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Document 52014IR4885

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — „Förderung der Qualität öffentlicher Investitionen im Handlungsbereich der EU“

OJ C 19, 21.1.2015, p. 4–8 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

21.1.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 19/4


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen — „Förderung der Qualität öffentlicher Investitionen im Handlungsbereich der EU“

(2015/C 019/02)

Berichterstatterin

Catiuscia MARINI (IT/SPE), Präsidentin der Region Umbrien

Referenzdokument

 

I.   ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

betont, dass die Bedingungen für die Finanzierung der Realwirtschaft durch die aktuelle Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise tiefgreifend verändert werden. Vor diesem Hintergrund wird die Förderung sowohl öffentlicher als auch privater Investitionen langfristig immer wichtiger. Öffentliche Investitionen könnten nicht nur ein Stimulans, sondern auch eine Voraussetzung für private Investitionen sein: Sie können für die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Wirtschaft in einer bestimmten Region hilfreich sein und in wirtschaftlich schlechten Zeiten antizyklisch wirken. Über die Ergänzung privater Investitionen hinaus können öffentliche Interventionen der Verwirklichung von Zielen von allgemeinem Interesse in Bereichen dienen, in denen ein Eingreifen der öffentlichen Hand erforderlich ist (wie allgemeine und berufliche Bildung, Forschung, Infrastruktur, Gesundheit, Umwelt usw.), weil sich hier die weiter gefassten gesellschaftlichen Vorteile nicht mit den privaten Investitionsmustern decken;

2.

stellt fest, dass die privaten Investitionen in der Europäischen Union rückläufig sind, obwohl die Direktinvestitionen weltweit fast im zweistelligen Bereich (1) steigen. Gleichzeitig sind die derzeit extrem niedrigen realen Zinssätze für den Privatsektor nur in begrenztem Maße ein Anreiz, öffentliche Investitionen kurzfristig zu unterstützen. Daher müssen günstige Rahmenbedingungen zur Förderung privater Investitionen geschaffen werden, wobei gleichzeitig Umfang, Qualität und Wirksamkeit öffentlicher Investitionen gesteigert werden müssen, damit der Mangel an privater Nachfrage durch öffentliche Nachfrage kompensiert wird;

3.

verweist auf die Prognose des Internationalen Währungsfonds für die Weltwirtschaft (IMF World Economic Outlook) vom Oktober 2014 (2), in der es heißt, dass in Volkswirtschaften, in denen während einer Konjunkturflaute und einer akkommodierenden geldpolitischen Ausrichtung ein klar umrissener Infrastrukturbedarf und effiziente Verfahren für öffentliche Investitionen existieren, sehr vieles für eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen in Infrastruktur spricht;

4.

unterstreicht, dass innerhalb der Europäischen Union die öffentlichen Investitionen zwischen 2008 und 2013 real um 20 % zurückgegangen sind; weist darauf hin, dass bereits vor der Krise zu wenig Ausgaben im Bereich der öffentlichen Investitionen getätigt wurden, dass sich diese Situation aber seitdem verschärft hat. Während der Krise wurden die öffentlichen Investitionen jedoch durch die öffentliche Intervention zur Rekapitalisierung der Banken weiter erschwert. Diese hatten in einigen Ländern des Euroraums insbesondere mit den Folgen privater Überinvestitionen in Immobilien zu kämpfen. Laut neuesten Vorhersagen der Kommission für 2013 und 2014 werden die Investitionen im Sektor Staat in der EU-27 2014 einen historischen Tiefststand erreichen. Im Privatsektor war dies bereits 2013 der Fall (3);

5.

