EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den20.12.2017
COM(2017) 813 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
Sachstand und mögliches Vorgehen in Bezug auf die Fälle fehlender Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Drittländern im Bereich der Visumpolitik und Bewertung der Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus nach Artikel 1 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates
I.Einführung
Am 12. April 2016 legte die Kommission eine Mitteilung über Sachstand und mögliches Vorgehen in Bezug auf die Fälle fehlender Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Drittländern im Bereich der Visumpolitik vor. In dieser Mitteilung wurde festgestellt, dass mit aktiver Unterstützung der Kommission für die allermeisten Fälle fehlender Gegenseitigkeit in Bezug auf acht Drittländer eine Lösung gefunden werden konnte. Gleichzeitig wurde in der Mitteilung jedoch darauf hingewiesen, dass die Kommission, sofern das betreffende Drittland die Visumpflicht nicht bis zum 12. April 2016 aufgehoben hat, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001, geändert durch die Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013, verpflichtet ist, einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, mit dem die Visumfreiheit für Staatsangehörige dieses Drittlands für einen Zeitraum von zwölf Monaten ausgesetzt wird. In der Verordnung ist zudem vorgesehen, dass die Kommission die Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten berücksichtigt. In der Mitteilung von April 2016 wurden die Folgen und Auswirkungen der Aussetzung der Visumfreiheit für die Bürger und Unternehmen in der EU sowie für die Staatsangehörigen der betreffenden Drittländer bewertet und das Europäische Parlament und der Rat aufgefordert zu erörtern, wie am besten vorzugehen ist.
Die Kommission legte anschließend im Juli und Dezember 2016 sowie im Mai 2017 drei Folgemitteilungen vor. In der Mitteilung von Mai 2017 wurde nicht nur auf die erzielten Fortschritte eingegangen, sondern auch die Position der Kommission zu der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 2. März 2017 zu den „Verpflichtungen der Kommission im Bereich der Gegenseitigkeit bei der Visumpflicht gemäß Artikel 1 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001“ festgelegt, in der die Kommission aufgefordert wurde, den geforderten delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 265 AEUV spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Annahme der Entschließung zu erlassen. Die Kommission vertrat in dieser Mitteilung die Ansicht, dass insbesondere angesichts der Fortschritte im Laufe der vorausgegangenen zwölf Monate und der laufenden Arbeiten der Erlass eines delegierten Rechtsakts zur vorübergehenden Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für Staatsbürger Kanadas und der Vereinigten Staaten von Amerika zu diesem Zeitpunkt kontraproduktiv wäre und nicht dazu beitragen würde, das Ziel des visumfreien Reiseverkehrs für alle EU-Bürger zu erreichen. Gleichzeitig verpflichtete sich die Kommission, weiter eng mit dem Europäischen Parlament und dem Rat sowie mit Kanada, den Vereinigten Staaten von Amerika und den betroffenen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um auf dem Weg zur vollständigen Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit rascher voranzukommen, und Ende Dezember 2017 über den Stand der Verhandlungen zu berichten.
Die Kommission gibt in dieser Mitteilung einen Überblick über die seit Mai 2017 in den Gesprächen mit Kanada und den Vereinigten Staaten erzielten Fortschritte und stellt fest, dass in Bezug auf die Visumfreiheit mit Kanada jetzt die vollständige Gegenseitigkeit hergestellt ist.
In Kapitel IV dieser Mitteilung bewertet die Kommission zudem nach Artikel 1b der Verordnung die Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus und berichtet über die Anwendung der Befugnisübertragung nach Artikel 4b Absatz 2 der Verordnung.
II.
Reaktionen auf die letzte Mitteilung
Im Anschluss an die Entschließung wandte sich der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mit Schreiben vom 2. Juni 2017 an den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, um zu klären, inwieweit gegen die Kommission wegen der ihr obliegenden Pflichten in Bezug auf die Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit Untätigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben werden sollte. Am 12. Juli 2017 sprach sich der Rechtsausschuss gegen eine Untätigkeitsklage aus, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass er die Angelegenheit Anfang 2018 erneut prüfen werde.
Wie bereits berichtet, hat der Rat auch in den vergangenen sieben Monaten nicht über die Angelegenheit beraten.
