EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 28.11.2018
COM(2018) 767 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kapitalmarktunion: Zeit für neue Anstrengungen zugunsten konkreter Ergebnisse bei Investitionen, Wachstum und stärkerer Rolle des Euro
1.Einleitung
In seiner Rede zur Lage der Union 2018 betonte Präsident Juncker: „Die jüngsten Ereignisse haben schlaglichtartig die Notwendigkeit aufgezeigt, unsere Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen und liquide und tiefe Kapitalmärkte zu schaffen. Verschiedene Vorschläge der Kommission zu diesem Thema liegen schon auf dem Tisch und müssen nur noch von Parlament und Rat angenommen werden.“
Die Kapitalmarktunion gehört zu den wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union. Mit Blick auf die bevorstehende Dezembertagung des Europäischen Rates und der Euro-Gruppe im inklusiven Format wird es immer dringender, dass sich alle Beteiligten nun mit vollem Engagement der Verwirklichung der Kapitalmarktunion zuwenden und entsprechend handeln.
Um die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die internationale Bedeutung des Euro zu stärken und zu unterstützen, braucht die Union gut entwickelte, integrierte Kapitalmärkte. Effiziente Kapitalmobilität macht die Wirtschaft der Union stärker, da sie der wirtschaftlichen Konvergenz Vorschub leistet. Sie gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche Finanzierungsquellen zu nutzen, um in Arbeitsplätze und Wachstum zu investieren. Eine vollwertige Kapitalmarktunion verstärkt die privatwirtschaftliche Risikoteilung und hilft wirtschaftliche Schocks im Euroraum und darüber hinaus abzufedern, indem sie Investoren und Unternehmen bei einem Abschwung im eigenen Land Zugang zu Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten in anderen Ländern eröffnet.
Darüber hinaus kann marktbasierte Finanzierung die Lücke schließen, die durch die zeitweise eingeschränkte Kreditvergabe der Banken entstanden ist. So sind die Kredite an Unternehmen während der Krise drastisch eingebrochen, während die Finanzierung über Aktien und Anleihen stabil geblieben ist. Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion mit wirksamer und kohärenter Beaufsichtigung ist komplementär zur Bankenunion und trägt zu einem stabilen Finanzsystem bei. Diese Mitteilung ergänzt den dritten Fortschrittsbericht über den Abbau notleidender Kredite und den weiteren Abbau von Risiken in der Bankenunion, der ebenfalls heute angenommen wird.
Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion wird auch benötigt, damit sich lokale Kapitalmärkte entwickeln und Unternehmen besseren Finanzierungszugang erhalten können. Alternative marktbasierte Finanzierungsquellen sind insbesondere für die Finanzierung von Innovation, unternehmerischer Initiative und Existenzgründungen wichtig, die die Hauptantriebsmotoren für die Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen. Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion wird den Unternehmen die Möglichkeit geben, sich verstärkt unionsweit zu finanzieren, etwa über eine Börsennotierung in einem anderen Mitgliedstaat.
Die Kapitalmarktunion eröffnet mehr Anlagemöglichkeiten. Sie verschafft Kleinanlegern Zugang zu einträglichen Anlageprodukten, mit denen sie ihren mittel- und langfristigen Finanzbedarf decken und unter anderem auch für das Alter vorsorgen können. Beispielsweise verfügen heute nur 27 % aller Unionsbürgerinnen und -bürger über eine private Altersvorsorge. Durch die Kapitalmarktunion werden mehr Menschen mehr Möglichkeiten zur Altersvorsorge erhalten. Aufgrund regulatorischer Hemmnisse wird bislang nur gut ein Drittel aller auf Kleinanleger abstellenden Investmentfonds in mehr als drei Mitgliedstaaten vertrieben. Die Kapitalmarktunion wird den Bürgerinnen und Bürgern also bessere Anlageprodukte zu niedrigeren Preisen bescheren.
