EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52019IE3060

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Besteuerung der kollaborativen Wirtschaft — Berichterstattungspflichten“ (ergänzende Stellungnahme)

OJ C 364, 28.10.2020, p. 62–66 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.10.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 364/62


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Besteuerung der kollaborativen Wirtschaft — Berichterstattungspflichten“

(ergänzende Stellungnahme)

(2020/C 364/09)

Berichterstatterin:

Ester VITALE

Beschluss des Präsidiums

18.6.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 29 Durchführungsbestimmungen (2010)

 

Ergänzende Stellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

24.6.2020

Verabschiedung auf der Plenartagung

16.7.2020

Plenartagung Nr.

553

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

210/1/6

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Die Besteuerung und die Steuerpolitik müssen mit der kontinuierlichen Entwicklung der kollaborativen Wirtschaft Schritt halten. In diesem Zusammenhang sollten keine neuen bzw. besonderen Steuerregelungen entwickelt werden. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) hält es vielmehr für zweckmäßiger, die bereits geltenden Steuervorschriften und -modelle an die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzupassen und dabei für gleiche Ausgangsbedingungen für die verschiedenen beteiligten Akteure zu sorgen.

1.2.

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass im Rahmen der nationalen Steuersysteme der kollaborativen Wirtschaft und der digitalen Plattformen Rechnung getragen wird und gleichzeitig die Grundsätze eines fairen Steuersystems (d. h. Kohärenz, Vorhersehbarkeit und Neutralität) gewahrt bleiben. Gleichzeitig muss auch das öffentliche Interesse an der Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen durch alle beteiligten Akteure gewährleistet werden.

1.3.

Der EWSA ist überzeugt, dass die steuerpolitischen Maßnahmen für die Digitalisierung der Wirtschaft und die Entwicklung von Instrumenten und operativen Lösungen auf internationaler Ebene koordiniert werden müssen. Deshalb begrüßt der EWSA die enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und der OECD/G20 und stellt fest, dass die eingeleiteten Kooperationsmaßnahmen bereits einige konkrete Ergebnisse gezeitigt haben, und weitere, wichtigere Ergebnisse in Zukunft zu erwarten sind.

1.4.

Es ist wichtig, dass die internationalen, europäischen und nationalen Institutionen wirksam und rasch tätig werden. Dabei gilt es, die Fragen im Zusammenhang mit der digitalen und kollaborativen Wirtschaft proaktiv anzugehen und nicht nur auf neue spezifische Probleme zu reagieren.

1.5.

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit den für die kollaborative Wirtschaft anzuwendenden Steuersysteme betrifft die Pflicht der digitalen Plattformen, Informationen über die getätigten Transaktionen zu sammeln, an die Steuerbehörden weiterzuleiten und zu speichern (Berichterstattungspflichten). Derartige Pflichten sollten für die Plattformen mit keinem übermäßigen administrativen Aufwand eingehen.

1.6.

Ein angemessener Austausch von Informationen im Rahmen eines praktikablen und verhältnismäßigen Datenerfassungs- und Datenaustauschsystems könnte einerseits die Arbeit der Steuerbehörden erleichtern und andererseits den Unternehmen ein sicheres und verlässliches System bieten, wovon der Sektor der kollaborativen Wirtschaft insgesamt profitieren würde.

1.7.

Der EWSA plädiert für die Entwicklung eines europäischen Standards für die Erhebung von Daten und Informationen über die jeweiligen Nutzer, die die Plattformen den Steuerbehörden melden und langfristig speichern müssen. Die Berichterstattungspflichten sollten klar sein und für alle Mitgliedstaaten harmonisiert werden. Mit einem europäischen Standard könnten einseitige Maßnahmen vonseiten der Mitgliedstaaten vermieden werden, die auf dem Binnenmarkt zu kontraproduktiven regulatorischen Diskrepanzen und zu Unsicherheit in Bezug auf die Umsetzung führen würden.

1.8.

In Bezug auf die allgemeinen Grundsätze für Berichterstattungspflichten ist nach Auffassung des EWSA ein Ansatz erforderlich, bei dem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewahrt bleibt. Es sollte möglich sein, den Regulierungszweck zu erfüllen, d. h. klare und für die Steuerbehörden nützliche Informationen zu erheben, ohne die privaten Interessen der Plattformen und der Endnutzer übermäßig und ungerechtfertigt zu beeinträchtigen.

