EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 28.11.2018
COM(2018) 767 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT, DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kapitalmarktunion: Zeit für neue Anstrengungen zugunsten konkreter Ergebnisse bei Investitionen, Wachstum und stärkerer Rolle des Euro
1.Einleitung
In seiner Rede zur Lage der Union 2018 betonte Präsident Juncker: „Die jüngsten Ereignisse haben schlaglichtartig die Notwendigkeit aufgezeigt, unsere Wirtschafts- und Währungsunion zu vertiefen und liquide und tiefe Kapitalmärkte zu schaffen. Verschiedene Vorschläge der Kommission zu diesem Thema liegen schon auf dem Tisch und müssen nur noch von Parlament und Rat angenommen werden.“
Die Kapitalmarktunion gehört zu den wichtigsten Prioritäten der Europäischen Union. Mit Blick auf die bevorstehende Dezembertagung des Europäischen Rates und der Euro-Gruppe im inklusiven Format wird es immer dringender, dass sich alle Beteiligten nun mit vollem Engagement der Verwirklichung der Kapitalmarktunion zuwenden und entsprechend handeln.
Um die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die internationale Bedeutung des Euro zu stärken und zu unterstützen, braucht die Union gut entwickelte, integrierte Kapitalmärkte. Effiziente Kapitalmobilität macht die Wirtschaft der Union stärker, da sie der wirtschaftlichen Konvergenz Vorschub leistet. Sie gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche Finanzierungsquellen zu nutzen, um in Arbeitsplätze und Wachstum zu investieren. Eine vollwertige Kapitalmarktunion verstärkt die privatwirtschaftliche Risikoteilung und hilft wirtschaftliche Schocks im Euroraum und darüber hinaus abzufedern, indem sie Investoren und Unternehmen bei einem Abschwung im eigenen Land Zugang zu Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten in anderen Ländern eröffnet.
Darüber hinaus kann marktbasierte Finanzierung die Lücke schließen, die durch die zeitweise eingeschränkte Kreditvergabe der Banken entstanden ist. So sind die Kredite an Unternehmen während der Krise drastisch eingebrochen, während die Finanzierung über Aktien und Anleihen stabil geblieben ist. Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion mit wirksamer und kohärenter Beaufsichtigung ist komplementär zur Bankenunion und trägt zu einem stabilen Finanzsystem bei. Diese Mitteilung ergänzt den dritten Fortschrittsbericht über den Abbau notleidender Kredite und den weiteren Abbau von Risiken in der Bankenunion, der ebenfalls heute angenommen wird.
Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion wird auch benötigt, damit sich lokale Kapitalmärkte entwickeln und Unternehmen besseren Finanzierungszugang erhalten können. Alternative marktbasierte Finanzierungsquellen sind insbesondere für die Finanzierung von Innovation, unternehmerischer Initiative und Existenzgründungen wichtig, die die Hauptantriebsmotoren für die Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen. Eine erfolgreiche Kapitalmarktunion wird den Unternehmen die Möglichkeit geben, sich verstärkt unionsweit zu finanzieren, etwa über eine Börsennotierung in einem anderen Mitgliedstaat.
Die Kapitalmarktunion eröffnet mehr Anlagemöglichkeiten. Sie verschafft Kleinanlegern Zugang zu einträglichen Anlageprodukten, mit denen sie ihren mittel- und langfristigen Finanzbedarf decken und unter anderem auch für das Alter vorsorgen können. Beispielsweise verfügen heute nur 27 % aller Unionsbürgerinnen und -bürger über eine private Altersvorsorge. Durch die Kapitalmarktunion werden mehr Menschen mehr Möglichkeiten zur Altersvorsorge erhalten. Aufgrund regulatorischer Hemmnisse wird bislang nur gut ein Drittel aller auf Kleinanleger abstellenden Investmentfonds in mehr als drei Mitgliedstaaten vertrieben. Die Kapitalmarktunion wird den Bürgerinnen und Bürgern also bessere Anlageprodukte zu niedrigeren Preisen bescheren.
Dank starker und liquider Kapitalmärkte können institutionelle Anleger leichter unionsweit operieren und so Innovation, den Übergang zu einer CO2-armen, ressourceneffizienteren Kreislaufwirtschaft und Infrastrukturvorhaben finanzieren, was für die Wettbewerbsfähigkeit der Union von wesentlicher Bedeutung ist.
Außerdem wird die Kapitalmarktunion Finanzdienstleistern die Möglichkeit geben, zu expandieren und ihre Dienstleistungen einem breiteren Kundenspektrum in mehreren Mitgliedstaaten anzubieten. 13 484 Finanzinstitute nutzen heute schon 359 953 „Europäische Pässe“, um Finanzdienstleistungen in der Union anzubieten. Dank Kapitalmarktunion könnten Finanzinstitute ihre Produkte und Dienstleistungen leichter in anderen Mitgliedstaaten anbieten, ohne dass der Anlegerschutz beeinträchtigt würde. Die Kapitalmarktunion kann nicht mithilfe einer einzelnen Maßnahme herbeigeführt werden, bringt sie doch einen tiefgreifenden Strukturwandel des Finanzsystems mit sich. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen werden in der Summe große Wirkung entfalten, doch braucht es Zeit, bis ihr Nutzen voll zum Tragen kommen wird. Das Potenzial ist da (siehe nachstehende Abbildung) – jetzt gilt es, entschlossen zu handeln.
Abbildung – Größe der Kapitalmärkte in ausgewählten Regionen (Umlaufbeträge zum Jahresende 2017 in % des BIP)