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Document 52020AE5102

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Aktionsplan für den Ausbau der Zollunion“ (COM(2020) 581 final)

EESC 2020/05102

OJ C 220, 9.6.2021, p. 56–61 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

9.6.2021   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 220/56


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Aktionsplan für den Ausbau der Zollunion“

(COM(2020) 581 final)

(2021/C 220/07)

Berichterstatter:

Anastasis YIAPANIS

Befassung

Europäische Kommission, 11.11.2020

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion, Verbrauch

Annahme in der Fachgruppe

2.3.2021

Verabschiedung auf der Plenartagung

24.3.2021

Plenartagung Nr.

559

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

259/0/6

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt den äußerst konkreten Aktionsplan für die nächsten fünf Jahre, der die nationalen Zollbehörden unterstützen soll. Sobald dieser umgesetzt ist und regelmäßig Folgenabschätzungen durchgeführt werden, wird dies zu einer echten Modernisierung des Zollwesens in der gesamten EU führen.

1.2.

Obwohl die Modernisierung schon im Jahr 2016 mit der Einführung des Zollkodex der Union (UZK) (1) begonnen hat, erfordern jüngste Entwicklungen wie zunehmende Handelsströme, ein florierender elektronischer Handel, die Umgehung von Zoll- und Mehrwertsteuerabgaben, der illegale Handel und die Unterbewertung von Waren eine unmittelbare, abgestimmte Reaktion. Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion hat bereits eine höhere Arbeitsbelastung und besondere Herausforderungen für die Zollbehörden zur Folge.

1.3.

Ein derart ehrgeiziger Plan erfordert eine angemessene gemeinsame Finanzierung. Der EWSA bezweifelt, dass alle Mitgliedstaaten bereit sind, den vorgeschlagenen Zeitplan einzuhalten und ihren Anteil an Mitteln beizusteuern.

1.4.

Eine bessere Zusammenarbeit und stärkere Interoperabilität zwischen dem Zoll und anderen Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden sind dringend erforderlich. Durch die Weitergabe bewährter Verfahren könnte die Produktivität der Zollbehörden ebenfalls gefördert werden. Die richtige Verwaltung der großen Datenmengen könnte die intelligente Überwachung der Lieferketten ermöglichen und für eine Verbesserung der Fähigkeiten zur Vorausschau sorgen.

1.5.

Den Zollbehörden sollten für alle nicht finanzbezogenen Zuständigkeitsbereiche angemessene Ressourcen zur Verfügung gestellt werden und für die Kontrollen sowie die Anzahl der benötigten Mitarbeiter sollten Mindeststandards eingeführt werden. Der EWSA hält es für äußerst wichtig, so schnell wie möglich Durchführungsrechtsakte zur Regulierung der Marktüberwachung (2) zu verabschieden.

1.6.

Die extrem langwierige Annahme des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens und die Schwierigkeiten der Staatsoberhäupter der EU-27, sich auf sehr wichtige Maßnahmen zu verständigen, gefährden sowohl eine angemessene Erholung der europäischen Wirtschaft als auch die unmittelbare Unterstützung, die die Menschen und Unternehmen gleichermaßen benötigen.

1.7.

Der EWSA empfiehlt, unverzüglich die Einführung von Blockchain-Technologie im Rahmen des vorgeschlagenen Aktionsplans zu prüfen. Der technische Fortschritt und die bestehenden innovativen Lösungen, die Robotik und künstliche Intelligenz bieten, könnten außerdem leicht umgesetzt werden und zu unmittelbaren, relevanten Ergebnissen führen.

1.8.

Der EWSA ist der Ansicht, dass den am meisten gefährdeten Einfuhr- und Ausfuhrstellen besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte, und erkennt an, dass die Stärke der Zollunion durch ihr schwächstes Glied bestimmt wird. Durch ein konformes, besser abgestimmtes und integriertes Risikomanagementsystem ließen sich die Diskrepanzen zwischen den Behörden verringern und die schwächsten Glieder in der Kette stärken. Die für das zweite Quartal 2021 angekündigte neue Risikomanagementstrategie ist daher zu begrüßen.

1.9.

