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Document 61988CC0177

VERBUNDENE SCHLUSSANTRAEGE DES GENERALANWALTS DARMON VOM 14. NOVEMBER 1989.
ELISABETH JOHANNA PACIFICA DEKKER GEGEN STICHTING VORMINGSCENTRUM VOOR JONG VOLWASSENEN PLUS.
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOGE RAAD - NIEDERLANDE.
RECHTSSACHE 177/88.
HANDELS- OG KONTORFUNKTIONAERERNES FORBUND I DANMARK GEGEN DANSK ARBEJDSGIVERFORENING.
ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG : HOEJESTERET - DAENEMARK.
GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN.
RECHTSSACHE 179/88.

European Court Reports 1990 I-03941

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1989:424

61988C0177

VERBUNDENE SCHLUSSANTRAEGE DES GENERALANWALTS DARMON VOM 14. NOVEMBER 1989. - ELISABETH JOHANNA PACIFICA DEKKER GEGEN STICHTING VORMINGSCENTRUM VOOR JONG VOLWASSENEN PLUS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOGE RAAD - NIEDERLANDE. - RECHTSSACHE 177/88. - HANDELS- OG KONTORFUNKTIONAERERNES FORBUND I DANMARK GEGEN DANSK ARBEJDSGIVERFORENING. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG : HOEJESTERET - DAENEMARK. - GLEICHBEHANDLUNG VON MAENNERN UND FRAUEN. - RECHTSSACHE 179/88.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-03941
Schwedische Sonderausgabe Seite 00555
Finnische Sonderausgabe Seite 00579


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Der Hoge Raad der Nederlanden und das dänische Höjesteret fordern Sie jeweils mit einer Reihe von Fragen auf, sich allgemein Gedanken über die Mutterschaft und über den Platz zu machen, der ihr angesichts des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern im wirtschaftlichen und sozialen Leben unserer europäischen Gesellschaften zukommt .

2 . Der Sachverhalt, der der Rechtssache C-177/88 zugrunde liegt, lässt sich wie folgt zusammenfassen . Frau Dekker bewarb sich im Juni 1981 um die Stelle als Erzieherin beim Bildungszentrum für junge Erwachsene ( PLUS ) in Wormer ( Niederlande ) ( nachstehend : "Bildungszentrum "). Am 15 . Juni 1981 teilte sie dem mit der Prüfung der Bewerbungen beauftragten Ausschuß mit, daß sie seit drei Monaten schwanger sei . Der Ausschuß schlug sie der Leitung des Bildungszentrums als für die fragliche Tätigkeit geeignetsten Bewerber vor . Am 10 . Juli 1981 erhielt Frau Dekker jedoch ein Schreiben, in dem ihr das Bildungszentrum mitteilte, es habe beschlossen, sie nicht einzustellen, weil es nach Befragung des Risicofonds Sociale Voorzieningen Bijzonder Onderwijs ( Risikofonds für die Sozialvorsorge im Bereich der besonderen Bildungsanstalten, nachstehend : "Risikofonds ") erfahren habe, daß ihm das Krankengeld, das es zu zahlen haben würde, durch den Fonds nicht erstattet würde, so daß es während des Mutterschaftsurlaubs keinen Vertreter einstellen könnte .

3 . Die Angestellten des Bildungszentrums fallen nicht unter das allgemeine Gesetz über die Krankenversicherung ( Ziektewet ), sondern unter eine königliche Verordnung vom 19 . Dezember 1967 ( 1 ) ( nachstehend : "Verordnung ") sowie unter eine das Krankengeld betreffende Regelung ( Ziekengeldreglement; nachstehend : "Regelung "), die Ausnahmen vorsehen kann . Die durch diese Regelung begründeten Rechte der Arbeitnehmer dürfen jedoch nicht weniger vorteilhaft sein als diejenigen, die sich für sie aus der Anwendung der Verordnung ergeben würden ( 2 ). Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung stellt aber die Verhinderung an der Arbeitsleistung wegen Schwangerschaft und Entbindung der Verhinderung wegen Krankheit gleich . Im übrigen heisst es in Artikel 6 der Regelung : "Die Verwaltung (( des Risikofonds )) kann die Zahlung von Krankengeld an eine angeschlossene Person ganz oder teilweise ablehnen ..., wenn ein Versicherter innerhalb eines halben Jahres nach Versicherungsbeginn zur Verrichtung seiner Arbeit unfähig geworden ist und aufgrund seines Gesundheitszustands im Zeitpunkt des Versicherungsbeginns mit dem Eintritt dieser Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines halben Jahres erkennbar zu rechnen war ." In diesem Fall erhält der Arbeitgeber, der dem Angestellten während des Krankheitsurlaubs Krankengeld zu zahlen ( 3 ) und sich wegen der Erstattung dieser Beträge an den Risikofonds zu halten hat, von diesem keine Erstattung, bleibt also selbst mit dem Krankengeld belastet .

4 . Es scheint festzustehen, daß es zwar im Ermessen des Risikofonds gestanden hätte, das Krankengeld, das das Bildungszentrum Frau Dekker während deren Mutterschaftsurlaubs hätte zahlen müssen, zu übernehmen oder die Übernahme abzulehnen, daß er aber eine solche Übernahme bereits früher unter ähnlichen Umständen verweigert hat . Im Vorlageurteil wird im übrigen festgestellt, daß das Bildungszentrum offenbar nicht rechtswidrig gehandelt habe, indem es für den Fall, daß es Frau Dekker eingestellt hätte, als gewiß angenommen habe, daß sich der Risikofonds weigern würde, ihm das Krankengeld zu erstatten, das er seiner Angestellten zu zahlen hätte .

5 . Die ersten beiden Instanzen ( Arrondissementsrechtbank Haarlem und Gerechtshof Amsterdam ) haben nacheinander festgestellt, daß die Weigerung des Bildungszentrums, Frau Dekker einzustellen, gegen das niederländische Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen verstosse ( 4 ), das dazu bestimmt war, das niederländische Recht mit der Richtlinie 76/207/EWG des Rates ( 5 ) ( nachstehend : "Richtlinie ") in Einklang zu bringen . Anscheinend haben diese Gerichte jedoch entschieden, daß die finanziellen Schwierigkeiten, die dem Zentrum entstanden wären, wenn es Frau Dekker eingestellt hätte, einen Rechtfertigungsgrund darstellten, der der Ablehnung der Einstellung ihren rechtswidrigen Charakter nehme .