unterstützt daher den wachsenden Konsens darüber, dass die Rückkehr zu nachhaltigem Wachstum in der EU ohne die Stimulierung wachstumsfreundlicher Investitionen unmöglich sein wird (4). Die Stimulierung wachstumsfreundlicher Investitionen ist deshalb wichtig, weil diese im Vergleich zu anderen Ausgabenkategorien — wie beispielsweise Verbrauch der öffentlichen Hand, Sozialtransfers, Mehrwertsteuersenkungen oder höhere Sozialbeiträge der Arbeitnehmer — den stärksten fiskalischen Multiplikatoreffekt haben, d. h. die stärksten induzierten Auswirkungen auf das reale BIP-Wachstum (5);

6.

weist auf das Risiko hin, dass ein anhaltend geringes Volumen hochwertiger öffentlicher Investitionen zu einer weiteren Vertiefung der Kluft in den Bereichen Zusammenhalt und Konvergenz führen würde, die im sechsten Kohäsionsbericht der Europäischen Kommission ermittelt wurde;

7.

weist jedoch darauf hin, dass der „finanzpolitische Spielraum“ für öffentliche Ausgaben sowohl durch den hohen Schuldenstand in einigen Mitgliedstaaten wie auch durch den krisenbedingten Anstieg der Ausgaben für Sozialleistungen und für Kapitaltransfers an Unternehmen verringert wird;

8.

stellt fest, dass die Verschlechterung der öffentlichen Finanzen und die ab Ende 2010 auf den Weg gebrachten Konsolidierungsmaßnahmen in zahlreichen Mitgliedstaaten beträchtliche Veränderungen hinsichtlich der Verteilung der öffentlichen Ausgaben mit sich gebracht haben. Insbesondere wachstumsfreundliche Ausgaben wurden im Zuge der Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen überdurchschnittlich stark beschnitten und sind in der EU-27 zwischen 2008 und 2012 von 36,7 % auf 35,6 % geschrumpft (6);

9.

betont nochmals, dass der subnationalen Ebene eine Schlüsselrolle mit Blick auf die öffentlichen Investitionen zukommt, da sie 2013 rund 55 % der gesamten öffentlichen Investitionen in der EU tätigte. Der Anteil der subnationalen öffentlichen Investitionen ist jedoch von 2,2 % des BIP der EU-27 im Jahr 1995 auf 1,8 % im Jahr 2013 gefallen und seit 2010 real rückläufig (7). Dieser Rückgang ist auch in starkem Maße auf die Verschlechterung der Bedingungen für die Kreditaufnahme zurückzuführen. In zahlreichen OECD-Staaten wurden im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen Bestimmungen für die Aufnahme von Fremdfinanzierungen durch die Gebietskörperschaften eingeführt bzw. verschärft, was in vielen Fällen erforderlich ist, um die Staatsverschuldung einzudämmen — hierdurch wurde aber auch der Druck auf die Investitionskapazitäten weiter erhöht;

10.

unterstreicht, dass die Mitgliedstaaten laut Protokoll Nr. 12 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für die Defizite des Staatssektors verantwortlich sind, was sämtliche Regierungsebenen einschließt. Gleichzeitig haben die EU-Haushaltsbestimmungen sehr unterschiedliche Auswirkungen auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Europa. Diese Auswirkungen hängen von folgenden Faktoren ab: i) von der Umsetzung der EU-Haushaltsbestimmungen in nationales Recht, ii) vom Grad der fiskalischen Dezentralisierung innerhalb eines Mitgliedstaats, iii) vom Umfang der einschlägigen Befugnisse der lokalen und nationalen Gebietskörperschaften sowie iv) von der Finanzlage der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die auch innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich sein kann;

11.

