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Document 52019AE0073

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat (Euro-Gipfel), den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Hin zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro“ (COM(2018) 796 final)

EESC 2019/00073

OJ C 282, 20.8.2019, p. 27–31 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.8.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 282/27


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat (Euro-Gipfel), den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Hin zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro“

(COM(2018) 796 final)

(2019/C 282/05)

Berichterstatter: Philip VON BROCKDORFF

Mitberichterstatter: Dimitris DIMITRIADIS

Befassung

Europäische Kommission, 24.1.2019

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

4.6.2019

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.6.2019

Plenartagung Nr.

544

Ergebnis der Abstimmung (Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

200/3/3

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) weist darauf hin, dass der Euro noch nicht wieder die internationale Bedeutung wie vor der Finanzkrise erreicht hat. Der EWSA begrüßt zwar die von der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen und hält sie für notwendig. Angesichts des Ausmaßes der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des Euro-Währungsgebiets reichen sie jedoch möglicherweise nicht aus. Sozialer Zusammenhalt, wirtschaftliche Aufwärtskonvergenz sowie die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sollten die Grundlage bilden, auf der die Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets an Fahrt gewinnt und so eine stärkere internationale Rolle des Euro trägt.

1.2.

Der EWSA fordert die EU auf, sich stärker für den sozialen Zusammenhalt und eine größere wirtschaftliche Konvergenz in der EU einzusetzen. Es gibt noch immer große Unterschiede zwischen den und innerhalb der Mitgliedstaaten, die die Nutzung der wirtschaftlichen Chancen konterkarieren, die der gesamten EU zugutekommen könnten.

1.3.

Der EWSA gibt zu bedenken, dass fortwährende technologische Durchbrüche wie Finanztechnologie und Digitalisierung sowie die Entstehung weiterer internationaler Währungen längerfristig ein multipolares System auf der Grundlage von mehr als einer Leitwährung begünstigen könnten.

1.4.

Der EWSA ist der Auffassung, dass es durchaus möglich ist, den internationalen Status des Euro zu verbessern. Gleichzeitig schlägt der EWSA jedoch vor, dass es sich die Mitglieder des Euro-Währungsgebiets zunächst einmal zur obersten Priorität machen, in ihrem eigenen Haus für Ordnung zu sorgen sowie Integrität und Wohlstand zu schaffen, indem sie die Wachstumsprognose für das Euro-Währungsgebiet verbessern und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherstellen. Dieser Prozess, für den es unter anderem erforderlich ist, die Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) und die Bankenunion zu vollenden, sollte im Rahmen der Bemühungen um eine stärkere internationale Rolle des Euro Priorität haben.

1.5.

Die Glaubwürdigkeit der einheitlichen Währung der EU ist eine Grundvoraussetzung für die Stärkung der internationalen Rolle des Euro und erfordert weitere Maßnahmen zugunsten einer soliden einzelstaatlichen Fiskal- und Wachstumspolitik sowie weitere Bemühungen um einen gesunden Finanzsektor. In diesem Zusammenhang weist der EWSA erneut darauf hin, wie wichtig die Unterstützung der KMU und die weitere Steigerung der Produktivität ist, um die Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Währungsgebiets auf den internationalen Märkten zu steigern.

1.6.

Der EWSA ist der Auffassung, dass die Vorteile einer Marktintegration nicht durch finanzielle Instabilität untergraben werden sollten, und fordert anhaltende Maßnahmen, um notleidende Kredite in sozial nachhaltiger Weise abzubauen, zumal Ende 2018 eine politische Einigung über Eigenkapitalanforderungen für notleidende Kredite von Banken erzielt wurde.

1.7.

Um die Rolle des Euro als internationale Währung zu stärken, sollte nach Ansicht des EWSA die Fragmentierung des Staatsanleihemarktes des Euro-Währungsgebiets angegangen werden, durch die die Staatsanleihemärkte wesentlich an Tiefe und Liquidität einbüßen. Der EWSA fordert die Kommission auf, Möglichkeiten zur Schaffung liquiderer und sichererer Euro-Vermögenswerte zu prüfen.

