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Document 52019IE1070

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verkehr, Energie und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und ihr durch die Digitalisierung ermöglichter Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in Europa“(Initiativstellungnahme)

EESC 2019/01070

OJ C 353, 18.10.2019, p. 79–89 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

18.10.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 353/79


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Verkehr, Energie und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und ihr durch die Digitalisierung ermöglichter Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung in Europa“

(Initiativstellungnahme)

(2019/C 353/13)

Berichterstatter: Alberto MAZZOLA

Mitberichterstatterin: Evangelia KEKELEKI

Beschluss des Plenums

24.1.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Initiativstellungnahme

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft

Annahme in der Fachgruppe

3.7.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

17.7.2019

Plenartagung Nr.

545

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

183/13/19

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) erachtet tragfähige europäische Systeme für Verkehr, Energie und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse als wesentliche Voraussetzung für einen vollständig integrierten Kontinent, der den globalen Herausforderungen eines nachhaltigen wettbewerbsfähigen Wachstums in einer modernen, digitalisierten und intelligenten Umgebung gewachsen und in der Lage ist, dem Anspruch der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) in Bezug auf Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Beschäftigung, Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Frieden und Gerechtigkeit zu genügen. Die aktive Mitwirkung und Teilhabe der EU-Bürgerinnen und -Bürger — als Unternehmer, Produzenten, Arbeitnehmer, Verbraucher, Prosumer, Investoren und Endnutzer — müssen nach Meinung des EWSA im Mittelpunkt der politischen Optionen und strategischen Maßnahmen stehen.

1.2.

Der EWSA ist der festen Überzeugung, dass die Vollendung des Binnenmarkts nach wie vor die entscheidende Voraussetzung für die Förderung des europäischen digitalen Wachstums ist. Er fordert die Europäische Kommission auf, die korrekte Anwendung der angenommenen Rechtsvorschriften für Unternehmen und Verbraucher durchzusetzen und zu überprüfen und dringend das Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes zu überarbeiten und eine Strategie für die Vollendung des Binnenmarkts bis 2025 aufzustellen, die auf stärkere Unternehmen, einen breiteren Arbeits- und Verbraucherschutz sowie neue umfassend vernetzte und interoperable intelligente Verkehrs- und Energiesysteme und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa ausgerichtet ist.

1.3.

Der EWSA empfiehlt die Entwicklung eines Regelungsumfelds, das Wettbewerb, Innovation und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wie auch der Unternehmen fördert, sowie die Sensibilisierung für die Vorteile der Nutzung der Digitaltechnik in den Bereichen Verkehr, Energie und Dienstleistungen von allgemeinem Interesse für die Bürger, Verbraucher, Unternehmen und Arbeitnehmer, die zu einer einzigen „digitalen Person“ verschmelzen. Der EWSA regt an, den Begriff „Eigentum an Daten“ zu vermeiden und lieber eine Definition der „Rechte an Daten“ von natürlichen und juristischen Personen festzulegen. Die Verbraucher sollten die Kontrolle über die von vernetzten Geräten generierten Daten haben, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten.

1.4.

Der freie Datenfluss ist von wesentlicher Bedeutung. Der EWSA fordert daher wirksame Lösungen, durch die die Probleme in Verbindung mit der Zugänglichkeit, Interoperabilität und Übertragung von Daten beseitigt und ausreichender Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sowie ein fairer Wettbewerb und eine größere Auswahl für die Verbraucher sichergestellt werden. Für öffentliche und private Unternehmen müssen die gleichen Bedingungen hinsichtlich der Gegenseitigkeit des Datenaustauschs und der Kosten für die Bereitstellung von Daten gelten.

1.5.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, genügend Mittel bereitzustellen und ausreichende Befugnisse zu gewähren, um die bestehenden Rechtsvorschriften wirksam zu überwachen und durchzusetzen. Er appelliert ferner an die Mitgliedstaaten, rasch den Vorschlag der Europäischen Kommission für die Einführung kollektiver Rechtsschutzverfahren anzunehmen. Es ist sicherzustellen, dass nur gut begründete Fälle weiterverfolgt und überflüssige Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.

1.6.

Der EWSA hat eine eindeutige Haltung zu der Frage, inwieweit es ethisch vertretbar ist, die Verantwortung für Entscheidungen auf KI-gestützte Systeme zu übertragen. Alle automatisierten Systeme — wie komplex sie auch immer sein mögen — müssen im Rahmen eines menschenkontrollierten Ansatzes betrieben werden.

1.7.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, Leitlinien und Erläuterungen zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu veröffentlichen, um eine einheitliche Umsetzung und ein hohes Daten- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, auch bei der Anwendung auf vernetzte und automatisierte Fahrzeuge. Auch sollte sie die Produkthaftungs- und Versicherungsvorschriften überarbeiten, um der zunehmenden Entscheidungsfindung über Software Rechnung zu tragen. Cybersicherheit ist eine entscheidende Voraussetzung für einen sicheren, von Akzeptanz getragenen Wandel.

1.8.

Der EWSA appelliert nachdrücklich an die Europäische Kommission, einen geeigneten Rahmen aufzustellen, um im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung, d. h. unter strikter Wahrung der Privatsphäre und der Anonymität, den Austausch von Gesundheitsdaten der EU-Bürgerinnen und -Bürger zwischen den digitalen nationalen Gesundheitssystemen für Forschungs- und Innovationszwecke von Einrichtungen und Unternehmen in der EU zu ermöglichen.

1.9.

Da mit 5G der Schritt von der Mobilfunk- und Internettechnologie zur Universaltechnologie vollzogen wird, die den „Prozess einer industriellen Mutation […], der unaufhörlich die Wirtschaftsstruktur von innen heraus revolutioniert, unaufhörlich die alte Struktur zerstört, unaufhörlich eine neue schafft“ antreibt, drängt der EWSA die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten, den digitalen Binnenmarkt zu vollenden und so u. a. Möglichkeiten zur Integration und Nutzung von 5G-Diensten zu entwickeln, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, beispielsweise der Verkehrs- und Automobil-, Energie-, Chemie- und Pharma-, Fertigungs- (einschl. KMU-) sowie Finanzbranche, in denen Europa weltweit führend ist, zu wahren und zu steigern.

1.10.

Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, den Ausbau und die tatsächliche Nutzung von 5G genau zu überwachen, und ruft die Mitgliedstaaten auf, den Ausbau voranzutreiben. Er schlägt vor, in Europa vorzuschreiben, dass es in jedem Mitgliedstaat mindestens zwei Infrastrukturanbieter geben muss, von denen mindestens einer europäisch ist.

1.11.

Zudem fordert der EWSA die Kommission auf, eine Studie über die biologische Wirkung der 5G-Strahlung zu veranlassen, um die möglichen Gefahren der elektromagnetischen Strahlung für die menschliche Gesundheit und die Umwelt bewerten zu können.

1.12.

Der EWSA weist darauf hin, dass die Digitalisierung der europäischen Energie- und Verkehrssysteme auf allen Ebenen neue Fachkompetenzen für die Beschäftigten erfordert und ferner eine engere Abstimmung zwischen Bildungs- und Berufsbildungsanbietern und der Industrie notwendig ist, um Mechanismen für eine breit angelegte Förderung digitaler Kompetenzen sowie einer einschlägigen kontinuierlichen Aus- und Weiterbildung und lebenslangen Lernens voranzutreiben. Hierzu muss der Europäische Sozialfonds einen Beitrag leisten. Durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen muss auch dafür gesorgt werden, dass Bürgern und Verbrauchern nicht mangels Zugang zu den elektronischen Kommunikationsnetzen oder wegen digitalen Analphabetismus der Zugang zum digitalen Markt verwehrt bleibt. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Cyber-Hygiene u. a. durch Aufklärungsarbeit bei Bürgern und Unternehmen verbessert werden muss (1).

1.13.

Im Hinblick auf die Umstellung auf emissionsfreie und emissionsarme Mobilität befürwortet der EWSA einen technologieneutralen, integrierten Systemansatz, emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge und Infrastruktur, eine schrittweise langfristige Umstellung auf alternative, CO2-neutrale Kraftstoffe sowie Effizienzsteigerungen, wie z. B. dank des Einheitlichen Europäischen Luftraums, durch eine optimale Nutzung von Digitaltechnik, wie etwa beim Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystem (ERTMS), und intelligente Preisgestaltung, die weitere Förderung multimodaler Integration, den Umstieg auf nachhaltigere Verkehrsträger und nicht zuletzt mündige Bürger, die sich dank stetig besserer Konnektivität für Mobilität als Dienstleistung (MaaS) entscheiden.

1.14.

Emissionssenkungen im Energiesektor sollten nach Meinung des EWSA durch folgende Maßnahmen gelenkt werden:

Einführung wichtiger neuer Technologien für eine klimaneutrale und energieeffiziente Kreislaufwirtschaft;

Schwerpunkt auf intelligenten Netzen für eine integrierte und optimierte Nutzung verschiedener erneuerbarer Energieträger;

umweltgerechte Technologien bei der Erzeugung, Speicherung, Übertragung, Verteilung und beim Verbrauch von Energie, Laststeuerung, Energieeffizienz, Gebäudesanierung und Mikroerzeugung;

eine spezifische Strategie für energieintensive Industriezweige und Regionen;

ein stabileres Emissionshandelssystem;

wirksamere Instrumente für die Gewährleistung der Sicherheit und Cybersicherheit von Strukturen und Netzen.

1.15.

Der EWSA weist darauf hin, dass

die flächendeckend vernetzten Infrastrukturen der europäischen Energie-, Verkehrs- und Kommunikationsnetze sind die zentralen Knotenpunkte des Binnenmarkts. Sie sind eine Voraussetzung dafür, dass die EU weiterhin bei Fortschritt und Wettbewerb weltweit führend bleibt;

die vorrangige Fertigstellung des TEN-V-Netzes allein für die Fertigstellung des Kernnetzes bis 2030 Investitionen in Höhe von 500 Mrd. EUR erfordert;

die Mobilfunkanbieter in den nächsten fünf Jahren in Europa schätzungsweise 60-100 Mrd. EUR jährlich in 5G investieren müssen und für den Netzausbau in ländlichen Gebieten weitere Investitionen in Höhe von 127 Mrd. EUR notwendig sind;

die Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft zusätzliche Investitionen in Höhe von 175-290 Mrd. EUR jährlich erfordern wird. Für den Energiesektor werden insgesamt 520-575 Mrd. EUR veranschlagt, für den Verkehrssektor 850-900 Mrd. EUR.

1.16.

Zur Finanzierung dieses enormen Investitionsbedarfs in Höhe von 9-10 % des EU-BIP über die Mobilisierung überwiegend privater und weitgehend zusätzlicher Mittel empfiehlt der EWSA die Förderung eines investitionsfreundlichen Umfelds, einschließlich der Anwendung der „goldenen Investitionsregel“ und neuer Finanzierungskonzepte im Wege der Kohäsionsinstrumente, der EIB, der Fazilität „Connecting Europe“, der Programme InvestEU und Horizont Europa sowie gemeinsamer öffentlicher und privater Initiativen. Der EWSA hofft, dass die öffentlichen und privaten Investoren diese Investitionen tragen können, und empfiehlt in diesem Sinn, die Verwaltungsverfahren zu vereinfachen, Mittel und Finanzierungsquellen zu erweitern, negative und positive externe Effekte zu internalisieren und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen zu fördern. Ein diesbezüglich wichtiger Schritt sind die laufenden Bestrebungen, eine EU-Taxonomie zur „grünen Kennzeichnung“ von Investitionen zu schaffen.

1.17.

Der EWSA ist jedoch fest davon überzeugt, dass nur eine politische und soziale Kompromisslösung auf der Grundlage eines gemeinsamen systemischen Zukunftsentwurfs mit klaren überprüfbaren kurz- und mittelfristigen Zwischenzielen die Akzeptanz solch riesiger finanzieller Verpflichtungen durch private Investoren und einer solch enormen öffentlichen Investition durch die europäischen Steuerzahler sichern kann.

2.   Horizontale Problemstellungen

2.1.

Die Nachhaltigkeitsziele sind ein globaler Aufruf zum Handeln für eine bessere und nachhaltigere Zukunft für alle. Sie thematisieren die globalen Herausforderungen, u. a. Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Armut, Ungleichheit, Klimawandel, Beschäftigung, Frieden und Gerechtigkeit. Die Nachhaltigkeitsziele sind auch ein dringender Appell, die Welt in nachhaltigere Bahnen zu lenken. Digitalisierung und Nachhaltigkeitsziele greifen eng ineinander, denn digitale Lösungen unterstützen die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele in der Industrie, durch Innovation und Infrastruktur und in der Gesellschaft insgesamt. Die Digitalisierung trägt nachweislich positiv zur Umsetzung vieler SDG bei.