1.9.

Nach Auffassung des EWSA müssten die Steuervorschriften für die kollaborative Wirtschaft, darunter auch die Bestimmungen über die Berichterstattungspflichten, im Einzelfall an den jeweiligen Sektor und die jeweiligen Tätigkeiten der kollaborativen Wirtschaft angepasst werden, die sich häufig voneinander unterscheiden.

1.10.

Nach Ansicht des EWSA ist es wichtig zu prüfen, ob die bevorstehende Umsetzung der Richtlinie über bestimmte Anforderungen für Zahlungsdienstleister in Bezug auf Auskunftsersuchen zur Aufdeckung von Mehrwertsteuerbetrugsfällen auch für die Zwecke der direkten Besteuerung im Hinblick auf die Berichterstattungspflichten verwendet werden kann.

1.11.

Der Informationsaustausch zwischen privaten Akteuren und Behörden muss selbstredend den europäischen Rechtsvorschriften über den Schutz der Privatsphäre und die Verarbeitung personenbezogener Daten entsprechen. Die Grundsätze der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und engen Auslegung in Bezug auf mögliche Abweichungen von den Datenschutzgrundsätzen zur Durchsetzung von Steuervorschriften sind zu wahren.

2.   Einleitung und allgemeine Grundsätze

2.1.

Die Entwicklung einer wirksamen Steuerpolitik für den Sektor der kollaborativen Wirtschaft stellt sowohl für die europäischen und nationalen Institutionen als auch für die Akteure dieses Sektors eine Herausforderung dar. Diesbezüglich ist es von entscheidender Bedeutung zu gewährleisten, dass sowohl für die verschiedenen Akteure in der kollaborativen Wirtschaft als auch für diese Akteure und die herkömmlichen Akteure, die in denselben Sektoren tätig sind, gleiche Rahmenbedingungen herrschen.

2.2.

Nach Auffassung des EWSA ist die kollaborative Wirtschaft in den letzten Jahren stetig und beträchtlich gewachsen und bietet den Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Chance, sich auch in Zukunft weiterzuentwickeln. Denn mit ihr lassen sich ungenutzte Potenziale mobilisieren und die Initiative der Einzelpersonen wecken. Gleichzeitig ist sich der EWSA bewusst, dass eine Regelung notwendig ist, um den Verbraucherschutz, den Schutz der Arbeitnehmerrechte, die Steuerpflichten und den fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

2.3.

Der in dieser Stellungnahme verwendete Begriff „kollaborative Wirtschaft“ bezieht sich auf Geschäftsmodelle, bei denen kollaborative Plattformen eine Katalysatorrolle spielen. Sie ermöglichen die zeitweilige Nutzung von Waren oder Dienstleistungen, die häufig von Privatpersonen angeboten werden. In diesem Zusammenhang wäre es auch in methodologischer Hinsicht wichtig, einen Minimalkonsens zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Begriff der kollaborativen Wirtschaft zu erzielen, um erhebliche Diskrepanzen zwischen den verschiedenen auf dem Binnenmarkt angewandten Definitionen zu vermeiden.

2.4.

Die kollaborative Wirtschaft ist ein komplexes wirtschaftliches Phänomen, das zu regulatorischen Zwecken umfassend überarbeitet werden muss, weil sie verschiedene Gesellschaftsbereiche und unterschiedliche, traditionell voneinander abgegrenzte Rechtsinstitute betrifft. So hat beispielsweise die ständige Weiterentwicklung der kollaborativen Wirtschaft Auswirkungen auf die Vorschriften in den Bereichen Verbraucherrecht, Arbeitsrecht, Sozialversicherung, Vertragsrecht, Datenschutz und öffentliche Dienstleistungen.

2.5.

Der EWSA hebt hervor, dass die nationalen Steuersysteme auf europäischer Ebene wirksam koordiniert werden und den neuen Geschäftsmodellen der kollaborativen Wirtschaft Rechnung tragen müssen. Die Wahrung der Steuergerechtigkeit (d. h. Kohärenz, Vorhersehbarkeit und Neutralität) in Bezug auf solche neuen Modelle ist für alle beteiligten Akteure — Behörden, Unternehmen und Verbraucher — notwendig.

