EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 21.11.2018
COM(2018) 809 final
BERICHT DER KOMMISSION
Italien
Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
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Document 52018DC0809
REPORT FROM THE COMMISSION Italy Report prepared in accordance with Article 126(3) of the Treaty on the Functioning of the European Union
BERICHT DER KOMMISSION Italien Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
BERICHT DER KOMMISSION Italien Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
COM/2018/809 final
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 21.11.2018
COM(2018) 809 final
BERICHT DER KOMMISSION
Italien
Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
BERICHT DER KOMMISSION
Italien
Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union
1.Einleitung
In Artikel 126 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ist ein Verfahren bei einem übermäßigen Defizit („Defizitverfahren“) vorgesehen. Dessen Einzelheiten regelt die zum Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) gehörende Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates über die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit 1 . Besondere Vorschriften für die dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten, die Gegenstand eines Defizitverfahrens sind, sind in der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 2 festgelegt.
Nach Artikel 126 Absatz 2 AEUV prüft die Kommission die Einhaltung der Haushaltsdisziplin anhand von zwei Kriterien, nämlich daran, a) ob das Verhältnis des geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizits zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) den Referenzwert von 3 % überschreitet und b) ob das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP den Referenzwert von 60 % überschreitet (es sei denn, es ist hinreichend rückläufig und nähert sich rasch genug dem Referenzwert).
Nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV erstellt die Kommission einen Bericht, falls ein Mitgliedstaat keines oder nur eines dieser Kriterien erfüllt. In diesem Bericht wird auch „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats“.
In diesem Bericht, der die erste Stufe des Defizitverfahrens darstellt, wird analysiert, ob Italien das im Vertrag vorgesehene Schuldenstandskriterium im Jahr 2017 erfüllt, wobei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und sonstigen einschlägigen Faktoren gebührend Rechnung getragen wird. Am 29. Oktober 2018 richtete die Kommission ein Schreiben an die italienischen Behörden, in dem sie ihre Absicht bekundete, im Herbst 2018 erneut zu prüfen, ob Italien das Schuldenstandskriterium erfülle, und dabei die erhebliche Änderung der einschlägigen Faktoren in der Übersicht über die Haushaltsplanung für 2019 zu berücksichtigen.
Am 23. Mai 2018 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV 3 , da Italien 2017 keine ausreichenden Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums erzielt hatte. Der Bericht kam zu dem Schluss, dass das Kriterium zum damaligen Zeitpunkt als erfüllt betrachtet werden sollte, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Italien die präventive Komponente im Jahr 2017 nachträglich eingehalten hat. In dem Bericht wurde ferner darauf hingewiesen, dass das Risiko einer erheblichen Abweichung von dem vom Rat für 2018 empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel besteht, und zwar sowohl auf der Grundlage der Pläne der Regierung als auch der Frühjahrsprognose 2018 der Kommission.
Durch Italiens Haushaltsplanung für 2019 haben sich jedoch die von der Kommission im Mai vergangenen Jahres analysierten einschlägigen Faktoren erheblich geändert. Insbesondere legte Italien am 16. Oktober seine Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 4 vor, die eine Verschlechterung des (neu berechneten) strukturellen Saldos 5 um 0,9 % des BIP im Jahr 2019 zur Folge hatte. Am 23. Oktober 2018 nahm die Kommission eine Stellungnahme 6 zur Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 an, in der ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die an Italien gerichtete haushaltspolitische Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2018 festgestellt und Italien aufgefordert wurde, eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung vorzulegen. Am 13. November 2018 legte Italien eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 vor. Die Änderungen in der geänderten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 waren sehr begrenzt und bestanden hauptsächlich in einem höheren Privatisierungsziel für 2019 (1 % des BIP anstelle von 0,3 %). Am 21. November 2018 nahm die Kommission ihre Stellungnahme zur überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 Italiens an, in der sie den besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitische Empfehlung für 2019 bekräftigte. Dies rechtfertigt eine Neubewertung der Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau im Jahr 2017.
Aus den Daten, die von den Behörden im Oktober 2018 7 gemeldet und anschließend von Eurostat 8 validiert wurden, geht hervor, dass sich das gesamtstaatliche Defizit Italiens 2017 auf 2,4 % des BIP verringert hat (von 2,5 % des BIP im Jahr 2016), während sich der Schuldenstand bei 131,2 % des BIP (gegenüber 131,4 % des BIP 2016) einpendelte und somit über dem Referenzwert von 60 % des BIP lag. 2018 soll laut der geänderten Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens für 2019 der Schuldenstand im Verhältnis zum BIP leicht auf 130,9 % zurückgehen. Für 2019 wird ein weiterer Rückgang der Schuldenquote (um 1,7 Prozentpunkte) auf 129,2 % des BIP projiziert. Legt man die gemeldeten Daten und die Herbstprognose 2018 der Kommission zugrunde, hat Italien den Richtwert für den Schuldenabbau weder 2016 (Lücke von 5,2 % des BIP) noch 2017 (Lücke von 6,6 % des BIP) eingehalten (siehe Tabelle 1).
Dass Italien den Richtwert für den Schuldenabbau im Jahr 2017 nicht eingehalten hat, belegt in der Gesamtbetrachtung, dass allem Anschein nach ein übermäßiges Defizit im Sinne des SWP besteht, wobei jedoch alle im Folgenden aufgeführten Faktoren noch nicht berücksichtigt sind. Außerdem wird Italien sowohl nach den Plänen der Regierung als auch nach der Herbstprognose 2018 der Kommission den Richtwert für den Schuldenabbau voraussichtlich weder 2018 (Lücke von 3,7 % bzw. 6,6 % des BIP) noch 2019 (Lücke von 3,6 % bzw. 6,7 % des BIP) einhalten.
Die Kommission hat daher den vorliegenden Bericht erstellt, um die Abweichung vom Richtwert für den Schuldenabbau umfassend zu bewerten und zu prüfen, ob – nach Berücksichtigung aller einschlägigen Faktoren – die Einleitung eines Defizitverfahrens angebracht ist. In Abschnitt 2 wird das Defizitkriterium geprüft, in Abschnitt 3 das Schuldenstandskriterium. Abschnitt 4 behandelt die öffentlichen Investitionen und sonstige einschlägige Faktoren, wobei auch die Einhaltung des erforderlichen Anpassungspfads in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel bewertet wird. In dem Bericht wird auch die am 8. November 2018 veröffentlichte Herbstprognose 2018 der Kommission berücksichtigt. Die Kommissionsprognose stützt sich auf die ursprüngliche Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 und nicht auf die überarbeitete Fassung, die Unterschiede zwischen den beiden Dokumente sind jedoch marginal.
Tabelle 1: Gesamtstaatliches Defizit und gesamtstaatlicher Schuldenstand (in % des BIP) a
2.Defizitkriterium
Italien hat zwischen 2010 und 2013 eine beachtliche Konsolidierungsanstrengung unternommen. Es baute seinen Primärüberschuss auf über 2 % des BIP aus und schaffte 2013 den Ausstieg aus dem Defizitverfahren, indem es sein Gesamtdefizit (das 2009 noch über 5 % des BIP betragen hatte) ab 2012 auf höchstens 3 % des BIP beschränkte. In den letzten Jahren wurden die finanzpolitischen Zügel jedoch wieder gelockert. 2017 schmolz der Primärüberschuss auf 1,4 % des BIP ab, und das Gesamtdefizit pendelte sich bei rund 2,4 % des BIP ein. Allerdings dürften sich beide Werte 2018 verbessern. 2019 und 2020 dürften sich sowohl der Gesamtsaldo als auch der Primärsaldo beträchtlich verschlechtern, was vor allem auf die in der Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 vorgesehenen Maßnahmen (die in der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 bestätigt wurden) zurückzuführen sein wird.
Für 2017 wurde das gesamtstaatliche Defizit Italiens mit 2,4 % des BIP angegeben. Sowohl nach der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung als auch nach der Herbstprognose 2018 der Kommission soll das Defizit im Zeitraum 2018-2019 unter dem im Vertrag festgesetzten Referenzwert von 3 % des BIP bleiben. Jedoch wird nach der Prognose der Kommission bei unveränderter Politik der Referenzwert im Jahr 2020 überschritten werden. In der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 wird davon ausgegangen, dass das gesamtstaatliche Defizit 2018 bei 1,8 % des BIP und 2019 bei 2,4 % des BIP liegen wird. In Italiens „Nota di Aggiornamento al DEF“, in der die Haushaltsziele des Stabilitätsprogramms 2018 für Italien aktualisiert wurden, wird erwartet, dass das Gesamtdefizit 2020 auf 2,1 % des BIP sinkt. Die für 2019 erwartete Zunahme des gesamtstaatlichen Defizits ergibt sich weitgehend aus den in der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 vorgesehenen finanzpolitischen Maßnahmen mit defizitsteigernder Wirkung, die laut den Prognosen der Regierung netto rund 1,2 % des BIP ausmachen. Die für 2020 erwartete Senkung des gesamtstaatlichen Defizits ist weitgehend auf die Auswirkungen (etwa 0,7 % des BIP) im Rahmen einer als Schutzklausel erlassener höherer MwSt-Sätze für 2020 zurückzuführen. Nach der Herbstprognose 2018 der Kommission wird mit einem gesamtstaatlichen Defizit Italiens von 1,9 % des BIP für 2018 und einem Anstieg auf 2,9 % für 2019 gerechnet. Die Defizitprognose der Kommission für 2018 liegt etwas über der in der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019, wobei die Differenz hauptsächlich auf vorsichtigere Annahmen zum Umfang öffentlicher Ausgaben, unter anderem Zinsausgaben, zurückzuführen ist. Die Defizitprognose der Kommission für 2019 liegt ebenfalls über der in der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019, wobei die Differenz hauptsächlich auf ein geringeres BIP-Wachstum und höhere Zinsausgaben als in den Prognosen der Regierung zurückzuführen ist. Nach der Herbstprognose 2018 der Kommission wird bei unveränderter Politik mit einem gesamtstaatlichen Defizit Italiens von 3,1 % des BIP für 2020 gerechnet. Die gegenüber den Prognosen der Regierung höhere Defizitprognose der Kommission für 2020 ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass die Kommission die für 2020 im Rahmen einer Schutzklausel erlassenen höheren Mehrwertsteuersätze nicht berücksichtigt; weitere Faktoren sind ein geringeres nominales BIP-Wachstum und höhere Zinsausgaben.