Für die Anbindung von ICS2 an andere elektronische Systeme müssen spezielle finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Der EWSA hebt hervor, wie wichtig die ordnungsgemäße Verwaltung eines derart komplexen Netzwerks ist.

1.10.

Der EWSA weist darauf hin, dass für ausreichende Personalausstattung gesorgt werden muss und diese Mitarbeiter entsprechend in der Analyse von Vorabinformationen vor dem Verladen und vor der Ankunft ausgebildet werden müssen. Er hat bereits die Ausarbeitung eines gemeinsamen Ausbildungsrahmens auf Grundlage des Kompetenzrahmens für das Zollwesen der EU (3) gefordert.

1.11.

Die Einrichtung eines EU-Knotenpunkts für Steuerinformationen beim für die Bekämpfung des Steuerbetrugs zuständigen Dienst von Eurofisc stellt eine erhebliche Verbesserung dar. Der EWSA sieht der diesbezüglichen Bewertung durch die Kommission erwartungsvoll entgegen.

1.12.

Der elektronische Handel ist für KMU ein sehr wichtiges Standbein. Der EWSA zeigt sich darüber besorgt, dass die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für KMU durch diesen ehrgeizigen Aktionsplan in der Mitteilung nicht erwähnt wird.

1.13.

Der EWSA ist der Ansicht, dass Plattformen über wichtige Daten verfügen, die Zollbehörden nutzen könnten, dass aber gezielte Investitionen in Software erforderlich wären, beispielsweise in automatisierte Robotiksysteme. Die Plattformen sollten finanzielle Mittel für die Erfassung von Daten erhalten, die sie ansonsten nicht benötigen würden. Der EWSA begrüßt jedoch die gegenwärtige Überarbeitung der Rolle und der Verpflichtungen von Online-Marktplätzen durch die Kommission.

1.14.

Es ist umgehend eine umfassende Analyse der internationalen Systeme der EU für Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich erforderlich. Dies würde zu einer besseren Durchsetzung führen.

1.15.

Der EWSA begrüßt den Vorschlag zur Einrichtung der Single-Window-Umgebung der EU für den Zoll, den er uneingeschränkt unterstützt.

1.16.

Der EWSA ist besorgt, dass bei einer Ablehnung des kontroversen Vorschlags für eine EU-Zollagentur durch die Mitgliedstaaten den Dienststellen der Kommission zusätzlich die Verwaltung eines derart komplexen und vernetzten Systems aufgebürdet würde.

1.17.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die Beteiligung der Sozialpartner und zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Umsetzung eines derart ehrgeizigen Aktionsplans beitragen wird. Gleichzeitig wird dadurch eine umfassende Verbreitung der damit einhergehenden Vorteile bei der Öffentlichkeit und den Unternehmen sichergestellt.

2.   Einleitung

2.1.

Die Zollunion der EU besteht bereits seit 1968 und regelt den Warenhandel aller 27 Mitgliedstaaten. Durch die Zollunion wird jedes Jahr der Handel mit Waren im Wert von über 3,5 Bio. EUR abgewickelt, wobei die Zollbehörden der EU jede Sekunde 27 deklarierte Posten abwickeln.

2.2.

Am 28. September 2020 veröffentliche die Europäische Kommission nach Bekanntgabe der politischen Leitlinien durch Kommissionspräsidentin von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit einen ehrgeizigen Aktionsplan für eine intelligentere, einfachere und digitalere Zollunion ab 2025. Dies hätte positive Auswirkungen sowohl auf die Einnahmen der EU als auch auf die Sicherheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger. Unternehmen würden zudem von einfacheren und schnelleren Verfahren bei den Meldepflichten profitieren.

2.3.

Der EWSA hat bereits betont, dass eine effiziente „Zollunion eine unabdingbare Voraussetzung für den Prozess der europäischen Integration und die Gewährleistung eines reibungslosen, sicheren und transparenten freien Warenverkehrs [ist], der mit einem Höchstmaß an Verbraucher- und Umweltschutz und Beschäftigung sowie einer wirksamen Bekämpfung von Betrug und Fälschung einhergeht“ (4).

2.4.