1.8.

Der Weg zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro könnte durch die EZB — in erster Linie durch die Erfüllung ihres Mandats der Wahrung der Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet — ein wenig geebnet werden. Zudem verleiht die Unterstützung der EZB für makroökonomische Maßnahmen und die Vertiefung der WWU und der Kapitalmarktunion einer verstärkten internationalen Rolle des Euro weitere Impulse.

1.9.

Der EWSA ist außerdem der Auffassung, dass zusätzliche Maßnahmen zur Vertiefung des europäischen Finanzsektors erforderlich sind, wie z. B. die Stärkung der europäischen Finanzmarktinfrastruktur und solide Referenzzinssätze. Ferner ist auch die Förderung einer breiteren Verwendung des Euro in strategischen Sektoren von zentraler Bedeutung für eine stärkere internationale Rolle des Euro.

1.10.

Schließlich fordert der EWSA die Mitgliedstaaten auf, in ihrer internationalen Diplomatie einheitlicher vorzugehen, was wiederum zu verbesserten Handelsmöglichkeiten führen kann. Eine solche einheitliche Herangehensweise könnte auch durch eine proaktivere Haltung gestärkt werden, mit der in erster Linie die Interessen der EU — insbesondere durch Antizipation strategischer und diplomatischer Initiativen Chinas und der USA — gefördert werden sollen.

2.   Hintergrund

2.1.

In ihrer im Dezember 2018 veröffentlichten Mitteilung „Hin zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro“ (1) führt die Kommission an, dass der Euro seine Bedeutung weltweit noch ausbauen kann, um dem politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gewicht des Euro-Währungsgebiets besser zu entsprechen. Damit dieses Ziel erreicht werden kann, müssen die Strukturen der WWU weiter gestärkt werden, unter anderem dadurch, dass alle noch anhängigen Vorschläge zur Vollendung der Bankenunion verabschiedet und bei der Kapitalmarktunion entscheidende Fortschritte erzielt werden.

2.2.

Der Inhalt dieses Arbeitsdokuments stimmt mit Forderungen des EWSA aus früheren Stellungnahmen (2) (3) überein. Darin wird betont, dass die Vollendung der Bankenunion — insbesondere eine stärkere und einheitlichere Einlagenversicherungsdeckung — und der Kapitalmarktunion von herausragender Bedeutung ist, um ein wettbewerbsfähiges europäisches Unternehmensumfeld sowohl für große als auch für kleinere Unternehmen sicherzustellen und eine wirklich einheitliche europäische Währung zu schaffen.

2.3.

2017 bekundeten die führenden Vertreter von 27 Mitgliedstaaten und des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission in der Erklärung von Rom ihre Entschlossenheit, die Rolle der Europäischen Union als globaler Akteur durch den Ausbau bestehender und die Gründung neuer Partnerschaften, die Förderung von Stabilität und Wohlstand auf regionaler und globaler Ebene, die Mitgestaltung der Weltgeschicke sowie die Übernahme internationaler Verantwortung zu stärken (4).

2.4.

Der Präsident der Europäischen Kommission betonte in seiner Rede zur Lage der Union im September 2018 seinerseits die große Bedeutung des Euro im internationalen Währungssystem und forderte weitere Maßnahmen, damit der Euro auf dem internationalen Parkett die Bedeutung erlangen kann, die ihm zusteht (5).

2.5.

In diesem Zusammenhang hat die Kommission einen Fahrplan zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (6) aufgestellt, in dem sie ein integriertes und gut funktionierendes Finanzsystem einschließlich der Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion fordert.

2.6.