Damit erfüllt Italien derzeit das Defizitkriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97; allerdings besteht nach der Prognose der Kommission bei unveränderter Politik das Risiko, dass das Defizitkriterium 2020 nicht erfüllt werden wird.
3.Schuldenstandskriterium
Nachdem der Schuldenstand Italiens während der Doppelrezession von 2008-2013 jährlich um 5 Prozentpunkte angewachsen war, erhöhte er sich 2014-2015 in einem langsameren Tempo von durchschnittlich 1 Prozentpunkt pro Jahr weiter, bevor er 2016 einen Höchststand bei 131,4 % erreichte und 2017 leicht zurückging (auf 131,2 %). Auf der Grundlage der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 dürfte die Schuldenquote allmählich auf 130,9 % des BIP im Jahr 2018, 129,2 % des BIP im Jahr 2019 und 127,3 % des BIP im Jahr 2020 sinken. Nach den Prognosen der Kommission dürfte sich die Schuldenquote im Zeitraum 2018-2020 bei etwa 131 % stabilisieren. Bis 2018 haben günstige – wenn auch sich verschlechternde –Finanzierungsbedingungen dazu beigetragen, die wirtschaftliche Erholung zu stützen und den Schneeballeffekt zu verringern. Nach 2018 dürften steigende Finanzierungskosten, ein geringerer Primärüberschuss und unterplanmäßige Privatisierungserlöse den Schuldenabbau bremsen. Auch wenn sich die Risiken für die Schuldenrefinanzierung auf kurze Sicht in Grenzen halten, macht der hohe öffentliche Schuldenstand die italienische Wirtschaft nach wie vor sehr anfällig.
Nachdem das Defizitverfahren im Juni 2013 eingestellt worden war, galt für Italien im Hinblick auf die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau ein Übergangszeitraum von drei Jahren (von 2013 bis 2015). Nach Ablauf des Übergangszeitraums wurde 2016 der Richtwert für den Schuldenabbau anwendbar. Ausgehend von den gemeldeten Daten und der Prognose der Kommission belief sich die Lücke zum Richtwert für den Schuldenabbau 2016 auf 5,2 % des BIP und 2017 auf 6,6 % des BIP. Außerdem wird Italien nach der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 den Richtwert für den Schuldenabbau weder 2018 (Lücke zum Richtwert für den Schuldenstand 3,7 % des BIP) noch 2019 (Lücke zum Richtwert für den Schuldenstand 3,6 % des BIP) einhalten. Diese Schlussfolgerung wird durch die Prognose der Kommission bestätigt (Lücke zum Richtwert für den Schuldenstand 6,6 % bzw. 6,7 % des BIP in den Jahren 2018 und 2019).
Im Einzelnen lag die Schuldenquote im Jahr 2017 bei 131,2 % des BIP und damit 0,2 Prozentpunkte unter ihrem Wert von 2016. Der Rückgang war auch deshalb begrenzt, weil der „Schneeballeffekt“ noch immer schuldenstanderhöhend wirkte, denn die realen impliziten Schuldendienstkosten 9 sanken zwar allmählich (von 2,7 % im Jahr 2013 auf 2,4 %), lagen aber dennoch weiterhin über dem realen BIP-Wachstum (1,6 %). Tatsächlich schlugen die im Zeitraum 2015-2017 um null liegenden realen Kassazinssätze auf neu begebene Staatsanleihen erst nach und nach auf die realen Schuldendienstkosten für Umlauftitel durch, was auf die Duration italienischer Staatsanleihen und die Rollover-Periode in Kombination mit der niedrigen Inflation (Wachstum des BIP-Deflators von 0,6 %) zurückzuführen ist – siehe auch Tabelle 2 und Abbildung 1. Das positive Zins-Wachstums-Differential (0,9 Prozentpunkte gegenüber 0,8 im Jahr 2016) implizierte eine noch immer große schuldenstanderhöhende Wirkung des „Schneeballeffekts“ (1,1 % des BIP gegenüber 1,0 % im Jahr 2016 – siehe Tabelle 2). Andererseits trug ein weitgehend stabiler Primärüberschuss von 1,4 % des BIP dazu bei, die Schuldendynamik im Jahr 2017 einzudämmen. Die Bestandsanpassungen waren 2017 geringfügig schuldenstanderhöhend (0,2 %), was vor allem auf die Unterstützung für den Bankensektor 10 zurückzuführen war, die teilweise durch den Abbau des Liquiditätspuffers ausgeglichen wurde, während zugleich keine Privatisierungserlöse 11 erzielt wurden.
2018 soll die Schuldenquote der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 zufolge auf 130,9 % des BIP und damit gegenüber 2017 um 0,3 Prozentpunkte sinken. Diese erwartete Dynamik ist vor allem das Ergebnis eines verminderten, jedoch immer noch schuldenstanderhöhenden „Schneeballeffekts“ (0,5 % des BIP) 12 sowie einer leichten Verbesserung des Primärüberschusses (auf 1,8 % des BIP), durch den die schuldenstanderhöhende Bestandsanpassung (1,0 % des BIP) mehr als ausgeglichen wird. Nach der Prognose der Kommission wird die Schuldenquote 2018 auf 131,1 % des BIP sinken, was etwas über dem Wert in der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 liegt. Der Unterschied ergibt sich aus einem etwas geringeren prognostizierten Primärüberschuss und einem höheren „Schneeballeffekt“, die mit den etwas höheren erwarteten realen impliziten Schuldendienstkosten zusammenhängen.
2019 soll laut der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung für 2019 die Schuldenquote beträchtlich (um 1,7 Prozentpunkte auf 129,2 % des BIP) zurückgehen. Dies ergibt sich hauptsächlich aus einer schuldensenkenden Bestandsanpassung (-0,1 % des BIP), die sich im Wesentlichen auf die von der Regierung erwarteten hohen Privatisierungserlöse (1 % des BIP) stützt, sowie aus einem leicht schuldenstandsenkenden „Schneeballeffekt“, der durch ein erwartetes kräftigeres nominales Wachstum als im Jahr 2018 erklärt wird, das den Rückgang des Primärüberschusses (1,2 % des BIP) ausgleichen soll. Nach der Prognose der Kommission dürfte sich die Schuldenquote Italiens 2019 bei 131 % stabilisieren. Der Grund für die Abweichung sind ein wesentlich geringeres erwartetes nominales Wachstum und höhere erwartete Zinsausgaben, die einen immer noch beträchtlichen schuldensteigernden „Schneeballeffekt“ zur Folge haben, sowie ein geringerer prognostizierter Primärüberschuss (1 % des BIP) und geringere Privatisierungserlöse. Risiken für die Schuldenstandsprognosen sowohl der Kommission als auch der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 ergeben sich aus einem schlechteren Wachstumsausblick, einer deutlicheren Verschlechterung des Primärsaldos, einer niedrigeren Inflation und geringeren Privatisierungserlösen als erwartet.
Nach der Prognose der Kommission dürfte die Schuldenquote Italiens auch 2020 weitgehend stabil bleiben, da eine weitere Verschlechterung des Primärüberschusses und steigende Zinszahlungen das nominale BIP-Wachstum kompensieren dürften.
Wie Abbildung 1 zeigt, führten der allmähliche Rückgang der realen impliziten Schuldendienstkosten (gestrichelte schwarze Linie) und die Erholung des realen BIP-Wachstums (durchgezogene blaue Linie) bis 2016 zu einer allmählichen Schrumpfung des Zins-Wachstums-Differentials (gelb unterlegte Fläche), das im Zeitraum 2018-2019 weitgehend stabil bleiben und sich 2020 aufgrund der steigenden realen impliziten Schuldendienstkosten leicht vergrößern dürfte. Insgesamt verringerte sich der schuldenstanderhöhende „Schneeballeffekt“ 2017 auf 1,1 % des BIP gegenüber einem Vorkrisendurchschnitt von 1,2 % im Zeitraum 2000–2007. Somit kann der „Schneeballeffekt“ nur in eingeschränktem Maße als Erklärung dafür dienen, dass Italien den Richtwert für den Schuldenabbau im Jahr 2017 und in den kommenden Jahren nicht einhält.
Alles in allem legt diese Analyse nahe, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates allem Anschein nach weder auf Basis der Übersicht über die überarbeitete Haushaltsplanung 2019 Italiens noch auf Basis der Kommissionsprognose erfüllt ist, bevor nicht alle im Folgenden aufgeführten einschlägigen Faktoren berücksichtigt sind.
Tabelle 2: Schuldendynamik a
Abb. 1: Treiber des „Schneeballeffekts“ beim öffentlichen Schuldenstand
Quelle: Herbstprognose 2018 der Kommission
1.Einschlägige Faktoren
Nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV wird im Bericht der Kommission „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren, einschließlich der mittelfristigen Wirtschafts- und Haushaltslage des Mitgliedstaats“. Diese Faktoren werden in Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates näher erläutert, in dem es heißt es, dass „allen sonstigen Faktoren gebührende … Beachtung [zu schenken ist], die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind, um die Einhaltung der Defizit- und Schuldenkriterien in umfassender Weise zu beurteilen, und die der Mitgliedstaat dem Rat und der Kommission vorgelegt hat“.