2.2.

Der EWSA ist der Auffassung, dass Europa offen für die Entwicklung und Einführung neuer Geschäftsmodelle auf der Grundlage digitaler Plattformen sein muss, sofern Transparenz und Sozialklauseln geschützt werden.

2.3.

Auch wenn immer mehr Menschen Zugang zu digitalen Technologien haben, herrscht doch bei der Nutzung der Digitaltechnik weiterhin eine digitale Kluft, da einige Menschen keinen Zugang zu ihnen haben und es nicht allen gleichermaßen gelingt, den digitalen Wandel in eine bessere Lebensqualität umzusetzen.

2.4.

Die Digitalisierung der europäischen Wirtschaft erfordert auf allen Ebenen neue Fachkompetenzen. In vielen Mitgliedstaaten fehlt eine Abstimmung zwischen Bildungsanbietern und Industrie, obwohl diese Entwicklungen doch gerade eine engere Zusammenarbeit nötig machen, um Kompetenzlücken und Missverhältnisse zwischen Kompetenzangebot und -nachfrage zu vermeiden. Eine kontinuierliche Aus- und Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind entscheidend für die Anpassung an sich verändernde Arbeitsumgebungen und die Förderung der beruflichen Weiterentwicklung. Die allgemeine und berufliche Bildung, auch im Wege von Forschungsvorhaben, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Förderung von Talenten und Herausbildung von Fachkompetenzen und damit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der EU.

2.5.

Der EWSA ist zudem der Ansicht, dass die EU und die Mitgliedstaaten Arbeitnehmer unterstützen sollten, die Gefahr laufen, ihren Arbeitsplatz infolge des digitalen Wandels und der Energiewende zu verlieren. Zu diesem Zweck fordert der EWSA die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union auf, dafür zu sorgen, dass der Europäische Sozialfonds und der Europäische Fonds für die Anpassung an die Globalisierung so konzipiert und finanziert werden, dass diesen Herausforderungen entsprochen werden kann.

2.6.

Der freie Datenfluss ist von wesentlicher Bedeutung. Der EWSA fordert daher wirksame Lösungen, durch die die Probleme in Verbindung mit der Zugänglichkeit, Interoperabilität und Übertragung von Daten beseitigt und ausreichender Datenschutz und Schutz der Privatsphäre sichergestellt werden. Für öffentliche und private Unternehmen müssen die gleichen Bedingungen hinsichtlich der Gegenseitigkeit des Datenaustauschs und der Kosten für die Bereitstellung von Daten gelten.

2.7.

Der EWSA fordert die Kommission auf, einen fairen Wettbewerb und die Wahlfreiheit der Verbraucher im Bereich des Datenzugangs zu gewährleisten. In der Automobilindustrie wird ein fairer Zugang zu Fahrzeugdaten entscheidend sein, um sicherzustellen, dass die Verbraucher Zugang zu wettbewerbsfähigen, komfortablen und innovativen Mobilitätsdiensten haben. Der EWSA empfiehlt der Kommission, Leitlinien für die Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung und der Vorschriften zum Schutz der Privatsphäre auf vernetzte und automatisierte Fahrzeuge vorzugeben. Vergleichbare Herausforderungen könnten sich auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs in Verbindung mit dem Konzept „Mobilität als Dienstleistung“ (Mobility-as-a-Service — MaaS) ergeben.

2.8.

Der EWSA fordert die Kommission ferner auf, die Produkthaftungs- und Versicherungsvorschriften zu überarbeiten, um der zunehmenden Entscheidungsfindung über Software Rechnung zu tragen. Die Grundsätze der Sicherheit durch Technik und Sicherheit durch Voreinstellungen sollten systematisch angewendet werden, um das Vertrauen in die Nutzung dieser Technologien zu erhöhen.

2.9.

Cybersicherheit ist eine entscheidende Voraussetzung für einen sicheren Wandel. Es muss umfassend auf die Herausforderungen reagiert werden, die sich für wichtige Branchen auf EU Ebene stellen. Dazu muss die Rolle der Agentur der Europäischen Union für Cybersicherheit ausgebaut werden, um Schwachstellen im fortschreitenden europäischen Netzverbund auszuräumen. Der EWSA begrüßt diesbezüglich insbesondere die Arbeit des Europäischen Verbunds der Übertragungsnetzbetreiber (Strom) (ENTSO-E).

2.10.

Von Sensoren und von immer mehr intelligenten Messgeräten werden große Datenmengen generiert, die von den zuständigen Akteuren auf sichere und transparente Weise unter Wahrung der persönlichen Freiheiten verarbeitet und zugänglich gemacht werden müssen. Der EWSA gibt zu bedenken, dass das beträchtliche Potenzial der intelligenten Technologien zum Stresstest für viele bewährte Verbraucherschutzgrundsätze wie Privatsphäre, Haftung und Sicherheit sowie für die Bemühungen zur Bekämpfung der Energiearmut wird. Für die Daten müssen die Regulierungsstellen ein Konzept entwickeln, das es den Verbrauchern ermöglicht, stets auf die von ihnen generierten Daten zuzugreifen und die Kontrolle darüber zu behalten, und das Wettbewerb und die Entwicklung innovativer Dienste fördert.

2.11.

In absehbarer Zeit wird künstliche Intelligenz zu Veränderungen in allen Bereichen führen. In Verbindung damit stellt sich eine Reihe von Herausforderungen. Beispielsweise muss die Transparenz der automatisierten Entscheidungsfindung und die Verhinderung von Verbraucherdiskriminierung gewährleistet werden.

2.12.

Die Verbraucher müssen auch Zugang zu einfachen und standardisierten Produkten haben, besonders Verbraucher, die nicht über Fachwissen verfügen, ältere Menschen und allgemein schutzbedürftige Menschen.

3.   Verkehr

3.1.

Im EU-Binnenmarkt hat der Verkehrssektor einen Anteil von 6,3 % am BIP der EU und stellt rund 13 Mio. direkte Arbeitsplätze in der EU, was mehr als 7 % der Gesamtbeschäftigung in der Union entspricht, darunter etwa 2,3 Mio. Arbeitsplätze in der Automobilindustrie.

3.1.1.