In ihrer Mitteilung zur Kapitalmarktunion (7) weist die Kommission darauf hin, dass die Europäische Union gut entwickelte, integrierte Kapitalmärkte braucht, um die internationale Bedeutung des Euro zu stärken. Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion trägt zu einem stabilen Finanzsystem, einem besseren Zugang zu Finanzmitteln für Unternehmen und somit auch zu mehr Investitionsmöglichkeiten bei.

2.7.

Im gleichen Sinne zeigt die Gemeinsame Forschungsstelle in ihrem Science for Policy Report (Bericht Wissenschaft für Politik) aus dem Jahr 2016 (8) auf, dass sowohl eine solide makroökonomische Politik als auch die Vertiefung der WWU der EU und die Entwicklung der Kapitalmarktunion zur weiteren Stärkung der Rolle des Euro auf den globalen Handels- und Finanzmärkten beitragen.

2.8.

Die Europäische Kommission empfiehlt (9) eine breitere Nutzung des Euro bei Projekten und Finanztransaktionen im Energiebereich, um die energiepolitischen Ziele der EU zu erreichen, das Risiko einer Unterbrechung der Energieversorgung zu verringern und dadurch eine größere Autonomie europäischer Unternehmen zu fördern.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der Euro hat in seiner 20-jährigen Geschichte große Fortschritte gemacht. Er entpuppte sich rasch als die nach dem US-Dollar zweitwichtigste internationale Währung der Welt. (10) Konkret verwenden rund 60 Länder weltweit den Euro schon jetzt, wollen ihn verwenden oder haben ihre Währung an den Euro gebunden. Gleichzeitig macht der Euro rund 20 Prozent der internationalen Währungsreserven ausländischer Zentralbanken aus, was die Bedeutung seiner Wertbeständigkeit unterstreicht, und für ein Fünftel der von Unternehmen und Regierungen weltweit emittierten Schuldtitel wird ebenfalls der Euro verwendet. Nicht zuletzt wird der Euro häufig für internationale Zahlungen verwendet: 2017 wurden wertmäßig ca. ein Drittel aller internationalen Transaktionen in Euro fakturiert oder abgerechnet (gegenüber etwa zwei Fünftel in US-Dollar).

3.2.

Die internationale Verwendung des Euro hat folgende Vorteile: a) Das Wechselkursrisiko und damit verbundene Kosten für europäische Unternehmen werden gesenkt; b) die Preistransparenz wird erhöht, wodurch Unternehmen kostengünstigere Rohstoffe beziehen und Verbraucher kostengünstigere Waren erwerben können; c) es wird für eine strengere Inflationsdisziplin gesorgt, was grundsätzlich zu niedrigeren Zinssätzen für private Haushalte und Unternehmen führt; d) die finanzielle Autonomie wird gestärkt, und europäischen Unternehmen (einschließlich KMU) und Regierungen werden Finanzierungen zu günstigeren Konditionen zugänglich gemacht, da die europäischen Finanzmärkte stärker integriert, tiefer und liquider werden; und e) werden der unionsinterne als auch der internationale Handel gefördert.

3.3.

Gleichzeitig würde eine Stärkung der internationalen Rolle des Euro mehr Auswahl für Marktteilnehmer weltweit bedeuten und so die Anfälligkeit der Weltwirtschaft für Schocks aufgrund der starken Abhängigkeit vieler Sektoren (z. B. Energie, Rohstoffe und Flugzeugbau) vom US-Dollar senken.

3.4.

Der Rangunterschied zwischen dem US-Dollar und dem Euro hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten nicht verändert. Zwar hatte sich der Abstand zwischen den beiden Währungen seit der Einführung des Euro allmählich verringert, doch mit dem Beginn der Krise im Euroraum wurde er wieder größer. Trotz der Tatsache, dass der Euro vom weltweit größten Handelsblock ausgegeben wird, dürfte sich diese Situation in absehbarer Zeit nicht ändern. Demnach scheint die Stärkung der internationalen Rolle des Euro nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Größe und Offenheit zu sein, sondern insbesondere damit zusammenzuhängen, dass der Euro in Zeiten weltweiter finanzieller Schwierigkeiten weniger Stabilität bieten kann.