Bei einer offensichtlichen Nichteinhaltung des Schuldenstandskriteriums ist eine Analyse der einschlägigen Faktoren in besonderem Maße angezeigt, da die Schuldendynamik stärker als das Defizit durch Faktoren beeinflusst wird, die sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaates entziehen. Dies wird in Artikel 2 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 des Rates anerkannt, wonach bei der Bewertung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums die einschlägigen Faktoren ungeachtet des Umfangs der Nichteinhaltung zu berücksichtigen sind. Aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Dynamik und die Tragfähigkeit der Verschuldung sind bei der Bewertung der Einhaltung des Schuldenstandskriteriums zumindest die folgenden drei zentralen Faktoren zu berücksichtigen (und in der Vergangenheit auch berücksichtigt worden) 13 :
1.Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels oder des dorthin führenden Anpassungspfads, was unter normalen makroökonomischen Bedingungen Tragfähigkeit gewährleisten oder zu raschen Fortschritten in Richtung Tragfähigkeit führen soll. Das länderspezifische mittelfristige Haushaltsziel ist so konzipiert, dass es dem Schuldenstand sowie impliziten Verbindlichkeiten Rechnung trägt. Die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels bzw. des dorthin führenden Anpassungspfads sollte zumindest mittelfristig gewährleisten, dass sich die Schuldenquote auf ein vertretbares Niveau zubewegt;
2.Strukturreformen, die bereits durchgeführt wurden oder in einem Strukturreformplan vorgesehen sind und von denen erwartet wird, dass sie dank ihrer Wachstumswirkung die Tragfähigkeit der Verschuldung mittelfristig stärken und dazu beitragen, die Schuldenquote auf einen zufriedenstellenden Abwärtskurs zu bringen. Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen dürften die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels (oder des dorthin führenden Anpassungspfads) und die Durchführung von Strukturreformen (im Rahmen des Europäischen Semesters) die Verschuldung auf einen tragfähigen Pfad führen, und zwar durch ihre doppelte Wirkung auf den Schuldenstand selbst (Erreichen einer soliden Haushaltslage bei Erfüllung des mittelfristigen Haushaltsziels) und auf das Wirtschaftswachstum (durch die Reformen);
3.ungünstige makroökonomische Bedingungen und insbesondere eine niedrige Inflation, die die Rückführung der Schuldenquote und die Einhaltung der SWP-Vorgaben stark erschweren können. Bei niedriger Inflation ist der Richtwert für den Schuldenabbau für einen Mitgliedstaat schwieriger einzuhalten. Unter solchen Bedingungen stellt die Einhaltung des mittelfristigen Haushaltsziels bzw. des dorthin führenden Anpassungspfads einen wesentlichen einschlägigen Faktor für die Bewertung der Einhaltung der Schuldenregel dar.
Im Lichte dieser Bestimmungen werden in den nächsten Teilabschnitten folgende Faktoren bewertet: 1. die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung, einschließlich des Stands der Umsetzung von Strukturreformen; 2) die mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte, einschließlich einer Bewertung der Einhaltung der erforderlichen Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel und der öffentlichen Investitionen; 3) die mittelfristige Entwicklung der Schuldenstandsquote, einschließlich der Aussichten für ihre Tragfähigkeit; 4) sonstige Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind; und 5) sonstige Faktoren, die aus Sicht des betreffenden Mitgliedstaats von Bedeutung sind.
1.1.Mittelfristige Wirtschaftsentwicklung
Trotz der in letzter Zeit zunehmenden Abwärtsrisiken zeigt das nominale BIP-Wachstum von 2 %, dass die makroökonomischen Bedingungen nicht als erleichternder Faktor geltend gemacht werden können, der erklären würde, warum Italien den zukunftsorientierten Richtwert für den Schuldenabbau deutlich verfehlt. Andererseits wirkt das geringe Produktivitätswachstum nach wie vor als Hemmschuh für das italienische Potenzialwachstum und verhindert einen rascheren Rückgang der Schuldenquote. Während Italien bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2017 einige Fortschritte erzielt hatte, stellen die in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 vorgesehenen Maßnahmen Rückschritte in Bezug auf die Erfolge der Vergangenheit und die strukturellen haushaltspolitischen Aspekte der Empfehlungen dar, die der Rat am 13. Juli 2018 an Italien gerichtet hat.
Konjunkturlage, Potenzialwachstum und Inflation
Das reale BIP-Wachstum Italiens lag 2017 bei 1,6 %. Sowohl in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 als auch in der Prognose der Kommission wird von einem nachlassenden Wachstum im Jahr 2018 (von 1,2 % bzw. 1,1 %) ausgegangen. Im Jahr 2019 wird in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 ein Anstieg des realen BIP-Wachstums auf 1,5 % prognostiziert, während die Kommission von einer leichteren Erholung für 2019 (1,2 %) und 2020 (1,3 %) ausgeht. Das Potenzialwachstum war den Schätzungen zufolge 2017 mit 0,3 % erstmals wieder positiv (gegenüber -0,2 % im Jahr 2016) und dürfte sich 2018-2020 weiter beleben, bleibt aber auf einem sehr niedrigen Niveau. Infolgedessen wird sich die negative Produktionslücke Italiens nach Schätzungen der Kommission zügig schließen (von -3,6 % des BIP-Potenzials im Jahr 2015 auf -0,3 % im Jahr 2018), und 2019 wieder einen positiven Wert erreichen (um 0,3 %), der 2020 weiter ansteigt (auf 0,8 %).
Obwohl in wichtigen Reformbereichen (z. B. Arbeitsmarktreform und Reform der öffentlichen Verwaltung, Bekämpfung der Steuerhinterziehung, Sanierung der Bankbilanzen) Fortschritte erzielt wurden, wird das italienische Potenzialwachstum weiterhin durch die Nachwirkungen der Krise und die verbleibenden Strukturschwächen gebremst 14 . Das italienische BIP liegt nach wie vor unter dem Vorkrisenniveau und ist seit 15 Jahren nicht gewachsen, während der übrige Euroraum jährliche Wachstumsraten von durchschnittlich 1,2 % verbuchen konnte. Dies liegt auch an strukturellen Faktoren, die eine effiziente Ressourcenallokation erschweren und die Produktivität bremsen. Der noch immer hohe Anteil, den Renten und Schuldendienstkosten an den gesamten öffentlichen Ausgaben Italiens ausmachen, schränkt den Spielraum für wachstumsfördernde Ausgaben in Bereichen wie Bildung und Infrastruktur ein. Die hohe steuerliche Belastung der Produktionsfaktoren und die noch immer geringe Steuerehrlichkeit behindern das Wirtschaftswachstum nach wie vor. Die Beschäftigung wächst zwar, was auch den Arbeitsmarktreformen und Einstellungsanreizen zu verdanken ist, doch geht dies vor allem auf Zeitverträge zurück, während die noch immer hohe Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit die künftigen Wachstumsaussichten trübt. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen sind der unternehmerischen Initiative nach wie vor nicht förderlich, was auch an Schwachstellen in der öffentlichen Verwaltung und den überaus langwierigen Zivil- und Strafverfahren liegt. Das Niveau der Investitionen, vor allem in immaterielle Vermögenswerte, ist nach wie vor niedrig. Vor diesem Hintergrund ist es für Italien wichtig, die Reformanstrengungen fortzusetzen, um die mittelfristigen Wachstumsaussichten zu verbessern und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen des Landes zu verbessern.
Nachdem die am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gemessene Inflation in den Jahren 2015 und 2016 weiterhin bei etwa 0 % lag, was vor allem auf die geringe Gesamtnachfrage, den begrenzten Lohndruck und einen Rückgang der Energiepreise zurückzuführen war, zog sie im Jahr 2017 vor allem aufgrund höherer Energiepreise auf 1,3 % an. Nach der Prognose der Kommission wird sie auch 2018 voraussichtlich unverändert bei 1,3 % bleiben und dann 2019 weiter auf 1,5 % ansteigen, vor allem aufgrund der Erhöhung der Ölpreise, bevor sie sich 2020 leicht auf 1,4 % abschwächen wird. Auch die Kerninflation dürfte in den kommenden Jahren – im Einklang mit dem moderaten Lohnwachstum – allmählich anziehen und 2020 bei 1,4 % liegen.
Bis vor Kurzem wurden die Möglichkeiten Italiens, größere Konsolidierungsanstrengungen vorzunehmen und die Schuldenquote maßgeblich zu senken, durch eine negative makroökonomische Prognose und die damit verbundene Gefahr eingeschränkt, dass fiskalpolitische Maßnahmen sich kontraproduktiv auswirken und durch die gedämpfte Preisentwicklung negativ auf die Schuldenquote und den Primärsaldo niederschlagen könnten. Zudem wurde es Italien durch die niedrige Inflation erschwert, die öffentlichen Ausgaben im Verhältnis zum BIP durch ein nominales Einfrieren der Löhne und Rentenansprüche zu senken, während die niedrige Inflation zugleich auch niedrigere Steuereinnahmen als üblich implizierte. Zudem führten die ungünstigen makroökonomischen Bedingungen, insbesondere die angespannten Finanzierungsbedingungen, zu überdurchschnittlich hohen Fiskalmultiplikatoren, und diese Lage wurde durch die aufgrund der Nullzinsgrenze eingeschränkte Geldpolitik noch verstärkt 15 . Das reale BIP-Wachstum beschleunigte sich 2016 auf 1,1 % und 2017 auf 1,6 %, wobei erstmals seit der weltweiten Finanzkrise ein nominales BIP-Wachstum von mehr als 2 % (2016: 2,3 % und 2017: 2,1 %) erreicht wurde. Während der Prognose der Kommission zufolge das reale BIP-Wachstum im Jahr 2018 drastisch auf 1,1 % zurückgehen und in den Jahren 2019 und 2020 nur einen geringfügigen Wiederanstieg auf 1,3 % bzw. 1,2 % verzeichnen wird, lassen die zugrunde liegenden Preisentwicklungen (BIP-Deflator) eine Beschleunigung des nominalen BIP-Wachstums auf 2,4 % im Jahr 2018, 2,5 % im Jahr 2019 und 2,7 % im Jahr 2020 erwarten. Makroökonomische Bedingungen können daher offensichtlich nicht länger als mildernder Umstand geltend gemacht werden, der erklären würde, warum Italien den zukunftsorientierten Richtwert für den Schuldenabbau deutlich verfehlt, auch wenn die Wachstumsaussichten Italiens dem Anschein nach stärker mit Abwärtsrisiken behaftet sind. Insbesondere könnte ein anhaltender Anstieg der Renditen der Staatsanleihen sich negativ auf die Refinanzierungsbedingungen der Banken sowie die Kapitalpuffer und damit auch auf Kreditkosten und -versorgung auswirken und so das reale BIP-Wachstum behindern. Dies wiederum würde die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Italiens gefährden.
