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Document 52021DC0169

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Evaluierung des Beschlusses (EU) 2015/601 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. April 2015 über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine

COM/2021/169 final

Brüssel, den 9.4.2021

COM(2021) 169 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Evaluierung des Beschlusses (EU) 2015/601 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. April 2015











über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine










{SWD(2021) 73 final}


Im April 2015 beschlossen das Europäische Parlament und der Rat, der Ukraine eine Makrofinanzhilfe (MFA) in Höhe von 1,8 Mrd. EUR zu gewähren. 1 Dem Land sollte damit bei der Bewältigung seiner Zahlungsbilanzkrise geholfen werden, die durch die wirtschaftliche und politische Instabilität nach Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im Jahr 2014 und die anschließenden Konflikte in den östlichen Landesteilen hervorgerufen worden war.

Bei der vorliegenden Ex-post-Evaluierung sollen Relevanz, Effizienz, Wirksamkeit und Kohärenz der dritten Makrofinanzhilfe (MFA-III) an die Ukraine sowie der Mehrwert der EU-Maßnahme beurteilt werden. Auch die sozialen Auswirkungen des Programms und dessen Auswirkungen auf die langfristige Tragfähigkeit des öffentlichen Schuldenstands der Ukraine sollen dabei untersucht werden. Die Evaluierung stützt sich auf Daten, die durch verschiedene quantitative und qualitative Erhebungsmethoden wie die Konsultation wichtiger Interessenträger gewonnen wurden. Der Methode waren in einer Reihe von Punkten Grenzen gesetzt, die sich allerdings nicht auf die Zuverlässigkeit der Gesamtanalyse auswirken. Durch breit gefächerte Quellen, unterschiedliche Evaluierungstechniken, alternative Szenarien sowie zahlreiche Konsultationsrunden konnten die festgestellten Risiken und Beschränkungen jedoch in Grenzen gehalten werden.

Zweck dieser Bewertung ist es 1.) Erkenntnisse für den künftigen Einsatz des MFA-Instruments zu gewinnen, und 2) Transparenz und Rechenschaftslegung zu gewährleisten, wie es in der Haushaltsordnung 2 und dem MFA-Beschluss zugunsten der Ukraine vorgesehen ist.

Die Evaluierung ergab, dass die MFA III im Hinblick auf ihre Ziele, ihre Finanzausstattung 3 und die an sie geknüpften politischen Auflagen in hohem Maße relevant war. Die mit der Makrofinanzhilfe verbundenen Auflagen betrafen die Bereiche, in denen in der Ukraine der größte Reformbedarf besteht, nämlich: die öffentliche Finanzverwaltung, den Energiesektor, die Rahmenbedingungen für Unternehmen, Governance und Transparenz, das Netz der sozialen Sicherheit und den Finanzsektor. Zwar hat das Land die vereinbarten Reformauflagen größtenteils erfüllt, doch waren bei der Umsetzung der Reformen zur Korruptionsbekämpfung sowie in den Bereichen Handel und Finanzsektor Schwierigkeiten zu verzeichnen, weswegen die dritte Tranche der Makrofinanzhilfe nicht ausgezahlt wurde.

Angesichts der großen Ambitionen, die mit den meisten Auflagen verfolgt worden waren, muss rückblickend festgestellt werden, dass eine geringere Anzahl an Reformauflagen besser gewesen wäre. 4 Auch wenn die Anzahl der an die MFA-III geknüpften Auflagen dem außergewöhnlich hohen Umfang der Hilfe geschuldet ist (mehr Geld - mehr Reformen), hätte eine geringere Anzahl den Behörden möglicherweise geholfen, sich auf die größten Prioritäten zu konzentrieren und sich konsequent für deren Erreichung einzusetzen. Dieser Einsicht ist es zu verdanken, dass sich die Kommission bei der Folgemaßnahme (MFA-IV) bei den Auflagen für eine fokussiertere Vorgehensweise entschieden hat. Doch ist die Einbehaltung der dritten Tranche der MFA-III alles in allem nicht hauptsächlich auf die Zahl der Auflagen zurückzuführen.

Für eine wirkungsvollere Erreichung der verfolgten Ziele hätte – wie auch der externe Gutachter hervorhob – bei der Gestaltung des MFA-III-Reformpakets stärker der Tatsache Rechnung getragen werden müssen, i) dass die institutionellen Kapazitäten begrenzt sind, ii) dass politische und wirtschaftliche Instabilität die Umsetzung verzögern können und iii) dass etablierte Rechte bestanden, die die wirkungsvolle Umsetzung der vereinbarten Reformen durch die ukrainischen Behörden behindert haben. Die bei der MFA-III für die Korruptionsbekämpfung vorgesehenen Auflagen wurden in der Folge in die MFA-IV übernommen, womit die EU und die ukrainische Regierung ihre Absicht bekräftigten, die Bemühungen darauf zu konzentrieren, in diesem kritischen Reformbereich kontinuierlich Fortschritte zu erzielen.