3.5.

Eine stärkere internationale Verwendung des Euro wird auch noch durch weitere Faktoren erschwert, wie z. B.:

i)

die historische Dominanz des US-Dollars als globale Reservewährung;

ii)

die geringeren Kosten für die Nutzung des Dollars und seine höhere Liquidität, insbesondere bei Geldmarktgeschäften;

iii)

die aktuell noch nicht vollendete Integration der europäischen Finanzmärkte als Basis der gemeinsamen Währung.

iv)

Die Tatsache, dass die Mehrheit der internationalen Finanzsysteme für Handel, Geschäfts- und Zahlungsabwicklung Plattformen nutzen, die außerhalb des Euro-Währungsgebiets oder von nicht-europäischen Unternehmen betrieben werden, bietet ebenfalls keine günstige Ausgangsposition für eine stärkere internationale Rolle des Euro.

3.6.

Eine stärkere internationale Rolle des Euro erfordert auch ein noch stabileres und widerstandsfähigeres wirtschaftliches Umfeld sowie ein reibungslos funktionierendes Finanzsystem. Um dies zu erreichen, wurde eine Reihe von Initiativen vorgeschlagen, mit denen die Wirtschaftsleistung im Euro-Währungsgebiet gefördert (11) und große asymmetrische Schocks im Euroraum besser abgefedert werden sollen (12). Der Schwerpunkt sollte jedoch nicht nur auf die Abfederung asymmetrischer Schocks, sondern auch auf die Vereinheitlichung der unterschiedlichen Verhaltensweisen im Euro-Währungsgebiet gelegt werden, das aus den sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen seiner Mitgliedstaaten herrührt. Diese Unterschiede, insbesondere in der Fiskalpolitik sowie im Hinblick auf Lohnentwicklung, Produktivität und Regierungsgestaltung unterminieren die Zukunftschancen des Euro. Ohne eine gewisse Fiskalunion bleibt die Architektur der gemeinsamen Währung unvollständig und das Euro-Währungsgebiet anfällig für künftige Finanz- und Wirtschaftskrisen.

3.7.

Eine weitere Internationalisierung des Euro könnte die Gefahr einer unerwünschten vorübergehenden Währungsaufwertung zur Folge haben, insbesondere in Zeiten globaler Turbolenzen. Dadurch würden wiederum die Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Hersteller verringert und die Exportleistung des Euro-Währungsgebiets geschmälert. Eine verstärkte internationale Verwendung des Euro könnte auch mit einigen Kosten verbunden sein, die allerdings durch andere Vorteile wie größere währungspolitische Autonomie und eine stärkere internationale Transmission der Geldpolitik aufgewogen werden.

3.8.

Die internationale Rolle des Euro wurde in gewissem Maße vom Euro-Währungsgebiet selbst angetrieben, denn Investoren aus dem Euro-Währungsgebiet kaufen in großem Maßstab auf Euro lautende Anleihen, die von Emittenten außerhalb des Euro-Währungsgebiets begeben werden. Dennoch ist die internationale Rolle des Euro von einem starken regionalen Fokus geprägt: Sie ist am stärksten in Ländern in unmittelbarer Nähe zum Euro-Währungsgebiet. So gibt es insbesondere zahlreiche Belege dafür, dass die Stadt London eine Schlüsselrolle auf dem Markt für Euro-Anleihen von nicht im Euro-Währungsgebiet ansässigen Emittenten spielt, ob im Hinblick auf Angebot, auf Nachfrage oder als Zwischenhändler. Diesbezüglich könnte sich der Brexit auf diesen Markt auswirken.

3.9.