Tabelle 3: Makroökonomische und budgetäre Entwicklungena
Strukturreformen
Das nach den Parlamentswahlen vom 4. März 2018 von der geschäftsführenden Regierung im April angenommene Nationale Reformprogramm 16 schlägt keine neuen Gesetzesinitiativen vor, sondern listet die zu diesem Zeitpunkt bereits verabschiedeten Reformen in einer Reihe von Bereichen wie öffentliche Verwaltung, Justiz, Wettbewerb, Arbeitsmarkt, Bildung und Wettbewerbsfähigkeit auf.
Im Länderbericht 2018 gelangte die Kommission zu der Einschätzung, dass Italien bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2017 einige Fortschritte erzielt hat, die Reformdynamik jedoch deutlich abgeschwächt ist und in diversen Reformbereichen immer noch erhebliche Herausforderungen zu bewältigen sind. Die makroökonomischen Ungleichgewichte in Italien – die hauptsächlich mit einem sehr hohen öffentlichen Schuldenstand und einem schleppenden Produktivitätswachstum zusammenhängen – haben sich nicht weiter verschärft, sind aber nach wie vor erhöht 17 . Infolgedessen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass in Italien nach wie vor übermäßige makroökonomische Ungleichgewichte bestehen. 18
In der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 wurden mehrere neue politische Initiativen vorgestellt, die in zwei Legislativvorschlägen näher ausgeführt wurden: dem „Steuererlass“ 19 vom 23. Oktober 2018 und dem Entwurf des Haushaltsgesetzes, die dem Parlament am 31. Oktober 2018 vorgelegt wurden und beide derzeit erörtert werden.
Der „Steuererlass“ umfasst Maßnahmen, mit denen die Einhaltung der Steuervorschriften gefördert werden soll, sowie mehrere Maßnahmen, die darauf abzielen, frühere Steuerverbindlichkeiten zu erfassen und Steuerregister zu bereinigen. Was den ersten Punkt betrifft, so ist die elektronische Übermittlung von Rechnungen auch für Transaktionen mit Endverbrauchern obligatorisch. Gleichzeitig wurde mit dem „Steuererlass“ eine neue und vorteilhaftere Möglichkeit für die Steuerzahler eingeführt, vergangene Steuerverbindlichkeiten zu begleichen, und zwar durch Zahlung in Raten über mehrere Jahre, ohne Geldbußen und mit günstigen Zinssätzen. Eine zusätzliche Maßnahme wird es den Steuerpflichtigen – unter bestimmten Bedingungen und Beschränkungen – auch ermöglichen, in der Vergangenheit nicht gemeldete Einkünfte offenzulegen, durch Zahlung von lediglich 20 % der entsprechenden Steuerschuld in mehreren Raten und ohne Zinsen und Geldbußen. Der „Steuererlass“ enthält auch mehrere kleinere Bestimmungen, durch die alte ausstehende Steuerverbindlichkeiten von begrenztem Umfang gekürzt und die Anreize für die Steuerzahler verringert werden, Steuerstreitigkeiten in die Länge zu ziehen. Insgesamt werden die positiven Auswirkungen auf die Einnahmen auf rund 0,1 % des BIP im Jahr 2020 geschätzt.
Der Entwurf des Haushaltsgesetzes enthält zahlreiche Maßnahmen, die eine Vielzahl von Bereichen betreffen, darunter Steuern, öffentliche Investitionen, soziale Sicherheit und das Rentensystem. Im Steuerbereich wird durch verschiedene Änderungen der Steuerregelungen, insbesondere für Unternehmen und Selbständige, die Steuerlast teilweise zwischen den einzelnen Sektoren umverteilt, was sich insgesamt positiv auf die Einnahmen im Jahr 2019 auswirken wird. Die steuerliche Belastung wird durch folgende Maßnahmen verringert:
1) Der Anwendungsbereich der vereinfachten Steuerregelung für Selbständige wird durch eine Lockerung der Zugangsbedingungen erweitert. Derzeit haben Selbständige mit Jahresumsätzen, die unterhalb der branchenspezifischen Schwellenwerte liegen, die Möglichkeit, anstelle der Einkommensteuer einen um spezifische „Rentabilitätskoeffizienten“ bereinigten Pauschalsteuersatz von 15 % auf ihren Jahresumsatz zu entrichten. Mit der neuen Regelung werden alle Schwellenwerte für den Jahresumsatz, die derzeit von Branche zu Branche variieren und bis zu 55 000 EUR betragen, harmonisiert und auf 65 000 EUR angehoben. Darüber hinaus werden mehrere andere Zugangsbedingungen aufgehoben. Die Maßnahme soll die Einnahmen strukturell um 0,1 % des BIP senken.
2) Eine ähnliche Bestimmung gilt auch für Arbeitnehmer, die an unternehmerischen Tätigkeiten mit einem Jahresumsatz zwischen 65 000 EUR und 100 000 EUR beteiligt sind und deren entsprechende Einkünfte außerhalb der normalen Einkommensteuerregelung mit einem Pauschalsteuersatz von 20 % besteuert werden 20 . Der erwartete Einnahmenverlust beläuft sich auf 0,1 % des BIP im Jahr 2021.
3) Der Körperschaftsteuersatz wird von 24 % auf 15 % des Unternehmensgewinns gesenkt, der für die Erhöhung der Investitionen oder die Einstellung neuer Mitarbeiter verwendet wird, wobei der erwartete strukturelle Einnahmenverlust etwa 0,1 % des BIP betragen wird.
Gleichzeitig werden mehrere andere Bestimmungen, durch die sich die steuerliche Belastung der Unternehmen verringert hat, aufgehoben oder in Bezug auf ihren Anwendungsbereich reduziert. Vor allem werden eine zuvor beschlossene vereinfachte Einkommensteuerregelung für unternehmerische Tätigkeiten („Imposta sul Reddito Impenditoriale“) und die bestehenden steuerlichen Anreize für Kapitalaufstockungen von Unternehmen („Aiuto alla Crescita Economica“) aufgehoben (was höhere Einnahmen von 0,1 % des BIP im Jahr 2019 und 0,2 % ab 2020 bedeutet). Die befristeten Anreize für Investitionen („Superammortamento“) werden nicht ausgeweitet, während die befristeten steuerlichen Anreize für innovative Investitionen („Iperammortamento“) erhöht, aber in ihrem Anwendungsbereich reduziert werden. Darüber hinaus wird die steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Kosten für bestimmte Unternehmenskategorien – insbesondere für Banken – begrenzt, mit einer vorübergehenden positiven Auswirkung auf die Einnahmen (Anstieg um 0,2 % des BIP im Jahr 2019). Im Einzelnen wird die steuerliche Abzugsfähigkeit des Firmenwerts und anderer immaterieller Vermögenswerte, die im Zusammenhang mit Vorgängen aus der Vergangenheit stehen, durch eine Verteilung auf elf Jahre gesenkt; die steuerliche Abzugsfähigkeit von 2018 entstandenen Kreditausfällen wird auf 2026 verschoben; die steuerliche Abzugsfähigkeit von Verlusten aufgrund der Umsetzung neuer Rechnungslegungsgrundsätze wird verringert, indem sie auf zehn Jahre verteilt wird, und die Vorauszahlung der Versicherungssteuer wird erhöht.
Der Entwurf des Haushaltsgesetzes enthält auch mehrere Bestimmungen zur Unterstützung öffentlicher Investitionen. Die veranschlagten Mittel für öffentliche Investitionen werden 2019 um 0,2 % des BIP erhöht, und zwar durch die Schaffung von zwei Fonds für Investitionen auf zentralstaatlicher Ebene (Fondo Investimenti Amministrazioni centrali) sowie auf lokaler Ebene (Fondo Investimenti enti territoriali). Darüber hinaus werden zur Verbesserung der Verwaltungsverfahren zwei institutionelle Organe geschaffen: Eine zentrale Stelle (InvestItalia) wird die Arbeit der Minister bei der Festlegung von Investitionsstrategien auf nationaler Ebene, der Überwachung der Programmdurchführung und der Beseitigung von Engpässen koordinieren. Gleichzeitig wird ein unabhängiges Amt für die Projektplanung (Centrale per la progettazione delle opera pubbliche) die lokalen und zentralen Verwaltungen während der gesamten Durchführung der Projekte technisch unterstützen.
Die beiden wichtigsten Maßnahmen der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 sind das „Grundeinkommen“ und die „Schwelle 100“ („Quota 100“), die die soziale Sicherheit bzw. das Rentensystem betreffen. Der Entwurf des Haushaltsgesetzes enthält nur die für diese Maßnahmen zugewiesenen Mittel, die mit gesonderten Gesetzen konzipiert und umgesetzt werden. In der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 werden jedoch ihre wichtigsten Aspekte genannt.
Als „Grundeinkommen“ gilt eine Mindesteinkommensregelung, die nach den Plänen der Regierung darauf abzielen würde, ein monatliches Einkommen in Höhe von 780 EUR zu garantieren, das der relativen Armutsgrenze entspricht. Der genaue Betrag der Leistungen und die Zugangsbedingungen müssen jedoch noch gesetzlich geregelt werden. Der im Haushaltsplan veranschlagte Fonds beläuft sich ab 2019 auf 9 Mrd. EUR pro Jahr, einschließlich 1 Mrd. EUR zur Unterstützung der Arbeitsämter. Da der Fonds etwa 2 Mrd. EUR an Mitteln absorbieren wird, die zuvor dem Programm zur Bekämpfung der Armut (Reddito di inclusione) zugewiesen waren, betragen die Nettoauswirkungen auf die Staatsausgaben 0,4 % des BIP.
Bei der „Schwelle 100“ handelt es sich um eine Vorruhestandsregelung, bei der die Mindestschwelle für den Vorruhestand mit 62 Jahren und 38 Beitragsjahren festgelegt wird. Der im Haushalt veranschlagte Fonds beläuft sich auf 6,7 Mrd. EUR im Jahr 2019 und 7 Mrd. EUR im Jahr 2020 (0,4 % des BIP).