betont, dass die öffentlichen Investitionen zwar indirekt über die makroökonomischen Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) — Defizit und Staatsverschuldung unter 3 % bzw. 60 % des BIP — erfasst sind, aber der einzige spezifische Hinweis auf öffentliche Investitionen in den EU-Verträgen im Zusammenhang mit dem Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (VÜD) zu finden ist, wobei keine Differenzierung der verschiedenen Ausgabenkategorien erfolgt. Laut Artikel 126 Absatz 3 AEUV wird in dem Bericht, der der Einleitung eines VÜD vorausgeht, „berücksichtigt, ob das öffentliche Defizit die öffentlichen Ausgaben für Investitionen übertrifft; berücksichtigt werden ferner alle sonstigen einschlägigen Faktoren […]“. Die Liste der sonstigen Faktoren in der Regelung für das VÜD enthält u. a. „die Entwicklungen bei den Primärausgaben als laufende Ausgaben und als Kapitalausgaben … die Umsetzung politischer Maßnahmen im Rahmen der gemeinsamen Wachstumsstrategie der Union und der Qualität der öffentlichen Finanzen insgesamt“;

12.

stellt fest, dass bislang keine EU-Strategie für öffentliche Ausgaben konzipiert wurde und sich die Kommission zumeist auf unverbindliche Empfehlungen an die Mitgliedstaaten beschränkt hat: „Wachstumsimpulse werden von einer glaubhaften und wachstumsfreundlichen Konsolidierung, durch die die Steuerstruktur effizienter wird und die Qualität der öffentlichen Ausgaben steigt, ausgehen. Die Mitgliedstaaten sollten […] insbesondere danach trachten, die Haushaltskonsolidierung in einem angemessenen Tempo fortzusetzen und gleichzeitig an den Investitionen festhalten, mit denen die im Rahmen der Strategie Europa 2020 angestrebten Wachstums- und Beschäftigungsziele verwirklicht werden sollen (8)“. Diese Empfehlung wurde im Jahreswachstumsbericht (JWB) 2013 näher ausgeführt, in dem Folgendes unterstrichen wird: „Investitionen in Bildung, Forschung, Innovationen und Energie sollten Vorrang haben und, wo möglich, ausgebaut sowie effizient eingesetzt werden. […]“; unterstreicht, dass jede europäische Strategie dem Subsidiaritätsprinzip strengstens Rechnung tragen muss;

13.

begrüßt jedoch, dass in den länderspezifischen Empfehlungen (LSE) für 2014 der Schwerpunkt verstärkt auf langfristige Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums gelegt und anerkannt wird, dass kurzfristige Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen im Sinne eines ausgewogenen Policy-Mix durch langfristige Investitionen für Wachstum und Beschäftigung flankiert werden sollten. In den LSE wird häufig auf Forschung und Innovation, Wissen, Bildung, Marktzugang für KMU (13 Länder), den Energiesektor (12 Länder) sowie Verkehrs- und Breitbandinfrastruktur (8 Länder) verwiesen (9);

14.

erinnert daran, dass in dem von den Staats- und Regierungschefs am 28./29. Juni 2012 angenommenen Pakt für Wachstum und Beschäftigung Folgendes festgehalten ist: „[…]; es muss besonders auf Investitionen in zukunftsorientierte Bereiche, die unmittelbar mit dem Wachstumspotenzial der Wirtschaft zusammenhängen, und auf die Sicherstellung der langfristigen Finanzierbarkeit der Altersversorgungssysteme geachtet werden. Die Kommission überwacht, wie sich starke Haushaltszwänge auf wachstumsfördernde öffentliche Ausgaben und auf öffentliche Investitionen auswirken. Sie wird über die Qualität der öffentlichen Ausgaben und über den Spielraum für mögliche Maßnahmen innerhalb der haushaltspolitischen Rahmen der EU und der Mitgliedstaaten berichten.“ Auf dieses Mandat hat die Europäische Kommission mit der Vorlage eines eher akademischen Beitrags reagiert, der weder einen ordnungsgemäßen rechtlichen Status hatte noch irgendwelche politischen Empfehlungen enthielt (10);

15.