6 . Der mit dem Rechtsstreit befasste Hoge Raad hat Ihnen vier Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, die im wesentlichen auf eine Auslegung der Artikel 2 und 3 der Richtlinie zielen, um feststellen zu können, ob die mit der Schwangerschaft der Betroffenen begründete Ablehnung der Einstellung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung vereinbar ist, und um die Folgen einer etwaigen Verletzung des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes für die innerstaatliche Regelung über die zivilrechtliche Haftung beurteilen zu können .

7 . Die Entscheidung dieses Rechtsstreits setzt indessen die vorherige Lösung bestimmter Probleme voraus, auf die die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hingewiesen hat . Sie ist im wesentlichen der Auffassung, die Richtlinie sei nicht ordnungsgemäß in niederländisches Recht umgesetzt worden; es sei zwar ein "Durchführungsgesetz" erlassen worden, doch gebe es in der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats Verordnungsbestimmungen, die ihm zuwiderliefen . Infolgedessen stelle sich im Hinblick auf Ihre Rechtsprechung im Fall Marshall ( 6 ) die Frage, ob dem Bildungszentrum mangels einer sogenannten "horizontalen" ( 7 ) Wirkung die Bestimmungen der Richtlinie tatsächlich entgegengehalten werden können .

8 . Wir stehen hier vor einer jener Schwierigkeiten, die die Mehrdeutigkeit des im vorliegenden Fall einschlägigen innerstaatlichen Rechts unweigerlich hervorruft . In der Tat ist das Nebeneinanderbestehen des niederländischen Gesetzes über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung und der königlichen Verordnung, deren Artikel 3 dadurch, daß er die Schwangerschaft der Krankheit gleichstellt, sehr wohl gegen die Richtlinie verstossen könnte, in den Worten Ihres Urteils in der Rechtssache Kommission/Frankreich eine

"Unklarheit ((...)) tatsächlicher Art ..., weil die betroffenen Normadressaten bezueglich der ihnen eröffneten Möglichkeiten, sich auf das Gemeinschaftsrecht zu berufen, in einem Zustand der Ungewißheit gelassen werden" ( 8 ).

9 . Ein derartiger Widerspruch zwischen innerstaatlichen Rechtsnormen unterschiedlichen Ranges kann nach dieser Rechtsprechung meines Erachtens gegebenenfalls die Grundlage für eine Klage der Kommission wegen Vertragsverletzung bilden . Geht man von einem einheitlichen Begriff der nicht ordnungsgemässen Umsetzung aus, so muß man daher annehmen, daß eine Richtlinie schon dann nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, wenn eine spezielle Verordnungsvorschrift fortbesteht, die im Widerspruch zu dem zu ihrer Umsetzung erlassenen Gesetz steht . Zwar hat der Gerichtshof in seinem Urteil in der Rechtssache Kolpinghuis Nijmegen folgendes ausgeführt :

"Die Frage, ob die Bestimmungen einer Richtlinie als solche vor einem innerstaatlichen Gericht geltend gemacht werden können, stellt sich nur, wenn der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in innerstaatliches Recht umgesetzt hat ." ( 9 )

Er hat jedoch den Begriff der unzulänglichen Umsetzung nirgends definiert . Wie dem auch sei, jedenfalls kann dieser Begriff nicht unterschiedlich definiert werden, je nachdem ob der Gerichtshof mit einer Vertragsverletzungsklage oder aber mit einem Vorlageverfahren befasst ist .

10 . Die Kommission hält die Umsetzung im vorliegenden Fall für unzulänglich und folgert hieraus in Übereinstimmung mit ihrem Urteil in der Rechtssache Marshall, daß eine Berufung auf die Richtlinie nur gegenüber dem Staat und staatlichen Einrichtungen möglich sei . Eine solche Schlußfolgerung scheint mir aber auf einer Umkehrung der Faktoren zu beruhen . Denn der Gerichtshof hat bereits betont, daß das Recht der einzelnen, sich vor Gericht gegenüber einem Mitgliedstaat, der einer Richtlinie nicht nachgekommen ist, auf diese zu berufen, eine Mindestgarantie darstellt ( 10 ). Ihre Rechtsprechung zur - wie man üblicherweise sagt - "unmittelbaren Wirkung der Richtlinien" stellt lediglich eine ultima ratio dar, die die Nichtumsetzung oder die nicht ordnungsgemässe Umsetzung einer Richtlinie soweit wie möglich ausgleichen soll . Gestattet es somit eine andere Technik des Gemeinschaftsrechts, Artikel 189 Absatz 3 des Vertrages seine praktische Wirksamkeit voll zu sichern, so ist zunächst auf diese Möglichkeit zurückzugreifen, bevor die Frage einer etwaigen "unmittelbaren Wirkung" geprüft wird .

11 . Ihre Rechtsprechung zur Notwendigkeit, das innerstaatliche Recht entsprechend den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts auszulegen, erscheint mir nun aber in besonderem Masse geeignet, um einem Sachverhalt wie dem hier vorliegenden gerecht zu werden . Wie der Gerichtshof nämlich mehrfach ausgeführt hat, hat

"das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschrift eines speziell zur Durchführung einer Richtlinie erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen ..., um das in Artikel 189 Absatz 3 des Vertrages genannte Ziel zu erreichen" ( 11 ).

Dies gilt unabhängig davon, ob die Frist für die Umsetzung der Richtlinie schon abgelaufen ist oder nicht ( 12 ).

12 . Auf diesen Grundsatz können sich die Betroffenen nicht nur gegenüber dem Staat und denjenigen Stellen berufen, die mehr oder weniger staatlichen Charakter haben, da die angewendete Rechtsnorm ja eine innerstaatliche Rechtsnorm bleibt, deren Inhalt nur gewissermassen durch eine nunmehr gemeinschaftskonforme Auslegung verdeutlicht wird ( 13 ).