Die in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 vorgesehenen Maßnahmen für 2019 lassen auf die Gefahr schließen, dass Reformen, die Italien auf frühere länderspezifische Empfehlungen hin ergriffen hatte, zurückgenommen werden könnten; darüber hinaus bergen sie Risiken in Bezug auf die strukturellen haushaltspolitischen Aspekte der Empfehlungen, die der Rat am 13. Juli 2018 an Italien gerichtet hatte. Nachdem der Rat beispielsweise empfohlen hatte, dass Italien den Anteil der Altersrenten an seinen öffentlichen Ausgaben zurückführen sollte, um Spielraum für andere Sozialausgaben zu schaffen, hat Italien unlängst eine neue Möglichkeit zur Frühverrentung geschaffen, die früheren Rentenreformen zuwiderläuft, durch die die langfristige Tragfähigkeit der hohen öffentlichen Verschuldung Italiens gewährleistet werden sollte. Darüber hinaus könnte sich die höhere Flexibilität bei vorzeitigem Eintritt in den Ruhestand negativ auf das Arbeitskräfteangebot auswirken und das Potenzialwachstum hemmen.
Die verschärften Vorschriften zur elektronischen Rechnungsstellung dürften dazu beitragen, die MwSt-Lücke aufgrund von Nichtbefolgung der MwSt-Vorschriften zu verringern, da den Steuerbehörden zeitnahe und präzisere Informationen bereitgestellt werden, sodass gezielte Kontrollen mit abschreckendem Effekt auf die Steuerpflichtigen möglich sind. Es wird jedoch erwartet, dass die neuen Möglichkeiten der Steuerzahler, vergangene Steuerverbindlichkeiten zu begleichen oder nicht deklariertes Einkommen zu vorteilhaften Bedingungen zu melden, einen gegenteiligen Effekt haben, indem sie nicht konforme Verhaltensweisen implizit belohnen.
Die geplanten Änderungen der Steuerregelungen für Selbstständige und Unternehmen zielen darauf ab, steuerliche Anreize besser auf das Wirtschaftswachstum auszurichten. Diese Strategieänderung ist jedoch mit Risiken behaftet, da sich einige der aufgehobenen Maßnahmen zur Förderung von Investitionen und Kapitalaufstockungen von Unternehmen als erfolgreich erwiesen hatten. Die Aufhebung der bestehenden günstigen Steuerregelung für die Reinvestition von Gewinnen durch „Eigenkapitalzinsabzug“, welche von den Unternehmen weitgehend genutzt wurde, könnte die Verschuldungsanreize im Unternehmensbesteuerungssystem verstärken, indem die Anreize für alternative Finanzierungsformen außerhalb von Bankkrediten möglicherweise verringert werden. Gleichzeitig können sich die ermäßigten Körperschaftsteuersätze für Firmen, die eine Einstellung oder eine Investition tätigen – auch wenn sie besser auf das Wirtschaftswachstum ausgerichtet sind – als komplex erweisen, wenn es darum geht, sie in die Praxis umzusetzen und die Berichtspflichten für die Unternehmen zu verschärfen. Darüber hinaus erhöht das Reformpaket insgesamt die steuerliche Belastung der Unternehmen im Jahr 2019 und wird sich erst im Jahr 2020 weitgehend neutral auswirken.
Die Maßnahmen, die eine geringere steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten mit sich bringen, indem die steuerliche Belastung der Banken implizit erhöht wird, könnten sich negativ auf die Kreditversorgung auswirken und bergen somit das Risiko, dass sich die möglichen negativen Auswirkungen höherer Staatsanleiherenditen und Bankfinanzierungskosten verstärken.
Die aufgestockten Mittel und erhöhten Verwaltungskapazitäten für öffentliche Investitionen dürften das Wirtschaftswachstum fördern, auch wenn sich dies aufgrund von Verwaltungsengpässen und Verzögerungen bei der Umsetzung möglicherweise nicht unmittelbar bemerkbar machen wird.
Insgesamt scheint der Ansatz der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 der Steigerung des Potenzialwachstums nicht förderlich zu sein, da er sich von früheren Strukturreformen löst, das Risiko einer Beeinträchtigung der Steuerdisziplin birgt, die Steuerbelastung der Unternehmen auf der gesamten Ebene erhöht und zu einer geringeren Kreditversorgung durch schlechtere Finanzierungsbedingungen der Banken aufgrund von höheren Staatsanleiherenditen führen könnte.
4.2.Mittelfristige Entwicklung der öffentlichen Haushalte
Unter Berücksichtigung aller im Rahmen der Flexibilitätsklauseln bzw. für außergewöhnliche Ereignisse zugestandenen Abweichungen weist die Ex-post-Bewertung der Einhaltung der präventiven Komponente bei Italien auf eine gewisse Abweichung vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2017 hin. Im Jahr 2018 hingegen dürfte die Haushaltsanpassung angesichts der Herausforderungen, denen Italien in Bezug auf die Tragfähigkeit gegenübersteht, nicht ausreichend sein. Im Hinblick auf das Jahr 2019 stellte die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2018 zu Italiens Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitische Empfehlung fest, die der Rat am 13. Juli 2018 an Italien gerichtet hatte. Diese Bewertung wurde in der Stellungnahme der Kommission vom 21. November 2018 zur überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens für das Jahr 2019 bestätigt. Bei unveränderter Politik dürfte sich nach der Prognose der Kommission die Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel 2020 noch größer werden.
Struktureller Saldo und Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel
Kasten 1: Flexibilität im Rahmen der präventiven Komponente Nach der Einstellung des Defizitverfahrens im Jahr 2013 erfüllte Italien bis zum Jahr 2017 weitgehende die Bestimmungen der präventiven Komponente. Im Zeitraum 2015-2017 wurde die weitgehende Erfüllung der Vorgaben durch Italien auch dank der Flexibilität erreicht, die die Kommission im Anschluss an ihre Mitteilung „Optimale Nutzung der im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehenen Flexibilität“ vom Januar 2015 gewährte und die in den länderspezifischen Empfehlungen des Rates bestätigt wurde. Italien hat in bedeutendem Maße von der Flexibilität im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts profitiert. 2015 wurde für außergewöhnliche Ereignisse im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise eine Abweichung von 0,03 des BIP im Rahmen der Flexibilität zugestanden. Im gleichen Jahr wurde der Richtwert der Anforderungsvorgabe für die Strukturreform von 0,5 % des BIP infolge der verstärkten Berücksichtigung der vorherrschenden Konjunkturbedingungen um die Hälfte auf 0,25 % des BIP gesenkt. 2016 wurde im Zusammenhang mit der Strukturreformklausel, der Investitionsklausel und der Klausel für außergewöhnliche Ereignisse eine allgemeine Flexibilität in Höhe von 0,83 % des BIP gewährt. Die Flexibilität für außergewöhnliche Ereignisse wurde unter Verweis auf die Flüchtlingskrise und die zusätzlichen Sicherheitskosten aufgrund der terroristischen Bedrohung zugestanden. Im Jahr 2017 wurde gemäß der Klausel für außergewöhnliche Ereignisse und aufgrund der Flüchtlingskrise und der Notwendigkeit zum Schutz des nationalen Hoheitsgebiets vor Erdbebenrisiken eine allgemeine Flexibilität von 0,35 % des BIP gewährt. Für 2018 erachtete die Kommission eine strukturelle Anpassung, die um 0,3 % des BIP unter der Anforderungsvorgabe liegt, als ausreichend, um die Stabilisierungserfordernisse Italiens mit den bestehenden Herausforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit zu vereinbaren. Insgesamt wurde Italien im Zeitraum 2015-2018 zustanden, vorübergehend um knapp 1,8 Prozentpunkte des BIP vom Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel abzuweichen. |
Für das Jahr 2017 wurde Italien eine strukturelle Anpassung von mindestens 0,6 % des BIP empfohlen, um ausreichende Fortschritte in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel zu erzielen. Das Stabilitätsprogramm 2018 bestätigt jedoch, dass der Haushaltseffekt des außergewöhnlichen Flüchtlingszustroms und des Investitionsplans für den Erdbebenschutz 2017 mit rund 0,35 % des BIP, was nur geringfügig über der vorherigen Schätzung liegt, tatsächlich erheblich war. Aufgrund dessen hat die Kommission die Abweichung, die im Rahmen der Klausel für außergewöhnliche Ereignisse vorläufig zugestanden worden war 21 , bestätigt. Um die betreffenden Aufwendungen zu berücksichtigen, wurde die erforderliche Anpassung in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2017 somit nach unten korrigiert.
Die im Frühjahr 2018 auf der Grundlage der Frühjahrsprognose 2018 der Kommission vorgenommene Gesamtbewertung deutet auf eine gewisse Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel in den Jahren 2016 und 2017 hin. Die Bewertung wird durch die Herbstprognose 2018 der Kommission bestätigt.
Für das Jahr 2018 wurde Italien empfohlen, einen nominalen Rückgang der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben im Jahr 2018 um mindestens 0,2 % sicherzustellen, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von mindestens 0,6 % des BIP entspricht. Allerdings erklärte sich die Kommission in ihrer Mitteilung vom Mai 2017 22 zum Europäischen Semester 2017 bereit, bei ihren künftigen Bewertungen in Fällen, in denen sich große Haushaltskorrekturen besonders signifikant auf das Wachstum und die Beschäftigung auswirken, ihren Ermessensspielraum zu nutzen. Insgesamt – um die derzeitigen Stabilisierungserfordernisse Italiens mit den vorhandenen Herausforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit zu vereinbaren – erachtete die Kommission für das Jahr 2018 eine strukturelle Anpassung von mindestens 0,3 % des BIP, ohne jeglichen zusätzlichen Abweichungsspielraum über ein Jahr, für ausreichend. Dies entspricht einer nominalen Wachstumsrate der Nettoprimärausgaben von höchstens 0,5 %.
Auf der Grundlage der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 deutet der Ausgabenrichtwert auf eine unzulängliche Haushaltsanpassung im Jahr 2018 hin, da die Wachstumsrate der Staatsausgaben Italiens ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen und einmaliger Maßnahmen den vom Rat empfohlenen Wert überschreiten wird. Zudem weicht die von der Regierung für 2018 geplante Verbesserung des (neuberechneten) strukturellen Saldos (0,2 % des BIP) von einer ausreichenden strukturellen Anpassung von 0,3 % des BIP ab. Eine Gesamtbewertung aufgrund der Planung der Regierung deutet auf die Gefahr einer erheblichen Abweichung von dem vom Rat für 2018 empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel hin. Ausgehend von der Herbstprognose 2018 der Kommission wird die Gesamtbewertung auf der Grundlage der Regierungspläne bestätigt. Die Kommission rechnet in ihrer Prognose mit einem stabilen strukturellen Saldo von -1,8 % des BIP im Jahr 2018. Ausgehend von der Prognose der Kommission deutet der Ausgabenrichtwert auf eine unzureichende Haushaltsanpassung für 2018 hin; der strukturelle Saldo lässt denselben Schluss zu.