ist der Auffassung, dass der Empfehlung in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2012, die „Möglichkeiten, die der bestehende haushaltspolitische Rahmen der Union bietet, um den Bedarf an produktiven öffentlichen Investitionen mit den Zielen der Haushaltsdisziplin in Einklang zu bringen, […] im Rahmen der präventiven Komponente des SWP (11)“ zu nutzen, nicht gefolgt wurde, diese Empfehlung aber nach wie vor höchst aktuell ist. Dies macht der Präsident der EZB in seinen Ausführungen vom 22. August 2014 deutlich: Der Euroraum habe seit 2010 darunter gelitten, dass die Haushaltspolitik — insbesondere im Vergleich zu anderen großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften — kaum als wirksames Instrument zur Verfügung gestanden habe. Für den politischen Kurs insgesamt wäre es hilfreich, wenn die Haushaltspolitik neben der Geldpolitik eine größere Rolle spielen würde, und dafür sehe er auch bei Berücksichtigung der besonderen Ausgangsbedingungen und der rechtlichen Zwänge der EU durchaus Spielraum;

16.

verweist darauf, dass im SWP eine Flexibilität bei seiner Anwendung im Falle außergewöhnlicher, zeitlich befristeter Umstände vorgesehen ist, die in der Verordnung Nr. 1177/2011 definiert werden; nach eigener Einschätzung der Kommission bietet der haushaltspolitische Rahmen der EU genügend Spielraum, um den Bedarf an produktiven öffentlichen Investitionen mit den Zielen der Haushaltsdisziplin in Einklang zu bringen (12).

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

17.

fordert unter Bezugnahme auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27. Juni 2014, in denen der Rat bestätigte, dass „die Union […] entschlossene Schritte unternehmen [muss], um das Wachstum zu fördern, Investitionen zu steigern, mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen und Reformen zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit zu fördern“ und dass „dies […] auch [erfordert], die in den geltenden Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts enthaltene Flexibilität in bester Weise zu nutzen“, die Kommission auf, eine Mitteilung dazu zu veröffentlichen, wie sie die bestehenden Flexibilitätsmöglichkeiten des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu handhaben gedenkt, um die zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums erforderlichen öffentlichen Investitionen zu fördern;

18.

erinnert daran, dass die Regierungen davon abgehalten werden müssen, bei der Erfüllung von Auflagen zur Haushaltskonsolidierung die Investitionsausgaben zu beschneiden, damit bei den öffentlichen Nettoinvestitionen ein angemessenes und nachhaltiges Niveau gewährleistet werden kann. Die Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass sich die Regierungen auf dem Höhepunkt der Krise für die Kürzung der Investitionen statt der laufenden Ausgaben entschieden haben; Investitionen sind jedoch bekanntlich für die mit ESIF-Mitteln unterstützten europäischen Regionen und Städte ein wichtiger Hebel für wirksame Strukturmaßnahmen, ohne den ihre aktive Beteiligung an der Strategie Europa 2020 unmöglich gewährleistet werden könnte;

19.

schließt sich der Forderung des Europäischen Parlaments an, dass eine nationale Kofinanzierung von Investitionen, die im Rahmen der Partnerschaftsvereinbarungen von der EU kofinanziert werden, ausgenommen werden sollte, und spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass die Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht auf die Investitionen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen der Struktur- und Kohäsionsfonds angewendet werden; weist jedoch zugleich auch darauf hin, dass sich alle Regierungs- und Verwaltungsebenen bemühen müssen, ihre Schuldenhöhe einzudämmen, um künftigen Generationen weniger hohe Rückzahlungslasten aufzubürden;

20.

