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Document 52018PC0298

Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf den Anwendungszeitraum der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug

COM/2018/298 final - 2018/0150 (CNS)

Brüssel, den 25.5.2018

COM(2018) 298 final

2018/0150(CNS)

Vorschlag für eine

RICHTLINIE DES RATES

zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf den Anwendungszeitraum der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug


BEGRÜNDUNG

1.KONTEXT DES VORSCHLAGS

Gründe und Ziele des Vorschlags

Zweck des vorliegenden Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 1 (im Folgenden „MwSt-Richtlinie“) ist die Verlängerung 1. der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft 2 anzuwenden, um den derzeitigen Betrug bei der Lieferung von unter Artikel 199a Absatz 1 der MwSt-Richtlinie fallenden Gegenständen und Dienstleistungen zu bekämpfen, und 2. der Möglichkeit, den Schnellreaktionsmechanismus zur Betrugsbekämpfung zu nutzen.

Artikel 199a 3 der MwSt-Richtlinie erlaubt den Mitgliedstaaten, bei der Bezahlung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen, die betrugsanfällig sind, insbesondere für den innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug, fakultativ auf die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zurückgreifen.

Möchte ein Mitgliedstaat die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf andere als die in Artikel 199a der MwSt-Richtlinie genannten Lieferungen anwenden, so kann auf der Grundlage von Artikel 395 der MwSt-Richtlinie eine Ausnahme gewährt werden, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder bestimmte Formen der Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhindern. Damit die Ausnahme aufgrund dieses Artikels genehmigt werden kann, ist jedoch ein Vorschlag der Kommission erforderlich, der vom Rat einstimmig angenommen werden muss; dieses Verfahren kann mehrere Monate (gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie bis zu acht Monate) in Anspruch nehmen. Ist ein Mitgliedstaat mit unvermittelt auftretenden und schwerwiegenden Betrugsfällen konfrontiert, könnte die Dauer des Verfahrens zur Erlangung einer Ausnahmeregelung gemäß Artikel 395 zu erheblichen Verlusten bei den MwSt-Einnahmen führen. Der Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b 4 der MwSt-Richtlinie sieht ein schnelleres Verfahren vor, das es den Mitgliedstaaten erlaubt, unter bestimmten strengen Bedingungen die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einzuführen, und bietet den Mitgliedstaaten damit eine angemessenere und wirksamere Reaktionsmöglichkeit bei unvermittelt auftretenden und schwerwiegenden Betrugsfällen.

Die in den Artikeln 199a und 199b vorgesehenen Maßnahmen sollen es den Mitgliedstaaten ermöglichen, rasch auf Probleme im Zusammenhang mit dem innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug zu reagieren. So sieht Artikel 199a die Option vor, die Steuerschuldnerschaft für die dort genannten Leistungen umzukehren, und Artikel 199b bietet im Fall unvermittelt auftretender und schwerwiegender Betrugsfälle die Möglichkeit eines schnelleren Verfahrens zur Umkehrung der Steuerschuldnerschaft. Beide Artikel laufen am 31. Dezember 2018 aus. 5  

Beim innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug erwirbt ein Händler mehrwertsteuerfrei Waren, die aus einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, und stellt beim Weiterverkauf dem Erwerber die Mehrwertsteuer in Rechnung. Nach Erhalt der Mehrwertsteuer vom Erwerber verschwindet ein solcher Händler, ohne die fällige Mehrwertsteuer an die Steuerbehörden abzuführen. Zugleich kann der Erwerber, der in gutem Glauben handeln mag oder nicht, die Mehrwertsteuer, die er an den Lieferer gezahlt hat, über seine Mehrwertsteuererklärung abziehen. Die fakultative Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie scheint ein vorbeugendes und nützliches Instrument für die Mitgliedstaaten zu sein, diese Art von Betrug in den vorab festgelegten sensiblen Bereichen zu bekämpfen, wenn er sich in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet ereignet. Sobald der Händler verpflichtet ist, die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei solchen inländischen Lieferungen anzuwenden, kann er keine Mehrwertsteuer in Rechnung stellen. Folglich erhält er vom Erwerber keine Mehrwertsteuer und kann somit auch nicht mit dem erhaltenen Mehrwertsteuerbetrag verschwinden. Beim Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b handelt es sich um eine Ausnahmemaßnahme, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, rasch eine befristete Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen in Sektoren einzuführen, bei denen unvermittelt auftretende und schwerwiegende Betrugsfälle verzeichnet wurden und die nicht in Artikel 199a der MwSt-Richtlinie aufgeführt sind. Durch die Anwendung dieser Maßnahme können die Mitgliedstaaten die Zeit bis zur Genehmigung der regulären Ausnahmeregelung gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie überbrücken.