Dank starker und liquider Kapitalmärkte können institutionelle Anleger leichter unionsweit operieren und so Innovation, den Übergang zu einer CO2-armen, ressourceneffizienteren Kreislaufwirtschaft und Infrastrukturvorhaben finanzieren, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Union von wesentlicher Bedeutung ist.
Außerdem wird die Kapitalmarktunion Finanzdienstleistern die Möglichkeit geben, zu expandieren und ihre Dienstleistungen einem breiteren Kundenspektrum in mehreren Mitgliedstaaten anzubieten. 13 484 Finanzinstitute nutzen heute schon 359 953 „Europäische Pässe“, um Finanzdienstleistungen in der Union anzubieten. Dank Kapitalmarktunion könnten Finanzinstitute ihre Produkte und Dienstleistungen leichter in anderen Mitgliedstaaten anbieten, ohne dass der Anlegerschutz beeinträchtigt würde. Die Kapitalmarktunion kann nicht mithilfe einer einzelnen Maßnahme herbeigeführt werden, bringt sie doch einen tiefgreifenden Strukturwandel des Finanzsystems mit sich. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen werden in der Summe große Wirkung entfalten, doch braucht es Zeit, bis ihr Nutzen voll zum Tragen kommen wird. Das Potenzial ist da (siehe nachstehende Abbildung) – jetzt gilt es, entschlossen zu handeln.
Abbildung – Größe der Kapitalmärkte in ausgewählten Regionen (Umlaufbeträge zum Jahresende 2017 in % des BIP)
Quelle:
European Capital Markets Institute und eigene Berechnungen.
Anm.:
Auch wenn die Märkte von EU und USA nicht ganz vergleichbar sind, lässt sich an diesen Zahlen doch ablesen, dass die Kapitalmärkte in der EU-28 rund 160 % des Unions-BIP ausmachen, während es in den Vereinigten Staaten 260 % des BIP sind. Börsenkapitalisierung und Umlauftitel finanzieller und nichtfinanzieller Kapitalgesellschaften. Der Durchschnitt der Top 5 unter den Märkten in der Europäischen Union wurde als BIP-gewichteter Durchschnitt für die Niederlande, Schweden, Dänemark, Irland und Luxemburg ermittelt, die jeweils mit 40 %, 26 %, 16 %, 16 % bzw. 5 % gewichtet wurden.
In seiner Rede zur Lage der Union 2018 erinnerte Präsident Juncker daran, dass wir „als wir angetreten sind, [...] alle gemeinsam versprochen [haben], [...] eine Kapitalmarktunion [...] zu verwirklichen“. Mit Blick auf die nunmehr näher rückenden Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 betont die Kommission, dass die beiden gesetzgebenden Organe ihre Arbeit an den vorliegenden Vorschlägen beschleunigen und den nötigen politischen Ehrgeiz unter Beweis stellen müssen, damit alle Vorschläge noch vor Ablauf dieses Mandats unter Dach und Fach gebracht werden können. Das künftige Ausscheiden des Vereinigten Königreichs macht Fortschritte nur noch dringender erforderlich. Die Kommission ist bereit, die beiden gesetzgebenden Organe noch stärker zu unterstützen, damit die entscheidenden Bausteine der Kapitalmarktunion verwirklicht werden können.
2.Bisherige Fortschritte bei der Kapitalmarktunion
Im Aktionsplan zur Kapitalmarktunion vom September 2015 und in der Halbzeitüberprüfung vom Juni 2017 wurde ein umfassendes Programm zur Schaffung der Kapitalmarktunion bis 2019 dargelegt.
Dieses Programm umfasst 13 Rechtsvorschläge, die die Kommission auf den Tisch gelegt hat, um die zentralen Bausteine der Kapitalmarktunion zu verwirklichen. Außerdem hat die Kommission drei Rechtsvorschläge vorgelegt, die den Finanzsektor der Union befähigen sollen, den Weg zu einer umweltfreundlicheren und saubereren Wirtschaft zu bereiten. Allerdings haben sich das Europäische Parlament und der Rat bislang nur auf drei dieser Vorschläge einigen können:
1.Durch die im Juni 2017 verabschiedete Prospektverordnung werden Unternehmen, die sich finanzieren wollen, bürokratisch entlastet, da der Prospekt nun einfacher zu erstellen und für Anleger leichter verständlich ist.