hält es für besorgniserregend, dass bei den Rechnungslegungsstandards des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene (ESVG 2010) von Eurostat, das ab September 2014 gelten soll, nicht zwischen Ausgaben und Investitionen unterschieden wird. Zudem führt die Umsetzung dieser Standards in nationales Recht in einigen Mitgliedstaaten dazu, dass die lokalen und nationalen Gebietskörperschaften dazu verpflichtet werden, Obergrenzen für Investitionen pro Jahr und pro Einwohner anzusetzen. Diese Obergrenzen hindern insbesondere lokale und regionale Gebietskörperschaften in einigen Mitgliedstaaten daran, die erforderliche Kofinanzierung für Projekte der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds bereitzustellen. Ferner behindern diese Obergrenzen auch diejenigen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die über Rückstellungen verfügen, mit denen sie umfangreiche Investitionsprojekte anstoßen könnten, die nicht mit den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds verbunden sind; fordert die Europäische Kommission daher auf, einen Bericht über die Umsetzung des ESVG 2010 vorzulegen;

21.

betont, dass die Ausklammerung der Kofinanzierung bei den Defizitberechnungen von besonderer Bedeutung wäre, um die Umsetzung der EU-Programme zu beschleunigen und zu erleichtern; unterstreicht außerdem, dass eine solche Ausklammerung auch für die diejenigen Mitgliedstaaten wichtig wäre, die am stärksten von der Krise in Mitleidenschaft gezogen sind und die Finanzhilfen aus einem Programm im Rahmen des Zahlungsbilanzmechanismus für nicht dem Euroraum angehörende Länder (Rumänien, Lettland und Ungarn) oder des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) für Euro-Länder (Griechenland, Irland und Portugal) erhalten haben und wo die nationalen Kofinanzierungssätze für Strukturfondsmittel seit 2011 gesenkt wurden. Bei einer Ausklammerung des Kofinanzierungssatzes bei den Defizitberechnungen könnte überdies die Kofinanzierung seitens der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften leichter und in größerem Umfang bereitgestellt werden; dadurch könnten wiederum die EU-Mittel auf mehr Projekte verteilt werden, wodurch ihre Hebelwirkung gesteigert und die Qualität öffentlicher Investitionen verbessert würde;

22.

möchte angesichts der Tatsache, dass bereits jetzt für die öffentlichen Investitionen der EU im Rahmen der Kohäsionspolitik wegen des Grundsatzes der thematischen Konzentration (Zweckbindung für Europa-2020-Ziele) Erwägungen zur differenzierten Qualität öffentlicher Investitionen maßgeblich sind, von der Europäischen Kommission wissen, weshalb die EU nicht die Anwendung analoger Bewertungskriterien für die Behandlung der öffentlichen Ausgaben der Mitgliedstaaten in Betracht ziehen sollte;

23.

fordert die Europäische Kommission auf, ein Weißbuch vorzulegen, in dem eine Klassifizierung auf EU-Ebene für die Qualität öffentlicher Investitionen bei den Berechnungen der öffentlichen Ausgaben in Abhängigkeit von ihrer langfristigen Wirkung umrissen wird. Eine solche Klassifizierung könnte schließlich zu einer gewichteten Betrachtung der Qualität öffentlicher Investitionen bei der Berechnung der Haushaltsdefizite und/oder einer besseren Berücksichtigung des tatsächlichen makroökonomischen Zyklus/Kontexts führen. Das Ziel bestünde letztendlich darin, eine „goldene Regel“ einzuführen, die in der öffentlichen Rechnungsführung eine Trennung zwischen laufenden Ausgaben und Investitionen erlaubt, um so zu vermeiden, dass öffentliche Investitionen mit einem langfristigen Nettonutzen nur hinsichtlich ihrer kurzfristigen „Kosten“ als Minus verbucht werden;

24.

bekräftigt ferner seine Unterstützung für die Empfehlungen des Europäischen Parlaments in dessen Entschließung vom November 2012 zu einem Pakt für soziale Investitionen als Reaktion auf die Krise (13). Darin wird anerkannt, dass die derzeitige Wirtschafts- und Finanzkrise lang anhaltende Auswirkungen u. a. auf die Quantität und Qualität der sozialen Investitionen in Europa haben wird, und daher wird ein neuer Ansatz für soziale Investitionen in Europa gefordert. Das Europäische Parlament hat vorgeschlagen, dass die Mitgliedstaaten nach Vorbild des „Euro-Plus-Paktes“ die Unterzeichnung eines „Pakts für soziale Investitionen“ prüfen, mit dem Investitionsziele festgelegt werden, um die beschäftigungs-, sozial- und bildungspolitischen Ziele der Europa-2020-Strategie zu erreichen; fordert darüber hinausgehend, dass die Strategie für öffentliche Investitionen sich an ökologischen und sozialen Zielen ausrichtet;