13 . Wenn ein Mitgliedstaat trotz Erlasses eines "Umsetzungsgesetzes" eine Richtlinie nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, weil er andere, hierzu in Widerspruch stehende Normen seiner Rechtsordnung beibehalten hat, so ändert dies mit anderen Worten nichts daran, daß die staatlichen Gerichte ihr nationales Recht, insbesondere die Bestimmungen des "Umsetzungsgesetzes", entsprechend den Erfordernissen der Richtlinie auszulegen haben .

14 . In Ihrem Urteil in der Rechtssache Mazzalai haben Sie übrigens die Ausführungen der Regierung eines Mitgliedstaats, mit denen Ihre Zuständigkeit bestritten wurde, mit folgenden Worten zurückgewiesen :

"Der Gerichtshof entscheidet nach Artikel 177 EWG-Vertrag im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft, ohne daß es darauf ankäme, ob diese Handlungen unmittelbar gelten oder nicht ." ( 14 )

15 . Es sei angemerkt, daß mein Vorschlag, wie dies aber auch schon aus ihrer Rechtsprechung hervorgeht, zu der noch nicht oft hervorgehobenen Unterscheidung führt zwischen der Möglichkeit der Berufung auf eine Richtlinie zu dem Zweck, bei Fehlen innerstaatlicher Rechtsvorschriften, durch die die Ziele der Richtlinie erreicht werden könnten, unmittelbaren Nutzen aus der Anwendung von deren Bestimmungen zu ziehen ( sogenannte Theorie der "unmittelbaren Wirkung" ( 15 )) einerseits und der Möglichkeit der Berufung auf eine Richtlinie zu dem alleinigen Zweck der Auslegung des innerstaatlichen Rechts, insbesondere derjenigen seiner Bestimmungen, die die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts umsetzen sollen, andererseits ( sogenannte Theorie der "konformen Auslegung "). Im erstgenannten Fall ist nur die Berufung auf diejenigen Bestimmungen der Richtlinie möglich, die hinreichend genau und unbedingt sind, und sie kann nach Ihrer Rechtsprechung nicht die Beziehungen zwischen Privatpersonen beeinflussen . Im zweiten Fall ist sie dagegen ganz allgemein ohne Rücksicht darauf statthaft, ob die Richtlinie unmittelbare Wirkung entfaltet und wer die Betroffenen sind .

16 . Die Vorlagefrage ist also dahin zu verstehen, daß sie sich auf die Auslegung der Richtlinie bezieht; ihre mehrdeutige Formulierung kann nicht bedeuten, daß das vorlegende Gericht Sie mit der Frage nach der unmittelbaren Wirkung befassen wollte .

17 . Das vorlegende Gericht wird also die einschlägigen Bestimmungen des niederländischen Gesetzes im Lichte Ihrer Auslegung der in Rede stehenden Richtlinie auszulegen haben .

18 . Die Schilderung des Sachverhalts in der Rechtssache C-179/88 nimmt weniger Zeit in Anspruch . Frau Hertz wurde ab 15 . Juli 1982 von der Firma Aldi Marked als Angestellte beschäftigt . Im Juni 1983 brachte sie ein Kind zur Welt . Nach Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs nahm sie ihre Berufstätigkeit wieder auf . Von Juni 1984 bis Juni 1985 war sie an 100 Arbeitstagen krankgeschrieben . Mit Schreiben vom 27 . Juni 1985 wurde ihr die Kündigung ausgesprochen, die auf ihre häufigen Fehlzeiten wegen Krankheiten gestützt war .

19 . Nach dem Vorlageschluß war das krankheitsbedingte Fehlen von Frau Hertz zwischen Juni 1984 und Juni 1985 auf ihre Entbindung zurückzuführen .

20 . Das mit dem Rechtsstreit befasste dänische Höjesteret hat Ihnen zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, mit denen es im wesentlichen wissen will, ob die Richtlinie, insbesondere ihr Artikel 5, dahin auszulegen ist, daß sie die Entlassung einer Frau wegen Krankheit verbietet, wenn diese die Folge einer Schwangerschaft und einer Entbindung ist, und, bejahendenfalls, ob dieses Verbot zeitlich beschränkt ist .

21 . Wie ich bereits angedeutet habe, geben diese beiden grundsätzlichen Rechtssachen Ihrem Gerichtshof Anlaß, darüber zu entscheiden, welcher Platz in unseren europäischen Gesellschaften der Mutterschaft zukommt .

22 . Lange Zeit brauchte die Wirtschaft als ein den Männern vorbehaltener Bereich sich nicht um die physiologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu kümmern . Heute ist das anders geworden . Deshalb muß die schwierige Aufgabe in Angriff genommen werden, die Erfordernisse des Erwerbslebens mit der Mutterschaft in Einklang zu bringen .

23 . Eine Frage aufwerfen, heisst mitunter sie beantworten . Gibt es einen Vorgang, der enger mit dem Frausein zusammenhängt? Ist es vorstellbar, den weiblichen Arbeitnehmern die gleiche Behandlung wie ihren männlichen Kollegen zu gewähren, ohne die Mutterschaft zu berücksichtigen?

24 . Diese Notwendigkeit hat im übrigen der dänische Gesetzgeber durchaus erkannt . Während in Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie von der "Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe - oder Familienstand" die Rede ist, sprechen die dänischen Gesetze Nrn . 161 und 162 vom 12 . April 1978 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen auf dem Gebiet der Beschäftigung von Diskriminierungen "insbesondere im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft oder mit dem Ehe - oder Familienstand" ( 16 ).