Aus allgemeinerer Sicht würde die internationale Rolle des Euro gestärkt werden, wenn die EU eine einheitlichere Außenpolitik verfolgen und auf die Fortführung eines multilateralen Handelsansatzes pochen würde. Die Währung der EU kann nur dann ein hohes internationales Ansehen erlangen, wenn die EU vereint agiert und ihr Handeln von der kollektiven diplomatischen und wirtschaftlichen Kraft der EU gestützt werden. Dies sollte in Bereichen wie Energie, Verkehr, Industrie und anderen Sektoren gelten, in denen die Interessen der EU und des Euro-Währungsgebiets insgesamt an erster Stelle stehen sollten. Die EU muss zudem bei Fragen der geopolitischen Entwicklungen unbedingt mit einer Stimme sprechen. Dies gilt zum Beispiel für den wachsenden Einfluss Chinas auf den internationalen Handel durch die Initiative der neuen Seidenstraße (One Belt, One Road), einem wirtschaftlichen und diplomatischen Programm, mit dem China den Handel in Asien und darüber hinaus transformieren und dominieren könnte. Die EU muss die Auswirkungen dieses wirtschaftlichen und diplomatischen Programms gründlich prüfen, da es Chinas weltweite wirtschaftliche Präsenz verstärken würde. Die EU und insbesondere das Euro-Währungsgebiet können es sich nicht leisten, dem Verlauf dieses Programms untätig zuzusehen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

In Anbetracht der in Ziffer 3.2 genannten Vorteile des Euro scheint es möglicherweise überraschend, dass nicht alle Mitgliedstaaten dem Euro-Währungsgebiet beigetreten sind. Die Gründe hierfür mögen vielgestaltig sein und können den Vorbereitungsstand der betreffenden Mitgliedstaaten, ihre Einhaltung der für den Beitritt zum Euro erforderlichen wirtschaftlichen Kriterien sowie in bestimmten Fällen andauernde rechtliche Hindernisse für die Erfüllung dieser Kriterien umfassen. Alles in allem spiegelt die Nichtbeteiligung am Euro die bestehenden Unterschiede in der EU in puncto sozialen Zusammenhalts und wirtschaftlicher Konvergenz wider. Diese Unterschiede müssen bewältigt werden, wenn die Erweiterung des Euro-Währungsgebiets zu weiterer wirtschaftlicher Stabilität führen und seine Widerstandsfähigkeit gegen externe wirtschaftliche Schocks erhöhen soll. Dies wiederum würde die EU als globale Macht und die internationale Rolle des Euro stärken.

4.2.

Für die Zukunft des Euro und seine internationale Rolle ist das Zusammenwirken der Fiskal- und Geldpolitik im gesamten Euro-Währungsgebiet von entscheidender Bedeutung. Um stabile makroökonomische Bedingungen zu schaffen, müssen jedoch sowohl der fiskal- als auch der geldpolitische Kurs so ausgerichtet werden, dass Bedenken hinsichtlich der Tragfähigkeit von Staatsanleihen zerstreut und Wachstumsaussichten verbessert werden. Auch hier ist die Situation der einzelnen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets verschieden; Grund dafür ist das nicht optimale Zusammenspiel zwischen Fiskal-, Struktur- und Geldpolitik im Anschluss an die weltweite Finanzkrise, in deren Folge die Anpassungslast ungleich auf die einzelnen Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets verteilt wurde. Dies liegt an dem bestehenden institutionellen Rahmen des Euro, der einzelne Mitgliedstaaten einschränkt und in dem Instrumente zur Sicherung einer wirksamen und koordinierten Wirtschafts- und Fiskalpolitik des gesamten Euro-Währungsgebiets fehlen.

4.3.