25.

fordert eine Überprüfung der Methodik für die Berechnung des „strukturellen Defizits“, um den inhärenten Merkmalen der einzelnen Volkswirtschaften und den strukturellen Unterschieden bei den öffentlichen Ausgaben Rechnung zu tragen (14);

26.

ersucht die Kommission, in jeden Jahresbericht über die öffentlichen Finanzen in der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) ein Kapitel über die Qualität der öffentlichen Investitionen — und zwar auch auf subnationaler Ebene — aufzunehmen;

27.

weist darauf hin, dass die Qualität der Investitionen in hohem Maße durch eine verantwortungsvolle Verwaltung bestimmt wird. Diesbezüglich teilt er die Auffassung, dass Ausgabenüberprüfungen ein geeignetes Instrument zur Kontrolle der Investitionseffizienz seien. Mit diesen Überprüfungen werde eine „intelligentere“ Verteilung der Haushaltsmittel auf die nationalen Prioritäten anhand einer selektiven und nachhaltigen ausgabenbasierten Haushaltskonsolidierung angestrebt, d. h. eine gründliche und koordinierte Überprüfung der Basisausgaben anhand der politischen Ergebnisse verfolgt. Im Vergleich zu linearen, pauschalen Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip, die mittel- und langfristig verschiedene negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen haben könnten, böten sie grundsätzlich einen nachhaltigeren Ansatz (15);

28.

schlägt vor, dass die Europäische Kommission die Empfehlung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bezüglich der Festlegung von Grundsätzen für öffentliche Investitionen (16) (März 2014) offiziell unterstützt; begrüßt, dass in der Empfehlung in sämtlichen politischen Handlungsbereichen (Koordinierung öffentlicher Investitionen, Kapazitätsaufbau, Festlegung von Rahmenbedingungen) die immer wichtigere Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Planung und Durchführung öffentlicher Investitionen anerkannt wird;

29.

begrüßt die Ankündigung des sogenannten Juncker-Pakets, mit dem bis zu 300 Mrd. EUR für Investitionen in Bereichen wie Breitbandausbau, Energie und Industrie- und Kommunikationsinfrastrukturen mobilisiert werden sollen; fordert diesbezüglich mehr Informationen zur Herkunft dieser Mittel, zu ihrer tatsächlichen Zusätzlichkeit wie auch zum Umfang der privaten Investitionen, die dadurch angestoßen werden sollen, und dringt darauf, dass die Gebietskörperschaften angemessen an der Planung und Umsetzung der Maßnahmen beteiligt werden;

30.

schlägt im Rahmen der Halbzeitbewertung der Strategie Europa 2020 vor, einen Indikator zur Investitionsquote in den makroökonomischen Anzeiger (Scoreboard) aufzunehmen;

31.

unterstreicht nachdrücklich, dass eine europäische Strategie zur stärkeren Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Eindämmung von Steuerumgehung gleichzeitig Mittel für ein Wiedererstarken hochwertiger öffentlicher Investitionen freisetzen und für die Unternehmen fairere Wettbewerbsbedingungen schaffen würde;

32.

ist der Ansicht, dass die Schaffung eines europäischen Sparkontos zur Finanzierung des 300 Mrd. EUR schweren Investitionspakets beitragen könnte;

33.

erwartet, dass die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer, deren Einführung 11 Mitgliedstaaten im Rahmen einer stärkeren Zusammenarbeit planen, mit dem 300 Mrd. EUR schweren Investitionspaket abgestimmt werden;