2.6.

Die Anpassung der bisher geltenden Steuervorschriften hinkt der kontinuierlichen technologischen Entwicklung allerdings hinterher. Es kommt oftmals zu zeitlichen Diskrepanzen zwischen der sehr raschen Entwicklung der digitalen Wirtschaft und der Erarbeitung von Steuervorschriften. Die Anpassung der bisherigen Vorschriften und Grundsätze an den laufenden Wandel sollte folglich rechtzeitig und angemessen erfolgen, wobei der europäische Gesetzgeber und die verschiedenen nationalen Gesetzgeber ihre Maßnahmen koordinieren müssen.

2.7.

Es ist besonders wichtig, dass die internationalen, europäischen und nationalen Institutionen rechtzeitig, wirksam und koordiniert tätig werden, um die neuen von der digitalen und kollaborativen Wirtschaft aufgeworfenen Fragen zu lösen. Zu diesem Zweck muss in Bezug auf neue spezifische Problemstellungen proaktiv gehandelt und nicht bloß reagiert werden.

2.8.

Der EWSA ist überzeugt, dass vor dem Hintergrund der Digitalisierung der Wirtschaft die steuerpolitischen Maßnahmen und die Entwicklung von Instrumenten und konkreten Lösungen auf internationaler Ebene oder gar weltweit koordiniert werden müssen. Deshalb begrüßt der EWSA die enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission, den Mitgliedstaaten und der OECD/G20 und stellt fest, dass diese Kooperation bereits einige konkrete Ergebnisse gezeitigt hat, und weitere, wichtigere Ergebnisse in Zukunft zu erwarten sind.

3.   Berichterstattungspflichten

3.1.

Ein wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit den Steuersystemen der kollaborativen Wirtschaft betrifft die Pflicht der digitalen Plattformen, Informationen über die getätigten Transaktionen zu sammeln, an die Steuerbehörden weiterzuleiten und zu speichern. Eine angemessene Weitergabe von Informationen im Rahmen eines praktikablen und verhältnismäßigen Datenerhebungs- und Datenaustauschsystems könnte einerseits die Arbeit der Steuerbehörden erleichtern, die die Daten schnell und reibungslos erhalten würden, und andererseits ein verlässliches System für Plattformen und ihre Nutzer bieten. Die Berichterstattungspflichten sollten keinen übermäßigen Verwaltungsaufwand für die Plattformen und die Akteure des Sektors darstellen.

3.2.

Es gibt bereits mehrere Beispiele für eine wirksame Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Steuerbehörden im Verkehrssektor. So wurde beispielsweise in Estland die Steuerklärung für Fahrer, die Car-Pooling-Plattformen nutzen, erleichtert. Ein anderes Beispiel für eine innovative Lösung, das ebenfalls aus Estland stammt, ist die Festlegung einer verhältnismäßigen Mindestmenge an Daten, die den Behörden gemeldet werden müssen, sowie die für die Betreiber der Plattformen bestehende Möglichkeit, zwecks Steuerehrlichkeit ein eigens dafür bestimmtes Bankkonto zu nutzen. Ein solches Bankkonto erleichtert einen direkten und schnellen Austausch zwischen den Betreibern, ihren Banken und den Steuerbehörden. Andererseits ist in einigen Regionen zu beobachten, dass die Online-Plattformen kaum bereit sind, mit den Finanzbehörden zusammenzuarbeiten.

3.3.

In diesem Zusammenhang plädiert der EWSA für die Erarbeitung eines europäischen Standards für die Erhebung von Daten und Informationen, die die Plattformen den Steuerbehörden melden und langfristig speichern müssen. Viele unterschiedliche einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten und die Koexistenz uneinheitlicher Systeme auf dem Binnenmarkt (wie dies bereits teilweise der Fall ist) könnten zu operativen Schwierigkeiten und Ineffizienzen für den gesamten Sektor der kollaborativen Wirtschaft führen.

3.4.