III.Jüngste Entwicklungen
a. Kanada (Mitteilungen von Bulgarien und Rumänien)
In der Mitteilung von Mai 2017 wurde in Bezug auf Kanada bereits über signifikante Fortschritte berichtet. Die Kommission zeigte sich erfreut, dass Kanada zum 1. Mai 2017 die Visumpflicht für bulgarische und rumänische Staatsangehörige, die in den vergangenen zehn Jahren über eine befristete Aufenthaltserlaubnis in Kanada verfügten oder im Besitz eines gültigen Nichteinwanderungsvisums der USA sind, aufgehoben hat.
Sie begrüßt, dass Kanada seit dem 1. Dezember 2017 allen bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen die visumfreie Einreise gestattet. Somit besteht jetzt mit Kanada vollständige Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit. Der Aufhebung der Visumpflicht gingen umfassende politische und fachliche Kontakte zwischen der Kommission, Kanada und den Regierungen Bulgariens und Rumäniens sowie eine Informationskampagne für die Bürger dieser Länder und Konsultationen mit großen Reisebüros und Fluggesellschaften in beiden Mitgliedstaaten voraus.
Auf der 1. Tagung des Gemeinsamen Ministerausschusses EU-Kanada, die am 4. Dezember 2017 im Rahmen des Abkommens über eine strategische Partnerschaft mit Kanada in Brüssel stattfand, begrüßten beide Parteien die vollständige Aufhebung der Visumpflicht für alle EU-Bürger und wiesen darauf hin, dass sich hierdurch die Mobilität der Bürger und die kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Kanada weiter verbessern werden.
b. Vereinigte Staaten von Amerika (Mitteilungen von Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien und Zypern)
In der Mitteilung von Mai 2017 hatte die Kommission berichtet, dass die Kontakte auf politischer und fachlicher Ebene intensiviert worden seien und die US-amerikanische Seite der Einleitung eines ergebnisorientierten Verfahrens zugestimmt habe, in dessen Verlauf die fünf oben genannten Mitgliedstaaten in das Programm für visumfreies Reisen (Visa Waiver Program) aufgenommen werden sollten. Darüber hinaus hatten sich die fünf Mitgliedstaaten verpflichtet, in konstruktiver und positiver Weise und in enger Abstimmung mit der Kommission und den Vereinigten Staaten zusammenzuarbeiten, um die vollständige Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht so bald wie möglich zu erreichen und bis dahin für beide Seiten annehmbare Zwischenschritte zu ermitteln. Es wurde eine Übersicht über die Anforderungen erstellt, die von den fünf Mitgliedstaaten noch zu erfüllen waren.
Auf dem Ministeriellen Treffen EU-USA (Justiz und Inneres) im Juni 2017 hatten Kommissionsmitglied Avramopoulos und Elaine C. Duke, die Stellvertretende Ministerin für innere Sicherheit der USA (U.S. Department of Homeland Security), eine Gemeinsame Erklärung im Hinblick auf die Erreichung der vollständigen Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht zwischen der EU und den Vereinigten Staaten abgegeben. In der Gemeinsamen Erklärung bekräftigten beide Seiten ihre Verpflichtungen unter anderem zur Beibehaltung und Ausweitung des visumfreien Reiseverkehrs zwischen der EU und den Vereinigten Staaten und zur Verstärkung ihrer Bemühungen um eine bessere Zusammenarbeit, um Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien und Zypern dabei zu helfen, die Anforderungen des Programms für visumfreies Reisen rascher zu erfüllen.
Die Kommission hat im Einklang mit der Gemeinsamen Erklärung weiterhin bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, auf dem Weg zur vollständigen Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit zwischen der EU und den USA rascher voranzukommen.
Im August 2017 hatte Kommissionsmitglied Avramopoulos in einem Treffen mit dem amerikanischen Koordinator für die Terrorismusbekämpfung Nathan A. Sales die Bedeutung dieser Angelegenheit für die EU erneut angesprochen.
Das letzte trilaterale Treffen auf fachlicher Ebene in dieser Sache mit den Vereinigten Staaten und den fünf betroffenen Mitgliedstaaten fand am 11. September 2017 statt. Die Teilnehmer erörterten den Umsetzungsstand der verbliebenen Anforderungen des Programms für visumfreies Reisen, darunter auch die Visum-Ablehnungsquote, die für vier Mitgliedstaaten das größte Hindernis darstellt, die hauptsächlichen Ablehnungsgründe, die Behandlung von Visumanträgen junger Menschen und die Möglichkeiten, die Ablehnungsquote durch Informationskampagnen zu senken.