Dies ist mit ein Grund für die anhaltenden Ungleichgewichte und Ungleichheiten im Euro-Währungsgebiet und dafür, dass eine Beschleunigung der Aufwärtskonvergenz für so notwendig erachtet wird. Sie würde zu einer Verbesserung der Wirtschaftsleistung beitragen und die soziale und politische Stabilität fördern. All diese Aspekte sind für eine stärkere internationale Rolle des Euro von entscheidender Bedeutung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die geldpolitischen Herausforderungen in einem Wirtschaftsraum, dessen Mitgliedstaaten so unterschiedliche wirtschaftliche und soziale Bedingungen aufweisen, gewaltig.

4.4.

Es müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das Problem der notleidenden Kredite zu bewältigen. Sie sind eine erhebliche Belastung für die Finanzierung der EU-Wirtschaft, da sie die Kreditvergabe verzerren, das Marktvertrauen schmälern und letztlich das Wirtschaftswachstum verlangsamen. Es ist zu bedenken, dass in den nationalen Bankensektoren innerhalb des Euro-Währungsgebiets noch immer erhebliche Risiken vorhanden sind, die die Entwicklung eines gemeinsamen Einlagenversicherungssystems behindern. Zweifellos verursacht eine Verringerung notleidender Kredite und eine Bankenrekapitalisierung Kosten sowohl für Regierungen als auch für den Privatsektor. Der EWSA fordert im Einklang mit seiner früheren Stellungnahme (13) eine verantwortungsvolle Kreditvergabe durch die Kreditinstitute und betont, dass die einzelstaatlichen und die europäischen Behörden ihre Kräfte bündeln und weitere Fortschritte beim Aufbau eines umfassenden und verlässlichen EU-Rahmens für notleidende Kredite erzielen müssen.

4.5.

Die Vollendung der Bankenunion und die weitere Integration der Kapitalmarktunion werden ebenfalls als Voraussetzung für makroökonomische Stabilität angesehen. Die Bankenunion ist für die Nutzung der Vorteile grenzüberschreitender Bankgeschäfte in der Währungsunion von entscheidender Bedeutung. Zwar wurden bereits erhebliche Fortschritte erzielt, doch die Bankenunion ist noch nicht vollendet. Auch müssen im Euro-Währungsgebiet bei weiteren wichtigen Initiativen zur Festigung der Finanzunion weiterhin Fortschritte erzielt werden. Durch die Kapitalmarktunion wird die grenzüberschreitende finanzielle Integration gefördert, und Banken und Kapitalmärkte können sich bei der Finanzierung der Wirtschaft im Euro-Währungsgebiet ergänzen.

4.6.

Aus zwei Hauptgründen kann der Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen durch die Bankenunion und die Kapitalmarktunion gemeinsam auf eine neue Ebene gebracht werden: a) Unternehmen würden mit gesünderen, tieferen und stärker integrierten Finanzmärkten Zugang zu Krediten mit günstigeren Konditionen erhalten, mit denen sie profitable Investitionen tätigen könnten, und b) eine Integration der Finanzmärkte würde zu einer Verbesserung des Finanzierungsumfeldes führen, insbesondere für KMU, die häufig als das Rückgrat der europäischen Wirtschaft im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovationen und Wirtschaftswachstum bezeichnet werden. Auf einem integrierten Finanzmarkt könnten Banken Skaleneffekte besser nutzen, indem sie ähnliche oder identische Produkte und Dienstleistungen in mehreren Mitgliedstaaten anbieten. Zudem würden sie wahrscheinlich ihre grenzüberschreitenden Bestände an Vermögenswerten erweitern und wären in der Lage, größere und stärker diversifizierte Sicherheitspools für verbriefte Produkte und gedeckte Schuldverschreibungen zu schaffen.

4.7.