Was das Jahr 2019 betrifft, so stellte die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 23. Oktober 2018 zu der von Italien vorgelegten überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen die haushaltspolitische Empfehlung fest, die der Rat am 13. Juli 2018 an Italien gerichtet hatte. Diese Bewertung wurde von der Kommission in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2018 zur überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens für das Jahr 2019 bestätigt.
Für 2019 wird Italien empfohlen, sicherzustellen, dass die nominale Wachstumsrate der gesamtstaatlichen Nettoprimärausgaben 0,1 % nicht überschreitet, was einer jährlichen strukturellen Anpassung von 0,6 % des BIP entspricht.
Auf der Grundlage der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 deutet der Ausgabenrichtwert auf das Risiko einer erheblichen Abweichung hin – sowohl im Jahr 2019 (Lücke von 1,3 % des BIP) als auch im Gesamtzeitraum 2018-2019 (Lücke von durchschnittlich 0,9 % des BIP pro Jahr unter Berücksichtigung der vom Rat für die beiden Jahre empfohlenen Anpassungen) –, da die Wachstumsrate der Staatsausgaben (ohne Anrechnung diskretionärer einnahmenseitiger Maßnahmen und einmaliger Maßnahmen) über dem vom Rat empfohlenen Wert liegt. Dies wird durch den strukturellen Saldo bestätigt. Nach der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 wird sich der (neu berechnete) strukturelle Saldo Italiens im Jahr 2019 um 0,9 % des BIP verschlechtert. Der strukturelle Saldo deutet sowohl in der Einjahresbetrachtung (Lücke von 1,5 % des BIP im Jahr 2019) als auch im Gesamtzeitraum 2018 und 2019 (Lücke von 1,0 % des BIP im Jahresdurchschnitt unter Berücksichtigung der vom Rat empfohlenen Anpassungen für beide Jahre) auf die Gefahr einer erheblichen Abweichung hin. An dieser Feststellung würde sich auch dann nichts ändern, wenn unter Anwendung des Ermessensspielraums die verringerte Vorgabe für 2018 zugrunde gelegt würde. Eine Gesamtbewertung aufgrund der Regierungspläne deutet auf einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen den vom Rat für 2019 empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel hin. An dieser Feststellung würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Auswirkungen (etwa 0,2 % des BIP) des außerordentlichen Instandhaltungsprogramms für das Straßennetz und Verbindungen nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua und eines Vorsorgeplans zur Begrenzung der hydrogeologischen Risiken aufgrund widriger Witterungsverhältnisse auf den Haushalt im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 als außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle des betreffenden Mitgliedstaats entzieht, eingestuft und bei der Betrachtung der Vorgaben der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgenommen würden.
Die Herbstprognose 2018 der Kommission bestätigt die Gesamtbewertung aufgrund der Regierungspläne, da auch der Ausgabenrichtwert sowohl für 2019 (Lücke von 1,5 % des BIP) als auch im Gesamtzeitraum 2018 und 2019 (Lücke von 1,3 % des BIP im Jahresdurchschnitt unter Berücksichtigung der vom Rat empfohlenen Anpassungen für beide Jahre) auf die Gefahr einer erheblichen Abweichung hindeutet. Dies wird durch den strukturellen Saldo bestätigt. Nach der Herbstprognose 2018 der Kommission wird sich der strukturelle Saldo Italiens im Jahr 2019 um 1,2 % des BIP auf -3,0 % des BIP verschlechtern. Der strukturelle Saldo deutet sowohl in der Einjahresbetrachtung (Lücke von 1,8 % des BIP im Jahr 2019) als auch im Gesamtzeitraum 2018 und 2019 (Lücke von 1,2 % des BIP im Jahresdurchschnitt) auf die Gefahr einer erheblichen Abweichung hin.
Öffentliche Investitionen
Die Bruttoanlageinvestitionen der öffentlichen Hand lagen in Italien im Zeitraum 1999-2010 bei durchschnittlich etwa 3 % des BIP, doch anschließend gingen die öffentlichen Investitionen drastisch auf rund 2,4 % des BIP im Durchschnitt der Jahre 2011-2016 zurück, da angesichts der Staatsschuldenkrise rasch reagiert werden musste. Im Jahr 2017 erreichten die öffentlichen Investitionen mit 2 % des BIP einen neuen Tiefstand (nominal -5,3 % gegenüber dem Vorjahr). Nach der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung für 2019 wird der Anteil der Investitionen am BIP 2018 leicht auf 1,9 % (nominal -2,2 % gegenüber dem Vorjahr) zurückgehen. In den Jahren 2019 und 2020 werden sich die öffentlichen Investitionen nach der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 infolge der Zuweisung zusätzlicher Mittel und der Maßnahmen zur Beschleunigung der Verwaltungsverfahren nach und nach erholen. Insgesamt scheinen die öffentlichen Investitionen angesichts ihres allgemeinen Rückgangs im Zeitverlauf keinen Faktor darzustellen, der Italiens Verstoß gegen die Schuldenregel rechtfertigen könnte.
4.3.Mittelfristige Entwicklung der Schuldenstandsquote
Der hohe öffentliche Schuldenstand macht die italienische Wirtschaft weiterhin sehr anfällig. Zusammen mit den ungünstigen demografischen Entwicklungen dürften die jüngst verabschiedeten Maßnahmen den positiven Trend, der durch frühere Rentenreformen herbeigeführt wurde, wieder umkehren und die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen schwächen. Die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wurde auch durch den im Jahr 2018 verzeichneten Anstieg der Zinssätze für Staatsanleihen beeinträchtigt und könnte sich noch weiter verschlechtern, falls die realen Zinssätze stärker steigen sollten als derzeit erwartet.
Die Schuldenquote Italiens, die sich im Jahr 2017 auf 131,2 % des BIP belief, dürfte sich gemäß der Herbstprognose 2018 der Kommission im Zeitraum 2018-2020 bei etwa 131 % stabilisieren. 2018 dürfte das Tempo des Schuldenabbaus nach wie vor durch einen nur begrenzten Anstieg des Primärüberschusses, nur geringfügig sinkende Zinszahlungen und unterplanmäßige Privatisierungserlöse gebremst werden. Für die Jahre 2019 und 2020 wird davon ausgegangen, dass eine erhebliche Verschlechterung des Primärüberschusses und steigende Zinsausgaben den Schuldenabbau weiter behindern.
Nach dem „S0-Indikator“ der Europäischen Kommission, der das kurzfristige Risiko für die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen abbildet, scheinen für Italien keine solchen akuten Herausforderungen zu bestehen, auch wenn gewisse fiskalische Anfälligkeiten bestehen. 23 So halten sich die Risiken aus dem makrofinanziellen Kontext bislang insgesamt in Grenzen, was auch der nach wie vor akkommodierenden Geldpolitik der EZB zu verdanken ist. Italien ist jedoch aufgrund des noch immer hohen Refinanzierungsbedarfs bei seinen Staatsschulden (rund 17 % des BIP im Jahr 2018) – auch wenn hier Verbesserungen festzustellen sind – für eine plötzliche Zunahme der Risikoscheu am Finanzmarkt anfällig. Wie seit Mai 2018 zu beobachten ist, kann ein solcher Anstieg zu einer hohen Volatilität auf den Staatsanleihemärkten und zu erheblich höheren Schuldendienstkosten führen, was wiederum für negative Spill-over-Effekte im Bankensektor und bei den Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte sorgen könnte.
Mittelfristig steht Italien in Bezug auf die Tragfähigkeit vor großen Herausforderungen. Sein struktureller Primärüberschuss dürfte sich 2019 weiter auf 0,9 % des BIP und 2020 auf 0,4 % des BIP verschlechtern, nachdem er 2015 noch 3,6 % betragen hatte. Dadurch könnten sich die Tragfähigkeitsrisiken mittelfristig erhöhen, da eine schwache Haushaltslage noch höhere Risikoprämien mit sich bringen könnte. Dies wird in der mittelfristigen Schuldentragfähigkeitsanalyse und im S1-Indikator 24 der Kommission erfasst, die beide im Falle Italiens auf ein „hohes Risiko“ hinweisen 25 . Der dem Basisszenario zufolge weiter ansteigende, hohe Schuldenstand im Jahr 2029 und die Anfälligkeit Italiens gegenüber makroökonomischen Schocks und Fiskalschocks untermauern diese Einschätzung. Will Italien seine Schuldenquote bis 2033 auf 60 % des BIP zurückführen, müsste es im Zeitraum 2021-2025 eine massive Konsolidierungsanstrengung von insgesamt 9,4 Prozentpunkten des BIP bewerkstelligen.