Die MFA-III hat der Ukraine erfolgreich dabei geholfen, ihren Haushalt zu konsolidieren und ihre Zahlungsbilanzposition zu verbessern. Der Umfang und die günstigen Konditionen der Maßnahme haben die für die Durchführung von Strukturreformen notwendigen Haushaltseinsparungen ermöglicht und das Vertrauen in die ukrainische Wirtschaft gestärkt.

Die MFA-III stand mit dem breiteren politischen Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine in Einklang. Auch die Kohärenz mit den Maßnahmen anderer internationaler Geber war groß. So hat die MFA nicht nur zu einer finanziellen „Lastenteilung“ mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen Gebern beigetragen, sondern auch die von IWF und Weltbank geförderten Reformen unterstützt, da sich die jeweiligen Auflagen überschnitten und gegenseitig ergänzten.

Die Fähigkeit der EU, in relativ kurzer Zeit erhebliche Finanzmittel zu mobilisieren und zu koordinieren, war einer der Hauptgründe für die Maßnahme, da der Finanzbedarf der Ukraine zu dieser Zeit nach wie vor extrem hoch war. Die mit der Makrofinanzhilfe verknüpften Auflagen hatten einen verstärkenden Effekt auf die Politik, der dazu beigetragen hat, die ukrainischen Behörden zur Durchführung zentraler Reformen zu mobilisieren. Auch hat das Programm das Vertrauen des privaten Sektors gestärkt und war insofern mit Mehrwert verbunden.

Eine kontrafaktische Analyse der sozialen Auswirkungen der MFA deutet darauf hin, dass die soziale Lage in der Ukraine ohne MFA und Unterstützung des IWF außerordentlich ernst gewesen wäre. Die Makrofinanzhilfe hat die soziale Lage der ukrainischen Bevölkerung sowohl direkt als auch indirekt verbessert, indem sie das Netz der sozialen Sicherheit gestärkt und Haushalte mit geringem Einkommen durch Ausgleichsregelungen vor energiereformbedingten Preiserhöhungen geschützt hat. Alles in allem hat sich die Mehrzahl der sozialen Indikatoren im betreffenden Zeitraum verbessert.

Und schließlich hat die MFA-III auf verschiedenen Wegen auch wesentlich zur langfristigen Tragfähigkeit des öffentlichen Schuldenstands der Ukraine beigetragen; so ging von ihr eine Signalwirkung aus, die weitere Finanzhilfen beschleunigt und das Vertrauen der Investoren gestärkt hat. Durch seine ausgesprochen günstigen Darlehenskonditionen hat das Programm Haushaltseinsparungen ermöglicht, die der Ukraine dabei geholfen haben, ihren Anpassungspfad verträglicher zu gestalten und Haushaltsspielraum für Reformen und fortgesetzte Sozialausgaben zu schaffen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die MFA-III die Ukraine wesentlich dabei unterstützt hat, ihre Zahlungsbilanzprobleme anzugehen und zentrale Strukturreformen zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Verbesserung der Tragfähigkeit der Zahlungsbilanz durchzuführen. Sie hat Haushaltseinsparungen und finanzielle Leistungen ermöglicht und für weitere finanzielle Unterstützung und das Vertrauen der Investoren als Katalysator gewirkt. Die an die Makrofinanzhilfe geknüpften Auflagen waren voll auf das entsprechende IWF-Programm abgestimmt und hatten einen verstärkenden Effekt, der dazu beigetragen hat, die ukrainischen Behörden zu wesentlichen Reformen anzuspornen, was insbesondere für Bereiche gilt, die nicht von anderen internationalen Geberprogrammen abgedeckt waren.

In der Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, auf die sich der vorliegende Bericht stützt, wird die Makrofinanzhilfe einer ausführlichen und umfassenden Bewertung unterzogen. Bei einigen Schlussfolgerungen zu den Evaluierungskriterien werden weitere Überlegungen angestellt werden müssen und könnte ein Vergleich mit anderen abgeschlossenen MFA-Maßnahmen von Nutzen sein. Für Ende 2021 ist eine Meta-Evaluierung geplant, bei der diesen Punkten gründlicher nachgegangen werden soll. Diese Meta-Evaluierung wird eine Synthese der Ergebnisse der Evaluierungen der in den vergangenen zehn Jahren gewährten Makrofinanzhilfen ermöglichen; dabei werden auch die Zuverlässigkeit und Relevanz der Methodik, des Prozesses, der Outputs und der Ergebnisse auf den Prüfstand gestellt. Zusätzlich dazu sollen die zeitliche Planung von MFA-Maßnahmen und potenzielle Verknüpfungen mit Mehrwert und Sichtbarkeit beurteilt werden.

(1)

Beschluss (EU) 2015/601 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. April 2015 über eine Makrofinanzhilfe für die Ukraine:

  https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1476965532409&uri=CELEX:32015D0601

(2)

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32018R1046.

(3)

Die MFA-III an die Ukraine war die größte einzelne Makrofinanzhilfe in der Geschichte dieses Instruments.

(4)

Die MFA-III war an insgesamt 36 Bedingungen geknüpft (46, wenn auch die Unterbedingungen mitgezählt werden).

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