2.Die im Oktober 2017 verabschiedeten Verordnungen über Europäische Risikokapitalfonds und über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum sollen Investitionen in Risikokapital und Sozialprojekte anschieben. Sie machen es Anlegern leichter, in innovative kleine und mittlere Unternehmen zu investieren, indem Fondsverwalter jeder Größe in die Regelung einbezogen werden und die Bandbreite der Unternehmen, in die investiert werden kann, erweitert wird. Zusätzlich zu den neuen Vorschriften hat die Kommission Risikokapitaldachfonds zur Unterstützung innovativer Investitionen eingerichtet und wird ihre Arbeiten an weiteren Maßnahmen zur Förderung von Risikokapital fortsetzen.
3.Schließlich trägt die im Dezember 2017 angenommene Verordnung über einfache‚ transparente und standardisierte („STS“) Verbriefung dazu bei, das Vertrauen in den Verbriefungsmarkt zu stärken und die Bankbilanzen zu entlasten. Wäre das durchschnittliche Emissionsvolumen am Markt wieder so hoch wie vor der Krise, könnten die Banken dem Privatsektor 157 Mrd. EUR an zusätzlichen Krediten zur Verfügung stellen. Zusätzlich zu der Verordnung über STS-Verbriefungen hat die Kommission die Durchführungsbestimmungen zum Rahmenwerk Solvabilität II geändert, damit Versicherungsunternehmen leichter in STS-Verbriefungen und Infrastruktur investieren können.
Ähnlich wie für Investitionen in STS-Verbriefungen und Infrastruktur will die Kommission auch Anpassungen für die Anlagen von Versicherern in Eigenkapital und Privatplatzierungen vorschlagen.
3.Kapitalmarktunion-Initiativen, die dringend schneller vorangebracht werden müssen
Damit die Kapitalmarktunion wirksam funktionieren kann, braucht sie einen starken politischen Impuls. Um die Vorteile des Binnenmarkts voll ausschöpfen zu können, benötigen Unternehmen und Investoren neue Möglichkeiten, unionsweit zu operieren und weltweit zu konkurrieren, sowie klare und verhältnismäßige Regeln und eine effiziente Aufsicht. Starke und liquide Kapitalmärkte spielen auch eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, die Führungsrolle der Union bei der Finanzierung des notwendigen Übergangs zu einer CO2-armen, ressourcenschonenderen Kreislaufwirtschaft auszubauen.
POLITIKGEGENSTAND
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Europäisches
Parlament
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Rat der
Europäischen Union
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Europaweites privates Altersvorsorgeprodukt (PEPP)
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Gedeckte Schuldverschreibungen
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Crowdfunding
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Grenzüberschreitender Vertrieb von Investmentfonds
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Wertpapierrechtsüberprüfung
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Präventive Restrukturierung, zweite Chance und Verfahrenseffizienz
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Förderung von KMU-Wachstumsmärkten
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Drittwirkung von Forderungsübertragungen
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Überprüfung der Europäischen Aufsichtsbehörden, einschließlich verschärfter Geldwäschevorschriften
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Verordnung über die europäische Marktinfrastruktur (Aufsicht)
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Nachhaltiges Finanzwesen: Taxonomie
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Nachhaltiges Finanzwesen: Offenlegung
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Nachhaltiges Finanzwesen: Referenzwerte für geringe CO2-Emissionen
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RASCHE EINIGUNG IM NORMALEN VERFAHREN MÖGLICH
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EINIGUNG BEI STARKEM POLITISCHEM ENGAGEMENT ALLER EU-ORGANE MÖGLICH
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3.1.Optimale Ausschöpfung des Binnenmarkts durch neue unionsweite Produkte und Dienstleistungen
Im Juni 2017 hat die Kommission einen Vorschlag für ein europaweites privates Altersvorsorgeprodukt vorgelegt. Ein unionsweites privates Altersvorsorgeprodukt würde den Bürgerinnen und Bürgern mehr Möglichkeiten für ihre Altersvorsorge bieten, auch über Grenzen hinweg. Außerdem würden dadurch Skaleneffekte entstehen, die den Sparern zugutekämen, da sie zu niedrigeren Kosten Zugang zu besseren Produkten erhielten. Die private Altersvorsorge kann dazu beitragen, die Herausforderungen der Bevölkerungsalterung zu bewältigen, da sie bei Bürgerinnen und Bürgern, die sich dazu entschließen, die gesetzlichen Renten und Betriebsrenten ergänzen kann.