34.

plädiert für eine stärkere Abstimmung zwischen der EIB und den nationalen Investitionsbanken, eventuell mit einer gebündelten Ausrichtung der Finanzierungskapazitäten auf gemeinsame Projekte, um grenzüberschreitende Ausstrahlungseffekte zu erzielen;

35.

begrüßt die erste europäische Projektanleihe für superschnelle Breitbandverbindungen, die von der Europäischen Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EZB) am 23. Juli 2014 aufgelegt wurde, und fordert die Begebung weiterer grenzübergreifender/europäischer Projektanleihen für die Unterstützung des Infrastrukturausbaus;

36.

befürwortet eine weitere Aufstockung des eingezahlten Kapitals der EZB um 10 Mrd. EUR nach dem Modell der erfolgreichen Erhöhung Mitte 2012, durch die die Kreditvergabe an KMU fast verdoppelt werden konnte. Bei einer Aufstockung um weitere 10 Mrd. EUR könnte die EIB-Darlehensvergabe nochmals um bis zu 80 Mrd. EUR steigen, sofern dies im Rahmen des Mandats der EIB in dem jeweiligen Mitgliedstaat möglich ist;

37.

fordert die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang auf, zu prüfen, ob ein kleiner Teil des EU-Haushalts — möglicherweise rund 5 Mrd. EUR pro Jahr — als Risikopuffer verwendet werden kann; dies würde es der EIB ermöglichen, zusätzliche Ressourcen für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben (Projektanleihen) verfügbar zu machen, wodurch Investitionen in Höhe von bis zu 40 Mrd. EUR angeschoben werden könnten.

Brüssel, den 3. Dezember 2014.

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Michel LEBRUN


(1)  Siehe United Nations World Investment Report 2014 (Weltinvestitionsbericht), 24. Juni 2014, http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/wir2014_en.pdf

(2)  http://www.imf.org/external/pubs/ft/weo/2014/02/pdf/c3.pdf (in Englisch).

(3)  Siehe Sechster Kohäsionsbericht, S. 142.

(4)  Zur Definition wachstumsfreundlicher Ausgaben siehe Europäische Kommission, The Quality of Public Expenditures in the EU (2012).

(5)  Siehe CEPII Policy Brief no 4 vom Juli 2014 „A new Architecture for Public Investment in Europe“ von Natacha Valla, Thomas Brand und Sébastien Doisy, S. 4.

(6)  Siehe Sechster Kohäsionsbericht, S. 140.

(7)  Siehe Sechster Kohäsionsbericht, S. 148.

(8)  Mitteilung der Kommission ‚Ein Konzept für eine vertiefte und echte WWU: Auftakt für eine europäische Diskussion‘, KOM(2012) 777 final, 30.11.2012, Ziffer 3.1.6.

(9)  Siehe AdR-Analyse der länderspezifischen Empfehlungen für 2014, Juli 2014.

(10)  http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/occasional_paper/2012/pdf/ocp125_en.pdf

(11)  Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. Dezember 2014 zum Fahrplan für die Vollendung der WWU, Ziffer 2.

(12)  Europäische Kommission, The Quality of Public Expenditures in the EU, S. 31.

(13)  http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012-0419+0+DOC+XML+V0//DE

(14)  Bezüglich einer Erläuterung, weshalb die öffentlichen Ausgaben von Land zu Land unterschiedlich sind, siehe Céline Mareuge/Catherine Merckling: „Pourquoi les dépenses publiques sont-elles plus élevées dans certains pays?“, Analyse des Instituts „France Stratégie“, Juli 2014.

(15)  Siehe Europäische Kommission, Economic Paper 525: Public Spending Reviews: design, conduct and implementation, Summary for non-specialists, Juli 2014.

(16)  http://www.oecd.org/gov/regional-policy/oecd-principles-on-effective-public-investment.htm


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