Wie in der MwSt-Richtlinie vorgesehen, legte die Kommission einen Bericht über die Auswirkungen der in den Artikeln 199a und 199b der MwSt-Richtlinie enthaltenen Mechanismen vor. 6 Für die Erstellung des Berichts wurden die Mitgliedstaaten gebeten, ihre Erfahrungen mit den Maßnahmen und ihre Bewertung derselben mitzuteilen. Um die Berücksichtigung der Rückmeldungen aus der Wirtschaft sicherzustellen, wurden die Interessenträger aus der Wirtschaft im Rahmen der Expertengruppe „Mehrwertsteuer“ 7 um Rückmeldung gebeten. Die Mitgliedstaaten und die befragten Interessenträger erachten die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie im Allgemeinen als wirksames und effizientes befristetes Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs. Den Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der MwSt-Richtlinie halten die meisten Mitgliedstaaten – wenngleich er niemals angewandt wurde – weiterhin für ein nützliches und vorbeugendes Instrument zur Bekämpfung außergewöhnlicher Fälle von Mehrwertsteuerbetrug.

Die Kommission hat vor Kurzem zwei Legislativvorschläge vorgelegt, um den Mehrwertsteuerbetrug effizienter zu bekämpfen. Der erste Vorschlag betrifft die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer 8 und soll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksame Bekämpfung des grenzüberschreitenden Betrugs stärken.

Im zweiten Vorschlag werden die Eckpunkte eines einfacheren und betrugssicheren endgültigen Mehrwertsteuersystems für den Handel in der Union dargelegt. 9 Die Umsetzung dieser Eckpunkte erfolgt in einem zweigliedrigen Ansatz. Als ersten Schritt wird die Kommission im ersten Halbjahr 2018 einen Vorschlag mit konkreten Bestimmungen für die Anwendung der endgültigen Regelung für die Lieferung von Waren zwischen Unternehmen in der Union (B2B) vorlegen.

Diese Regelung, die am 1. Juli 2022 in Kraft treten sollte, stellt eine grundlegende Maßnahme zur Bekämpfung des innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs dar. Da die Mehrwertsteuer effektiv auf Lieferungen innerhalb der Union erhoben würde, kann ein Händler nicht mehr mehrwertsteuerfrei Waren, die aus einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, erwerben; damit wird dem innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrug die Grundlage entzogen. Nur vertrauenswürdige Steuerpflichtige, die den Status eines zertifizierten Steuerpflichtigen besitzen, werden Waren erhalten können, die aus einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden, ohne dass vom Lieferer Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wurde.

Daraus folgt, dass sich die Maßnahmen der Artikeln 199a und 199b der MwSt-Richtlinie als befristete und gezielte Maßnahmen als nützlich erwiesen haben. Mit ihrem Auslaufen am 31. Dezember 2018 würde den Mitgliedstaaten ein wirksames Instrument zur Betrugsbekämpfung genommen.

Daher sollten die in den Artikeln 199a und 199b genannten Maßnahmen bis zum 30. Juni 2022 verlängert werden, dem Datum, an dem die endgültige Regelung für die Lieferung von Gegenständen zwischen Unternehmen in der Union in Kraft treten sollte.

