (S. 945).
(37) - Vgl. Fußnote 35.
(38) - R. Whish, Competition Law, Butterworths, 3. Auflage, 1993, S. 77. Vgl. auch die Ausnahmen für Arbeit in Section 9(6) (Güter) und Section 18(6) (Dienstleistungen) des früheren Restrictive Trade Practices Act 1976: Vereinbarungen über Entgelt, Einstellungsbedingungen, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen waren nicht eintragungsfähig.
(39) - Labour Practices in TV and Film-Making, Cm 666 (1989).
(40) - "Every contract, combination in the form of trust or otherwise, or conspiracy, in restraint of trade or commerce among the several States or with foreign nations is hereby declared to be illegal." (Jeder Vertrag, jeder Zusammenschluß in Form eines Trusts oder anderweit, oder jedes Zusammenwirken, das den Wettbewerb in Handel oder Gewerbe zwischen den einzelnen Staaten der Union oder mit fremden Nationen beschränkt, wird hiermit für rechtswidrig erklärt.)
(41) - Duplex Printing Preß Co. v Deering, 254 US 443.
(42) - 312 US 219.
(43) - Connell Constructions v Plumbers and Steamfitters Local Union No. 100, 2. Juni 1975, 421 US 616.
(44) - 7. Juni 1965, 381 US 657.
(45) - 7. Juni 1965, 381 US 676.
(46) - 116 S. Ct. 2116 (1996).
(47) - Vgl. z. B. Urteil vom 30. April 1986 in den verbundenen Rechtssachen 209/84 bis 213/84 (Asjes, Slg. 1986, 1425, Randnr. 40).
(48) - Urteile vom 30. April 1986 (Asjes, zitiert in Fußnote 47, Randnr. 40) und vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Säed Flugreisen, Slg. 1989, 803).
(49) - Urteil vom 27. April 1994 in der Rechtssache C-393/92 (Almelo u. a., Slg. 1994, I-1477).
(50) - Urteil vom 14. Juli 1981 in der Rechtssache 172/80 (Zuechner, Slg. 1981, 2021, Randnrn. 6 bis 9).
(51) - Urteil vom 27. Januar 1987 in der Rechtssache 45/85 (Verband der Sachversicherer, Slg. 1987, 405).
(52) - Urteil Verband der Sachversicherer (zitiert in Fußnote 51, Randnr. 15).
(53) - Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979).
(54) - Urteil vom 11. Dezember 1997 in der Rechtssache C-55/96 (Job Centre, Slg. 1997, I-7119).
(55) - Urteil vom 17. Februar 1993 in den Rechtssachen C-159/91 und C-160/91 (Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637).
(56) - Urteil vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-244/94 (Fédération française des sociétés d'assurance, Slg. 1995, I-4013).
(57) - Urteil vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95 (Sodemare u. a., Slg. 1997, I-3395, Randnr. 43).
(58) - Urteil vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-238/94 (García u. a., Slg. 1996, I-1673).
(59) - Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadensversicherung) (ABl. L 228, S. 1).
(60) - Vgl. in diesem Sinne auch Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman: "Es gibt nämlich meines Erachtens keine Regel des Inhalts, daß Absprachen, die Arbeitsverhältnisse betreffen, generell und vollständig dem Anwendungsbereich der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags entzogen wären" (Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93, zitiert in Fußnote 21, Nr. 273). In Randnr. 138 des Urteils hat der Gerichtshof erklärt, daß über eine Auslegung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag nicht entschieden zu werden brauche.
(61) - Urteil vom 5. Oktober 1993 in der Rechtssache C-280/93 (Deutschland/Rat, Slg. 1993, I-4973, Randnrn. 78 und 87).
(62) - Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer, beschlossen von den Staats- und Regierungshäuptern der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf ihrer Sitzung vom 9. Dezember 1989.
(63) - Gutachten 2/94 (Slg. 1996, I-1759, Randnr. 33).
(64) - Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89 (ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 41).
(65) - Urteil vom 8. Oktober 1974 in der Rechtssache 175/73 (Union Syndicale u. a., Slg. 1974, 917, Randnr. 14).
(66) - Urteil in der Rechtssache C-415/93 (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 79 und 80).
(67) - Urteil vom 18. Januar 1990 in den verbundenen Rechtssachen 193/87 und 194/87 (Henri Maurissen und Gewerkschaftsbund/Rechnungshof, Slg. 1990, I-95, Randnrn. 11 bis 16 und 21).