Die USA informierten über Fortschritte bei der Einrichtung eines Systems der Ausreisekontrolle auf der Grundlage des Immigration and Nationality Act (Gesetz über Einwanderung und Staatsbürgerschaft), mit dem die Ausreise von mindestens 97 % der ausländischen Staatsbürger geprüft werden kann, die die USA über Flughäfen verlassen. Sobald dieses System eingeführt ist, stünde es im Ermessen des zuständigen amerikanischen Ministers (Secretary of the Department of Homeland Security), von der Visum-Ablehnungsquote von 3 % abzusehen und die Aufnahme von Ländern in das Visa Waiver Program zu empfehlen, deren Ablehnungsquote unter 10 % liegt, sofern sie alle sicherheitsrelevanten Anforderungen erfüllen und die Maßnahmen dieser Länder zur Minimierung der Sicherheitsrisiken insgesamt gewährleisten, dass ihre Teilnahme an dem Programm die Sicherheits- und Zuwanderungsinteressen der USA nicht gefährden. Auf dem trilateralen Treffen und dem Treffen hochrangiger Vertreter der EU und der USA aus dem Bereich Justiz und Inneres am 20./21. September 2017 in Tallinn wurden die jüngsten Entwicklungen bewertet und Fortschritte in fachlicher Hinsicht festgestellt.
Eine Fachdelegation der Kommission besuchte zudem vom 25. bis 29. September 2017 Bulgarien, Rumänien, Zypern, Polen und Kroatien, um den Sachstand in Bezug auf die Erfüllung der verbleibenden Anforderungen des Programms für visumfreies Reisen zu erörtern. Die Kommission bot den fünf Mitgliedstaaten Unterstützung bei der Erfüllung dieser Anforderungen an und zeigte unter anderem Möglichkeiten auf, wie die Visum-Ablehnungsquote gesenkt werden kann. Die Kommission schlug vor, dass Informationskampagnen für Bürger, die in die USA reisen wollen, aus den nationalen Programmen im Rahmen des EU-Fonds für die innere Sicherheit finanziert werden könnten. Im Nachgang dazu organisierte die Kommission am 25. Oktober 2017 eine Videokonferenz, um über die Finanzierungsmöglichkeiten solcher Kampagnen zu informieren und anhand von Beispielen in den Mitgliedstaaten Informationen und bewährte Vorgehensweisen auszutauschen. Einige der betroffenen Mitgliedstaaten prüfen derzeit die Möglichkeit, ihre nationalen Programme für diese Zwecke zu nutzen. Die Kommission ist bereit, die Mitgliedstaaten bei Bedarf weiter zu unterstützen.
Das Thema Gegenseitigkeit im Visumbereich stand auch auf der Tagesordnung des Treffens auf Ministerebene zwischen Vertretern der EU und der USA aus dem Bereich Justiz und Inneres am 17. November 2017 in Washington D.C. Beide Parteien stellten Fortschritte in den kooperativen Gesprächen über gegenseitiges, sicheres visumfreies Reisen auf der Grundlage ihrer jeweiligen Regelungen fest und verpflichteten sich, sich weiter für dieses Ziel einzusetzen.
Die wichtigsten der noch zu erfüllenden Anforderungen des Programms für visumfreies Reisen beziehen sich, wie in den vorangegangenen Mitteilungen berichtet, auf die Visum-Ablehnungsquote und die Umsetzung des Abkommens über die Verhütung und Bekämpfung schwerer Kriminalität (PCSC-Abkommen). Erst wenn diese Anforderungen erfüllt sind, kann die nächste Phase beginnen, und zwar die Benennung des Landes für das Programm für visumfreies Reisen durch das US-Außenministerium, gefolgt von einer eingehenden diensteübergreifenden Sicherheitsüberprüfung. Rumänien und Zypern haben in den vergangenen sieben Monaten bei der Meldung verlorener oder gestohlener Reisedokumente an Interpol deutliche Fortschritte gemacht. Zudem hat das rumänische Parlament das PCSC-Abkommen ratifiziert. Jetzt muss es noch von den USA ratifiziert werden. Bulgarien, Kroatien und Zypern haben sich zur vollständigen Umsetzung ihrer PSCS-Abkommen verpflichtet. Die betreffenden Mitgliedstaaten haben Kontakt aufgenommen, um diese Angelegenheit weiterzuverfolgen.