Gemäß Artikel 199a Absatz 1 der MwSt-Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren anwenden. Die Vorgabe eines Zeitraums von mindestens zwei Jahren für die Anwendung der Maßnahme hat sich als Hindernis für einige Mitgliedstaaten erwiesen, die die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft im Lauf des Jahres 2017 einführen wollten, um neu festgestellte Fälle von Mehrwertsteuerbetrug bei Lieferungen von Gegenständen und/oder Dienstleistungen, die in Artikel 199a aufgeführt sind, zu bekämpfen. Die betreffenden Mitgliedstaaten mussten letztlich einen Antrag auf eine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 395 der MwSt-Richtlinie stellen, was aufgrund des mit diesem Artikel verbundenen Verfahrens zu einer verzögerten Reaktion der Mitgliedstaaten auf das Betrugsproblem führte. Daher wird vorgeschlagen, die Anforderung eines Mindestzeitraums von zwei Jahren aus der Bestimmung zu streichen.

Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich

Der vorliegende Vorschlag greift dem Vorschlag der Kommission hinsichtlich der befristeten Anwendung einer allgemeinen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft 10 nicht vor, der Mitgliedstaaten, die besonders von Betrug betroffen sind‚ die Möglichkeit bietet, eine allgemeine (nicht sektorspezifische) Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für inländische Lieferungen von Gegenständen einzuführen, sofern strenge Bedingungen erfüllt sind. Der vorgeschlagene Anwendungsbereich und die vorgeschlagenen Bedingungen für die Anwendung einer generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft unterscheiden sich von den Bedingungen der Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie.

2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Rechtsgrundlage

Mit der Richtlinie wird die MwSt-Richtlinie auf der Grundlage des Artikels 113 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geändert.

Da mit dem Vorschlag die Anwendung einiger Bestimmungen der Richtlinie verlängert wird, ist eine Änderung der MwSt-Richtlinie erforderlich.

Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)

Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip (Artikel 5 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union) wird die Union nur dann tätig, wenn die verfolgten Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.

Das Ziel, Betrug durch die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft zu bekämpfen, und die Möglichkeit, den Schnellreaktionsmechanismus zur Bekämpfung unvermittelt auftretender und schwerwiegender Betrugsfälle zu nutzen, werden am besten auf Unionsebene erreicht und haben eine spezifische Rechtsgrundlage in der MwSt-Richtlinie. Die Verlängerung dieser Maßnahmen erfordert daher eine Änderung der MwSt-Richtlinie.

Verhältnismäßigkeit

Aufgrund des fakultativen und befristeten Charakters der verlängerten Maßnahmen ist der Vorschlag verhältnismäßig in Bezug auf das angestrebte Ziel der Betrugsbekämpfung bei bestimmten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen und unterstützt die Mitgliedstaaten dabei, unmittelbar auftretende und schwerwiegende Betrugsfälle zu bekämpfen.

Wahl des Instruments

Zur Änderung der MwSt-Richtlinie wird eine Richtlinie vorgeschlagen.

3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG

Konsultation der Interessenträger

Rückmeldungen der Mitgliedstaaten und Interessenträger wurden im Bericht der Kommission über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der MwSt-Richtlinie auf die Betrugsbekämpfung dargelegt.

Dem Bericht zufolge erachten die Mitgliedstaaten die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie im Allgemeinen als wirksames und effizientes Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs. Durch die Einführung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ging der Betrug in den betreffenden Sektoren deutlich zurück oder wurde vollständig unterbunden. Diese Auffassung wird auch in den Antworten der befragten Unternehmen geteilt, die die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft als eine effiziente zeitlich befristete Maßnahme zur Betrugsbekämpfung ansehen.

Den Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der MwSt-Richtlinie halten die meisten Mitgliedstaaten – wenngleich er niemals angewandt wurde – weiterhin für ein nützliches Instrument und eine Vorsichtsmaßnahme zur Bekämpfung außergewöhnlicher Fälle von unmittelbar auftretendem Mehrwertsteuerbetrug.

Einholung und Nutzung von Expertenwissen

Die Expertengruppe „Mehrwertsteuer“ wurde hinsichtlich der Auswirkungen der Maßnahme gemäß Artikel 199a der MwSt-Richtlinie konsultiert. Die Rückmeldungen lassen darauf schließen, dass die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei bestimmten Lieferungen als effizientes zeitlich befristetes Instrument der Betrugsbekämpfung angesehen wird.