Die Entwicklung eines harmonisierten europäischen Berichterstattungsmodells sollte auf bisherigen Erfahrungen und operativem Feedback aus der Praxis beruhen. Die in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Berichterstattungssysteme unterscheiden sich voneinander in organisatorischer Hinsicht und im Hinblick auf die Menge und Art der zu erhebenden und zu übermittelnden Daten. In einigen Mitgliedstaaten ist die Berichterstattung sehr aufwendig und verlangt den Plattformen erhebliche Anstrengungen ab. In anderen Mitgliedstaaten sind die Systeme hingegen flexibler und beeinträchtigen den laufenden Betrieb weniger. Die Erfahrungen einiger Mitgliedstaaten zeigen außerdem, dass die Systeme der fakultativen und freiwilligen Berichterstattung, die an keine spezifischen gesetzlichen Auflagen gebunden ist, nicht wirksam funktionieren.

3.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die heutige Fragmentierung langfristig nicht tragbar ist, da sie zu übermäßigen Befolgungskosten und Ineffizienzen führen kann, die mit der uneinheitlichen Regulierung in verschiedenen Bereichen des Binnenmarktes zusammenhängen. Aus diesem Grund ist für die Berichterstattung ein ausgewogener und verhältnismäßiger Ansatz erforderlich, der ein vereinfachtes und funktionierendes System gewährleistet. Einfachere Berichterstattungspflichten wären für die digitalen Plattformen möglicherweise auch ein konkreter Anreiz, sie auch einzuhalten.

3.6.

In Bezug auf die allgemeinen Grundsätze für Vorschriften zur Besteuerung der kollaborativen Wirtschaft im Allgemeinen und der Berichterstattungspflichten im Besonderen gilt es nach Ansicht des EWSA einen Ansatz zu verfolgen, bei dem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gewahrt bleibt. Somit wird es notwendig sein, den Regulierungszweck zu erfüllen, d. h. klare und für die Steuerbehörden nützliche Informationen im öffentlichen Interesse zu erheben, ohne die privaten Interessen der Plattformen und der Endnutzer übermäßig zu beeinträchtigen.

3.7.

Dieser Ansatz sollte klare und berechenbare Vorschriften für die Akteure des Sektors sicherstellen, damit einerseits keine übermäßigen Befolgungskosten entstehen (zum Beispiel durch die Aufforderung zur Offenlegung unnötiger und unverhältnismäßiger Daten), und andererseits eine wirksame Erhebung von Informationen durch die Steuerbehörden gewährleistet ist.

3.8.

Darüber hinaus sollte bei einem verhältnismäßigen und vernünftigen Berichterstattungssystem aufgeführt werden, welche qualitativen Daten zwingend notwendig sind und für die Zwecke der Durchsetzung der Steuervorschriften erhoben werden müssen, ohne den Plattformen bzw. ihren kommerziellen Nutzern oder den Endnutzern übermäßige Verpflichtungen zu verursachen. Bei einem verhältnismäßigen Ansatz sollte außerdem zwischen professionellen Akteuren, die im Rahmen der kollaborativen Wirtschaft tätig sind, und nichtprofessionellen Akteuren unterschieden werden. Die Berichterstattungspflichten sollten für beide Kategorien entsprechend angepasst werden.

3.9.

Weitere Aspekte, die auf europäischer Ebene harmonisiert werden sollten, sind: a) die allgemeinen Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung durch den für die Verarbeitung Verantwortlichen; b) die von der Verarbeitung betroffenen Personen; c) die Einrichtungen und Zwecke, für die die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen; d) die Ermittlung der Verarbeitungsmethoden; e) Zweckbindung der Verarbeitung; und f) Speicherfristen.

3.10.

Der Informationsaustausch zwischen privaten Akteuren und Behörden muss selbstredend den europäischen Rechtsvorschriften über den Schutz der Privatsphäre und die Verarbeitung personenbezogener Daten entsprechen. Die Grundsätze der Notwendigkeit, Verhältnismäßigkeit und engen Auslegung in Bezug auf mögliche Abweichungen von den Datenschutzgrundsätzen zur Durchsetzung von Steuervorschriften sind zu wahren.

3.11.

In diesem Zusammenhang könnte es sinnvoll sein, auch den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen nationalen Steuerbehörden zu verbessern und voranzutreiben, um wirksame Zusammenarbeitsstrukturen zur Vermeidung von Betrug und Steuerumgehung zu schaffen, und um die von den verschiedenen Behörden praktizierten Verfahren zu harmonisieren.

3.12.