Ein gut funktionierender und integrierter Kapitalmarkt wird für ein funktionierendes Währungsgebiet als sehr wichtig erachtet, daher sollte die Überwindung der bestehenden Schwächen der europäischen Kapitalmärkte oberste Priorität genießen, insbesondere im Falle eines ungeregelten Brexits. Es sollte jedoch bedacht werden, dass das Projekt der Kapitalmarktunion sehr verschiedene Ansätze umfasst, von denen einige möglicherweise nicht zu dem ursprünglich angestrebten Ergebnis geführt haben. Beispiele umfassen europaweite private Altersvorsorgeprodukte und die Initiative für den Verbriefungsmarkt. Der EWSA erkennt jedoch die Rolle der staatlichen Altersrente für Menschen an, die sich eine private Altersvorsorge nicht leisten können. Tatsächlich war der Erfolg der Kapitalmarktunion bisher eher durchwachsen. Gleichwohl werden diese Initiativen langsam aber sicher letztlich zu einer Stärkung der internationalen Rolle des Euro beitragen.

4.8.

Darüber hinaus ist es in der Zeit nach der Finanzkrise wichtig zu begreifen, dass eine weitere Stärkung der internationalen Rolle des Euro von der finanziellen Stabilität des Euro-Währungsgebiets abhängt. Die Ausgabe gemeinsamer Schatzwechsel, Anleihen und Schuldverschreibungen des Euro-Währungsgebiets als sichere Anlagen, ähnlich wie sie vom US-Finanzministerium begeben werden, zusammen mit einer angemessenen Verwaltungsstruktur (einschließlich eines robusten und zuverlässigen fiskalpolitischen Rahmens), würde eine größere Stabilität fördern, indem besicherte und liquide Schuldtitel zur Finanzierung eines unerwarteten Anstiegs der öffentlichen Ausgaben bereitgestellt würden.

4.9.

Die Ausgabe gemeinsamer Anleihen des Euro-Währungsgebiets sollte vornehmlich auch mit einem verbesserten Aufsichtsrahmen einhergehen. Die Risiken derartiger Produkte müssen, beispielsweise durch Risiko- und Garantie-Pools, insbesondere im Kontext einer stark integrierten Kapitalmarktunion berücksichtigt werden.

4.10.

Die Stärkung der internationalen Rolle des Euro, insbesondere als Konkurrenz zum US-Dollar als Reservewährung, sollte nicht als Einbahnstraße zum Erlangen eines Wettbewerbsvorteils betrachtet werden. Sie kann auch zu globalem Druck auf die Binnenwirtschaft des Euro-Währungsgebiets in Relation zu wirtschaftlichen Entwicklungen in konkurrierenden Nationen führen. Eine wirksame und einstimmige Reaktion darauf kann jedoch stärkeren sozialen Zusammenhalt und größere wirtschaftliche Konvergenz im Euro-Währungsgebiet bewirken. Die geopolitische Rolle der EU und die globale Reichweite des Euro werden vermutlich auch durch europäische Initiativen zur Förderung der Zusammenarbeit in den Bereichen Verteidigung und internationale Beziehungen gesteigert.

4.11.

Der nicht einfache Weg zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro könnte durch die EZB — in erster Linie durch die Erfüllung ihres Mandats der Wahrung der Preisstabilität im Euro-Währungsgebiet — ein wenig geebnet werden. Zudem verleiht die Unterstützung der EZB für makroökonomische Maßnahmen und die Vertiefung der WWU und der Kapitalmarktunion einer verstärkten internationalen Rolle des Euro weitere Impulse.

Brüssel, den 19. Juni 2019

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  COM(2018) 796 final.

(2)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 28.

(3)  ABl. C 197 vom 8.6.2018, S. 1.

(4)  https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2017/03/25/rome-declaration/

(5)  https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/soteu2018-speech_de.pdf

(6)  https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/reflection-paper-emu_de.pdf

(7)  COM(2018) 767 final.

(8)  http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC96913/lbna27754enn.pdf

(9)  C(2018) 8111 final.

(10)  COM(2018) 767 final.

(11)  https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/communication_—_long-term_budget_for_europes_priorities.pdf

(12)  COM(2018) 387 final.

(13)  ABl. C 367 vom 10.10.2018, S. 43.


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