Die fakultative Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wurde bereits in früheren Studien bewertet. Laut einer neuen Studie zur Bewertung der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft 11 ist die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für die Unternehmen mit einem Anstieg der Befolgungskosten um 43 % verbunden. In der Folgenabschätzung zu dem Vorschlag bezüglich einer befristeten generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft wurde eine Bewertung der generellen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (auch im Vergleich zur sektorspezifischen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) im Binnenmarkt vorgenommen. 12 Da die gezielte Umkehrung der Steuerschuldnerschaft in Bezug auf den Anwendungsbereich und die Dauer begrenzt ist, scheint sie keine nennenswerten nachteiligen Auswirkungen zu haben.

Folgenabschätzung

Durch die Initiative werden die in den Artikeln 199a und 199b vorgesehenen Maßnahmen verlängert, die die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs unterstützen, bis eine eingehendere Reform des MwSt-Systems durchgeführt wurde.

Angesichts der laufenden Arbeiten der Kommission an der endgültigen Mehrwertsteuerregelung und deren voraussichtlichen Auswirkungen auf die Betrugsbekämpfung wäre es zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll, eine über den jüngsten Bericht hinausgehende Bewertung durchzuführen oder die Maßnahmen zu überarbeiten, da jegliche Schlussfolgerung vorübergehend wäre und erneut geprüft werden müsste, sobald die endgültige Regelung in Kraft tritt.

4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT

Der Vorschlag hat keine negativen Auswirkungen auf den Unionshaushalt.

5.WEITERE ANGABEN

Der Vorschlag ist befristet.

2018/0150 (CNS)

Vorschlag für eine

RICHTLINIE DES RATES

zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf den Anwendungszeitraum der fakultativen Umkehrung der Steuerschuldnerschaft bei Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen und des Schnellreaktionsmechanismus gegen Mehrwertsteuerbetrug

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 113,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission,

nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments 13 ,

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses 14 ,

gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Mehrwertsteuerbetrug führt zu erheblichen Einnahmenverlusten und beeinträchtigt das Funktionieren des Binnenmarktes.

(2)Gemäß Artikel 199a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates 15 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Mehrwertsteuer von dem steuerpflichtigen Empfänger der in diesem Artikel genannten Leistungen geschuldet wird (Umkehrung der Steuerschuldnerschaft), um rasch auf das Problem des innergemeinschaftlichen Missing-Trader-Mehrwertsteuerbetrugs zu reagieren. Die Mitgliedstaaten können diesen Mechanismus bis zum 31. Dezember 2018 für einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren anwenden.

(3)Die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der Richtlinie 2006/112/EG stellt den Mitgliedstaaten ein schnelleres Verfahren zur Verfügung, das die Einführung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für bestimmte Gegenstände und Dienstleistungen erlaubt, um unvermittelt auftretende und schwerwiegende Betrugsfälle zu bekämpfen, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen. Im Einklang mit Artikel 3 der Richtlinie 2013/42/EU des Rates 16 können die Mitgliedstaaten diese Sondermaßnahme bis zum 31. Dezember 2018 anwenden.

(4)Am 8. März 2018 legte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht über die Auswirkungen der in den Artikeln 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG festgelegten Verfahren zur Betrugsbekämpfung vor. 17  

(5)Diesem Bericht zufolge erachten die Mitgliedstaaten und Interessenträger die in Artikel 199a der Richtlinie 2006/112/EG vorgesehene Umkehrung der Steuerschuldnerschaft generell als wirksames und effizientes befristetes Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs in den betreffenden Sektoren bzw. zur Verhütung eines solchen Betrugs. Die Vorgabe eines Zeitraums von mindestens zwei Jahren für die Anwendung der Maßnahme gemäß Artikel 199a Absatz 1 hat sich als Hindernis für einige Mitgliedstaaten erwiesen, die die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft einführen wollen und diese Bedingung nicht erfüllen. Daher wird die Anforderung eines Mindestzeitraums von zwei Jahren aus der Bestimmung gestrichen.