Die Kommission wird ihre Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten in den nächsten Monaten auf allen Ebenen in enger Abstimmung mit den fünf betroffenen Mitgliedstaaten fortsetzen. Die Vereinigten Staaten und die fünf betroffenen Mitgliedstaaten, die sich gewissenhaft den während der letzten trilateralen Treffen festgestellten Problemen widmen, wie der Meldung verlorener oder gestohlener Reisedokumente an Interpol, den bilateralen Vereinbarungen über den Informationsaustausch mit den Vereinigten Staaten, der proaktiven Arbeit in Bezug auf die Visum-Ablehnungsquote, unter anderem durch Informationskampagnen, arbeiten jetzt enger zusammen. Hier sind Fortschritte festzustellen. Die Kommission wird gegenüber der amerikanischen Seite darauf drängen, dass das System für die Ausreisekontrolle an Flughäfen schneller eingeführt wird. Sie ist bereit, die Erfahrungen der EU mit neuen in der Entwicklung begriffenen Technologien und Systemen, die an den Außengrenzen eingesetzt werden sollen (z. B. Sicherheitsschleusen, künftiges Einreise-/Ausreisesystem, ETIAS), auszutauschen.
Die regelmäßigen Treffen auf hoher Ebene (z. B. der leitenden Beamten für Justiz und Inneres am 27./28. Februar 2018 und das Ministerielle Treffen EU-USA – Justiz und Inneres – im Mai 2018) und Fachtagungen wie das in der ersten Hälfte 2018 anstehende trilaterale Treffen bieten Gelegenheit, die Arbeiten zu beschleunigen.
IV.Bewertung der Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus
Nach Artikel 1b der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates hat die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 10. Januar 2018 einen Bericht über die Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus und gegebenenfalls einen Legislativvorschlag zur Änderung der Verordnung vorzulegen.
Die Verordnung (EG) Nr. 539/2001 ist 2013 nach Forderungen der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments nach einem effizienteren Gegenseitigkeitsmechanismus im Visumbereich durch die Verordnung (EU) Nr. 1289/2013 geändert worden, die Solidarität unter den Mitgliedstaaten und strengere Maßnahmen gegenüber Drittländern, die keine vollständige Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht gewähren, ermöglicht. Dem geänderten Mechanismus zufolge müssen die Mitgliedstaaten dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission alte und neue Fälle fehlender Gegenseitigkeit im Verhältnis zu Drittländern melden. Unmittelbar nach Veröffentlichung dieser Mitteilungen der Mitgliedstaaten muss die Kommission im Benehmen mit dem betreffenden Mitgliedstaat gegenüber dem fraglichen Drittland vor allem in den Bereichen Politik, Wirtschaft oder Handel Schritte zur Wiedereinführung oder Einführung des visumfreien Reiseverkehrs unternehmen.
Spätestens sechs Monate nach der Veröffentlichung der Mitteilungen und danach in regelmäßigen Abständen von bis zu sechs Monaten muss die Kommission entweder einen Durchführungsrechtsakt zur vorübergehenden Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands erlassen oder dem in Artikel 4a Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 genannten Ausschuss einen Bericht vorlegen, in dem sie die Lage bewertet und begründet, weshalb sie beschlossen hat, die Befreiung von der Visumpflicht nicht auszusetzen. Bei der Prüfung weiterer Schritte muss die Kommission das Ergebnis der von dem betroffenen Mitgliedstaat getroffenen Maßnahmen zur Gewährleistung des visumfreien Reiseverkehrs mit dem betreffenden Drittland sowie die von ihr im Benehmen mit dem betroffenen Mitgliedstaat und mit den Behörden des Drittlands unternommenen Schritte berücksichtigen. Die Verordnung schreibt zudem vor, dass die Kommission die Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten zu dem betreffenden Drittland berücksichtigt.
In der zweiten Phase muss die Kommission, falls das Drittland die Visumpflicht nicht binnen 24 Monaten ab der Veröffentlichung der Mitteilungen aufgehoben hat (im vorliegenden Fall bis 12. April 2016), einen delegierten Rechtsakt erlassen, mit dem die Befreiung von der Visumpflicht für die Staatsangehörigen dieses Drittlands für einen Zeitraum von 12 Monaten vorübergehend ausgesetzt wird (Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe f der Verordnung).
Im Jahr 2014 erhielt die Kommission von fünf Mitgliedstaaten Mitteilungen über Fälle fehlender Gegenseitigkeit: Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien und Zypern. Die Mitteilungen betrafen Kanada, die Vereinigten Staaten von Amerika, Australien, Brunei und Japan.