Der EWSA begrüßt daher den äußerst konkreten Aktionsplan für die nächsten fünf Jahre, der 30 vorgesehene und termingebundene Maßnahmen in vier strategischen politischen Kategorien umfasst, mit denen die nationalen Zollbehörden unterstützt werden sollen: Risikomanagement, Management des elektronischen Handels, Förderung der Konformität und geschlossenes Vorgehen der Zollbehörden.

2.5.

Das bestehende Zollsystem hat erwiesene Mängel und Schwachstellen. Die große Menge an Daten, auf die die Zollbehörden in allen Mitgliedstaaten Zugriff haben, wird nicht effizient genutzt. Das Europäische Parlament und der Europäische Rechnungshof haben bereits Bedenken in Bezug auf Einnahmeausfälle aufgrund unwirksamer Zollkontrollen bei eingeführten Waren angemeldet.

2.6.

Zölle stellen mit etwa 14 % der Gesamteinnahmen einen wichtigen Teil des EU-Haushalts dar. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) hat darauf hingewiesen, dass Zollbetrug weit verbreitet ist, und sich für den Zeitraum 2017–2019 für die Einziehung von Zollgebühren in Höhe von über 2,7 Mrd. EUR ausgesprochen. Aus Drittländern importierte Produktfälschungen belaufen sich schätzungsweise auf 121 Mrd. EUR pro Jahr, während mit Verstößen gegen Rechte des geistigen Eigentums mehr als 83 Mrd. EUR Umsatz erzielt werden und 15 Mrd. EUR an Steuereinnahmen verloren gehen.

2.7.

Positiv anzumerken ist, dass nahezu 100 % der Zollerklärungen auf elektronischem Weg eingereicht werden.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Die Zollunion bedarf rascher Investitionen für eine koordinierte Software-Aktualisierung und eine Personalschulung. Obwohl die Modernisierung schon im Jahr 2016 mit der Einführung des Zollkodex der Union (5) begonnen hat, erfordern zunehmende Handelsströme, ein florierender elektronischer Handel, die Umgehung von Zoll- und Mehrwertsteuerabgaben, der illegale Handel und die Unterbewertung von Waren alle eine unmittelbare und abgestimmte Antwort. Darüber hinaus sind die Zollbehörden dafür verantwortlich, Waren aus vielen nicht finanzbezogenen Gründen zu überprüfen. Der EWSA erkennt an, dass die Stärke der Zollunion durch ihr schwächstes Glied bestimmt wird, und ist daher der Ansicht, dass den am meisten gefährdeten Einfuhr- und Ausfuhrstellen besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte. Die Mitgliedstaaten sollten das neue Instrument für Zollkontrollausrüstung, das speziell auf die Unterstützung beim Erwerb, der Instandhaltung und dem Austausch von hochmoderner Zollausrüstung ausgelegt ist, in vollem Umfang nutzen.

3.2.

Der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion hat bereits eine höhere Arbeitsbelastung und besondere Herausforderungen für die Zollbehörden zur Folge. Die Zahl der Zollerklärungen wird wohl deutlich ansteigen, dazu kommt die Wiedereinführung der Zollkontrollen.

3.3.

Bessere Zusammenarbeit und Interoperabilität zwischen dem Zoll und anderen Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden sind dringend erforderlich. Der EWSA hat bereits gewarnt, dass die „Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Behörden und Institutionen — Polizei, Nachrichtendienste, Justiz, Zoll, Finanzämter — der Mitgliedstaaten […] nämlich noch viel zu wünschen übrig [lässt].“ (6)

3.4.

Der Zoll ist sehr stark an der Bekämpfung des Terrorismus und des organisierten Verbrechens beteiligt. Allein 2019 beschlagnahmte der Zoll 400 Tonnen Drogen, 3 699 Schusswaffen sowie 3,5 Mrd. Tabak- und Rauchwaren. 11,5 % aller Anmeldungen von Barmitteln waren fehlerhaft, was einer Summe von etwa 331 Mio. EUR entspricht (7).

3.5.

Die Datenverwaltung ist für einen Sektor, der eine derart große Menge an Zollerklärungen, Produktangaben, Steuern usw. handhabt, äußerst wichtig. Die Bewältigung der großen Datenmengen würde eine unmittelbare und erhebliche Verbesserung gegenüber dem aktuellen Zollsystem darstellen und auch eine bessere und schlüssige Reaktion auf die zunehmenden Herausforderungen zulassen. Darüber hinaus würden auch eine intelligente Überwachung der Lieferketten und bessere Fähigkeiten zur Vorausschau ermöglicht.