(6)Was die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gemäß Artikel 199b der Richtlinie 2006/112/EG anbelangt, so sind die Mitgliedstaaten der Auffassung, dass diese, obwohl sie bisher noch nicht zum Einsatz kam, als nützliches Instrument und als Vorsichtsmaßnahme gegen außergewöhnliche Fälle des Mehrwertsteuerbetrugs beibehalten werden sollte.

(7)Den Feststellungen und der Schlussfolgerung des Berichts zufolge haben sich die Maßnahmen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG als nützliche befristete und gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs erwiesen. Diese Maßnahmen laufen am 31. Dezember 2018 aus; die Mitgliedstaaten würden damit ein wirksames Instrument zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs verlieren. Daher sollte die Anwendung dieser Maßnahmen für einen begrenzten Zeitraum bis zum geplanten Inkrafttreten der endgültigen Mehrwertsteuerregelung verlängert werden.

(8)Die Richtlinie 2006/112/EG sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Die Richtlinie 2006/112/EG wird wie folgt geändert:

(1)In Artikel 199a Absatz 1 erhält der Einleitungssatz folgende Fassung:

„Die Mitgliedstaaten können bis zum 30. Juni 2022 vorsehen, dass die Mehrwertsteuer von dem steuerpflichtigen Empfänger der folgenden Leistungen geschuldet wird:“.

(2)Artikel 199b erhält folgende Fassung:

„Artikel 199b

1. Ein Mitgliedstaat kann in Fällen äußerster Dringlichkeit gemäß den Absätzen 2 und 3 als Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus zur Bekämpfung unvermittelt auftretender und schwerwiegender Betrugsfälle, die voraussichtlich zu erheblichen und unwiederbringlichen finanziellen Verlusten führen, in Abweichung von Artikel 193 den Empfänger von bestimmten Gegenständen oder Dienstleistungen als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmen.

Die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus unterliegt geeigneten Kontrollmaßnahmen des Mitgliedstaats betreffend Steuerpflichtige, die die Lieferungen bewirken oder Dienstleistungen erbringen, auf die die Maßnahme anwendbar ist, und gilt für einen Zeitraum von höchstens neun Monaten.

2. Ein Mitgliedstaat, der eine in Absatz 1 bezeichnete Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus einführen möchte, teilt dies der Kommission unter Verwendung des gemäß Absatz 4 festgelegten Standardformblatts mit; er übermittelt diese Mitteilung gleichzeitig an die anderen Mitgliedstaaten. Er übermittelt der Kommission Angaben zur betroffenen Branche, zur Art und zu den Merkmalen des Betrugs, zum Vorliegen von Gründen für die äußerste Dringlichkeit, zum unvermittelten, schwerwiegenden Charakter des Betrugs und zu den Folgen in Form von erheblichen, unwiederbringlichen finanziellen Verlusten. Ist die Kommission der Auffassung, dass ihr nicht alle erforderlichen Angaben vorliegen, so kontaktiert sie den betreffenden Mitgliedstaat innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Mitteilung und teilt ihm mit, welche zusätzlichen Angaben sie benötigt. Alle zusätzlichen Angaben, die der betreffende Mitgliedstaat der Kommission übermittelt, werden gleichzeitig an die anderen Mitgliedstaaten übermittelt. Sind die zusätzlichen Angaben unzureichend, so unterrichtet die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat innerhalb einer Woche darüber.

Der Mitgliedstaat, der eine in Absatz 1 vorgesehene Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus einführen möchte, stellt gleichzeitig nach dem in Artikel 395 Absätze 2 und 3 festgelegten Verfahren einen Antrag an die Kommission.

In Fällen äußerster Dringlichkeit gemäß Absatz 1 ist das in Artikel 395 Absätze 2 und 3 festgelegte Verfahren innerhalb von sechs Monaten nach Eingang des Antrags bei der Kommission abzuschließen.