(68) - Urteil Nationaal Syndikaat van de Belgische Politie vom 27. Oktober 1975, CEDH, Serie A, Band 19, Randnr. 39.
(69) - Urteil Nationaal Syndikaat van de Belgische Politie (zitiert in Fußnote 68, Randnr. 40).
(70) - Urteil Nationaal Syndikaat van de Belgische Politie (zitiert in Fußnote 68, Randnr. 39); Urteil Svenska Lokmannaförbundet vom 6. Februar 1986, CEDH, Serie A, Band 20, Randnr. 40.
(71) - Urteil Nationaal Syndikaat van de Belgische Politie (zitiert in Fußnote 68, Randnr. 38).
(72) - Urteil Svenska Lokmannaförbundet (zitiert in Fußnote 70, Randnr. 39).
(73) - Urteil Schmidt und Dahlström vom 6. Februar 1976, CEDH, Serie A, Band 21, Randnr. 36).
(74) - Zitiert in Fußnote 70, Randnr. 38.
(75) - Urteil Nationaal Syndikaat van de Belgische Politie (zitiert in Fußnote 68, Randnr. 38). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich bei seiner Auslegung des Artikels 11 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zur Bedeutung von Artikel 6 Absatz 1 der Charta geäussert.
(76) - Urteil Svenska Lokmannaförbundet (zitiert in Fußnote 70, Randnr. 39). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat sich bei seiner Auslegung des Artikels 11 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten erneut zur Bedeutung von Artikel 6 Absatz 1 der Charta geäussert.
(77) - Urteil Schmidt und Dahlström (zitiert in Fußnote 73, Randnr. 34).
(78) - Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 25. April 1996, R.J.D., 1996-II, Nr. 9.
(79) - Teilweise abweichende Meinung der Richter Ryßdal, Spielmann, Palm, Foighel, Pekkanen, Loizou, Makarczyk und Repik in der Sache Gustafsson/Schweden (zitiert in Fußnote 78).
(80) - Abweichende Meinung des Richters Martens, dem Richter Matscher zustimmt, in der Sache Gustafsson/Schweden (zitiert in Fußnote 78, Nr. 6).
(81) - Urteil Gustafsson/Schweden (zitiert in Fußnote 78, Randnr. 45).
(82) - Urteil Gustafsson/Schweden (zitiert in Fußnote 78, Randnr. 53).
(83) - Urteile vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-15/96 (Schöning-Kougebetopoulou, Slg. 1998, I-47) und vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-35/97 (Kommission/Frankreich, Slg. 1998, I-5325
(84) - Urteil vom 13. Mai 1986 in der Rechtssache 170/84 (Bilka-Kaufhaus GmbH, Slg. 1986, 1607).
(85) - Urteil vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-44/94 (Fishermen's Organisations u. a., Slg. 1995, I-3115, Randnr. 55).
(86) - ABl. 1992, C 191, S. 90.
(87) - Vgl. z. B. die Artikel 4, 6, 17 Absatz 3 und 18 Absatz 1 der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18).
(88) - Irish Bank's Standing Committee (ABl. 1986, L 295, S. 28, Nr. 16).
(89) - Bekanntmachung der Kommission über die Beurteilung kooperativer Gemeinschaftsunternehmen nach Artikel 85 des EWG-Vertrags, ABl. 1993, C 43, S. 2 (III.2, Buchstabe d).
(90) - Urteile vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76 (Metro, Slg. 1977, 1875, Randnr. 43), vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84 (Remia, Slg. 1985, 2545, Randnr. 42); Entscheidungen Kunstfasern (ABl. 1984, L 207, S. 17, Randnr. 37) und Ford/Volkswagen (ABl. 1993, L 20, S. 14, Randnr. 23).
(91) - Urteil vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889).
(92) - Urteil in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, zitiert in Fußnote 53).
(93) - Vgl. z. B. Urteile vom 4. Mai 1988 in der Rechtssache 30/87 (Bodson, Slg. 1988, 2479), Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53) und vom 19. Januar 1994 in der Rechtssache C-364/92 (SAT Fluggesellschaft, Slg. 1994, I-43).
(94) - Urteil vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-73/95 P (Viho, Slg. 1996, I-5457) und die dort in Randnr. 16 zitierten Urteile.
(95) - Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 170/83 (Hydrotherm, Slg. 1984, 2999, Randnr. 11, Hervorhebung von mir).
(96) - Rechtssache C-41/90 (zitiert in Fußnote 53).