3.6.

Der EWSA ist enttäuscht, dass sich die Europäische Kommission mit ihrer Bitte um Unterstützung des Aktionsplans im allerletzten Satz der Mitteilung AUSSCHLIELICH an das Europäische Parlament und den Rat wendet und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss dabei völlig außen vor lässt. Nach fester Überzeugung des EWSA wird die Beteiligung der Sozialpartner und zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Umsetzung eines derart ehrgeizigen Aktionsplans beitragen. Gleichzeitig wird dadurch eine umfassende Verbreitung der damit einhergehenden Vorteile bei der Öffentlichkeit und den Unternehmen sichergestellt.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der EWSA begrüßt einleitend den ehrgeizigen Fahrplan und die konkreten Fristen für die Umsetzung der Maßnahmen. Dies ist ein klarer Schritt nach vorne und wird nach der Umsetzung und zusammen mit regelmäßigen Folgenabschätzungen zur echten Modernisierung des Zollwesens in der gesamten EU führen.

4.2.

Ein derart ehrgeiziger Plan erfordert eine angemessene Finanzierung. Für einige der vorgeschlagenen Maßnahmen wird zwar eine gemeinsame Finanzierung benötigt, und die EU ist bereit, ihren Teil dazu beizutragen, der EWSA bezweifelt jedoch, dass alle Mitgliedstaaten bereit sind, den vorgeschlagenen Zeitplan einzuhalten und ihren Anteil an Mitteln beizusteuern. Der Erfolg des Vorschlags kann nur mit einer sorgfältig abgestimmten Finanzierung und Umsetzung sichergestellt werden.

4.3.

Es hat sich jedoch gezeigt, dass die EU eine fragile Struktur aufweist sowie unkoordiniert und mit Verzögerung auf kritische Situationen wie die COVID-19-Pandemie reagiert. Die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einer Neuorganisation des Schengen-Raums und seine Aufforderung, den freien Personenverkehr in der Union noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, sind ebenso schwerwiegend wie besorgniserregend.

4.4.

Die überaus langwierige Annahme des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens gefährdet eine angemessene Erholung der europäischen Wirtschaft und die unmittelbare Unterstützung, die die Menschen und Unternehmen gleichermaßen benötigen. Für die Staatsoberhäupter der EU der 27 scheint es immer schwieriger, sich auf sehr wichtige Maßnahmen zu verständigen, und die Langwierigkeit und der zögerliche Charakter der Lösungen zeigen, dass das Governance-System der EU überholt und ineffizient ist.

4.5.

Obwohl dies bereits im Jahr 2018 besprochen und analysiert wurde, sieht der aktuelle Vorschlag keinen Einsatz von Blockchain-Technologie vor. Der EWSA ist der Ansicht, dass das Zollsystem die richtige Struktur aufweist, um solche Entwicklungen aufzugreifen, und empfiehlt, die Einführung von Blockchain-Technologie im Rahmen des vorgeschlagenen Aktionsplans umgehend zu prüfen.

4.6.

Der EWSA weist außerdem darauf hin, dass keinerlei Analyse für den möglichen Einsatz von Robotik und künstlicher Intelligenz zur Modernisierung des Zollbetriebs vorgenommen wird. Er ist der Überzeugung, dass der technische Fortschritt und bestehende innovative Lösungen, die Robotik und künstliche Intelligenz bieten, bei einem derart komplexen Aktionsplan leicht umgesetzt werden könnten und zu unmittelbaren und greifbaren Ergebnissen führen würden.

4.7.   Risikomanagement

4.7.1.

Seit im Jahr 2005 am Zollkodex der Gemeinschaften Änderungen im Bereich Sicherheit vorgenommen wurden, führt die EU bereits Risikomanagementaktivitäten auf Grundlage von zwei Verteidigungslinien durch: Es erfolgt eine vorherige Bewertung und Waren werden vor und nach der Einfuhr ins Zollgebiet kontrolliert. Der EWSA ist der Ansicht, dass sich die größte Herausforderung aus der unkoordinierten Anwendung des Verfahrens in den Mitgliedstaaten und dem mangelnden Informationsaustausch zwischen den Ländern ergibt. Durch Sicherstellen eines konformen, besser abgestimmten und integrierten Risikomanagementsystems ließen sich die Diskrepanzen zwischen den Behörden verringern und die schwächsten Glieder in der Kette stärken. Die für das zweite Quartal 2021 angekündigte neue Risikomanagementstrategie ist somit äußerst vielversprechend.

