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Document 52020IP0175

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2020 zur Lage im Schengen-Raum nach dem COVID-19-Ausbruch (2020/2640(RSP))

ABl. C 362 vom 8.9.2021, p. 77–81 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

8.9.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 362/77


P9_TA(2020)0175

Lage im Schengen-Raum nach dem COVID-19-Ausbruch

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Juni 2020 zur Lage im Schengen-Raum nach dem COVID-19-Ausbruch (2020/2640(RSP))

(2021/C 362/10)

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den 35. Jahrestag des am 14. Juni 1985 unterzeichneten Übereinkommens von Schengen (1)‚ den 30. Jahrestag des am 19. Juni 1990 unterzeichneten Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen (2) und den 25. Jahrestag des am 26. März 1995 erfolgten Inkrafttretens des Übereinkommens von Schengen,

unter Hinweis auf Artikel 67 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), wonach die Union einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bildet und sicherstellt, dass Personen an den Binnengrenzen nicht kontrolliert werden,

unter Hinweis auf Artikel 21 Absatz 1 AEUV, wonach jeder Bürger der Union das Recht hat, sich im Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten,

unter Hinweis auf Charta der Grundrechte der Europäischen Union, darunter Artikel 45 AEUV, wonach Unionsbürgerinnen und Unionsbürger das Recht haben, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten,

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (3), die die kodifizierte Fassung der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) darstellt, bei dem es sich um den ersten im Mitentscheidungsverfahren angenommene Rechtsakt im Bereich Justiz und Inneres handelt,

unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, (Freizügigkeitsrichtlinie) (5), und den darin verankerten Grundsatz der Nichtdiskriminierung,

unter Hinweis auf die Leitlinien der Kommission („COVID-19 — Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen“ (C(2020)1753)) vom 16. März 2020, die von den Staats- und Regierungschefs am 17. März 2020 gebilligt wurden,

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Präsidenten des Europäischen Rates im Anschluss an die Videokonferenz vom 17. März 2020 mit Mitgliedern des Europäischen Rates über COVID-19, in denen der Aufruf zur Stärkung der Außengrenzen durch eine koordinierte vorübergehende Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU für einen Zeitraum von 30 Tagen auf der Grundlage der Mitteilung der Kommission mit dem Titel „COVID-19: Vorübergehende Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die EU“ (COM(2020)0115) und ihrer anschließenden Verlängerung gebilligt wurde,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. März 2020 mit dem Titel „COVID-19 — Hinweise zur Umsetzung der vorübergehenden Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU, zur Vereinfachung der Durchreiseregelungen für die Rückkehr von EU-Bürgern und zu den Auswirkungen auf die Visumpolitik“ (C(2020)2050),

unter Hinweis auf den vom Präsidenten der Kommission und vom Präsidenten des Europäischen Rates vorgelegten gemeinsamen europäischen Fahrplan für die Aufhebung der Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19,

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 8. April 2020 über die Bewertung der Anwendung der vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in der EU (COM(2020)0148),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. Mai 2020 mit dem Titel „COVID-19 — Hin zu einem abgestuften und koordinierten Vorgehen zur Wiederherstellung der Freizügigkeit und zur Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen“ (C(2020)3250),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. Mai 2018 zu dem Jahresbericht über das Funktionieren des Schengen-Raums (6),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Dezember 2018 zur vollständigen Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in Bulgarien und in Rumänien: Abschaffung der Binnengrenzkontrollen an den Land-, See- und Luftgrenzen (7),

unter Hinweis auf die Vorarbeiten zu dieser Entschließung, die die Arbeitsgruppe zur Kontrolle des Schengen-Systems des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres geleistet hat,

unter Hinweis auf die Anfragen an den Rat und die Kommission zur Lage im Schengen-Raum nach dem Ausbruch von COVID-19 (O-000037/2020 — B9-0010/2020 und O-000038/2020 — B9-0011/2020),

gestützt auf Artikel 136 Absatz 5 und Artikel 132 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.