Im März 2018 hat die Kommission einen Rahmen für gedeckte Schuldverschreibungen vorgeschlagen. Die Märkte für gedeckte Schuldverschreibungen gehören zu den größten Märkten für private Schuldverschreibungen in der Union und sind ein wichtiger Vermittlungskanal für die längerfristige Finanzierung. Sie tragen dazu bei, dass Kreditinstitute Finanzmittel effizient in den Immobilienmarkt lenken und staatlich garantierte Instrumente, darunter auch Darlehen, kleinen und mittleren Unternehmen zugute kommen können.
Im Rahmen des FinTech-Aktionsplans hat die Kommission im März 2018 einen Vorschlag für einen Crowdfunding-Rahmen vorgelegt. Verglichen mit anderen großen Volkswirtschaften ist der Crowdfunding-Markt in der Union noch unterentwickelt. Dabei stehen Crowdfunding-Plattformen, die ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend anbieten wollen, vor allem vor dem Problem, dass es keine unionsweit gleichen Regeln gibt. Mit den vorgeschlagenen Vorschriften dürften Unternehmen, die eine Finanzierung benötigen, allen voran Start-ups, leichter Zugang zu dieser innovativen Finanzierungsform erhalten, während gleichzeitig weitreichende Schutzbestimmungen und Garantien für Investoren zum Tragen kommen.
Im März 2018 hat die Kommission auch einen Vorschlag zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Investmentfonds vorgelegt. Hindernisse wie nationale Vertriebsanforderungen und behördliche Gebühren wirken sich nachteilig auf den grenzüberschreitenden Fondsvertrieb aus. Der Vorschlag zielt darauf ab, den grenzüberschreitenden Vertrieb von Fonds einfacher, schneller und kostengünstiger zu machen. Ein verstärkter grenzüberschreitender Vertrieb dürfte mehr Möglichkeiten für Anlagen in Investmentfonds mit sozialen oder ökologischen Zielsetzungen eröffnen. Die vorgeschlagenen Vorschriften dürften die nationalen Anforderungen transparenter machen, umständliche Auflagen aus der Welt schaffen und unterschiedliche nationale Vorschriften harmonisieren.
3.2.Einfachere, klarere und angemessenere Vorschriften für Unternehmen
Im Mai 2017 hat die Kommission einen Vorschlag zur Vereinfachung der Vorschriften und zur regulatorischen Entlastung der Teilnehmer am Markt für im Freiverkehr gehandelte („OTC-“) Derivate vorgelegt. Die auf einer globalen G20-Vereinbarung zur Risikominderung bei OTC-Derivategeschäften beruhenden Initiativen haben erheblich dazu beigetragen, die Stabilität des Derivatemarkts zu erhöhen. Allerdings gelten die derzeitigen Vorschriften für alle Marktteilnehmer, von Großbanken bis hin zu kleinen Finanzunternehmen und Kapitalgesellschaften, was mitunter nicht ganz verhältnismäßig ist. Vor diesem Hintergrund zielen die vorgeschlagenen Regelungen darauf ab, die Regulierungslasten für die Marktteilnehmer zu verringern. Werden die Vorschriften angenommen, könnten sie den Marktteilnehmer erhebliche Einsparungen bescheren, ohne die Finanzstabilität zu gefährden.