25 . Im Fall Dekker scheint mir die Ablehnung einer Einstellung im Hinblick auf eine bevorstehende Mutterschaft daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu sein, da sie sich auf einen Vorgang bezieht, der ausschließlich weibliche Arbeitnehmer betrifft . In der Tat glaube ich nicht, daß es möglich ist, hier Ihre Rechtsprechung in den Rechtssachen Jenkins ( 17 ), Bilka ( 18 ) und Rinner-Kühn ( 19 ) zu den mittelbaren Diskriminierungen heranzuziehen, die stets nur Anwendung finden konnte, wo es um Faktoren ging, die, abstrakt gesehen, beide Geschlechter betreffen konnten - zum Beispiel die Eigenschaft als Teilzeitbeschäftigter -, von denen sich bei konkreter Betrachtung jedoch zumeist zeigte, daß sie eher mit der Situation der Frauen als mit der der Männer in Verbindung stehen . Die Mutterschaft kann stets - verzeihen Sie mir diese Binsenweisheit - nur Frauen betreffen; wird ihretwegen die Einstellung einer Arbeitnehmerin abgelehnt, so liegt naturgemäß eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor .

26 . Demgegenüber lässt sich nicht geltend machen, ein solches Vorgehen könne nur unter Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie fallen, wonach diese "nicht den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, (( entgegensteht ))". Dieser Artikel soll es den Mitgliedstaaten lediglich gestatten, dem Grundsatz der Gleichbehandlung zuwiderlaufende Maßnahmen zu treffen, um den weiblichen Arbeitnehmern einen besonderen Schutz zu gewähren, zum Beispiel indem bestimmte Rechte nur ihnen eingeräumt werden . Es handelt sich mit anderen Worten insbesondere um Maßnahmen, die im amerikanischen Recht unter der Bezeichnung "affirmative action" bekannt sind . Übrigens hat der Gerichtshof sich in seinem Urteil in der Rechtssache Hofmann ( 20 ) auf diesen Artikel gestützt, um die Frage zu bejahen, ob eine Rechtsvorschrift, die lediglich Frauen einen Anspruch auf Mutterschaftsurlaub gewährte, ohne für Väter einen vergleichbaren Urlaub vorzusehen, mit der Richtlinie vereinbar ist . Hier handelt es sich dagegen nur darum, eine strenge Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern zu wahren, damit bei deren Auftreten auf dem Arbeitsmarkt nicht Vorgänge in Betracht gezogen werden, die ausschließlich Arbeitnehmerinnen berühren .

27 . Dem ist jedoch hinzuzufügen, daß dieser Grundsatz keinen Einfluß auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten hat, die Gewährung von Krankengeld bei Mutterschaftsurlaub von der Dauer der Versicherung oder der Beschäftigung abhängig zu machen . Beide Dinge sind voneinander unabhängig . Der Arbeitgeber kann die Einstellung nicht verweigern . Erfuellt seine Angestellte nicht die rechtlichen Voraussetzungen bezueglich der Versicherungs - oder der Beschäftigungsdauer, so erfordert es der Grundsatz der Gleichbehandlung, daß sie ebenso behandelt wird wie ihre männlichen Kollegen und gegebenenfalls kein Krankengeld erhält .

28 . Wie der Fall Dekker deutlich zeigt, liegt die Schwierigkeit viel eher darin, daß manche Rechtsordnungen die Arbeitgeber mit der teilweisen Zahlung des Krankengelds während des Mutterschaftsurlaubs belasten . Während das Krankengeld in Spanien, Italien, Frankreich, Portugal und Luxemburg von den Trägern der sozialen Sicherheit gezahlt wird und die Arbeitgeber lediglich Beiträge an die verschiedenen Systeme der sozialen Sicherheit entrichten, übernimmt in anderen Staaten der Arbeitgeber einen Teil dieser Zahlungen . So gewährt in der Bundesrepublik Deutschland zwar die Krankenversicherung Mutterschaftsgeld ( 21 ), der Arbeitgeber hat jedoch einen Zuschuß dazu zu gewähren ( 22 ). In Belgien behalten die Arbeitnehmerinnen zu Beginn des Zeitraums des Mutterschaftsurlaubs den Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung des garantierten Wochen - oder Monatslohns ( 23 ). In Dänemark zahlt die Gemeindeverwaltung in den vier dem mutmaßlichen Tag der Entbindung vorausgehenden und in maximal 24 der auf die Entbindung folgenden Wochen 90 % des Lohns; der Arbeitgeber hat jedoch fünf Monate lang die Hälfte des Lohns zu zahlen, tritt aber in die Ansprüche seiner Angestellten gegen die Gemeindeverwaltung ein ( 24 ). Im Vereinigten Königreich wird das Mutterschaftsgeld ( 25 ) vom Arbeitgeber gezahlt, der es vom Staat vergütet erhält ( 26 ).

29 . Was das niederländische Recht betrifft, so beschränke ich mich auf die Prüfung der speziellen Situation der Angestellten im Bereich der besonderen Bildungsanstalten, die im Mittelpunkt der Problematik des Falls Dekker steht . Wie bereits ausgeführt, stellt Artikel 3 Absatz 1 der königlichen Verordnung insoweit die Verhinderung an der Arbeitsleistung wegen Schwangerschaft und Entbindung der Verhinderung wegen Krankheit gleich . Wie ebenfalls bereits gesagt, ermächtigt Artikel 6 der Regelung den Risikofonds, die Erstattung des Krankengelds an den Arbeitgeber abzulehnen, wenn der Versicherte innerhalb eines halben Jahres nach Versicherungsbeginn arbeitsunfähig geworden ist und in Anbetracht seines Gesundheitszustands im Zeitpunkt des Versicherungsbeginns mit dem Eintritt dieser Arbeitsunfähigkeit erkennbar zu rechnen war .

30 . Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, daß das Bildungszentrum, hätte es Frau Dekker eingestellt, wahrscheinlich auf finanzielle Schwierigkeiten gestossen wäre, weil der Risikofonds es abgelehnt hätte, die Zahlung des Krankengelds zu übernehmen, auf das die Betroffene möglicherweise Anspruch gehabt hätte . Dennoch glaube ich nicht, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung, wie er meines Erachtens zu verstehen ist, vor derartigen, im wesentlichen auf der Gleichstellung von Schwangerschaft und Krankheit beruhenden Schwierigkeiten zurücktreten muß, einer Gleichstellung, die technisch gerechtfertigt ist, wenn es sich um die Berechnung der Krankengeldbeträge handelt, jedoch auf uneingeschränkte Kritik stossen muß, wenn sie zur Ablehnung einer Einstellung führt .