in der Erwägung, dass die meisten Mitgliedstaaten und — wie auch aus der Thematik der vorliegenden Entschließung ersichtlich — die assoziierten Schengen-Länder als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie Binnengrenzkontrollen wieder eingeführt, die entsprechenden Grenzen teilweise oder vollständig geschlossen bzw. für bestimmte Kategorien von Reisenden geschlossen haben, darunter EU-Bürger und ihre Familienangehörigen sowie Drittstaatsangehörige, die ihren Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet oder in einem anderen Mitgliedstaat haben; in der Erwägung, dass es bei der Umsetzung dieser Maßnahmen eindeutig an Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten und mit den Organen der Union mangelte;

B.

in der Erwägung, dass Kontrollen an den Binnengrenzen die im Unionsrecht verankerten Rechte und Freiheiten der Menschen beeinträchtigen; in der Erwägung, dass Reisebeschränkungen an den Außengrenzen das Recht, Asyl zu beantragen, nicht beeinträchtigen dürfen;

C.

in der Erwägung, dass der im Übereinkommen von Schengen und im Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vorgesehene freie Personenverkehr mit Ausgleichsmaßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit im Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten einhergeht (8); in der Erwägung, dass diese Ausgleichsmaßnahmen Instrumente wie das Schengener Informationssystem (SIS) und andere IT-Großsysteme, die den Informationsaustausch zwischen den Behörden der Schengen-Staaten sicherstellen sollen, sowie gemeinsame Vorschriften zum Schutz der Außengrenzen umfassen;

D.

in der Erwägung, dass der Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen nur dann reibungslos funktionieren kann, wenn zwischen den Mitgliedstaaten wechselseitiges Vertrauen herrscht;

E.

in der Erwägung, dass es nach der ursprünglichen Aufhebung der Kontrollen an den Binnengrenzen selten dazu kam, dass entsprechende Kontrollen wieder eingeführt wurden; in der Erwägung, dass jedoch mehrere Mitgliedstaaten seit 2015 Kontrollen an den Binnengrenzen beibehalten, was mit verstärkter Migration und/oder Sicherheitsbedrohungen gerechtfertigt wird; in der Erwägung, dass das Parlament die Rechtmäßigkeit und die Verhältnismäßigkeit dieser Kontrollen an den Binnengrenzen infrage gestellt hat;

F.

in der Erwägung, dass die Rückkehr zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum von größter Bedeutung ist, damit der Grundsatz der Freizügigkeit als eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Integration gewahrt und als wesentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche Erholung der EU nach der COVID-19-Pandemie gesichert wird;

1.

weist darauf hin, dass der Schengen-Raum eine greifbare und geschätzte Errungenschaft ist, die im Zentrum des Projekts der Europäischen Union steht und die uneingeschränkte Reisefreiheit für mehr als 400 Millionen Menschen ermöglicht, für Bürger und Unternehmen gleichermaßen von außerordentlichem Wert und in der gesamten Geschichte und der Welt einzigartig ist;

2.

zeigt sich besorgt über die derzeitige Situation, die durch von so vielen Mitgliedstaaten eingeführte Kontrollen an den Binnengrenzen gekennzeichnet ist, sowie über die verschiedenen anderen Maßnahmen, die ergriffen wurden, darunter die vollständige oder teilweise Schließung der Grenzen oder die Schließung der Grenzen für bestimmte Kategorien von Reisenden, einschließlich EU-Bürgern oder Drittstaatsangehörigen, die sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhalten, und über die sehr schwerwiegenden Auswirkungen, die diese Maßnahmen auf Menschen und Unternehmen haben, einschließlich des Tourismus und der Saisonarbeit;

3.