Die Steuervorschriften der kollaborativen Wirtschaft, die auch für die Berichterstattungssysteme gelten, sollten auf jeden Fall an die unterschiedlichen Sektoren der kollaborativen Wirtschaft angepasst werden können, weil die verschiedenen Aktivitäten in diesem Sektor häufig unterschiedliche und spezifische Eigenschaften aufweisen, die spezifische und eigens darauf zugeschnittene Vorschriften erfordern.

3.13.

Der EWSA empfiehlt, im Sinne der Steuerneutralität in jedem Fall gleiche steuerliche Rahmenbedingungen für alle in der kollaborativen Wirtschaft ausgeübten Tätigkeiten und für die entsprechenden traditionellen Tätigkeiten zu gewährleisten. Es gilt, Verzerrungen auf Märkten zu vermeiden, auf denen in traditioneller Form ausgeübte Tätigkeiten und Tätigkeiten der kollaborativen Wirtschaft koexistieren.

3.14.

Schließlich könnte es sich als sinnvoll und förderlich für das Wachstum der kollaborativen Wirtschaft erweisen, Mindestschwellen festzulegen, unterhalb derer bestimmte Tätigkeiten als nicht gewerblich und wirtschaftlich nicht relevant gelten und deshalb Steuerbefreiungen in Anspruch nehmen können. Es ist allerdings wichtig, dass diese Schwellenwerte auf eine angemessene Weise nach einer gründlichen Folgenabschätzung festgelegt werden.

4.   MwSt. und kollaborative Wirtschaft

4.1.

In Bezug auf die MwSt. ist es von ausschlaggebender Bedeutung, das Konzept des Steuerpflichtigen genau zu definieren und zu ermitteln, ob dieser einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht. Darüber hinaus lässt sich bislang nur schwer festlegen, wie Transaktionen der kollaborativen Wirtschaft, die nicht mit Zahlungen, sondern mit nicht monetären Gegenleistungen bzw. Gegenwerten einhergehen, steuerlich zu behandeln sind, beispielsweise solche, die auf der Nutzung der persönlichen Nutzerdaten und der Wertgewinnung aus diesen Daten beruhen.

4.2.

Genauer gesagt muss für Mehrwertsteuerzwecke anhand des Entgelts für die erbrachten Dienstleistungen unterschieden werden: a) Situationen, in denen die Dienstleistungen gegen Zahlung eines Geldbetrags erbracht werden, b) Situationen, in denen die Vergütung nicht in einer Geldzahlung besteht, sondern in einer anderen Dienstleistung oder einer nicht monetären Vergütung, und c) Situationen, in denen die Dienstleistung unentgeltlich ohne jedwede Gegenleistung erbracht wird (1).

4.3.

In Bezug auf die praktischen Umstände, die möglicherweise unter b) fallen, fordert der EWSA sorgfältig zu prüfen, ob die Tätigkeiten der kollaborativen Plattformen der MwSt.-Pflicht unterliegen.

4.4.

In diesem Zusammenhang hält der EWSA die erste von der MwSt.-Expertengruppe der Europäischen Kommission durchgeführte Studie zum Thema „VAT treatment of the sharing economy“ für zweckmäßig und spricht sich für weitere Überlegungen in dieser Richtung aus.

4.5.

Darüber hinaus sollten die Europäische Kommission und die nationalen Steuerbehörden Maßnahmen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Koordinierung im Hinblick auf die Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften in der kollaborativen Wirtschaft fördern, um einheitliche Vorgehensweisen zu schaffen, für die Durchsetzung nützliche Informationen auszutauschen und Steuerbetrug und Steuerumgehung zu vermeiden.

4.6.

Nach Ansicht des EWSA ist es wichtig zu prüfen, ob die bevorstehende Umsetzung der Richtlinie über bestimmte Anforderungen für Zahlungsdienstleister im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Mehrwertsteuerbetrugsfällen im Hinblick auf die Berichterstattungspflichten auch für die Zwecke der direkten Besteuerung verwendet werden kann, und zwar sowohl bei Kreditkartenzahlungen im Internet, als auch bei Zahlungen über direkte Banküberweisungen und andere Arten der unverzüglichen Zahlung.

Brüssel, den 16. Juli 2020

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  MwSt.-Expertengruppe, Sitzung vom 1. April 2019 — taxud.c.1(2019)2026442 — EN, VAT Treatment of the sharing economy, VEG 081.


Top