31 . Um die volle Wirkung der Richtlinie und die Wirksamkeit des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung zu sichern, haben die Mitgliedstaaten alle zweckdienlichen Maßnahmen zu treffen, um zu verhindern, daß die Arbeitgeber durch die ihnen auferlegte Verpflichtung, eine schwangere Frau einzustellen - wenn sie die geeignetste Bewerberin ist, wie dies in der Rechtssache C-177/88 unbestritten zutrifft -, infolge der Anwendung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit ungünstiger gestellt werden, als wenn sie einen männlichen Arbeitnehmer eingestellt hätten .

32 . Ich schlage Ihnen daher vor, auf die erste Frage zu antworten, daß die Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, daß es unabhängig von den finanziellen Folgen, die sich für den Arbeitgeber daraus ergeben können, eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn ein Arbeitgeber die Einstellung einer Arbeitnehmerin wegen deren Schwangerschaft ablehnt .

33 . Aufgrund der Überlegungen, die mich zu diesem Antwortvorschlag geführt haben, rege ich an, die zweite Frage dahin zu beantworten, daß es unerheblich ist, ob im Zeitpunkt der Einstellung Bewerbungen von Männern vorlagen .

34 . Die dritte und die vierte Frage betreffen die etwaige Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften über die zivilrechtliche Haftung . Das vorlegende Gericht fragt Sie im wesentlichen, ob innerstaatliche Rechtsvorschriften, die ein Verschulden fordern und gegebenenfalls Entschuldigungsgründe gelten lassen, auf den Fall anwendbar sind, daß ein Arbeitgeber unter Verletzung der Richtlinie eine Diskriminierung begeht . Wir haben es hier mit den klassischen Problemen der Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaftsrechtsordnung und innerstaatlicher Rechtsordnung zu tun . In seinem Urteil in den Rechtssachen von Colson und Kamann ( 27 ), Harz ( 28 ) und Kommission/Deutschland ( 29 ) hat sich der Gerichtshof bereits mit dieser Problematik befasst, soweit es um die Ahndung von durch die Richtlinie verbotenen Diskriminierungen ging . Hier geht es darum, ob ein Verstoß gegen die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts folgenlos bleiben kann, wenn sich der Arbeitgeber nach innerstaatlichem Recht auf mangelndes Verschulden oder das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen berufen kann .

35 . Hierzu bin ich der Ansicht, daß die praktische Wirksamkeit der Bestimmungen der Richtlinie aufgehoben würde, wollte man bei Vorliegen einer gegen die Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verstossenden Diskriminierung überdies den Beweis eines besonderen Verschuldens des Arbeitgebers fordern . Gewiß verlangen die "klassischen" Regeln der zivilrechtlichen Haftung das Vorliegen eines Verschuldens, eines Schadens und eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Verschulden und Schaden . Meines Erachtens liegt das Verschulden in einem derartigen Fall jedoch bereits in der Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Norm, das heisst in der diskriminierenden Handlung oder Verhaltensweise .

36 . Ebenso würden die praktische Wirksamkeit des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung und die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts erheblich beeinträchtigt, wenn man Rechtfertigungsgründen, die notwendigerweise von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat verschieden geregelt sind, Geltung zubilligte . Hat eine Arbeitnehmerin das Vorliegen einer zu ihrem Nachteil begangenen Diskriminierung sowie eines hierdurch verursachten Schadens nachgewiesen, so kann sich der Arbeitgeber daher nicht auf irgendwelche Rechtfertigungsgründe des innerstaatlichen Rechts berufen; die innerstaatlichen Gerichte haben daher dafür zu sorgen, daß wegen dieses Verhaltens die in ihrem nationalen Recht vorgesehene Sanktion verhängt wird; die Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten nämlich insofern die Freiheit der Wahl, allerdings, wie Sie entschieden haben, unter dem Vorbehalt, daß die Sanktionen "hinreichend wirksam (( sein müssen )), um das Ziel der Richtlinie zu erreichen" ( 30 ).

37 . Ich schlage Ihnen daher vor, auf die dritte Frage zu antworten, daß es, selbstverständlich vorbehaltlich der Bestimmungen von Artikel 2 Absätze 2 bis 4 der Richtlinie, mit deren Artikeln 2 und 3 unvereinbar ist, bei nachgewiesenem Vorliegen einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung überdies den Nachweis eines besonderen Verschuldens des Arbeitgebers zu fordern oder es diesem zu gestatten, sich auf einen im innerstaatlichen Recht vorgesehenen Rechtfertigungsgrund zu berufen .

38 . Infolgedessen bedarf es keiner Beantwortung der vierten Frage .

39 . Die Rechtssache Hertz macht den schwierigen Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Gleichbehandlung und den Erfordernissen des Wirtschaftslebens vielleicht noch dringender .

40 . Wie soll man die nach dem Mutterschaftsurlaub liegenden, aber unmittelbar auf Schwangerschaft und Entbindung zurückzuführenden Krankheitszeiten bewerten? Muß man auf sie die, um es so auszudrücken, "allgemeine" Regelung über Fehlzeiten wegen Krankheit anwenden?

41 . Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unterscheiden sich in dieser Hinsicht erheblich . In zahlreichen Staaten wird die Ursache der Krankheit nicht berücksichtigt, aber die Rechtsordnungen sehen meist vor, daß der Arbeitgeber eine Entlassung wegen Krankheit erst nach Ablauf einer bestimmten Frist vornehmen darf . So gestattet es der irische Unfair Dismissals Act den Arbeitgebern, einen Angestellten aufgrund häufiger Fehlzeiten wegen Krankheit zu entlassen, die seine Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben . In Luxemburg kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag nach Ablauf einer dreimonatigen Frist beenden, die in dem Monat zu laufen beginnt, der auf den Monat folgt, in dem die Krankheit eingetreten ist; bei Arbeitern beträgt diese Frist 26 Wochen ( 31 ). In Frankreich schließlich kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag während des Zeitraums, in dem dieser ruht, sowie in den auf diesen Zeitraum folgenden vier Wochen nicht kündigen ( 32 ). Anschließend kann er einem Angestellten aufgrund wiederholter Fehlzeiten wegen Krankheit kündigen .