(97) - Urteil vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-343/95 (Calì & Figli, Slg. 1997, I-1547).
(98) - Urteil vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie, Slg. 1975, 1663, Randnr. 539).
(99) - A. a. O., Randnr. 542.
(100) - Urteil in der Rechtssache 262/88, zitiert in Fußnote 91).
(101) - Vgl. Urteile Calì & Figli (zitiert in Fußnote 96) und Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53).
(102) - Vgl. kürzlich zu italienischen Zollspediteuren Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851).
(103) - Für einen detaillierten Vergleich mit "normalen" Unternehmen vgl. Urteil Kommission/Italien (zitiert in Fußnote 102, Randnrn. 36 bis 38).
(104) - Z. B. die Artikel 48 und 59 EG-Vertrag.
(105) - Vgl. Urteil vom 29. Oktober 1980 in den verbundenen Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78 (Van Landewijck, Slg. 1980, 3125, Randnr. 88), und Urteil in der Rechtssache C-244/94, zitiert in Fußnote 56, Randnr. 21.
(106) - Davon geht stillschweigend das Urteil vom 21. März 1974 in der Rechtssache 123/73 (BRT, Slg. 1974, 313, Randnr. 7) aus; vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Mayras in dieser Rechtssache, S. 322; Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, zitiert in Fußnote 21, Nr. 256).
(107) - Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, zitiert in Fußnote 21, Nr. 258).
(108) - Vgl. die Probleme im Beschluß des Gerichts vom 4. Juni 1996 in der Rechtssache T-18/96 R (SCK und FNK, Slg. 1996, II-407) und im Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997 in der Rechtssache T-213/95 und T-18/96 (SCK und FNK, Slg. 1997, II-1739).
(109) - Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83 (BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 17).
(110) - Urteil vom 15. Mai 1975 in der Rechtssache 71/74 (Frubo/Kommission, Slg. 1975, 563, Randnrn. 30 und 31).
(111) - Urteil vom 20. Juni 1978 in der Rechtssache 28/77 (Tepea, Slg. 1978, 1391, Randnr. 41).
(112) - Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82 (AEG, Slg. 1983, 3151, Randnr. 38).
(113) - Urteil vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69 (ACF Chemiefarma, Slg. 1970, 661, Randnr. 112) sowie Urteil Van Landewyck (zitiert in Fußnote 105, Randnr. 86).
(114) - Zitiert in Fußnote 88.
(115) - Urteile vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92 (Gottrup-Klim, Slg. 1994, I-5641, Randnr. 31); vom 12. Dezember 19995 in der Rechtssache C-399/93 (Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-3515, Randnr. 10), vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94 (European Night Services, Slg. 1998, II-3141, Randnrn. 136 und 137).
(116) - Urteile vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65 (Société Technique Minière, Slg. 1966, 337), vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89 (Delimitis, Slg. 1991, I-935), vom 8. Juni 1971 in der Rechtssache 78/70 (Deutsche Grammophon, Slg. 1971, 487), vom 8. Juni 1982 in der Rechtssache 258/78 (Nungesser, Slg. 1982, 2015) und vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 161/84 (Pronuptia, Slg. 1986, 353).
(117) - Urteil in der Rechtssache C-399/93 (zitiert in Fußnote 115, Randnr. 12).
(118) - ABl. 1968, C 75, S. 3, Berichtigung ABl. 1968, C 84, S. 14.
(119) - ABl. 1993, C 43, S. 2.
(120) - Urteil in der Rechtssache C-399/93 (zitiert in Fußnote 115, Randnrn. 13 und 14).
(121) - Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82 (VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 37), und des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89 (Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnrn. 115 bis 119) und Entscheidung 94/815/EWG der Kommission vom 30. November 1994 (Zement) (L 343, S. 112, Randnr. 8).
(122) - Vgl. Entscheidung Zement (zitiert in Fußnote 121).
(123) - Urteil vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-2/91 (Meng, Slg. 1993, I-5751).
(124) - Urteil vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-245/91 (Ohra, Slg. 1993, I-5851).