4.7.2.

Die Digitalisierung und der elektronische Handel machen es den Verbrauchern leichter, überall auf der Welt online einzukaufen. Nicht alle Produkte entsprechen jedoch den hohen europäischen Standards der Produktsicherheit und/oder des Verbraucherschutzes. Für die Verbraucher ist dies häufig eine Überraschung. Der EWSA begrüßt das Ziel, den Risikomanagementprozess zu stärken, um den Binnenmarkt und insbesondere die Bürgerinnen und Bürger besser vor nicht konformen und unsicheren Produkten zu schützen.

4.7.3.

Der Vorschlag, eine Initiative für gemeinsame Analysekapazitäten ins Leben zu rufen, ist definitiv ein Schritt nach vorne. Der Datenaustausch mit den für Betrugsbekämpfung zuständigen Strafverfolgungsbehörden wird ebenfalls begrüßt. Der EWSA fragt sich jedoch, ob für die Anbindung von ICS2 an andere elektronische Systeme die erforderlichen Finanzmittel zur Verfügung stehen werden. Als nächstes beziehen sich die unmittelbaren Bedenken des Ausschusses auf die Verwaltung eines derart komplexen Netzwerks und die notwendigen spezialisierten und angemessen ausgebildeten Personalressourcen.

4.7.4.

Darüber hinaus ist der EWSA besorgt, dass bei einer Ablehnung des Projekts einer neuen EU-Zollagentur durch die Mitgliedstaaten den Dienststellen der Kommission zusätzlich die Verwaltung eines derart komplexen und vernetzten Systems aufgebürdet würde.

4.7.5.

Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, bis 2024 für alle Produkte und alle Transportmittel eine Datenanalyse vor dem Beladen und vor der Ankunft einzuführen. Allerdings ist nicht klar, welche Personalausstattung in jedem Mitgliedstaat benötigt wird oder in welchem Umfang diese Mitarbeiter ausgebildet werden müssen. Gleiches gilt für den zusätzlichen Risikomanagementprozess, der für das Verfahren „nach der Ankunft“ vorgesehen ist. Der ESWA hat bereits gefordert, einen „gemeinsamen Ausbildungsrahmen zu entwickeln und sich dabei am Kompetenzrahmen für das Zollwesen der Europäischen Union zu orientieren, der auf die Harmonisierung und Anhebung der Leistungsstandards für das Zollwesen im gesamten Unionsgebiet abzielt“ (8).

4.8.   Management des elektronischen Handels

4.8.1.

Der elektronische Handel hat sowohl den Bürgern als auch den Unternehmen wichtige Vorteile und Chancen eröffnet. Es ergeben sich jedoch auch erhebliche Herausforderungen in Bezug auf die Einhaltung der Steuer- und Zollvorschriften im Warenhandel sowie im Hinblick auf die große Zahl an Zollabfertigungsanträgen für ein großes Spektrum von Kontrollen zu nicht finanzbezogenen Zwecken, darunter Sicherheit und geistiges Eigentum. Der EWSA erkennt die wichtige Rolle der Zollbehörden bei der Verhinderung der Einfuhr nicht konformer und/oder unsicherer Produkte in den Binnenmarkt an. Er kommt zu dem Schluss, dass diesen Behörden auch angemessene Ressourcen für alle nicht finanzbezogenen Zuständigkeitsbereiche zur Verfügung gestellt werden müssen.

4.8.2.

Die Umsetzung des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel (9) ab 2021 soll den Mitgliedstaaten erhebliche Einnahmen einbringen und für gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen sorgen. Die Einrichtung eines EU-Knotenpunkts für Steuerinformationen beim für die Bekämpfung des Steuerbetrugs zuständigen Dienst von Eurofisc wird als erhebliche Verbesserung erachtet, um den Zollbehörden Zugang zu Informationen zu verschaffen. Der ESWA sieht der Bewertung durch die Kommission in dieser Hinsicht erwartungsvoll entgegen.