42 . Nach italienischem Recht kann der Arbeitgeber dagegen einen Arbeitsvertrag nicht wegen Komplikationen beenden, die nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs eintreten, aber durch Schwangerschaft oder Entbindung verursacht wurden ( 33 ); dies gilt gemäß Artikel 2110 des Zivilgesetzbuchs während eines durch Tarifvertrag nach Maßgabe der Dauer der Betriebszugehörigkeit festzulegenden Zeitraums ( 34 ). Es ist auch unzulässig, eine Arbeitnehmerin zwischen dem Beginn der Schwangerschaft und dem Ende des ersten Lebensjahres des Kindes zu entlassen . Das griechische Recht unterscheidet zwischen dem spezifischen Fall einer durch die Entbindung verursachten Krankheit, in dem eine Entlassung nur zulässig ist, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen eines "schwerwiegenden Grundes" ( 35 ) nachweist, und dem Fall einer "gewöhnlichen" Krankheit, in dem die Entlassung bereits wegen der Überschreitung der gesetzlich vorgesehenen Dauer des Krankheitsurlaubs zulässig ist .

43 . Ich war nahe daran - warum sollte ich es nicht zugeben? -, Ihnen eine Lösung vorzuschlagen, der zufolge ein unmittelbar, sicher und vorwiegend auf Schwangerschaft oder Entbindung zurückzuführender pathologischer Zustand eine Art "Immunität" in dem Sinne genießt, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung es einem Arbeitgeber verwehrt, die betroffene Arbeitnehmerin während einer mit dem fraglichen Vorgang beginnenden angemessenen Frist zu entlassen . Meines Erachtens stellt das Gemeinschaftsrecht aber nach seinem gegenwärtigen Stand eine derartige Forderung nicht auf; hinzu kommt, daß diese anscheinend verführerische Lösung zahlreiche unerwünschte Wirkungen zeitigen würde, denen sich schwerlich begegnen ließe .

44 . Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie belässt nämlich den Mitgliedstaaten, worauf ich bereits hingewiesen habe, die Befugnis, geeignete Vorschriften "zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft", zu erlassen . Diese Bestimmung scheint mir die Grenze des Eingreifens des Gemeinschaftsrechts nach dessen gegenwärtigem Stand zu bezeichnen . Die Richtlinie fordert strenge Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern, was im vorliegenden Fall bedeutet, daß pathologische Zustände, deren Ursache die Mutterschaft ist, nicht weniger günstig behandelt werden dürfen als pathologische Zustände, die auf eine andere Ursache zurückgehen; die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten in keiner Weise dazu, positive Diskriminierungen anzuordnen, die jene günstiger behandeln als diese, sondern räumt ihnen lediglich eine Befugnis hierzu ein .

45 . Im übrigen würde eine solche Lösung ernsthafte Schwierigkeiten bereiten . Wenn nämlich die durch die Entbindung ausgelösten Komplikationen sehr ernsthafter Natur sind, könnte die Arbeitnehmerin jahrelang arbeitsunfähig sein, ohne daß ihr Arbeitgeber rechtlich in der Lage wäre, sie zu entlassen - wir kommen damit, wie jedermann erkennen wird, auf die Schwierigkeiten zu sprechen, auf die sich die zweite Frage des vorlegenden Gerichts bezieht . Eine solche Konsequenz ist schon dann gravierend, wenn sie lediglich die Wirkung hat, daß der Arbeitgeber verpflichtet ist, die Betroffene in seinem Betrieb zu belassen, ohne daß er zur Zahlung von Krankengeld oder später einer Invaliditätsrente beizutragen hätte . Der ordnungsgemässe Betrieb des Unternehmens könnte ja dadurch gefährdet werden, daß es schwierig wäre, sofort die fragliche Stelle einem Vertreter zuzuweisen . Aber die ernsthaftesten Schwierigkeiten zeigen sich, wenn der Arbeitgeber, der an der Entlassung seiner Angestellten gehindert ist, rechtlich verpflichtet ist, sei es auch nur teilweise, unmittelbar oder mittelbar zu den Leistungen der sozialen Sicherheit beizutragen, auf die die Angestellte Anspruch hat, was nach dem Sozialrecht bestimmter Mitgliedstaaten der Fall ist . So hat der Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland krankgeschriebenen Arbeitnehmern sechs Wochen lang ihren Lohn weiterzuzahlen ( 36 ). In Italien wird das Krankengeld grundsätzlich durch die Träger der sozialen Sicherheit gezahlt ( 37 ), aber der Arbeitgeber kann durch Tarifvertrag verpflichtet werden, über die im Gesetz angegebenen Sätze hinaus einen Zuschlag zu zahlen ( 38 ). In den Niederlanden scheinen die Arbeitgeber nur in besonderen Fällen - insbesondere, wie die Rechtssache Dekker zeigt, im Bereich der besonderen Bildungsanstalten wegen der Fahrlässigkeit des Arbeitgebers, der einen Arbeitnehmer einstellt, dessen Erkrankung vorhersehbar war - verpflichtet zu sein, die Zahlung des Krankengelds zu übernehmen .

46 . Ich glaube auch, daß die möglichen finanziellen Schwierigkeiten, denen sich ein Arbeitgeber ausgesetzt sehen mag, der eine wegen Mutterschaft arbeitsunfähige Angestellte in seinem Betrieb behalten muß, zahlreiche Arbeitgeber dazu veranlassen könnte, die Einstellung schwangerer Frauen - wahrscheinlich unter irreführenden Vorwänden - abzulehnen oder sogar Frauen zurückzuweisen, bei denen aufgrund ihres Alters mit einer baldigen Mutterschaft gerechnet werden kann . Derartige Verhaltensweisen stehen selbstverständlich in Widerspruch zum Grundsatz der Gleichbehandlung, aber es ist nicht sicher, daß sie sich leicht feststellen und mit Sanktionen belegen ließen . Hier wird erkennbar, wie sehr eine Lösung, die einigen Frauen zugute käme, die unter schweren, nach der Geburt eingetretenen Komplikationen zu leiden haben - das heisst, den Statistiken zufolge, eine Lösung, die auf einen zum Glück äusserst geringen Prozentsatz der in Betracht kommenden Fälle anwendbar wäre -, Gefahren für die Gesamtheit der Frauen heraufbeschwören könnte, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt suchen .