Auch langfristig dürfte Italien in Bezug auf die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen vor großen Herausforderungen stehen. Diese ergeben sich sowohl aus der beträchtlichen Haushaltsanpassung, die erforderlich ist, um die Schuldenquote zu stabilisieren, insbesondere angesichts der künftigen Kosten aufgrund der Bevölkerungsalterung, als auch durch die mit der hohen Schuldenlast verbundenen Anfälligkeiten. Der S2-Indiktor 26 , der das Risiko für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen anzeigt, weist auf erhebliche Risiken hin – was auch durch die Kosten im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung bedingt ist –, da eine dauerhafte Erhöhung des strukturellen Primärüberschusses um rund 2,9 Prozentpunkte des BIP erforderlich wäre, um die Schuldenquote langfristig stabil zu halten. Angesichts der mit der hohen Schuldenlast verbundenen Anfälligkeiten, die in der Risikobewertung im Rahmen der Schuldentragfähigkeitsanalyse erfasst werden, deutet dies auch auf lange Sicht auf ein „hohes Risiko“ hin. Tatsächlich verschlechtert sich die langfristige Tragfähigkeit, die durch frühere Rentenreformen sichergestellt wurde, indem die impliziten Verbindlichkeiten aufgrund der Bevölkerungsalterung eingedämmt wurden. Zurückzuführen ist dies auf die laut Eurostat zu erwartende Verschlechterung der demografischen Trends sowie die zuletzt beschlossenen Reformen. Bereits die Haushaltspläne für 2017 und 2018 enthielten Maßnahmen, durch die frühere Rentenreformen teilweise wieder rückgängig gemacht wurden und durch die sich die Rentenausgaben Italiens mittelfristig erhöhen. Die überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 enthält nun weitere Bestimmungen, die Rückschritte in Bezug auf die Erfolge der Vergangenheit und eine deutliche Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Altersrenten bewirken werden. Auch wenn die genaue Ausgestaltung der Reform erst nach der Annahme des Haushaltsplans 2019 in Form von Gesetzesdekreten erfolgt, zeigen die in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 enthaltenen Informationen, dass die geplante Reform eine erhebliche Lockerung der Bedingungen für eine Frühverrentung mit sich bringt, die ab einem Alter von 62 Jahren und mit 38 Beitragsjahren möglich sein soll. Durch die zusätzlichen Kosten, die für 2019 auf rund 0,4 % des BIP geschätzt werden, würden somit die Rentenausgaben Italiens erheblich steigen; diese machten 2016 rund 15 % des potenziellen BIP aus und zählen damit bereits zu den höchsten in der Union und in der OECD. Darüber hinaus könnte sich die größere Flexibilität bei der Frühverrentung nachteilig auf das Arbeitskräfteangebot auswirken, zumal Italien beim Anteil der Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitskräfte (55-64) ohnehin bereits unter dem EU-Durchschnitt liegt, und dadurch das Potenzialwachstum bremsen. Alles in allem könnten weitere Rückzieher bei der Umsetzung früherer Rentenreformen die Risiken für die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Italiens erheblich erhöhen.
Die Privatisierungserlöse blieben sowohl 2016 als auch 2017 hinter dem angestrebten Zielwert der Regierung von 0,5 % des BIP zurück und erreichten nur 0,05 % bzw. nicht einmal 0,01 % des BIP. Gleichwohl werden die Privatisierungserlöse in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 für den Zeitraum 2018-2020 immer noch mit 0,3 % des BIP pro Jahr veranschlagt. Für das Jahr 2018 geht die Kommission angesichts der bisherigen Privatisierungsbilanz und der Tatsache, dass auch zu einem späten Zeitpunkt des Jahres nur geringe Fortschritte zu verzeichnen sind, zunächst einmal von keinerlei Privatisierungserlösen aus. Für 2019 werden die projizierten Erlöse aufgrund der glaubwürdigen und klar umrissenen Vorschläge, die derzeit erörtert werden, zur Hälfte berücksichtigt. Für 2020 werden vorsichtshalber vorab keine Privatisierungserlöse in der Prognose berücksichtigt.
Vor diesem Hintergrund könnten die eingeplante Verschlechterung der Haushaltslage und die möglichen negativen Auswirkungen der geplanten Rentenreform auf das Potenzialwachstum die Risiken für die mittel- und langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen Italiens erheblich verschärfen und einen angemessenen Pfad für den Abbau des hohen öffentlichen Schuldenstands gefährden.
4.4.Sonstige Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind
Unter den sonstigen Faktoren, die aus Sicht der Kommission von Bedeutung sind, kommt folgenden besonderes Gewicht zu: den finanziellen Beiträgen zur Förderung der internationalen Solidarität und zur Verwirklichung der politischen Ziele der Union, den Schulden infolge der bilateralen und multilateralen Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten im Kontext der Wahrung der Finanzstabilität und den Schulden im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzen bei größeren finanziellen Störungen (Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97). Was die staatliche Unterstützung des Finanzsektors im Zuge der Finanzkrise anbelangt, so beliefen sich die Eventualverbindlichkeiten zur Unterstützung der Liquiditätsvorkehrungen der Finanzinstitute Ende 2017 auf rund 1,5 % des BIP (bei einem Gesamtbestand an Eventualverbindlichkeiten von 3,7 % des BIP) gegenüber 0,5 % des BIP Ende 2016.
Die schuldenstandrelevante Unterstützung von Finanzinstituten belief sich 2017 auf 1 % des BIP (gegenüber 0,2 % Ende 2016). Diese Unterstützung bezog sich vor allem auf die Abwicklung zweier italienischer Regionalbanken (Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca) sowie die vorsorgliche Rekapitalisierung der Banca Monte dei Paschi di Siena. Die damit verbundenen Auswirkungen auf das Defizit beliefen sich auf etwa 0,4 % des BIP. Ein zusätzliches Risiko für die öffentlichen Finanzen erwächst aus der etwaigen (einmaligen) Wirkung der Unterstützung für Finanzinstitute auch auf das Defizit 2019 und 2020 und aus dem beträchtlichen Bestand an Zahlungsrückständen der öffentlichen Verwaltung für Lieferungen und Leistungen.
Berücksichtigt werden muss im vorliegenden Bericht gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 „das Maß, in dem die Stellungnahme der Kommission [zur Übersicht über die Haushaltsplanung] nach Artikel 7 Absatz 1 der genannten Verordnung berücksichtigt wird“. 2017 wurde in der Stellungnahme der Kommission zur Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens 2018 27 auf die Gefahr der Nichterfüllung der Bestimmungen des SWP hingewiesen und die Aufforderung an die italienischen Behörden gerichtet, im Rahmen des nationalen Haushaltsverfahrens die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Erfüllung der Vorgaben sicherzustellen. Doch obwohl auf die Gefahr der Nichterfüllung des SWP hingewiesen worden war, wurde der Haushaltsplan für 2018 ohne größere Änderungen gegenüber der Übersicht über die Haushaltsplanung verabschiedet. 2018 wurde in der Stellungnahme der Kommission zur Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens 2019 ein schwerwiegender Verstoß gegen die an Italien gerichtete Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2018 festgestellt und die Aufforderung an Italien gerichtet, eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung vorzulegen. Am 13. November 2018 legte Italien eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung vor, in der die für 2019 geplanten haushaltspolitischen Ziele bestätigt wurden.
4.5.Sonstige Faktoren, die aus Sicht des Mitgliedstaats von Bedeutung sind
Am 13. November 2018 übermittelten die italienischen Behörden Unterlagen zu den einschlägigen Faktoren im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1467/97 (im Folgenden: „Bemerkungen Italiens“). Die meisten dieser Faktoren wurden bereits in den anderen Abschnitten dieses Berichts analysiert.
In den Bemerkungen Italiens wird die solide Haushaltsleistung des Landes hervorgehoben, belegt durch eine konsequente Erfolgsbilanz in Form beträchtlicher Primärüberschüsse, die allerdings durch die Renditen von Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets und die für Italien ungünstigen Wachstumsunterschiede nach wie vor zu stark aufgewogen werden, um die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau zu gewährleisten.
Der erste in den Bemerkungen Italiens genannte einschlägige Faktor ist die Prognose für das Wachstum des nominalen BIP, das durch den jüngsten Anstieg der Abwärtsrisiken geprägt ist, angesichts dessen sich zu große Konsolidierungsanstrengungen als kontraproduktiv erweisen und die Einhaltung des Richtwerts für den Schuldenabbau durch einen nachteiligen Nennereffekt behindern könnten.
Der zweite und damit verbundene einschlägige Faktor ist die Unterschätzung des Umfangs der Kapazitätsunterauslastung („slack“) in der italienischen Wirtschaft, selbst nachdem die „gemeinsame Methodik“ zur Schätzung der Produktionslücke bestimmten technischen Änderungen unterzogen wurde, die die italienische Delegation in der Arbeitsgruppe „Produktionslücken“ angeregt hatte. Während sich nach diesen technischen Änderungen für das Jahr 2017 eine Ausweitung der italienischen Produktionslücke auf -1,2 % des potenziellen BIP (gegenüber -0,6 % auf Basis der Herbstprognose 2017 der Kommission) ergibt, legen die revidierten Schätzungen der Kommission immer noch nahe, dass das Wachstum des Landes im Jahr 2019 die Potenzialrate erreichen dürfte. 2019 dürfte die Produktionslücke + 0,3 % des potenziellen BIP erreichen und somit positiv werden, was angesichts der immer noch hohen Arbeitslosenquote von 11 % und des praktisch unveränderten Lohn- und Preisniveaus nach Auffassung der italienischen Behörden nicht der wirtschaftlichen Intuition entspricht. In den Bemerkungen Italiens werden daher alternative Schätzungen präsentiert, wonach die Produktionslücke auf Basis der Projektionen der italienischen Behörden für 2018 immer noch etwa -3 % des potenziellen BIP betragen wird, womit Italien sein mittelfristiges Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts praktisch erreicht hätte. Darüber hinaus würde Italien den Richtwert für den Schuldenabbau in seiner konjunkturbereinigten Betrachtung sowie unter der zusätzlichen Annahme einer „normalen“ Inflationsrate (auf Basis des BIP-Deflators) von 2 % einhalten.
Der dritte einschlägige Faktor, der in den Bemerkungen Italiens hervorgehoben wird, ist das Konzept der Förderung der sozialen Inklusion und der öffentlichen Investitionen, die der in der Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 dargestellten Finanzplanung der Regierung zugrunde liegen. Insbesondere betrachtet Italien das in der Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 ausgewiesene Grundeinkommen als übereinstimmend mit den länderspezifischen Empfehlungen von 2018, die Sozialausgaben zu erhöhen, die aktive Arbeitsmarktpolitik zu reformieren und die Erwerbsbeteiligung von Frauen durch Rationalisierung der Familienleistungen zu erhöhen. Darüber hinaus steht seiner Ansicht nach die Erhöhung der öffentlichen Investitionen um 0,2 % des BIP im Jahr 2019 im Einklang mit der länderspezifischen Empfehlung von 2018 hinsichtlich der Förderung von Forschung, Innovation, digitalen Kompetenzen und Infrastruktur durch gezieltere Investitionen und eine stärkere Beteiligung an der berufsorientierten Hochschulbildung.