weist darauf hin, dass es zwar die Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit uneingeschränkt unterstützt, die von den Mitgliedstaaten für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet ergriffen wurden, um die Ausbreitung von COVID-19 durch physische Distanzierung einzudämmen, einschließlich Ausgangsbeschränkungen, dass die Mitgliedstaaten jedoch in ihren förmlichen Mitteilungen gemäß dem Schengener Grenzkodex kaum begründet haben, inwiefern Grenzkontrollen ein geeignetes Mittel zur Begrenzung der Ausbreitung von COVID-19 sind; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Grenzkontrollen im Schengener Grenzkodex als „die an einer Grenze (…) unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen“ definiert sind; ist der Ansicht, dass gezieltere Beschränkungen auf regionaler Ebene, auch in Grenzregionen, angemessener und weniger einschneidend gewesen wären;

4.

weist darauf hin, dass die Vorschriften über die Binnengrenzen der Union im Schengener Grenzkodex festgelegt sind und dass die Mitgliedstaaten bei der Annahme von Maßnahmen, die sich auf das Überschreiten der Binnengrenzen auswirken, sowohl den Geist als auch den Wortlaut des Kodex beachten müssen;

5.

weist erneut darauf hin, dass die Begrifflichkeit des Schengener Grenzkodex eindeutig ist und Kontrollen an den Binnengrenzen eine Ausnahme bleiben müssen, die nur als letztes Mittel in begrenztem Umfang und für einen befristeten Zeitraum auf der Grundlage bestimmter objektiver Kriterien eingesetzt werden und geeignet sind, der ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit angemessen abzuhelfen; ist der Auffassung, dass viele der von den Mitgliedstaaten übermittelten Mitteilungen nicht detailliert genug sind, um überprüfen zu können, ob diese Grundsätze eingehalten wurden;

6.

weist darauf hin, dass der Begriff „letztes Mittel“ eine Prüfung erfordert, ob andere Maßnahmen zur Verwirklichung des Ziels gleichermaßen oder besser geeignet sind; fordert die Mitgliedstaaten auf, einzuräumen, dass die mögliche Einführung von obligatorischen Mindestgesundheitskontrollen die bessere Alternative im Vergleich zur Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen ist; weist in diesem Zusammenhang auf die in den Leitlinien der Kommission aufgeführten gesundheitsbezogenen Maßnahmen hin (9); weist darüber hinaus auf die Empfehlung der Kommission zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen (10) hin‚ in der es heißt: „Ziehen es Mitgliedstaaten in einer Situation einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit in Erwägung, Kapitel II von Titel III der Verordnung (EU) 2016/399 (über die Einführung von Kontrollen an den Binnengrenzen) anzuwenden, sollten sie zunächst prüfen, ob der Situation durch eine Intensivierung der Polizeikontrollen im Hoheitsgebiet, darunter in Grenzgebieten, angemessen begegnet werden kann.“;

7.

stellt fest, dass im Schengen-Raum noch nie eine so schwere Pandemie ausgebrochen ist; weist darauf hin, dass in den Bestimmungen des Schengener Grenzkodex ausdrücklich festgelegt ist, dass eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit einen Grund für die Verweigerung der Einreise an den Außengrenzen darstellen kann, und weist ferner darauf hin, dass weder im Kodex noch im Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen die öffentliche Gesundheit als Grund für die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen erwähnt wird bzw. wurde und die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen nur vorgesehen ist, um ernsthaften Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit zu begegnen;

8.

bedauert, dass einige Mitgliedstaaten kurzfristig Grenzkontrollen und andere Grenzbeschränkungen eingeführt haben, ohne der eigenen Bevölkerung und anderen Mitgliedstaaten ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen; bedauert darüber hinaus die zusätzlichen Folgen von Grenzkontrollen, die an einigen Binnengrenzen beobachtet werden, wie übermäßige Wartezeiten ohne angemessene Hygienemöglichkeiten und eine angemessene physische Distanzierung, wodurch sowohl für die Personen, die den Grenzkontrollen unterliegen, als auch für die Grenzschutzbeamten Gesundheitsrisiken entstehen, sowie die zusätzliche Belastung von bereits überlasteten Grenzschutz- und Polizeibeamten, bei denen es sich nicht um ausgebildete Angehörige der Gesundheitsberufe handelt; ist darüber hinaus besorgt über die zahlreichen Hindernisse, auf die viele Grenzgänger im Schengen-Raum seit dem Ausbruch der Pandemie gestoßen sind, etwa das Fehlen klarer verfügbarer Informationen über Beschränkungen, die für sie beim Überschreiten der Grenzen gelten;