Im Dezember 2017 hat die Kommission einen Vorschlag mit verhältnismäßigeren und wirksameren Vorschriften für Wertpapierfirmen vorgelegt. Ziel dieses Vorschlags ist es, den Aufsichtsrahmen für Wertpapierfirmen verhältnismäßiger zu gestalten, d. h. ihn auf Größe und Art der Wertpapierfirma abzustimmen. Die neuen Vorschriften würden gleiche Wettbewerbsbedingungen für große und systemrelevante Finanzinstitute gewährleisten und gleichzeitig die Regeln für nicht systemrelevante Wertpapierfirmen vereinfachen.
Im Mai 2018 hat die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der kleineren Unternehmen die Finanzierung über die Kapitalmärkte erleichtern soll. Kleine und mittlere Unternehmen sehen sich häufig mit unverhältnismäßig hohen regulatorischen Hürden konfrontiert, die ihnen den Weg zu einer marktbasierten Finanzierung versperren. Ziel des Vorschlags ist weniger Bürokratie für kleine und mittlere Unternehmen, die an die „KMU-Wachstumsmärkte“ gehen wollen – eine neue Handelsplatzkategorie speziell für Kleinemittenten. Ziel der vorgeschlagenen Vorschriften ist mehr Verhältnismäßigkeit, um Börsengänge von kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern, während gleichzeitig Anlegerschutz und Marktintegrität gewahrt bleiben.
Im November 2016 hat die Kommission einen Vorschlag für präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren angenommen. Dass seriöse Unternehmer nach einem Konkurs eine zweite Chance erhalten, ist für ein dynamisches Geschäftsumfeld und die Innovationsförderung von grundlegender Bedeutung. Für seriöse Unternehmer sieht der Vorschlag daher mittels Schuldenbefreiung eine zweite Chance vor, um ihnen einen Neuanfang zu ermöglichen und Anreize für unternehmerische Initiative zu schaffen. Darüber hinaus zielt der Vorschlag darauf ab, bei finanziell angeschlagenen, aber überlebensfähigen Unternehmen eine effiziente Restrukturierung zu ermöglichen, um die Insolvenz abzuwenden und keinen Unternehmenswert zu zerstören.
Im März 2018 hat die Kommission einen Vorschlag für das auf die Drittwirkung von Forderungsübertragungen anzuwendende Recht vorgelegt. Der Vorschlag würde für erheblich mehr Rechtssicherheit sorgen, denn er regelt, welches nationale Recht für die Drittwirkung von grenzüberschreitenden Forderungsübertragungen jeweils gilt.
Im Oktober 2016 hat die Kommission einen Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) angenommen. Der Vorschlag zielt auf die Beseitigung der derzeitigen Verschuldungsanreize in der Besteuerung ab, die Finanzierungsentscheidungen verzerren, Unternehmen insolvenzanfälliger machen und die Stabilität der Gesamtwirtschaft untergraben. Der Vorschlag soll für mehr Steuergerechtigkeit im Binnenmarkt und gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen und Investitionen in wachstumsfördernde Bereiche wie Forschung und Entwicklung fördern. Da sich die Mitgliedstaaten schwertun, bei weitreichenden Steuervorschlägen im Rat Einstimmigkeit zu erzielen, wird die Kommission außerdem in Kürze eine Mitteilung vorlegen, in der ausgelotet wird, ob in bestimmten steuerlichen Angelegenheiten künftig mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden könnte.