Der vierte einschlägige Faktor, auf den in den Bemerkungen Italiens eingegangen wird, ist die breite Palette an wachstumsfördernden Strukturreformen, die die Regierung in verschiedenen Bereichen vom Justizwesen bis hin zum öffentlichen Sektor plant.
Zu den sonstigen einschlägigen Faktoren, die von den italienischen Behörden in Bezug auf die öffentlichen Schulden angeführt werden, gehören deren Tragfähigkeit – da Italien trotz der verschlechterten demografischen Prognosen weiter geringe Risiken für die langfristige Tragfähigkeit aufweist –, die Bezahlbarkeit der Schulden angesichts des rückläufigen Trends bei den Zinsausgaben sowie der sehr niedrige Stand der Eventualverbindlichkeiten und der Privatverschuldung. Italien betont in seinen Bemerkungen ferner, dass die Risiken für die öffentlichen Finanzen in Italien, die sich u. a. aus dem jüngsten Anstieg der Renditen von Staatsanleihen ergeben, angesichts der starken finanziellen Position Italiens, der langfristigen und festverzinslichen Zusammensetzung der öffentlichen Schulden und der unlängst wiederhergestellten Rentabilität des Bankensektors begrenzt sind.
5. Schlussfolgerungen
Italiens öffentliche Schuldenquote war 2017 mit 131,2 % die zweithöchste in der Union und eine der höchsten der Welt. Dies entsprach 2017 einer durchschnittlichen Belastung von 37 000 EUR pro Einwohner zuzüglich durchschnittlicher jährlicher Kosten für den Schuldendienst von rund 1000 EUR pro Einwohner. Aufgrund seines hohen Schuldenstands fehlt es Italien an haushaltspolitischem Spielraum, um seine Wirtschaft im Falle makroökonomischer Schocks stabilisieren zu können. Zudem stellen die Schulden eine generationenübergreifende Belastung dar, die den Lebensstandard der künftigen Generationen in Italien beeinträchtigen wird. Die Tatsache, dass der Schuldendienst in Italien einen erheblich größeren Teil der öffentlichen Mittel in Anspruch nimmt als in den anderen Staaten des Euro-Währungsgebiets, lastet ferner auf den produktiven Ausgaben des Landes. Die Zinsausgaben Italiens beliefen sich im Jahr 2017 auf rund 65,5 Mrd. EUR bzw. 3,8 % des BIP und waren damit in etwa so hoch wie die öffentlichen Ausgaben für Bildung. Darüber hinaus ist das Land durch die hohe öffentliche Verschuldung, verbunden mit dem Fehlen einer umsichtigen Haushaltspolitik, dem Risiko eines Einbrechens des Marktvertrauens in die Renditen der Staatsanleihen ausgesetzt – mit nachteiligen Auswirkungen auf die Zinsbelastung für den Staat und die allgemeinen Finanzierungskosten für die Realwirtschaft, was sich wiederum negativ auf das Wachstum auswirken könnte. Die hohen öffentlichen Schulden machen die italienische Wirtschaft sehr anfällig, weshalb ein entschlossener Schuldenabbau im besten Interesse Italiens weiterhin eine Priorität darstellen sollte.
Am 23. Mai 2018 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV 28 , da Italien 2017 keine ausreichenden Fortschritte im Hinblick auf die Einhaltung des Schuldenstandskriteriums erzielt hatte. Der Bericht enthielt das Fazit, dass dieses Kriterium zum damaligen Zeitpunkt als erfüllt betrachtet werden sollte, insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Italien die präventive Komponente eingehalten hat.
Durch Italiens Haushaltsplanung für 2019 haben sich jedoch die von der Kommission im Mai vergangenen Jahres analysierten einschlägigen Faktoren erheblich geändert. So prognostiziert Italien in seiner Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 eine deutliche Verschlechterung des strukturellen Saldos um 0,9 % des BIP, während der Rat eine strukturelle Verbesserung um mindestens 0,6 % des BIP empfohlen hat. Am 23. Oktober 2018 nahm die Kommission eine Stellungnahme 29 zu der von Italien vorgelegten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 an, in der ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die an Italien gerichtete haushaltspolitische Empfehlung des Rates vom 13. Juli 2018 festgestellt und Italien aufgefordert wurde, eine überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung vorzulegen. Am 13. November 2018 legte Italien eine geringfügig überarbeitete Übersicht über die Haushaltsplanung vor, deren haushaltspolitische Ziele jedoch gegenüber der ursprünglichen Fassung unverändert blieben, einschließlich der für 2019 prognostizierten starken strukturellen Verschlechterung.
Am 21. November 2018 nahm die Kommission ihre Stellungnahme zu der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung Italiens für 2019 30 an, in der auf Basis sowohl der Pläne der Regierung als auch der Herbstprognose 2018 der Kommission das Risiko einer erheblichen Abweichung von dem vom Rat empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel für 2018 und ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die haushaltspolitische Empfehlung für 2019 bestätigt werden. Diese Schlussfolgerung rechtfertigt eine erneute Bewertung der dem Anschein nach mangelnden Einhaltung des Schuldenstandskriteriums durch Italien im Jahr 2017.
Tatsächlich lag der gesamtstaatliche Bruttoschuldenstand Italiens 2017 mit 131,2 % des BIP weit über dem im Vertrag festgelegten Referenzwert von 60 % des BIP, und der Richtwert für den Schuldenabbau wurde von Italien 2017 – basierend auf den Ist-Daten – nicht eingehalten. Darüber hinaus wird Italien auf Basis der Pläne der Regierung und der Herbstprognose der Kommission für 2018 den Richtwert für den Schuldenabbau voraussichtlich weder 2018 noch 2019 einhalten. Diese Feststellungen legen nahe, dass Italien das im Vertrag festgelegte Schuldenstandskriterium – vor Berücksichtigung aller einschlägigen Faktoren – dem Anschein nach nicht erfüllt. Gemäß dem Vertrag werden in diesem Bericht jedoch auch die einschlägigen Faktoren geprüft.
Während Italien der Bewertung zufolge einige Fortschritte bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2017 erzielt hatte, bergen die in der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 vorgesehenen Maßnahmen die Gefahr von Rückschritten in Bezug auf die aufgrund früherer länderspezifischer Empfehlungen verabschiedeten Reformen sowie in Bezug auf die strukturellen haushaltspolitischen Aspekte der jüngsten vom Rat an Italien gerichteten Empfehlungen. Nachdem der Rat beispielsweise empfohlen hatte, dass Italien den Anteil der Altersrenten an seinen öffentlichen Ausgaben senken sollte, um Spielraum für andere Sozialausgaben zu schaffen, hat Italien unlängst eine neue Möglichkeit zur Frühverrentung geschaffen, die früheren Rentenreformen zuwiderläuft, durch die die langfristige Tragfähigkeit der hohen öffentlichen Verschuldung Italiens gewährleistet werden sollte. Darüber hinaus könnte die Einführung einer Steueramnestie dazu führen, dass die Steuerdisziplin beeinträchtigt wird. In der überarbeiteten Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 sind allgemein keine wirksamen Maßnahmen vorgesehen, um das schleppende Potenzialwachstum Italiens und insbesondere die langanhaltende Stagnation der Produktivität zu überwinden. Insbesondere die Möglichkeit zur Frühverrentung kann sich negativ auf das Arbeitskräfteangebot auswirken. Zudem könnten die neu eingeführten Maßnahmen, mit denen die Besteuerung von Banken erhöht wird, in Verbindung mit den Auswirkungen höherer Staatsanleihen zu einer Behinderung der Kreditversorgung führen. Auf diese Grundlage könnte sich die Wachstumswirkung der politischen Maßnahmen, die der Übersicht über die Haushaltsplanung 2019 zugrunde liegen, auch kurzfristig als geringer herausstellen, als von der Regierung projiziert.
Während die im Mai 2018 erfolgte nachträgliche Bewertung der Frage, ob Italien die Vorgaben der präventiven Komponente im Jahr 2017 erfüllt hat, zeigt, dass der Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel 2017 weitgehend eingehalten wurde, nachdem die von der Kommission für außergewöhnliche Ereignisse zugestandene Abweichung berücksichtigt wurde, deutet eine Gesamtbewertung auf der Grundlage sowohl der Pläne der Regierung als auch der Herbstprognose 2018 der Kommission auf das Risiko einer erheblichen Abweichung von dem vom Rat für 2018 empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel und auf einen besonders schwerwiegenden Verstoß im Jahr 2019 hin. An dieser Feststellung würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Auswirkungen (etwa 0,2 % des BIP) des außerordentlichen Instandhaltungsprogramms für das Straßennetz und Verbindungen nach dem Einsturz der Morandi-Brücke in Genua und eines Vorsorgeplans zur Begrenzung der hydrogeologischen Risiken aufgrund widriger Witterungsverhältnisse auf den Haushalt im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 als außergewöhnliches Ereignis, das sich der Kontrolle der Regierung entzieht, eingestuft und bei der Betrachtung der Vorgaben der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts ausgenommen würden.
Die in diesem Bericht vorgelegte Analyse enthält eine Bewertung aller einschlägigen Faktoren, darunter Folgendes: i) Die makroökonomischen Bedingungen können trotz der in letzter Zeit zunehmenden Abwärtsrisiken nicht als Erklärung dafür herangezogen werden, warum Italien den Richtwert für den Schuldenabbau deutlich verfehlt, da seit 2016 ein nominales BIP-Wachstum von über 2 % verzeichnet wird; ii) die Pläne der Regierung lassen auf Rückschritte in Bezug auf die zuvor verabschiedeten wachstumsfördernden Strukturreformen, insbesondere die Rentenreformen, schließen; vor allem aber wurden iii) auf der Grundlage sowohl der Pläne der Regierung als auch der Herbstprognose 2018 der Kommission das Risiko einer erheblichen Abweichung vom empfohlenen Anpassungspfad in Richtung auf das mittelfristige Haushaltsziel im Jahr 2018 und ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen die am 13. Juli 2018 vom Rat an Italien gerichtete Empfehlung für 2019 festgestellt. Insgesamt legt die Analyse nahe, dass das Schuldenstandskriterium im Sinne des Vertrags und der Verordnung (EG) Nr. 1467/1997 als nicht erfüllt betrachtet werden sollte und demzufolge ein Defizitverfahren gerechtfertigt ist.