(125) - Urteile vom 21. September 1988 in der Rechtssache 267/86 (Van Eycke, Slg. 19888, 4769, Randnr. 16), in der Rechtssache C-2/91 (zitiert in Fußnote 123, Randnr. 14), vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-185/91 (Reiff, Slg. 1993, I-5801, Randnr. 14), in der Rechtssache C-245/91 (zitiert in Fußnote 124, Randnr. 14), vom 9. Juni 1994 in der Rechtssache C-153/93 (Delta Schiffahrts- und Speditionsgesellschaft, Slg. 1994, I-2517, Randnr. 14), vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94 (Centro Servizi Spediporto, Slg. 1994, I-2883, Randnrn. 20 und 21), vom 17. Oktober 1995 in den Rechtssachen C-140/94, C-141/94 und C-142//94 (DIP u. a., Slg. 1995, I-3257, Randnrn. 14 und 15), in der Rechtssache C-70/95 (zitiert in Fußnote 57, Randnrn. 41 und 42), vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-266/96 (Corsica Ferries France, Slg. 1998, I-3949, Randnrn. 35, 36 und 39) sowie in der Rechtssache C-35/96 (Kommission/Italien, zitiert in Fußnote 102, Randnrn. 53 und 54).
(126) - Urteile in der Rechtssache C-2/91 (zitiert in Fußnote 123) und in der Rechtssache C-245/91 (zitiert in Fußnote 124).
(127) - Vgl. z. B. Urteil Corsica Ferries France (zitiert in Fußnote 125, Randnr. 51).
(128) - Urteil vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93 (Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 15).
(129) - Vgl. Nr. 207 dieser Schlussanträge.
(130) - Zitiert in Fußnote 55.
(131) - Zitiert in Fußnote 2.
(132) - Zitiert in Fußnote 56.
(133) - Vgl. Nr. 214 dieser Schlussanträge.
(134) - Urteile Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53, Randnr. 21) und Job Centre (zitiert in Fußnote 54, Randnr. 21).
(135) - Urteil Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53).
(136) - Urteil vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599, Randnrn. 6 bis 16) und vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-387/93 (Banchero, Slg. 1995, I-4663, Randnr. 50).
(137) - Zitiert in Fußnote 97.
(138) - Zitiert in Fußnote 105, Randnr. 88, sowie Schlussanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman (zitiert in Fußnote 21, Nr. 255).
(139) - Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409, Randnrn. 13 und 14).
(140) - Urteil vom 20. März 1985 in der Rechtssache 41/83 (Kommission/Italien, Slg. 1985, 873, Randnrn. 18 und 19).
(141) - Urteil vom 19. Mai 1993 in der Rechtssache C-320/91 (Corbeau, Slg. 1993, I-2533, Randnr. 8).
(142) - Urteile ERT (zitiert in Fußnote 64, Randnr. 33) und vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84 (CBEM Slg. 1985, 3261, Randnr. 17).
(143) - Urteil vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90 (Merci Convenzionali Porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 9).
(144) - Urteil Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53, Randnr. 22).
(145) - Urteile vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82 (IAZ/Kommission, Slg. 1993, 3369, Randnr. 20) und in der Rechtssache 71/74 (Frubo/Kommission, zitiert in Fußnote 110, Randnrn. 30 und 31).
(146) - Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89 (Enichem, Slg. 1991, II-1623, Randnr. 235).
(147) - Urteile in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, zitiert in Fußnote 136, Randnrn. 7 und 8) und Calì & Figli (zitiert in Fußnote 97, Randnrn. 16 und 17).
(148) - Zitiert in Fußnote 93, Randnr. 18.
(149) - Urteile in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, zitiert in Fußnote 136, Randnrn. 7 und 8) sowie Calì & Figli (zitiert in Fußnote 97, Randnrn. 16 und 17).
(150) - Urteile SAT Fluggesellschaft (zitiert in Fußnote 93, Randnr. 30) und Calì & Figli (zitiert in Fußnote 97, Randnrn. 22 und 23).
(151) - Urteil Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53).
(152) - Zitiert in Fußnote 55.
(153) - Zitiert in Fußnote 2, Nrn. 53 bis 65 der Schlussanträge.
(154) - Zitiert in Fußnote 56.
(155) - Vgl. Nr. 312 und Fußnoten 134 bis 137 dieser Schlussanträge.
(156) - Randnr. 14 in Verbindung mit Randnr. 16.
(157) - Randnr. 11.
(158) - Randnr. 18.
(159) - Vgl. Nr. 312 und Fußnoten 138 und 139 dieser Schlussanträge.
(160) - Vgl. Nr. 313 und Fußnoten 145 und 146 dieser Schlussanträge.
(161) - Randnr. 12.
(162) - Randnr. 15.
(163) - Randnrn. 10 und 18.
(164) - Randnr. 15.
(165) - Randnr. 19.
(166) - Randnr. 9.
(167) - Randnr. 10.
(168) - Randnr. 13.