Australien hat die Visumpflicht für den Flughafentransit für bulgarische Staatsangehörige im Oktober 2014 und für kroatische und rumänische Staatsangehörige im Juni 2015 aufgehoben. Somit besteht jetzt mit Australien vollständige Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit. Brunei (Mitteilung von Kroatien) hat die Visumpflicht für kroatische Staatsangehörige aufgehoben und gewährt den Staatsangehörigen von Liechtenstein Visumfreiheit für Aufenthalte bis zu 90 Tagen (laut amtlicher Mitteilung vom 13. April 2016). Japan (Mitteilung von Rumänien) hat Rumänien am 17. Dezember 2015 darüber unterrichtet, dass die Befreiung rumänischer Staatsangehöriger von der Visumpflicht, einschließlich der Inhaber provisorischer Pässe, bis zum 31. Dezember 2018 verlängert worden ist. Somit besteht bis 31. Dezember 2018 mit Japan vollständige Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit. Kanada gestattet seit dem 1. Dezember 2017 allen bulgarischen und rumänischen Staatsbürgern die visumfreie Einreise (siehe Abschnitt III der Mitteilung). Somit besteht auch mit Kanada vollständige Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit.
Bewertung
Wirksamkeit des Mechanismus
Die Zahl der Fälle fehlender Gegenseitigkeit ist in den letzten zweieinhalb Jahren erheblich zurückgegangen, sodass die Vereinigten Staaten von Amerika nun das einzige Drittland auf der Liste der von der Visumpflicht befreiten Länder sind, das Staatsbürgern bestimmter EU-Mitgliedstaaten keinen visumfreien Zugang gewährt. Generell lässt sich somit feststellen, dass der Visa-Gegenseitigkeitsmechanismus, so wie er durch die Verordnung (EU) 1289/2013 geändert wurde, Wirkung gezeigt hat. Der derzeitige Mechanismus gibt institutionelle Fristen und spezifische Maßnahmen vor, um in klarer, transparenter Weise auf Fälle fehlender Gegenseitigkeit zu reagieren und in abgestimmter Weise gegenüber Drittländern aufzutreten. Hierzu zählt auch die vorübergehende Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht.
Der Mechanismus wirkt präventiv in Fällen, in denen ein Drittland die Einführung bzw. Wiedereinführung der Visumpflicht für Bürger eines oder mehrerer Mitgliedstaaten erwägt. Nach Auffassung der Kommission hat der Mechanismus in gewissem Maß Drittländer dazu veranlasst, bestehende Visumpflichten aufzuheben.
In jedem Fall ist der Mechanismus ein Ausdruck der Solidarität unter den Mitgliedstaaten, und angesichts der in den letzten zweieinhalb Jahren erzielten Fortschritte ist festzustellen, dass er dazu beigetragen hat, auf dem Weg zur vollständigen Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht gegenüber Drittländern voranzukommen.
Vorübergehende Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für Drittländer
Die vorübergehende Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für Drittländer, die ihrerseits keine Befreiung von der Visumpflicht gewähren, ist ein Kernbestandteil des Gegenseitigkeitsmechanismus, der allerdings noch nie von einem betroffenen Mitgliedstaat eingefordert wurde (auch nicht in begrenztem Umfang für bestimmte Gruppen von Staatsangehörigen des betreffenden Drittlands). Die Verordnung schreibt in diesen Fällen vor, dass die Kommission die Auswirkungen einer Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht auf die Außenbeziehungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten berücksichtigt. Was die Länder anbelangt, die dem gegenwärtigen Gegenseitigkeitsmechanismus unterliegen, so hat die Kommission in ihrer Mitteilung von April 2016 die Folgen und Auswirkungen einer Visumbefreiung sowohl für EU-Bürger und EU-Unternehmen als auch für die Staatsangehörigen der betroffenen Drittländer untersucht. In der Mitteilung von April 2016 und den drei Folgemitteilungen von Juli und Dezember 2016 sowie Mai 2017 hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass eine vorübergehende Aussetzung der Visumbefreiung für bestimmte Drittländer, die keine Gegenseitigkeit gewähren, insbesondere angesichts der erzielten Fortschritte und der laufenden Bemühungen in Bezug auf ein bestimmtes Drittland und den betroffenen Mitgliedstaat, kontraproduktiv wäre und nicht dazu beitragen würde, das Ziel des visumfreien Reiseverkehrs für alle EU-Bürger zu erreichen. Die Kommission hat außerdem das Europäische Parlament und den Rat zu Beratungen über die geeignetste Vorgehensweise aufgefordert.