47 . Schließlich scheint mir, daß die Kriterien, anhand deren Sie darüber entscheiden könnten, in welchen Fällen für die Krankheit der bei Mutterschaft gewährte Schutz zugebilligt werden muß - Bestehen eines unmittelbaren, sicheren und vorwiegenden ursächlichen Zusammenhangs - und wie lange dieser Schutz andauert - Rückgriff auf den schwer einzugrenzenden Begriff der angemessenen Frist -, sowohl die innerstaatlichen Gerichte als auch die Arbeitgeber in eine schwierige Lage bringen würden . Auf welche Schwierigkeiten würden diese bei der Entscheidung darüber stossen, ob diese oder jene Arbeitnehmerin entlassen werden darf oder nicht! Es lässt sich erahnen, wie sehr eine solche Lösung - deren Zweckmässigkeit ich im übrigen nicht bestreite - ein Tätigwerden des Gemeinschafts - oder der innerstaatlichen Gesetzgeber voraussetzt, dank dem die Einzelheiten der zu treffenden Regelung genau festgelegt werden könnten, insbesondere hinsichtlich der Dauer des Schutzes sowie der Frage, wer dessen Kosten tragen soll .

48 . Meines Erachtens muß die Lösung eher in einer Unterscheidung zwischen den normalen Risiken von Schwangerschaft und Entbindung, den Komplikationen, die mit diesen Vorgängen üblicherweise verbunden sind und mitunter Anlaß zur Gewährung eines zusätzlichen Mutterschaftsurlaubs geben, einerseits und denjenigen pathologischen Zuständen andererseits gefunden werden, die nicht zu den üblichen Risiken der Schwangerschaft gehören . Während das Gemeinschaftsrecht gegen erstere Schutz zu bieten hat, da sie an der Besonderheit der Mutterschaft teilhaben, sind letztere ebenso zu behandeln wie "gewöhnliche" Krankheiten . Der Gerichtshof muß sich hier, wie ich meine, vom Gesichtspunkt der Normalität des mit der Mutterschaft verbundenen Risikos leiten lassen . Mit anderen Worten : Wenn das innerstaatliche Recht keine Bestimmungen enthält, die der Frau einen besonderen Schutz gewähren, muß der Arbeitgeber das Recht haben, seine Angestellte nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs, gegebenenfalls auch des zusätzlichen Urlaubs, zu entlassen . Wenn die Arbeitnehmerin daher ihre Ansprüche auf die verschiedenen Mutterschaftsurlaube ausgeschöpft hat, lassen sich krankheitsbedingte Fehlzeiten, auch wenn sie auf Schwangerschaft und Entbindung zurückzuführen sind, nicht mehr den normalen Risiken der Mutterschaft zurechnen und müssen infolgedessen ebenso behandelt werden wie diejenigen aller anderen Arbeitnehmer, es sei denn, der staatliche Gesetzgeber führte auf der Grundlage von Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie besondere Schutzmaßnahmen ein .

49 . Allgemeiner gesehen muß der Grundsatz der Gleichbehandlung von männlichen und weiblichen Arbeitnehmern als darauf gerichtet verstanden werden, daß mit ihm die besonderen Probleme gelöst werden sollen, die sich für Frauen zwangsläufig aus einer Schwangerschaft ergeben . Aber die Anpassung der Regeln, die den Arbeitsmarkt beherrschen, kann nur soweit gehen, als es sich um Risiken der Mutterschaft handelt, die im Lebensablauf als "normal" angesehen werden können . In der Dualität dieser beiden Grundsätze muß meines Erachtens die Lösung gefunden werden .

50 . So müssen Frauen Zugang zu einer Beschäftigung haben, ohne daß ihre bevorstehende Mutterschaft, die sie vorübergehend daran hindert, den Anforderungen des Erwerbslebens nachzukommen, in Betracht gezogen werden darf . So darf die mangelnde Verfügbarkeit der Frau den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage stellen, da sie den üblichen Risiken der Schwangerschaft zuzurechnen ist . Umgekehrt lässt sich aber angesichts einer Situation, die nicht zu diesen üblichen Risiken gehört, sondern von einem ausgesprochen pathologischen Zustand herrührt, nicht aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung ein Anspruch auf besonderen Schutz ableiten; ein solcher könnte lediglich im Wege einer - gegebenenfalls mit dem Gemeinschaftsrecht auf der Grundlage von Artikel 2 Absatz 3 der Richtlinie vereinbaren - positiven Diskriminierung eingeführt werden .

51 . Ich beantrage daher, wie folgt für Recht zu erkennen :

- in der Rechtssache C-177/88 :

1 ) Die Artikel 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9 . Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen sind dahin auszulegen, daß es eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, wenn ein Arbeitgeber die Einstellung einer Arbeitnehmerin wegen deren Schwangerschaft ablehnt .

2 ) Für die Antwort auf die erste Frage macht es keinen Unterschied, daß sich kein Mann um die betreffende Stelle beworben hat .

3 ) Es ist mit den Artikeln 2 und 3 der vorgenannten Richtlinie unvereinbar, bei nachgewiesenem Vorliegen einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, wie er in diesen Artikeln niedergelegt ist, die Ahndung dieser Verletzung vom Nachweis eines besonderen Verschuldens des Arbeitgebers oder vom Nichtvorliegen im innerstaatlichen Recht vorgesehener Rechtfertigungsgründe abhängig zu machen, ohne daß einer der Fälle des Artikels 2 Absätze 2 bis 4 vorliegt .

4 ) Die vierte Frage bedarf keiner Beantwortung .