Der Verkehr ist ein Schlüsselfaktor für mehrere Nachhaltigkeitsziele und trägt erheblich zu den für wirtschaftliche Entwicklung, Industrie und KMU sowie Handel und Investitionen relevanten SDG bei. Indes gehen auch viele Herausforderungen bei der Umsetzung der SDG und bei der Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris auf den Verkehr zurück“ (2).

3.1.2.

Bei der Gestaltung der Verkehrspolitik muss die Vollendung eines fairen, funktionierenden und vollständig digitalisierten Binnenmarkts, der greifbare Vorteile für alle mit sich bringt, ein zentrales Anliegen sein. Bislang aber handelt es sich eher um Flickwerk, auch mit Blick auf internationalen Wettbewerb. Der Verkehrssektor spielt zudem eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Binnenmarkts insgesamt.

3.1.3.

Im Straßentransport ist noch kein angemessenes, unionsweit geltendes Gleichgewicht zwischen Liberalisierung und Sozialklauseln für Fahrer von Straßenfahrzeugen gefunden worden, trotz der jüngst vorgeschlagenen Änderungen der Rechtsvorschriften für den Kraftverkehrsmarkt. (3) Als Hauptprobleme im Straßentransport werden derzeit die unzureichende Durchsetzung und der Mangel an Fahrern in Höhe von 20 % ausgemacht.

3.1.4.

Der 2007 liberalisierte Schienengüterverkehr in der EU ist noch nicht interoperabel, obwohl er zur Hälfte grenzüberschreitend verläuft. Es sollte für eine höhere Kundenzufriedenheit gesorgt werden. Die Einführung des ERTMS (Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem) sollte ein Kernstück der EU-Strategie für die Digitalisierung des Schienenverkehrs sein, damit sich die entsprechenden Vorteile konkretisieren können (z. B. technische und betriebliche Harmonisierung, Ausbau der Netzkapazität, verbesserte Zuverlässigkeit, geringere Wartungskosten, automatisierter Fahrbetrieb usw.).

3.1.5.

Im Luftverkehr funktionieren die Märkte effizienter. Seit der Liberalisierung sind die Flugtarife um den Faktor zehn gesunken, während sich die Zahl der Flugrouten versiebenfacht hat. Hingegen sind Infrastruktur- und Dienstleistungskosten auf das Zweifache angewachsen. Was die verschiedenen Beschäftigungsformen des fliegenden Personals betrifft, bestehen zahlreiche Probleme und Unsicherheiten mitunter im Zusammenhang mit Praktiken, die eine Verletzung oder Umgehung des geltenden Rechts darstellen. Der Einheitliche Europäische Luftraum sollte im Interesse größerer Effizienz vollständig umgesetzt werden; dadurch würden direktere Streckenführungen, kürzere Reisezeiten und ein um etwa 10 % geringerer CO2-Ausstoß erreicht. Der Rat sollte ihn nicht länger blockieren. Der EWSA fordert eine rasche Verabschiedung der überarbeiteten Fluggastrechte-Verordnung durch den Rat, da umfangreiche Klarstellungen erforderlich sind, um die Anzahl der Klagen signifikant zu senken.

3.1.6.

Die vor Kurzem verabschiedete Verordnung über die Erbringung von Hafendiensten und die Anwendung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung auf Häfen bieten den Häfen und ihren Interessenträgern endlich einen soliden und gleichzeitig flexiblen rechtlichen Rahmen.

3.2.    Dekarbonisierung und Null-Emission

3.2.1.

Der Verkehrssektor ist zur Deckung seines Energiebedarfs nach wie vor zu 94 % auf Erdöl angewiesen. Der Anteil des Straßenverkehrs liegt bei rund 73 %. Der Verkehr ist der einzige Wirtschaftszweig der EU, in dem die CO2-Emissionen seit 1990 gestiegen sind.

3.2.2.

2018 legte die Kommission ihre Vision für eine klimaneutrale Zukunft bis 2050 vor: „Starke Emissionsreduzierungen erfordern einen integrierten Systemansatz. Dies umfasst die Förderung i) allgemeiner Fahrzeugeffizienz, emissionsarmer und emissionsfreier Fahrzeuge und der entsprechenden Infrastruktur; ii) einer langfristigen Umstellung auf alternative, CO2-neutrale Kraftstoffe für den Verkehr [bis 2050]; iii) einer höheren Effizienz des Verkehrssystems durch die optimale Nutzung digitaler Technologien und intelligente Preisgestaltung sowie durch die weitere Förderung multimodaler Integration und den Umstieg auf nachhaltigere Verkehrsträger“, was eine ausreichende Finanzierung des Wandels und des Ausbaus des öffentlichen Verkehrsnetzes in ländlichen wie auch städtischen Gebieten voraussetzt. Die Umstellung auf eine grünere Wirtschaftsweise ist jedoch ein schwieriger und schmerzhafter Schritt (4).

3.2.3.

Es wird davon ausgegangen, dass — überwiegend aus dem Privatsektor finanzierte — Investitionen in Höhe von rund 800 Mrd. EUR pro Jahr erforderlich sein werden, um die verkehrsbedingten CO2-Emissionen bis 2050 um 100 % zu senken. (5) Zur Unterstützung solcher Investitionen ist ein solider Regelungsrahmen für nachhaltige Finanzierung erforderlich.

3.2.4.

Unter Berücksichtigung des technologieneutralen Ansatzes gibt der EWSA zu bedenken, dass auch andere, nicht elektrische Antriebstechnologien unter Einsatz von bspw. Wasserstoff oder Flüssigkraftstoffen nicht-fossilen Ursprungs wie HVO100 umfangreiche Möglichkeiten für saubere Mobilität eröffnen. (6) Eine Verkehrsverlagerung auf öffentlichen Verkehr ist ebenfalls aktiver Klimaschutz. Die Herstellung elektrischer Batterien ist ein wichtiger Aspekt der Energieunabhängigkeit.

3.2.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Umsetzung des Klimaziels der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) für den Sektor erste Priorität haben sollte, wobei das Jahr 2023 das entscheidende Etappenziel für die Einleitung von Emissionssenkungsmaßnahmen und die Entwicklung alternativer Antriebe ist.

3.2.6.

Bei allen Verkehrsträgern sind Investitionen in Infrastrukturen für saubere und alternative Brennstoffe mit großem Zeit- und Kostenaufwand verbunden und sollten mit entsprechenden Anreizen zur Nutzung der geplanten Infrastruktur einhergehen, wobei zunächst alle von den Nutzern benötigten Informationen über offene Plattformen bereitgestellt werden sollten.