Verfahrenstechnische Mängel
Verfahrenstechnisch weist der Gegenseitigkeitsmechanismus in zweierlei Hinsicht Mängel auf. Erstens ist die Sechsmonatsfrist für Mitteilungen an die Kommission in der ersten Verfahrensphase zu kurz, da Fälle fehlender Gegenseitigkeit zwar auf politischer Ebene gelöst werden können, aber für die Umsetzung des visumfreien Reiseverkehrs in der Praxis unter Umständen mehr Zeit nötig ist. Zweitens ist die Frist von höchstens 90 Tagen zur Einführung der Visumpflicht für bestimmte Drittländer möglicherweise zu kurz (z. B. erscheint diese Frist nicht ausreichend, um die Visumpflicht für US-Bürger in der Praxis wiedereinzuführen).
Abschließend ist festzustellen, dass der gegenwärtige Gegenseitigkeitsmechanismus trotz der vorgenannten Mängel in den letzten zweieinhalb Jahren dazu beigetragen hat, die überwiegende Mehrheit der Fälle fehlender Gegenseitigkeit zu lösen, sodass die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt die Vorlage eines Legislativvorschlags zur Änderung des Mechanismus nicht in Betracht zieht.
Nutzung der Befugnisübertragung
Nach Artikel 4b der Verordnung wird der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 1 Absatz 4 Buchstabe f für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 9. Januar 2014 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Kommission teilt mit, dass sie von dieser Befugnis keinen Gebrauch gemacht hat.
V.Schlussfolgerung und Ausblick
Die Kommission setzt sich weiterhin prioritär für die vollständige Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht für alle Mitgliedstaaten ein.
Die Kommission begrüßt, dass Kanada im Einklang mit seiner früheren Zusage die Visumpflicht für alle bulgarischen und rumänischen Staatsbürger zum 1. Dezember 2017 aufgehoben hat. Somit besteht jetzt mit Kanada vollständige Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit.
Um auf dem Weg zur vollständigen Gegenseitigkeit bei der Visumfreiheit schneller voranzukommen, wird die Kommission gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika weiter darauf dringen, dass sie die Zusammenarbeit mit den betroffenen fünf Mitgliedstaaten und der Kommission im Geiste der Gemeinsamen Erklärung von Juni 2017 fortsetzen. Dies dürfte nachdrücklichere, konkrete Maßnahmen aller Beteiligten zur Folge haben.
Da die vollständige Gegenseitigkeit bei der Befreiung von der Visumpflicht mit Kanada erreicht worden ist und angesichts der laufenden Arbeiten mit den Vereinigten Staaten hält die Kommission zum jetzigen Zeitpunkt an ihrem Standpunkt fest, dass sich Fortschritte nach wie vor am besten im Wege der Zusammenarbeit und durch gemeinsames diplomatisches Engagement erreichen lassen. Die Kommission vertritt weiterhin die Auffassung, dass der Erlass eines delegierten Rechtsakts zur vorübergehenden Aussetzung der Befreiung von der Visumpflicht für Staatsbürger der Vereinigten Staaten zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv wäre und nicht dazu beitragen würde, Visumfreiheit für alle EU-Bürger bei Reisen in die USA zu erreichen. Diese Position kann jedoch im Lichte künftiger Entwicklungen überprüft werden.
Was die Wirksamkeit des Gegenseitigkeitsmechanismus betrifft, so stellt die Kommission in ihrer Bewertung fest, dass seit Änderung des Mechanismus Fortschritte erzielt worden sind. Diese Fortschritte sind zwar nicht allein auf den Mechanismus zurückzuführen, doch ermöglicht er in Fällen fehlender Gegenseitigkeit ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen der EU und hat sich nach allgemeiner Auffassung als nützliches Instrument gegenüber Drittländern erwiesen. Die Kommission zieht daher zum jetzigen Zeitpunkt die Vorlage eines Legislativvorschlags zur Änderung des Mechanismus nicht in Betracht.
Die Kommission beabsichtigt, ihre enge Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und dem Rat fortzusetzen. Sie wird dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens im Herbst 2018 über die weiteren Entwicklungen berichten.