9.

weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten gemäß der Freizügigkeitsrichtlinie die Freizügigkeit und die Aufenthaltsfreiheit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit aus Gründen der öffentlichen Gesundheit einschränken können; besteht jedoch darauf, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Garantien von allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden müssen und dass insbesondere die Nichtdiskriminierung zwischen den eigenen Staatsangehörigen und den Unionsbürgern, die ihren Wohnsitz in dem betreffenden Mitgliedstaat haben, sichergestellt sein muss;

10.

ist der Ansicht, dass eine rasche Rückkehr zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum von größter Bedeutung ist und sowohl vom politischen Willen der Mitgliedstaaten als auch von ihrer Verpflichtung zur Koordinierung der Maßnahmen im Rahmen des Schengen-Besitzstands abhängt; fordert die Kommission auf, bei der Koordinierung der Maßnahmen auf europäischer Ebene eine führende Rolle zu übernehmen, um die Herausforderung, die COVID-19 für die Gesundheit der europäischen Bürger bedeutet, anzugehen und gleichzeitig den Schengen-Raum als Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen unter uneingeschränkter Achtung der Grundsätze der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens zu erhalten; ist der Ansicht, dass die Suche nach europäischen Antworten für alle Seiten von Nutzen sein wird; bedauert alle unkoordinierten, bilateralen oder multilateralen Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten, die außerhalb des Rahmens der Union erörtert wurden, zutiefst und lehnt sie ab; fordert, dass bei allen Vereinbarungen der Grundsatz der Nichtdiskriminierung beachtet wird;

11.

fordert die Mitgliedstaaten auf, die Einschränkungen der Freizügigkeit im gleichen Zuge zurückzunehmen, wie die Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 gelockert werden; ist der Auffassung, dass mit einer angemessenen Koordinierung auf Unionsebene ein stärker regional ausgerichteter Ansatz verhältnismäßiger als nationale Grenzkontrollen sein und die Aufhebung von Beschränkungen der Freizügigkeit ermöglichen könnte, wenn sich die Lage im Bereich der öffentlichen Gesundheit in den Nachbarregionen vergleichsweise verbessert hat;

12.

fordert die Mitgliedstaaten dringend auf, zusammen mit dem Parlament, dem Rat und der Kommission ein Aufbauprogramm für den Schengen-Raum zu erörtern, das auch die Möglichkeiten und Mittel für die möglichst rasche Rückkehr zu einem voll funktionsfähigen Schengen-Raum ohne Kontrollen an den Binnengrenzen und Notfallpläne für den Fall eines möglichen zweiten Höhepunkts der Pandemie enthält, damit die vorübergehenden Kontrollen an den Binnengrenzen nicht mittelfristig semipermanent werden;

13.

weist erneut darauf hin, dass gemäß dem Schengener Grenzkodex die Bewertung der Notwendigkeit von Kontrollen an den Binnengrenzen und deren Verlängerung, wenn sie als Sofortmaßnahme eingeführt werden, auf Unionsebene überwacht werden sollten; fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die Anwendung des Schengen-Besitzstands angemessen zu kontrollieren und insbesondere die von den Mitgliedstaaten bereits ergriffenen Maßnahmen sowie die Aktualität und Qualität der Mitteilungen der Mitgliedstaaten zu bewerten, die Entwicklungen genau zu verfolgen und erforderlichenfalls die Mitgliedstaaten an ihre rechtlichen Pflichten zu erinnern und Stellungnahmen abzugeben; fordert die Kommission auf, von ihren Befugnissen Gebrauch zu machen, um zusätzliche Informationen von den Mitgliedstaaten anzufordern; fordert die Kommission auf, dem Parlament ausführlicher darüber Bericht zu erstatten, wie sie ihre Vorrechte gemäß den Verträgen ausübt;