3.3.Effizientere Kapitalmarktaufsicht
Im September 2017 hat die Kommission einen Vorschlag für eine Überprüfung der Europäischen Aufsichtsbehörden vorgelegt. Dieser Vorschlag wurde im September 2018 geändert, um den Aufsichtsrahmen mit Blick auf die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verstärken. Wenn die Finanzmärkte zusammenwachsen, bedarf es auch einer stärker integrierten und wirksameren Aufsicht. Ziel der Vorschläge ist es, die aufsichtliche Konvergenz und die Durchsetzung zu stärken und so zu einer kohärenten und wirksameren Beaufsichtigung beizutragen. Daher ist es wichtig, dass eine sinnvolle Reform der Europäischen Aufsichtsbehörden und die Erweiterung der Aufgaben der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung noch in der laufenden Legislaturperiode zusammen verabschiedet werden. Unabhängigere Führungs- und Kontrollstrukturen, weitreichende Konvergenzbefugnisse und ein auf Dauer tragfähiger Finanzierungsrahmen, wie sie im Rahmen der Überprüfung der Europäischen Aufsichtsbehörden vorgeschlagen werden, sind auch von entscheidender Bedeutung, um derzeitige Schwachstellen zu beheben und die Aufsicht in Sachen Geldwäschebekämpfung effizienter zu machen.
Im Juni 2017 hat die Kommission einen Vorschlag zum Ausbau der Beaufsichtigung zentraler Gegenparteien vorgelegt. Zentrale Gegenparteien spielen auf integrierten Kapitalmärkten eine maßgebliche Rolle, da sie die mit einem Gegenpartei-Ausfall verbundenen Risiken mindern. Dies bringt es mit sich, dass sich Risiken bei zentralen Gegenparteien zusammenballen und diese damit unter Umständen systemrelevant werden. Die systemische Bedeutung zentraler Gegenparteien wird in dem Maße weiter zunehmen, wie die Marktteilnehmer nach und nach verpflichtet werden, Transaktionen über eine zentrale Gegenpartei zu clearen, was zunehmend schon freiwillig geschieht. Die vorgeschlagenen Vorschriften würden gewährleisten, dass der Aufsichtsrahmen der Union hinreichend robust ist, um Risiken im Zusammenhang mit zentralen Gegenparteien aus der Union sowie mit zentralen Gegenparteien aus Drittstaaten, die für Kunden in der Union tätig sind, zu antizipieren und zu mindern.
Im November 2016 hat die Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der den Aufsichtsrahmen für zentrale Gegenparteien durch harmonisierte Rahmenvorschriften für die Sanierung und Abwicklung ergänzen soll. Durch die Annahme dieses Vorschlags wäre sichergestellt, dass sowohl zentrale Gegenparteien als auch die nationalen Behörden in der Union die nötige Handhabe hätten, um in Extremsituationen, wenn zentrale Gegenparteien gravierenden Verwerfungen ausgesetzt wären, maßgebend eingreifen zu können. Ziel der vorgeschlagenen Vorschriften ist es, dass die kritischen Funktionen der zentralen Gegenparteien fortgeführt werden und gleichzeitig die Finanzstabilität gewahrt bleibt. Damit gewährleistet der Vorschlag das ordnungsgemäße Funktionieren der Kapitalmärkte, verschafft den Marktteilnehmern Gewissheit und verringert die Kosten, die bei einer Umstrukturierung und Abwicklung zentraler Gegenparteien unter Umständen auch auf die Steuerzahler zukommen könnten.
3.4.Nachhaltiges Finanzwesen
Um überzeugende Antworten auf künftige Herausforderungen wie Klimaschutz und Ressourcenknappheit zu entwickeln, müssen sich die Kapitalmärkte wandeln und erneuern. Hierzu hat die Kommission im März 2018 ihren Aktionsplan für nachhaltige Finanzierungen angenommen und bereits drei konkrete Rechtsvorschläge vorgelegt‚ nämlich zur Taxonomie, zur Offenlegung von Informationen über nachhaltige Investitionen und Nachhaltigkeitsrisiken und zu Referenzwerten für CO2-arme Investitionen. Ziel ist es, dass der Finanzsektor der Union den Weg zu einer umweltfreundlicheren und saubereren Wirtschaft bereiten kann. Die Vorschläge dürften dazu beitragen, privates Kapital vermehrt in nachhaltigere Investitionen wie sauberen Verkehr und Energie zu lenken und den Übergang zu einer CO2-armen, ressourceneffizienteren Kreislaufwirtschaft zu finanzieren. Diese Initiativen bestätigen die globale Führungsrolle der Union bei Klimaschutz und Nachhaltigkeit entsprechend dem Pariser Klimaschutzübereinkommen und den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen.