(169) - Randnr. 15.
(170) - Randnrn. 17 und 22.
(171) - Vgl. Nr. 15 dieser Schlussanträge.
(172) - Zitiert in Fußnote 53.
(173) - Urteil vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88 (Slg. 1991, I-5941).
(174) - Vgl. Nr. 301 dieser Schlussanträge.
(175) - Urteil vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77 (GB-Inno-BM, Slg. 1977, 2115, Randnrn. 30 und 31), in der Rechtssache 66/86 (Ahmed Säed Flugreisen, zitiert in Fußnote 48, Randnr. 48), und in der Rechtssache C-260/89 (ERT, zitiert in Fußnote 64, Randnr. 35).
(176) - Vgl. Nrn. 298 bis 305 dieser Schlussanträge.
(177) - Urteile GB-Inno-BM (zitiert in Fußnote 175, Randnrn. 32 und 42) und Ahmed Säed Flugreisen (zitiert in Fußnote 48, Randnr. 50).
(178) - Urteil Centre d'insémination de la Crespelle (zitiert in Fußnote 128, Randnr. 15).
(179) - Urteile vom 29. November 1978 in der Rechtssache 83/78 (Pigs Marketing Board, Slg. 1978, 2347, Randnrn. 43 und 44), CBEM (zitiert in Fußnote 142, Randnrn. 16 und 17) und Centre d'insémination de la Crespelle (zitiert in Fußnote 128, Randnrn. 24 bis 27).
(180) - Urteil vom 11. November 1997 in den Rechtssachen C-359/95 P und C-379/95 P (Kommission und Frankreich/Ladbroke Racing (Slg. 1997, I-6225, Randnrn. 32 bis 37).
(181) - Urteile CBEM (zitiert in Fußnote 142, Randnr. 16), Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53, Randnr. 28), ERT (zitiert in Fußnote 64, Randnr. 31), Merci Convenzionali Porto di Genova (zitiert in Fußnote 143, Randnr. 14), vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-266/96 (Raso u. a. Slg. 1998, I-533, Randnr. 25) und Corsica Ferries France (zitiert in Fußnote 125, Randnr. 39).
(182) - Urteil CBEM (zitiert in Fußnote 142, Randnr. 16).
(183) - Urteil vom 13. November 1975 in der Rechtssache 26/75 (General Motors, Slg. 1975, 1367, Randnr. 9).
(184) - Urteil Centre d'insémination de la Crespelle (zitiert in Fußnote 128, Randnr. 20).
(185) - Vgl. z. B. Urteile CBEM (zitiert in Fußnote 142, Randnr. 17), Höfner und Elser (zitiert in Fußnote 53, Randnr. 29), Merci Convenzionali Porto di Genova (zitiert in Fußnote 143, Randnr. 16) und Corbeau (zitiert in Fußnote 141, Randnr. 11).
(186) - Urteil in der Rechtssache C-323/93 (Centre d'insémination de la Crespelle, zitiert in Fußnote 128).
(187) - Für eine ähnliche Argumentation vgl. Urteile Banchero (zitiert in Fußnote 136) und Job Centre (zitiert in Fußnote 54).
(188) - Urteil vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88 (Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnr. 22).
(189) - Vgl. z. B. Urteile Merci Convenzionali Porto di Genova (zitiert in Fußnote 143, Randnr. 17) und vom 25. Juni 1998 in der Rechtssache C-203/96 (Dusseldorp u. a., Slg. 1998, I-4075, Randnr. 61).
(190) - Zitiert in Fußnote 64; ferner Urteile Merci Convenzionali Porto di Genova (zitiert in Fußnote 143) und Raso u. a. ( zitiert in Fußnote 181).
(191) - Zitiert in Fußnote 53 und Urteil Job Centre (zitiert in Fußnote 54).
(192) - Zitiert in Fußnote 141; ferner Urteile Corsica Ferries France (zitiert in Fußnote 125) und Sacchi (zitiert in Fußnote 139).
(193) - Zitiert in Fußnote 181.
(194) - Zitiert in Fußnote 143.
(195) - Randnr. 19.
(196) - Urteile Raso u. a. (zitiert in Fußnote 181, Randnr. 31) und vom 13. Dezember 1991 (GB-Inno-BM, zitiert in Fußnote 173, Randnrn. 23 und 24).
(197) - Zitiert in Fußnote 53.
(198) - Randnrn. 29 bis 31.
(199) - Zitiert in Fußnote 54.
(200) - Randnr. 34 des Urteils.