14.

bedauert, dass die Bestimmung des Schengener Grenzkodexes, wonach die Mitgliedstaaten dem Parlament, dem Rat und der Kommission innerhalb von vier Wochen nach Aufhebung von Grenzkontrollen Bericht erstatten müssen, ihren beabsichtigten Zweck verloren hat, was dazu geführt hat, dass das Parlament nicht informiert wurde; fordert deshalb die Mitgliedstaaten, die Kontrollen an den Binnengrenzen eingeführt haben, auf, dem Parlament zeitnah mindestens alle sechs Monate Bericht zu erstatten, indem sie genaue und detaillierte Daten über die Gründe der Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen vorlegen; bedauert zutiefst, dass die Kommission seit 2015 keinen Jahresbericht über das Funktionieren des Raums ohne Kontrollen an den Binnengrenzen veröffentlicht hat, wozu sie gemäß dem Schengener Grenzkodex verpflichtet ist;

15.

weist erneut darauf hin, dass vorübergehende Reisebeschränkungen für alle nicht unbedingt notwendigen Einreisen aus Drittländern in den Schengen-Raum eingeführt wurden; betont, dass alle Entscheidungen über Einreiseverweigerungen an den Außengrenzen im Einklang mit den Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes stehen müssen, und zwar gemäß dessen Artikel 4 insbesondere einschließlich der Achtung der Grundrechte;

16.

fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu verstärken, wenn es um die Vollendung der Schengen-Integration mit allen EU-Mitgliedstaaten geht; fordert den Rat nachdrücklich auf, so bald wie möglich einen neuen Entwurf eines Beschlusses über die vollständige Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in Bulgarien und Rumänien vorzulegen; ist bereit, nach Anhörung des Rates gemäß Artikel 4 der Beitrittsakte seine Stellungnahme zur vollständigen Anwendung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands in Kroatien abzugeben; ist der Ansicht, dass Solidarität und Verantwortung für alle gelten und dass die Zukunft des Schengen-Raums ohne Fragmentierung auskommen muss;

17.

ist der Auffassung, dass mittelfristig Überlegungen darüber angestellt werden müssen, wie das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten gestärkt und sichergestellt werden kann, dass die Rechtsinstrumente der Union eine wahrhaft europäische Verwaltung des Schengen-Raums vorsehen, die eine wirksame koordinierte Reaktion der EU auf Herausforderungen wie die COVID-19-Pandemie ermöglichen würde, wobei das Recht auf Freizügigkeit und der Grundsatz der Freiheit von Kontrollen an den Binnengrenzen, der im Mittelpunkt des Schengen-Projekts steht, zu wahren sind; fordert die Kommission daher angesichts der neuen Herausforderungen auf, einen Vorschlag für die Reform der Verwaltung des Schengen-Raums vorzulegen;

18.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.

(1)  Schengen-Besitzstand — Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 13).

(2)  Schengen-Besitzstand — Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19).

(3)  ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1.

(4)  ABl. L 105 vom 13.4.2006, S. 1.

(5)  ABl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77.

(6)  ABl. C 76 vom 9.3.2020, S. 106.

(7)  Angenommene Texte, P8_TA(2018)0497.

(8)  Erklärung des Exekutivausschusses vom 26. Juni 1996 zur Auslieferung (SCH/Com-ex (96) decl. 6, Rev. 2) (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 435).

(9)  Empfehlung der Kommission vom 16. März 2020 mit „Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen“ (C(2020)1753).

(10)  Empfehlung der Kommission vom 12. Mai 2017 zu verhältnismäßigen Polizeikontrollen und zur polizeilichen Zusammenarbeit im Schengen-Raum (C(2017)3349).


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