3.3.    Null Verkehrstote, autonomes Fahren, Mobilität als Dienstleistung

3.3.1.

95 % aller Verkehrsunfälle auf Europas Straßen, bei denen 2017 mehr als 25 300 Menschen ums Leben kamen und 1,2 Mio. Menschen verletzt wurden, gehen auf menschliches Versagen zurück, wobei sich die Unfallkosten auf 120 Mrd. EUR pro Jahr belaufen.

3.3.2.

Die Landverkehrstechnik dürfte durch die Digitalisierung und Automatisierung revolutioniert werden: Der EWSA weist darauf hin, dass diese neue Technik die Möglichkeit bietet, sowohl die Effizienz des Verkehrsmarktes zu verbessern als auch analytische Daten für die Kontrolle und Durchsetzung geltender Rechtsvorschriften und den Schutz der Menschenrechte und der sozialen Rechte zu liefern.

3.3.3.

Die Digitalisierung wird auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle maßgeblich beeinflussen, darunter verschiedene Arten von Plattformen und Konzepte der kollaborativen Wirtschaft. Letztere sind nach wie vor in der Entwicklung begriffen, werden aber voraussichtlich nicht ländliche Gebiete ohne öffentliche Verkehrsversorgung abdecken. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Sicherheit von geteilten Verkehrsmitteln zu gewährleisten, angefangen bei Elektrorollern.

3.3.4.

Durch die Einführung automatisierter Fahrsysteme sollte es ermöglicht werden, die Zahl der Todesfälle erheblich weiter zu verringern oder sogar auf null zu senken. Der EWSA ist jedoch der Auffassung, dass selbstfahrende Fahrzeuge nur dann angenommen werden, wenn sie den Fahrgästen dasselbe Sicherheitsniveau wie andere Personenverkehrssysteme bieten, etwa die Eisenbahn oder große Luftfahrzeuge. Er verweist auf folgende Problembereiche, die der öffentlichen Akzeptanz möglicherweise entgegenstehen: 1) die zusätzlichen Kosten, 2) die zunehmende Komplexität des Führens eines Fahrzeugs (7), 3) die lange Übergangsphase des Mischverkehrs von automatisierten und manuell geführten Fahrzeugen, in der die Zahl der Unfälle steigen und die Straßenkapazität abnehmen könnten, 4) Sicherheit- und Cybersicherheitsbedenken und 5) rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Haftung bei Unfällen.

3.3.5.

Nach Auffassung des EWSA wären in Verbindung mit der Senkung der Zahl der Unfalltoten auf nahe null noch folgende Aspekte zu prüfen: dringend notwendige Vereinheitlichung der nationalen Straßenverkehrsvorschriften und der entsprechenden Sanktionen; Erschwinglichkeit der neuen „sicheren“ Fahrzeuge für die Verbraucher und Unternehmen; Grundsatz, dass nur der Mensch selbst ethische Entscheidungen treffen kann, und dass Maschinen den Menschen nur begleiten, ihn aber nicht ersetzen dürfen; Senkung von Versicherungsprämien als Anreiz zum Kauf sichererer Fahrzeuge; Sicherheit als grundsätzliche Priorität bei jeder neuen Regelung des Datenzugangs für Fahrzeuge.

3.3.6.

Vernetzte und automatisierte Mobilitätslösungen für alle Verkehrsträger, einschließlich des öffentlichen Verkehrs, sind ein wichtiges Innovationsfeld, in dem die EU das Potenzial hat, eine weltweite Führungsrolle zu übernehmen. Voraussetzung für ihre Entwicklung sind jedoch öffentlich-private Zusammenarbeit und Investitionen.

3.3.7.

Das Konzept ‚Mobilität als Dienstleistung‘ (Mobility-as-a-Service — MaaS) beschreibt eine Abkehr von privaten Verkehrsmitteln hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln und Mobilitätslösungen, die als Dienstleistung genutzt werden (8). Das zentrale Konzept der MaaS besteht darin, den Reisenden ausgehend von ihrem Reisebedarf Mobilitätslösungen anzubieten. MaaS setzt beim Verkehrssystem als Ganzes an. On-Demand-Mobilität kann auch den Zugang von Bürgerinnen und Bürgern zur Mobilität verbessern, die in abgelegenen Gebieten leben oder mobil eingeschränkt sind (wie ältere Menschen und/oder Menschen mit Behinderungen).

3.4.    Investitionen

3.4.1.

Der EWSA stellt fest, dass das heutige Verkehrsinfrastrukturnetz in Europa in vielen Gebieten seine Aufgabe nicht erfüllt. Angesichts der zu erwartenden, stetig steigenden Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen müssen umfangreiche öffentliche und private Investitionen in den Aufbau und die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur getätigt werden.

3.4.2.

Die rechtzeitige Fertigstellung des TEN-V-Netzes mit optimierter geografischer Abdeckung muss oberste Priorität haben: Fertigstellung des transeuropäischen Kernnetzes bis 2030 und des Gesamtnetzes bis 2050 oder früher. Allein die Fertigstellung des Kernnetzes erfordert Investitionen in Höhe von 500 Mrd. EUR, ganz zu schweigen von Infrastruktur-Resilienz und -Modernisierung. Diese Investitionen können nicht allein mit Finanzhilfen aus der Fazilität „Connecting Europe“ und durch EU-Instrumente finanziert werden, und die Ressourcen der Mitgliedstaaten sind wahrscheinlich nicht ausreichend. Es besteht ein konkretes Risiko erheblicher Verzögerungen.

3.4.3.

Finanzhilfen werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle in der EU-Investitionspolitik für den Verkehrssektor spielen, insbesondere in den Fällen, in denen Marktinvestitionen schwieriger sind. Die Kombination von Finanzhilfen mit anderen Finanzierungsquellen wie Darlehen der Europäischen Investitionsbank oder des Privatsektors und die Mobilisierung öffentlicher und privater Investoren, auch im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft, sind jedoch wesentliche zusätzliche Instrumente.

3.4.4.