(201) - Zitiert in Fußnote 141.
(202) - Randnr. 14.
(203) - Zitiert in Fußnote 125.
(204) - Zitiert in Fußnote 139.
(205) - Randnr. 14, dritter Abschnitt.
(206) - Seite 443.
(207) - Urteile BRT (zitiert in Fußnote 106, Randnr. 23) und Zuechner (zitiert in Fußnote 50, Randnr. 7, e contrario).
(208) - Richtlinie 98/49/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 46).
(209) - Urteil vom 23. Oktober 1997 in der Rechtssache C-157/94 (Kommission/Niederlande, Slg. 1997, I-5699, Randnr. 39).
(210) - Urteil Kommission/Niederlande (zitiert in Fußnote 209, Randnr. 37).
(211) - Urteil Kommission/Niederlande (zitiert in Fußnote 209, Randnr. 40).
(212) - Urteile vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 38/82 (Duphar u. a., Slg. 1984, 523, Randnr. 16); Poucet und Pistre (zitiert in Fußnote 55, Randnr. 6) und Sodemare u. a. (zitiert in Fußnote 57, Randnr. 27).
(213) - Urteil in der Rechtssache C-157/94 (Kommission/Niederlande, zitiert in Fußnote 209, Randnr. 43).
(214) - Vgl. Nrn. 352 bis 363 dieser Schlussanträge.
(215) - Urteil vom 13. Dezember 1991 (zitiert in Fußnote 173).
(216) - Urteil in der Rechtssache C-18/88, erörtert in Nr. 392 dieser Schlussanträge.
(217) - Vgl. Nr. 360 dieser Schlussanträge.
(218) - Zitiert in Fußnote 188.
(219) - Vgl. Randnr. 13 des Urteils.
(220) - Randnr. 51.
(221) - Urteil vom 13. Dezember 1991 (zitiert in Fußnote 173, Randnr. 26).
(222) - Urteil vom 9. November 1995 in der Rechtssache C-91/94 (Slg. 1995, I-3911, Randnr. 19).
(223) - Urteile vom 17. November 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-271/90, C-281/90, C-289/90 (Spanien u. a./Kommission, "Telekommunikationdienste", Slg. 1992, I-5833, Randnr. 22), vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-69/91 (Decoster, Slg. 1993, I-5335) und vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-92/91 (Taillandier, Slg. 1993, I-5383.
(224) - Zitiert in Fußnote 223.
(225) - Zitiert in Fußnote 223.
(226) - Zitiert in Fußnote 64, Randnr. 37.
(227) - Zitiert in Fußnote 181, Randnrn. 28 bis 31.
(228) - Urteil vom 13. Dezember 1991 (zitiert in Fußnote 173, Randnrn. 23 und 24).
(229) - Randnr. 31.
(230) - Urteil vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56 (Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11, 43).
(231) - Urteil vom 27. Oktober 1993 in den Rechtssachen C-46/90 und C-93/91 (Slg. 1993, I-5267).
(232) - Urteil vom 13. Dezember 1991 (zitiert in Fußnote 173, Randnrn. 34 bis 36).
(233) - Zitiert in Fußnote 231, Randnrn. 25 bis 29.
(234) - Vgl. Nr. 304 dieser Schlussanträge und Urteil Centre d'insémination de la Crespelle (zitiert in Fußnote 128, Randnr. 15).
(235) - Urteil Merci Convenzionali Porto di Genova (zitiert in Fußnote 143, Randnr. 23).
(236) - Urteile vom 4. April 1968 in der Rechtssache 34/67 (Lück, Slg. 1968, 364, 371) und vom 22. Oktober 1998 in den Rechtssachen C-22/97 bis C-22/97 (IN.CO.GE. '90 Srl u. a., Slg. 1998, I-6307, Randnrn. 18 bis 21).
(237) - Urteil vom 15. September 1998 in der Rechtssache C-231/96 (EDIS, Slg. 1998, I-4951, Randnrn. 15 und 16).
(238) - Zitiert in Fußnote 2.
(239) - Urteil Bosman u. a. (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 146).
(240) - Urteil Barber (zitiert in Fußnote 91, Randnr. 44).
(241) - Urteil vom 27. März 1980 in den Rechtssachen 66/79, 127/79 und 128/79 (Salumi, Slg. 1980, 1237, Randnr. 11).
(242) - Siehe für eine vergleichbare Situation Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache C-69/91 (Decoster, zitiert in Fußnote 223, S. 5371).