3. Sobald die Kommission über alle Angaben verfügt, die ihres Erachtens für die Beurteilung der Mitteilung nach Absatz 2 Unterabsatz 1 erforderlich sind, unterrichtet sie die Mitgliedstaaten hiervon. Erhebt sie Einwände gegen die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus, so erstellt sie innerhalb eines Monats nach der Mitteilung eine ablehnende Stellungnahme und setzt den betreffenden Mitgliedstaat und den Mehrwertsteuerausschuss davon in Kenntnis. Erhebt die Kommission keine Einwände, so bestätigt sie dies dem betreffenden Mitgliedstaat und – innerhalb des gleichen Zeitraums – dem Mehrwertsteuerausschuss in schriftlicher Form. Der Mitgliedstaat kann die Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus ab dem Zeitpunkt des Eingangs dieser Bestätigung erlassen. Die Kommission berücksichtigt bei der Beurteilung der Mitteilung die Ansichten anderer Mitgliedstaaten, die ihr in schriftlicher Form übermittelt wurden.

4. Die Kommission erlässt einen Durchführungsrechtsakt zur Erstellung eines Standardformblatts für die Einreichung der Mitteilung einer Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus nach Absatz 2 sowie für die Übermittlung von Angaben gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1. Dieser Durchführungsrechtsakt wird nach dem Prüfverfahren gemäß Absatz 5 erlassen.

5. Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates(*), und für diesen Zweck ist der durch Artikel 58 der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates(**) eingesetzte Ausschuss zuständig.

6. Die in Absatz 1 vorgesehene Sondermaßnahme des Schnellreaktionsmechanismus gilt bis zum 30. Juni 2022.“.

__________

   (*) Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren ( ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13 ).

   (**) Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer ( ABl. L 268 vom 12.10.2010, S. 1 ).“.

(3)Artikel 395 Absatz 5 wird gestrichen.

Artikel 2

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 3

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am […]

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).
(2)    Gemäß Artikel 193 der MwSt-Richtlinie schuldet generell der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer, der Gegenstände steuerpflichtig liefert oder eine Dienstleistung steuerpflichtig erbringt. Als Ausnahme von dieser fraktionierten Entrichtung erlaubt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft, dass die Mehrwertsteuer von dem (steuerpflichtigen) Empfänger der Leistung geschuldet wird.
(3)    Eingeführt durch die Richtlinie 2013/43/EU des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf eine fakultative und zeitweilige Anwendung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) auf Lieferungen bestimmter betrugsanfälliger Gegenstände und Dienstleistungen (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 4).
(4)    Eingeführt durch die Richtlinie 2013/42/EU des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1).
(5)    Schnellreaktionsmechanismus: siehe Artikel 2 der Richtlinie 2013/42/EU des Rates.
(6)    Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates auf die Betrugsbekämpfung (COM(2018) 118/2).
(7)    Die Expertengruppe „Mehrwertsteuer“ unterstützt und berät die Europäische Kommission in Mehrwertsteuerfragen. Die Gruppe umfasst namentlich benannte Einzelpersonen mit dem nötigen Fachwissen auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und Organisationen, die vor allem Unternehmen und Steuerfachleute vertreten, und kann bei der Entwicklung und Umsetzung von Mehrwertsteuer-Strategien Unterstützung leisten.
(8)    „Auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum – Zeit zu handeln“. Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 im Hinblick auf die Stärkung der Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (COM(2017) 706 final).
(9)    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems und zur Einführung des endgültigen Systems der Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten (COM(2017) 569 final). 
(10)    Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Hinblick auf die befristete generelle Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen über einem bestimmten Schwellenwert (COM(2016) 811 final).
(11)    EY, 2014.
(12)    Impact assessment for the proposal as regards the temporary application of a generalised reverse charge mechanism in relation to supplies of goods and services above a certain threshold, SWD(2016) 457.
(13)    ABl. C vom , S. .
(14)    ABl. C vom , S. .
(15)    Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1).
(16)    Richtlinie 2013/42/EU des Rates vom 22. Juli 2013 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf einen Schnellreaktionsmechanismus bei Mehrwertsteuerbetrug (ABl. L 201 vom 26.7.2013, S. 1).
(17)    Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die Auswirkungen der Artikel 199a und 199b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates auf die Betrugsbekämpfung (COM(2018) 118 vom 8. März 2018).
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