- in der Rechtssache C-179/88 :

1 ) Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 5 der genannten Richtlinie sind dahin auszulegen, daß eine ausserhalb der Zeiträume des Mutterschaftsurlaubs erfolgende Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Fehlzeiten infolge einer durch Schwangerschaft oder Entbindung verursachten Krankheit vorbehaltlich der Anwendung von Artikel 2 Absatz 3 keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt .

2 ) Die zweite Frage bedarf keiner Beantwortung .

(*) Originalsprache : Französisch .

( 1 ) Staatsblad 683; die Verordnung wurde aufgrund der Algemene Burgerlijke Pensiönwet, des Allgemeinen Gesetzes über die zivilen Ruhegehälter im öffentlichen Dienst, erlassen .

( 2 ) Artikel 14 der königlichen Verordnung .

( 3 ) Volles Gehalt während 18 Monaten, anschließend 80 % des Gehalts : Artikel 4 des Ziekengeldreglement .

( 4 ) Wet gelijke behandeling van mannen en vrouwen vom 1 . März 1980, durch das ein neuer Artikel 1637ij in das Burgerlijk Wetbök eingefügt wurde ( Staatsblad 1980, 86 ).

( 5 ) Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ( ABl . L 39, S . 40 ).

( 6 ) Urteil vom 26 . Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Slg . 1986, 723 .

( 7 ) Siehe S . 14 und 15 der französischen Fassung der schriftlichen Erklärungen der Kommission .

( 8 ) Urteil vom 4 . April 1974 in der Rechtssache 167/73, Kommission/Frankreich, Slg . 1974, 359, Randnr . 41 .

( 9 ) Urteil vom 8 . Oktober 1987 in der Rechtssache 80/86, Slg . 1987, 3969, Randnr . 15 .

( 10 ) Urteil vom 6 . Mai 1980 in der Rechtssache 102/79, Kommission/Belgien, Slg . 1980, 1473, Randnr . 12 .

( 11 ) Siehe Randnr . 12 des vorstehend angeführten Urteils 80/86; siehe ferner die Urteile vom 10 . April 1984 in der Rechtssache 14/83, von Colson, Slg . 1984, 1891, und vom 4 . Februar 1988 in der Rechtssache 157/86, Murphy, Slg . 1988, 673 .

( 12 ) Siehe Randnr . 15 des vorstehend angeführten Urteils 80/86 .

( 13 ) Siehe hierzu die Ausführungen von Yves Galmot und Jean-Claude Bonichot, "La Cour de justice des Communautés européennes et la transposition des directives en droit national", Revü française de droit administratif, Januar-Februar 1988 : "Der Mechanismus der gemeinschaftskonformen Auslegung gestattet es also, den Richtlinien in solchen Fällen ihre volle Wirkung zu sichern, in denen die Voraussetzungen für ihre unmittelbare Anwendung im innerstaatlichen Recht nicht erfuellt sind ."

( 14 ) Urteil vom 20 . Mai 1976 in der Rechtssache 111/75, Slg . 1976, 657, Randnr . 7 .

( 15 ) Siehe die Vorbehalte von Pierre Pescatore gegen diesen Ausdruck ( L' effet des directives communautaires : une tentative de démythification, Dalloz Sirey, 1980, Chronique XXV, S . 171 ).

( 16 ) Hervorhebung durch mich .

( 17 ) Urteil vom 31 . März 1981 in der Rechtssache 96/80, Slg . 1981, 911 .

( 18 ) Urteil vom 13 . Mai 1986 in der Rechtssache 170/84, Slg . 1986, 1607 .

( 19 ) Urteil vom 13 . Juli 1989 in der Rechtssache 171/88, Slg . 1989, 2743 .

( 20 ) Urteil vom 12 . Juli 1984 in der Rechtssache 184/83, Slg . 1984, 3047 .

( 21 ) Hoechstens 25 DM täglich (§ 200 RVO ).

( 22 ) "Arbeitgeberzuschuß"; siehe § 14 MuSchG .

( 23 ) Artikel 55 und 75 der Loi sur le contrat de travail ( Gesetz über die Arbeitsverträge ) vom 3 . Juli 1978 .

( 24 ) Lovbekendtgörelse Nr . 949 vom 23 . Dezember 1986, Artikel 33, und Nr . 516 vom 23 . Juli 1987, Artikel 7 .

( 25 ) Statutory Maternity Pay .

( 26 ) Social Security Act ( Gesetz über die soziale Sicherheit ) 1975, Social Security Act 1986, Sections 46 bis 50 .

( 27 ) Urteil vom 10 . April 1984 in der Rechtssache 14/83, Slg . 1984, 1891 .

( 28 ) Urteil vom 10 . April 1984 in der Rechtssache 79/83, Slg . 1984, 1921 .

( 29 ) Urteil vom 21 . Mai 1985 in der Rechtssache 248/83, Slg . 1985, 1459 .

( 30 ) Siehe die obengenannten Urteile 14/83 und 79/83 .

( 31 ) Siehe den jeweiligen Artikel 8 des Gesetzes vom 12 . November 1971 und des Gesetzes vom 24 . Juni 1970 .

( 32 ) Artikel L 122-25 ff . des Code du travail ( Arbeitsgesetzbuch ).

( 33 ) Loi sur la maternité ( Mutterschaftsgesetz ).

( 34 ) Die Rechtsprechung scheint diese Bestimmung in einem umfassenden Sinne anzuwenden, indem sie verlangt, daß vor einer etwaigen Kündigung und nach Ablauf der vorerwähnten Frist eine angemessene Frist eingehalten wird .

( 35 ) Artikel 15 des Gesetzes Nr . 1483/1984 .

( 36 ) § 47 SGB V .

( 37 ) Artikel 15 bis 18 des Gesetzes Nr . 1204 vom 30 . Dezember 1971 .

( 38 ) Siehe Garofalo, Indennità di malattia e maternità, Mailand 1986; Riva-Sanseverino, Libro quinto, "Del lavoro da commentario del codice civile", Bologna/Rom 1986, S . 499-503 und 515-516 .

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