4.Entwicklung lokaler Kapitalmärkte
Die Kommission hat die Kapitalmarktunion auch durch nichtlegislative Maßnahmen zur Entwicklung der lokalen Kapitalmärkte unterstützt. Lokale Kapitalmärkte müssen weiterentwickelt und gut mit Finanzzentren vernetzt werden, damit die Kapitalmarktunion allen Mitgliedstaaten zugute kommen kann. Dies erfordert die richtige Balance zwischen Skaleneffekten und lokaler Präsenz, damit inländische Ersparnisse bestmöglich genutzt und gleichzeitig internationale Investoren ins Boot geholt werden können, um den Finanzierungsbedarf einheimischer Unternehmer zu decken. Die Kommission baut auf den Arbeiten der von der Wiener Initiative eingesetzten Arbeitsgruppe zur Kapitalmarktunion auf. Mehrere Mitgliedstaaten haben Kapitalmarktstrategien ausgearbeitet, spezielle Programme zur Förderung der Börsennotierung kleiner und mittlerer Unternehmen – teils auch mit öffentlichen Mitteln – aufgelegt, und einige Mitgliedstaaten, insbesondere in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, haben beschlossen, ihre Kapazitäten für die Kapitalmarktaufsicht zu verstärken. Der Kommissionsdienst zur Unterstützung von Strukturreformen hat auf Wunsch der betreffenden Mitgliedstaaten maßgeschneiderte technische und finanzielle Unterstützung für zahlreiche Initiativen im Zusammenhang mit der Kapitalmarktunion bereitgestellt. Dies ist wichtig, um Kapitalmarktreformen umzusetzen.
5.Schlussfolgerung
Die Kapitalmarktunion ist unerlässlich, um die Wirtschaft der Mitgliedstaaten und die Wirtschafts- und Währungsunion widerstandsfähiger zu machen, die Konvergenz zu fördern, die Finanzstabilität zu bewahren und die internationale Bedeutung des Euro zu stärken. Die Kommission fordert die beiden gesetzgebenden Organe auf, jetzt zu handeln, um noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2019 alle notwendigen zentralen Bausteine zur Vervollständigung der Kapitalmarktunion zu verwirklichen.
Der Europäische Rat wird ersucht, sein Bekenntnis zur Kapitalmarktunion zu erneuern und diese Anstrengungen, die nicht nur für die Wirtschafts- und Währungsunion und die Bankenunion, sondern auch für den Binnenmarkt unerlässlich sind, zu unterstützen.
Neben der Gesetzgebungsagenda hält die Kommission auch an der Umsetzung der übrigen in der Halbzeitbilanz der Kapitalmarktunion angekündigten nichtlegislativen Maßnahmen fest. Diese Maßnahmen sind ein entscheidender Beitrag zu tiefen und liquiden Kapitalmärkten, da damit wichtige Bereiche wie der Vertrieb von Anlageprodukten für Kleinanleger, Investitionen von institutionellen Anlegern, die Unternehmensfinanzierung für Unternehmer und Start-ups und die bessere Nutzung von Finanztechnologien angegangen werden.
Die Kommission wird sich im Wege entsprechender Kommunikationsmaßnahmen weiterhin auch mit den Bürgerinnen und Bürgern, den Sozialpartnern und den Unternehmen in der Union über die Bedeutung der Kapitalmarktunion austauschen.
Die Reform der Kapitalmärkte kann von der Kommission nicht im Alleingang bewerkstelligt werden. Alle anderen Akteure auf nationaler und auf Unionsebene müssen sich ebenfalls stärker engagieren und ihren Teil beitragen. Die Kommission wird diese Anstrengungen weiterhin unterstützen.