Der EWSA fordert „Investitionen in Technologien und Infrastrukturen, auf denen digitale Verkehrssysteme aufgebaut werden können, insbesondere in Verkehrsmanagement- und -steuerungssysteme: Das SESAR-Projekt (Gemeinsames Unternehmen für die Forschung zum Flugverkehrsmanagement im Einheitlichen Europäischen Luftraum) und das ERTMS (Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem)“ sowie „Kooperative Intelligente Verkehrssysteme (C-ITS). Ferner muss entlang der TEN-V-Kernnetzkorridore 5G bereitgestellt werden. Diese Vorhaben sollten über EU-Finanzierungsinstrumente wie die Fazilität ‚Connecting Europe‘, [InvestEU und Horizont Europa] vorrangig unterstützt werden.“ (9)

3.4.5.

Der EWSA vertritt die Ansicht, dass ein Mautsystem, „das im Einklang mit dem ‚Nutzerprinzip‘ und ‚Verursacherprinzip‘ steht, eine positive Wirkung hätte, wenn die Einnahmen aus der Straßeninfrastrukturnutzung zweckgebunden wären“. (10)

4.   Energie

4.1.    Ein Binnenmarkt für Energie

4.1.1.

2016 wies der Energiesektor in der EU einen Umsatz von 1 881 Mrd. EUR auf und stellte ca. 1 630 000 direkte Arbeitsplätze.

4.1.2.

Alle Europäerinnen und Europäer sollten Zugang zu sicherer, nachhaltiger und erschwinglicher Energie haben. So lautet das vorrangige Ziel der Energieunion. Der EWSA bedauert die starken Abweichungen der Energiepreise in den Mitgliedstaaten, die Ausdruck eines grundlegenden Versagens des Energiebinnenmarkts sind. Er geht davon aus, dass sich die Preise — ausgenommen die Steuerkomponente — im Zuge der Umsetzung der EU-Energieunion und des digitalen Binnenmarkts angleichen werden.

Eine auf den Menschen ausgerichtete Digitalisierung des Energiesektors ist für die EU von entscheidender Bedeutung, da dadurch die Energieverbraucher und die Prosumer in den Mittelpunkt gerückt werden können; zudem leistet sie einen Beitrag zu einer Umgestaltung der Energiemärkte.

4.2.    Digitalisierung und neue Technologien

4.2.1.

Im Rahmen des SET-Plans eröffnet die Digitalisierung den Energieversorgern neue Möglichkeiten durch Ressourcenoptimierung, die Integration variabel und dezentral erzeugter erneuerbarer Energien und Betriebskostensenkung; gleichzeitig sollte sie allen Vorteile bringen durch niedrigere Energierechnungen für Haushalte und Unternehmen aufgrund von Energieeffizienz und der Nutzung einer flexiblen Steuerung der Energienachfrage. Der EWSA fordert die Europäische Kommission auf, die Ergebnisse zu bewerten und erforderlichenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen.

4.3.    Intelligente Energienetze und erneuerbare Energieträger (EE)

4.3.1.

Bei einigen erneuerbaren Energieträgern ist die Energieerzeugung zu Marktpreisen schätzungsweise nahezu erreicht.

4.3.2.

Dezentrale Energielösungen und intelligente Steuerung werden immer kostengünstiger. Intelligente Netze stehen im Mittelpunkt des neuen Systems. Dank der Digitalisierung können neue Energieumgebungen miteinander vernetzt werden. Die intelligenten Energiesysteme der Zukunft werden nicht als abgeschottete Systeme entwickelt, sondern als digitaler und physischer Verbund verschiedener Energiearten und Energietransportnetze, der immer mehr Möglichkeiten eröffnet. Als erstes dürften die Veränderungen den Stromsektor erfassen. Die Digitalisierung ermöglicht eine engere Verknüpfung mit der Wärme- und Kälteerzeugung, insbesondere im Gebäude- und Mobilitätssektor. Zudem begünstigt sie eine umfassendere Beteiligung der Interessenträger an lokalen, regionalen und europäischen Wertschöpfungsketten durch die Zusammenarbeit von lokalen Gemeinschaften und Prosumern im Rahmen von Energiegemeinschaften und Energiehandel und fördert europäische Innovation und Unternehmen.

4.3.3.

Im Rahmen von Horizont 2020 wurde eine Reihe Demonstrationsprojekte in den Bereichen Netzverteilung, Übertragungsnetze, dezentrale und großmaßstäbliche Energiespeicher, erneuerbare Energieträger sowie Wärme- und Kältetechnik finanziert, um Alltagstechnik, Netztechnologien, Systemdienstleistungen, Pumpspeicheranlagen, Batterien, Windkraft, Fotovoltaik, Solarenergie, Wärmekraft, Biogas und Mikroerzeugung zu entwickeln. Der EWSA begrüßt die Einrichtung des Innovationsfonds, der verstärkt Demonstrationsprojekte unterstützen wird.

4.3.4.

Der EWSA appelliert an die EU, mehr gegen Energiearmut zu unternehmen. Es sollten konkrete Fördermaßnahmen für umfassende Renovierungen von Gebäuden ergriffen werden, und für von Energiearmut Betroffene oder durch Energiearmut Gefährdete sollten Solarpaneele installiert werden, wann immer sich dies als sinnvoll erweist. Die EU sollte berücksichtigen, dass einkommensschwache Gruppen sich diese Maßnahmen nicht leisten können.

4.3.5.

Der EWSA begrüßt die Tätigkeit der Plattform für Kohleregionen im Wandel. Die Energiewende trifft einige Regionen stärker als andere, insbesondere, wenn sie von der Extraktion fossiler Energieträger, der Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und energieintensiver Produktion abhängig sind. Deshalb muss der Strukturwandel in den kohle- und CO2-intensiven Regionen und Branchen sorgfältig überwacht und wirksam gesteuert werden, um einen gerechten und sozial vertretbaren Übergang zu bewerkstelligen, bei dem alle Arbeitnehmer und alle Regionen mitgenommen werden.

4.3.6.

Auf energieintensive Industriezweige entfallen in Europa über 6 Mio. direkte Arbeitsplätze. Sie sind Startpunkt für zahlreiche Wertschöpfungsketten, darunter auch für umweltfreundliche Energiesysteme. Die energieintensiven Branchen verursachen 60-80 % der Industrieemissionen. Ihre Dekarbonisierung ist eine enorme Herausforderung, die sowohl technologische als auch nichttechnologische Innovationen (wie bspw. neue Geschäftsmodelle) erfordert.

4.4.    Investitionen im Energiesektor

4.4.1.