4.8.3.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die beste Möglichkeit, den elektronischen Handel zu regulieren und zu steuern, in einer erweiterten Zusammenarbeit mit anderen Ländern der OECD und der G20 besteht. Er hat bereits hervorgehoben, „dass die steuerpolitischen Maßnahmen für die Digitalisierung der Wirtschaft und die Entwicklung von Instrumenten und operativen Lösungen auf internationaler Ebene koordiniert werden müssen“ (10).

4.8.4.

Der elektronische Handel ist für KMU ein sehr wichtiges Standbein. Der grenzüberschreitende Handel ist jedoch aufgrund der verschiedenen bestehenden Hindernisse bereits fragmentiert und der EWSA ist besorgt, dass in der Mitteilung nicht auf die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für KMU über diesen ehrgeizigen Aktionsplan hingewiesen wird. Laut Eurobarometer vom September verkaufen nur 4 % der KMU ihre Waren an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten (11).

4.8.5.

Der Vorschlag, Plattformen Zollmeldepflichten aufzuerlegen, stellt eine potenzielle Belastung für seriöse Unternehmen dar. Plattformen verfügen nicht über wichtige Daten, die der Zoll nutzen könnte, sondern müssten gezielte Investitionen in Software tätigen, mit der diese Daten erhoben und bereitgestellt werden können. Der Einsatz automatisierter Robotiksysteme sollte unverzüglich geprüft werden, da diese bei der Vereinfachung des Prozesses zur Meldepflicht von unschätzbarem Wert sein könnten. Darüber hinaus ist der EWSA der Ansicht, dass diesen Unternehmen die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden sollten, wenn sie aufgefordert werden, Daten zu erheben, die sie ansonsten nicht benötigen würden. Die Verwaltung dieser Daten ist extrem wichtig, um Zoll- und Mehrwertsteuerbetrug, Unterbewertung, falsche Ursprungsangaben usw. zu bekämpfen. Der EWSA hat bereits „die Entwicklung eines europäischen Standards für die Erhebung von Daten und Informationen über die jeweiligen Nutzer, die die Plattformen den Steuerbehörden melden [müssen]“ gefordert (12).

4.8.6.

Der EWSA begrüßt jedoch die gegenwärtige Überarbeitung der Rolle und der Verpflichtungen von Online-Marktplätzen durch die Kommission, da diese bei der Überprüfung, ob die auf ihrer Plattform verkauften Waren den Vorschriften entsprechen und sicher sind, eine umfassendere Haftung und mehr Verantwortung übernehmen sollten.

4.9.   Förderung der Konformität

4.9.1.

Vertrauenswürdigen Wirtschaftsbeteiligten werden für die Einhaltung der EU-Zollvorschriften bereits Vorteile gewährt. Der EWSA befürwortet die vorgeschlagene Überwachung der bestehenden Präferenzabkommen mit Drittländern. Eine umfassende Analyse der internationalen Systeme der EU für Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich würde zu einer besseren Durchsetzung führen.

4.9.2.

Die vorgeschlagene Einrichtung der Single-Window-Umgebung der EU für den Zoll ist ein Projekt mit Vorteilen für alle Beteiligten, das der EWSA uneingeschränkt unterstützt. Die Privatwirtschaft würde von der Möglichkeit einer einmaligen Meldung profitieren, und die verschiedenen Behörden wären durchaus in der Lage, die erforderlichen Daten auszuwählen. Dies ist für alle Beteiligten ein klarer Schritt nach vorne und Unternehmen dürften in den ersten sieben Jahren nach der Umsetzung bis zu 690 Mio. EUR an Zollverwaltungskosten einsparen.

4.9.3.

Es ist jedoch eher schwer nachvollziehbar, warum die vorgeschlagene Analyse des Zollkodex der Union darauf hindeuten sollte, dass die elektronischen Systeme weniger als vier Jahre nach Annahme des Vorschlags veraltet sein sollen.

4.9.4.