Die Stärkung des EU-Energiemarkts, die Erleichterung der Energiewende und die Gewährleistung eines sicheren Systembetriebs hängen allesamt von geeigneten, gut ausgebauten und kosteneffizienten Übertragungsnetzen in Europa ab.

4.4.2.

Innovationen wie Power-to-Gas zur Einspeisung ins Erdgasnetz oder Wasserstofftechnologien können bei wirksamer Förderung greifbare Ergebnisse bringen und wirtschaftlich tragfähig werden.

4.4.3.

Die Szenarien, die eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 100 % anstreben (11), erfordern im Zeitraum 2031-2050 jährliche Investitionen in Höhe von 547 Mrd. EUR (2,8 % des BIP). Im Vergleich dazu erfordert das Referenzszenario 377 Mrd. EUR (1,9 % des BIP). Dies sind hohe Beträge, selbst für eine entwickelte Wirtschaft.

5.   Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

5.1.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse tragen maßgebend zu nachhaltigem Wachstum in Europa bei. Ihrer Erbringung sollte ein strategischer Ansatz zugrunde liegen, bei dem die Menschen im Mittelpunkt stehen. Der 20. und letzte Grundsatz der europäischen Säule sozialer Rechte ist dem „Zugang zu essenziellen Dienstleistungen“ gewidmet und besagt, dass jede Person das Recht auf den Zugang zu essenziellen Dienstleistungen wie Wasser-, Sanitär- und Energieversorgung, Verkehr, Finanzdienste und digitale Kommunikation hat. Für seine Anwendung sind spezifische Maßnahmen im Bereich nachhaltige Entwicklung und Zusammenhalt erforderlich.

5.2.

Die Bürger und Unternehmen fordern eine offenere, transparentere, stärker rechenschaftspflichtige und wirksamere Governance . Cloud-Computing-Architekturen begünstigen Größenvorteile und Agilität und damit die Umstellung auf elektronische Behördendienste, elektronische Gesundheitsdienste, elektronische Auftragsvergabe und elektronische Rechnungsstellung, wodurch die Weitergabe von Informationen durch Behörden und die Interaktion mit Bürgerinnen/Bürgern und Unternehmen erleichtert wird.

5.3.

Mit der vollständigen Digitalisierung der DAI geht die Gefahr einher, dass ältere Menschen oder Menschen mit unzureichenden digitalen Kompetenzen ausgegrenzt werden. Deshalb sollte auch noch ein herkömmliches DAI-Angebot aufrechterhalten werden.

5.4.

Der EWSA empfiehlt, in das Europäische Semester auch Bestimmungen über die Rechenschaftspflicht und Transparenz der Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in den Mitgliedstaaten sowie über den Zugang zu den Dienstleistungen und ihr ordnungsgemäßes Funktionieren einzubeziehen.

5.5.

Zahlreiche Bürger in der Europäischen Union haben in unterschiedlichem Maß große wirtschaftliche Schwierigkeiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, u. a. in den Bereichen Wohnraum, Energie, elektronische Kommunikation, Verkehr, Wasserversorgung, Gesundheitsdienste und soziale Dienstleistungen.

5.6.

Mangelnder Zugang zu DAI kann auch durch wirtschaftliche, geografische, soziale (Ungleichbehandlung) und physische (Behinderungen) Faktoren bedingt sein, oder aber die Dienstleistungen sind nicht den Bedürfnissen und/oder dem technischen Fortschritt angepasst (Unangemessenheit/Unzulänglichkeit der Qualität und/oder der Sicherheit). Mithilfe von Digitaltechnik können einige dieser Probleme gelöst werden.

5.7.

Im Bereich der Gesundheitsdienste können durch Digitalisierung Verbesserungen bei der Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten erreicht werden. Instrumente wie die elektronische Patientenakte (EPA) ermöglichen den Verbrauchern ständigen Zugriff auf ihre Krankengeschichte und Arzneimittelverschreibungen. Gesundheits-Apps und ärztliche Konsultationen per Internet können Patienten und Verbrauchern insbesondere in abgelegenen Gebieten ausgezeichnete Dienste bei Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention leisten. Allerdings bergen digitale Gesundheitsprodukte und -dienste erhebliche Risiken für die Privatsphäre und Sicherheit der Patienten, da es bei den persönlichen Patientenakten und -daten, die von den Gesundheitseinrichtungen gespeichert werden, häufiger zu Datenschutzverstößen kommen kann. Die EU sollte einen umfassenden Rechtsrahmen entwickeln, um für einen harmonisierten Ansatz zu sorgen.

5.8.

Angesichts der zunehmenden, auch grenzübergreifenden Nutzung von digitalen Gesundheitsdiensten und -produkten ist es außerdem wichtig, die Haftungsregeln für diese Dienste und Produkte EU-weit zu harmonisieren. Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU muss durch legislative Maßnahmen wie gezielte Marktüberwachung und Rechtsdurchsetzung sowie einen wirksamen Zugang zur Justiz in Verbindung mit digitalen Gesundheitsdiensten und -produkten sichergestellt werden.

5.9.

Der EWSA appelliert nachdrücklich an die Europäische Kommission, einen geeigneten Rahmen aufzustellen, um im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung, d. h. unter strikter Wahrung der Privatsphäre und der Anonymität, den Austausch von Gesundheitsdaten der EU-Bürgerinnen und -Bürger zwischen den nationalen Gesundheitssystemen für Forschungs- und Innovationszwecke von Einrichtungen und Unternehmen in der EU zu ermöglichen.

5.10.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse sollten digitalisiert werden, doch sollten die Dienstleister für Verbraucher, die aus freien Stücken oder notgedrungen keine Internetanbindung haben, nach wie vor andere Zugangsmöglichkeiten offenhalten.

5.11.

Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im öffentlichen Verkehr sind eine wesentliche Voraussetzung für bessere Lebensbedingungen und die Erreichung grundlegender Ziele der EU. Die Behörden benötigen bei der Erbringung, Vergabe und organisatorischen Abwicklung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einen breiten Ermessensspielraum.

6.   5G

6.1.    5G-Ausbau im Binnenmarkt

6.1.1.

Die Behörden haben begonnen, die Grundlagen für den Aufbau der Netze der 5. Mobilfunkgeneration zu schaffen und weisen bereits Frequenzen für 5G zu. In den kommenden Monaten sollten die europäischen Mobilfunkbetreiber Vorbereitungen für die 5G-Einführung treffen und unter „realen“ Bedingungen testen, denn in der ersten Jahreshälfte 2019 sollen die ersten 5G-Smartphones und -Endgeräte auf den Markt kommen. Bis Anfang Dezember 2018 hatten aber erst zwölf Mitgliedstaaten zumindest eine Frequenzversteigerung vorgesehen oder abgeschlossen.

6.1.2.

Auf internationaler Ebene stehen alle Länder im Wettbewerb, mit als erste flächendeckend 5G einzuführen, auch die EU. Zu den fünf größten Infrastrukturanbietern zählen zwei europäische, zwei chinesische und ein koreanisches Unternehmen. Unter den Netzwerkausrüstern (Geräte und Chipsätze) für 5G-Technik sind keine führenden europäischen Unternehmen zu finden.

6.1.3.

Der EWSA gibt zu bedenken, dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, beispielsweise der Verkehrs- und Automobil-, Energie-, Chemie- und Pharma-, Fertigungs- (einschl. KMU-) sowie Finanzbranche, in denen Europa führend ist, mit der Integration und Nutzung von 5G-Diensten steht und fällt.

6.1.4.

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass Wissenschaftler vor den möglichen Gefahren der elektromagnetischen Strahlung von 5G für die menschliche Gesundheit und die Umwelt warnen, insbesondere aufgrund von Funksignalen mit sehr hohen Datenraten und starker Durchdringungskapazität in Gebäuden und sonstigen geschlossenen Räumen. Der EWSA fordert die Kommission auf, eine Studie über die biologische Wirkung der 5G-Strahlung und die Gefahr der wechselseitigen Störung durch andere Frequenzbereiche zu veranlassen.

6.2.    5G-Investitionsbedarf

6.2.1.

Die Mobilfunkanbieter müssen in den nächsten fünf Jahren schätzungsweise 60-100 Mrd. EUR jährlich in 5G investieren, um alle maßgebenden europäischen wirtschaftlichen und sozialen Akteure mit Gigabit-Konnektivität zu versorgen. Für den Netzausbau in ländlichen Gebieten sind weitere Investitionen in Höhe von 127 Mrd. EUR notwendig.

6.2.2.

Mit 5G wird der Schritt von der Mobilfunk- und Internettechnologie zur Universaltechnologie vollzogen, die in den unterschiedlichsten Branchen die Produktivität und Wirtschaftstätigkeit beeinflusst. Durch die Vielzahl der verbundenen Geräte und die höheren Datenraten werden eine umfassende Nutzung des IoT und die Entwicklung unternehmenskritischer Dienste ermöglicht.

7.   Besondere Bemerkungen

7.1.

Der EWSA fordert die EU-Institutionen zudem auf, sich eingehend mit folgenden, im Kontext dieser Stellungnahme wichtigen Anliegen zu befassen, zu denen sich der EWSA bereits geäußert hat und mit denen er sich auch künftig noch auseinandersetzen wird:

Internalisierung sämtlicher externen Kosten durch positive und negative Anreize (12);

Energiebesteuerungsrichtlinie und Einbeziehung der CO2-, NOx- und SOx-Emissionen in die Kraftstoffbesteuerung (13);

ein System dezentraler Energielösungen (14);

Stabilisierung des Emissionshandelsmarkts im Hinblick auf die nächste ETS-Handelsperiode (2021) und Auslotung von Maßnahmen für den Zeitraum nach 2020 (15);

eine elektronische Plattform für digitalen Informationsaustausch der Netze für die Steuerung von Stromflüssen (16);

Energie-Massendatenverarbeitung (17);

soziale und wirtschaftliche Herausforderungen des Kohleausstiegs (18);

kostengünstigere und einfacher zu montierende kleine modulare Kernreaktoren (50-300 MW), wobei EU-Normen zu erfüllen sind (19);

Hochspannungs-Übertragungsnetz über große Entfernungen zwischen Kontinenten: eine eurasische Perspektive (20);

Versorgungssicherheit und Investitionsschutz (21);

Energieeffizienz (22);

Vorzertifizierung von Produkten (23);

Cloud-Vorschriften (24);

EU-Produktionsplattformen (25);

Mobilfunk- und Datennetze (26);

Datenströme müssen gesichert werden und vertrauenswürdig sein (27);

Eigentum an Daten und Rechte an Daten (28);

Datenspeicherung in der EU (29).

Brüssel, den 17. Juli 2019

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 86.

(2)  ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 9.

(3)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 195.

(4)  ESPAS, Challenges and choices for Europe, April 2019.

(5)  COM(2018) 773 final.

(6)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52, ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 75.

(7)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 191.

(8)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52.

(9)  ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52.

(10)  ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 195.

(11)  COM(2018) 773 final.

(12)  ABl. C 190 vom 5.6.2019, S. 24; ABl. C 110 vom 22.3.2019, S. 33.

(13)  ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 37.

(14)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44.

(15)  ABl. C 424 vom 26.11.2014, S. 46; ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 75.

(16)  ABl. C 34 vom 2.2.2017, S. 44; ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52; ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 86.

(17)  Studie über die Ethik der Massendatenverarbeitung (Big Data) („The ethics of Big Data: Balancing economic benefits and ethical questions of Big Data in EU policy context“); ABl. C 242 vom 23.7.2015, S. 61.

(18)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 1.

(19)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 38; ABl. C 341 vom 21.11.2013, S. 92; ABl. C 110 vom 22.3.2019, S. 141.

(20)  ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 95; ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 125.

(21)  ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 125; ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 153; ABl. C 424 vom 26.11.2014, S. 64; ABl. C 264 vom 20.7.2016, S. 117.

(22)  ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 142.

(23)  ABl. C 228 vom 5.7.2019, S. 74; ABl. C 75 vom 10.3.2017, S. 40; ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 176.

(24)  ABl. C 487 vom 28.12.2016, S. 86.

(25)  Informationsbericht der Beratenden Kommission für den industriellen Wandel des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses über das Thema „Förderung inkrementeller Innovation in Gebieten mit starkem verarbeitenden Gewerbe“; ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 36; ABl. C 299 vom 4.10.2012, S. 12.

(26)  ABl. C 125 vom 21.4.2017, S. 74.

(27)  ABl. C 440 vom 6.12.2018, S. 8; ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 86.

(28)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 107; ABl. C 81 vom 2.3.2018, S. 209; ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 32.

(29)   ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 52 ; ABl. C 227 vom 28.6.2018, S. 11 .


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