Die fragmentierten Sanktionen der Mitgliedstaaten bei Missachtung der Vorschriften haben Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt zur Folge und ermöglichen schwächere Glieder im System. Die Schaffung robuster und einheitlicher Rahmenbedingungen würde für eine insgesamt starke Zollunion sorgen. Obwohl dies in der Theorie ein hervorragendes Konzept ist, stellt sich dem EWSA die Frage, wie die Europäische Kommission dies umsetzen möchte, zumal der Vorschlag aus dem Jahr 2013 zum gleichen Thema abgelehnt wurde.

4.9.5.

Außerdem ist es schwierig, das gleiche Maß an Kontrolle auszuüben, wenn die Zahl der Zollbeamten je nach Mitgliedstaat zwischen 7 und 70 pro 100 000 Einwohner schwankt (13). Der EWSA empfiehlt die Einführung von Mindeststandards für die Kontrolle und die Zahl der benötigten Mitarbeiter.

4.9.6.

Die COVID-19-Krise hat die Schwachstellen des Zollsystems ans Licht gebracht, wobei in mehreren Fällen nicht konforme und unsichere Produkte in die EU gelangt sind. Der EWSA hält es für sehr wichtig, so schnell wie möglich Durchführungsrechtsakte zur Regulierung der Marktüberwachung (14) zu verabschieden.

4.9.7.

Darüber hinaus befürwortet der EWSA den Vorschlag, der Anwendung von Präferenzursprungsregeln und -verfahren bei den 41 Freihandelsabkommen der EU besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Im Hinblick auf andere Handelspartner, insbesondere China, haben sich die Probleme des Zolls durch das exponentielle Wachstum des elektronischen Handels weiter verschärft. Daraus ergibt sich das vollkommen normale Bestreben, bei Bedarf Bewertungen durchzuführen und Vorschriften zu erlassen.

4.10.   Geschlossenes Vorgehen der Zollbehörden

4.10.1.

Die Analyse zeigt, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit erheblich verbessert werden kann. Der EWSA erkennt an, dass die einzige Möglichkeit in Zukunft darin besteht, für eine umfassendere und bessere Zusammenarbeit zwischen den Zollbehörden aus den verschiedenen Mitgliedstaaten und zwischen dem Zoll und anderen nationalen Behörden zu sorgen. Durch Weitergabe bewährter Verfahren ließe sich auch die Produktivität der Zollbehörden verbessern.

4.10.2.

Es sind wesentliche Investitionen in Zollkontrollausrüstungen erforderlich, um diese Zusammenarbeit in der Praxis umzusetzen. Der EWSA weist darauf hin, dass die Kommission im ursprünglichen Vorschlag (15) lediglich die Übernahme von 80 % der erforderlichen Investitionen zugesagt hatte. Die verbleibenden 20 % sollten von den Mitgliedstaaten getragen werden. Aufgrund der finanziellen Lage, in der sich die Länder angesichts der COVID-19-Pandemie befinden, geht der EWSA nicht davon aus, dass alle 27 Mitgliedstaaten im Jahr 2021 Beträge in dieser Höhe investieren können.

4.10.3.

Schließlich bringt die Europäische Kommission mutig den kontroversen Vorschlag vor, bis 2023 eine Folgenabschätzung zur Einrichtung einer EU-Zollagentur vorzunehmen. Der EWSA hat Zweifel, dass die Mitgliedstaaten dem zustimmen werden.

Brüssel, den 24. März 2021.

Die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Christa SCHWENG


(1)  ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1.

(2)  ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1.

(3)  Stellungnahme des EWSA — Schaffung des Instruments für finanzielle Hilfe für Zollkontrollausrüstung im Rahmen des Fonds für integriertes Grenzmanagement (ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 67).

(4)  ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 39.

(5)  ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1.

(6)  ABl. C 246 vom 28.7.2017, S. 22.

(7)  Zweiter Zweijahresbericht über die Entwicklung der EU-Zollunion und ihrer Governance.

(8)  ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 67.

(9)  Modernisierung der Mehrwertsteuer für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel.

(10)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 62.

(11)  Flash-Eurobarometer 486.

(12)  ABl. C 364 vom 28.10.2020, S. 62.

(13)  Umfrage der Union des Finanzpersonals in Europa.

(14)  ABl. L 169 vom 25.6.2019, S. 1.

(15)  COM(2018) 321 final.


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