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Document 52012AE1051

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU“ (Sondierungsstellungnahme)

OJ C 191, 29.6.2012, p. 6–10 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

29.6.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 191/6


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU“ (Sondierungsstellungnahme)

2012/C 191/02

Berichterstatterin: An LE NOUAIL MARLIÈRE

Der dänische Ratsvorsitz beschloss am 11. Januar 2012, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um Stellungnahme zu folgendem Thema zu ersuchen:

Förderung der Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch in der EU

(Sondierungsstellungnahme).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 10. April 2012 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 480. Plenartagung am 25./26. April 2012 (Sitzung vom 26. April) mit 124 gegen 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Im Einklang mit seiner Befassung durch den dänischen Ratsvorsitz hat der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss sich damit auseinander gesetzt, welche Instrumente und Maßnahmen notwendig sind, um zu Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch zu gelangen. Der Ausschuss würdigt die Bewusstseinsbildung und die Anstrengungen der europäischen Institutionen und empfiehlt in diesem Kontext und zur Sicherstellung eines gerechten Übergangs, unter Einbindung aller Interessenträger der organisierten Zivilgesellschaft im Rahmen eines fachkundigen Beratungsforums Ziele und Begleitmaßnahmen festzulegen und eine gemeinsame neue Vision des Wirtschaftsmodells zu entwerfen.

1.2   Folgendes wird empfohlen:

Die Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch sollen eng mit dem Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa  (1) verknüpft und die Mitgliedstaaten angehalten werden, diese Maßnahmen im Rahmen des Fahrplans und des europäischen Semesters umzusetzen.

Es muss eine breite Palette an Durchführungs- und Anreizinstrumenten eingesetzt werden, beispielsweise Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung nicht nachhaltiger Produkte, Instrumente zur Gewährleistung einer gerechteren Besteuerung, die Förderung eines grünen öffentlichen Beschaffungswesens, die schrittweise Abschaffung von umweltschädlichen Beihilfen, Forschung und Ökoinnovation, die Internalisierung von Umweltkosten und weitere neue marktbasierte Anreize, die auf die Teilhabe der Verbraucher und Arbeitnehmer am Wandel ausgerichtet sind.

1.3   Auch das Finanzsystem (2) muss auf Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch ausgerichtet werden, wobei der Schwerpunkt auf die Bereiche gelegt werden sollte, deren ökologischer Fußabdruck am größten ist, wie die Nahrungsmittelindustrie, die Landwirtschaft, der Wohnbau, die Infrastrukturen und der Verkehr.

1.4   Ferner sollten jenseits der Energie- und Emissionsproblematik auch andere Ressourcen und Umweltauswirkungen berücksichtigt werden, beispielsweise in den Bereichen Wasserwirtschaft und Gewässerschutz, Bodennutzung und Luftverschmutzung, und der gesamten Ökobilanz der Produkte Rechnung getragen werden.

1.5   Durch die Unterstützung verbesserter Produktionsverfahren und Produkte können den Verbrauchern die Produkte und Dienstleistungen geboten werden, die einem nachhaltigen Lebensstil entsprechen.

1.6   Zur Förderung nachhaltiger Verbrauchsmuster und Lebensstile sollten über die Stärkung der Verbrauchervereinigungen und der Produzenten, die den Fair-Handels-Grundsätzen verpflichtet sind, Alternativen zum raubtierartigen Verbrauch gefördert und geschützt und bewährte Verfahrensweisen unterstützt werden.

2.   Einleitung

2.1   Um gleichzeitig einen Ausweg aus der Krise finden, die Wirtschaft ankurbeln und die Klimaschutzverpflichtungen der EU einhalten zu können, ersuchte die dänische Regierung den Ausschuss im Dezember 2011 um Erarbeitung einer Sondierungsstellungnahme zu Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch (engl. sustainable consumption and productionSCP) in der EU. Unter Bezugnahme auf den von der Europäischen Kommission vorgelegten „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ und die darin aufgestellten Etappenziele für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch (3) forderte die dänische Regierung den Ausschuss auf, in dieser Stellungnahme zu erörtern, welche Instrumente notwendig sind, um die Umgestaltung der europäischen Wirtschaft hin zu nachhaltigen Produktions- und Verbrauchsmustern zu bewerkstelligen.

2.2   Die wirtschaftliche Entwicklung gründet bislang auf der Ausbeutung nicht erneuerbarer Energieträger und Grundstoffe, ganz nach der Anschauung, der zufolge der Mensch „Herrscher und Besitzer der Natur“ ist. Die Produktion von Gütern und Dienstleistungen erfolgt noch stets unter Externalisierung derjenigen Kosten, die eigentlich in die Abgaben auf nicht erneuerbare natürliche Ressourcen, den Ausstoß von Klimagasen und den Eintrag anderer Schadstoffe in die Umwelt einfließen sollten. In einer Marktwirtschaft muss den Wirtschaftsteilnehmern die Internalisierung dieser Kosten durch möglichst allgemeingültige Rechtsnormen auferlegt werden.

2.3   Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch, d.h., die Verwendung von Dienstleistungen und Produkten, die bei einem geringeren Verbrauch an natürlichen Ressourcen einen höheren Mehrwert erzeugen, steht im Mittelpunkt der Strategien zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und zur Förderung einer grünen Wirtschaft. Im Jahr 2008 schlug die Europäische Kommission in ihrem ersten „Aktionsplan für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch“ verschiedene einschlägige Maßnahmen vor (4). In Anlehnung an diese Etappenziele wird die Kommission 2012 ihre Maßnahmen zur Förderung von Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch überarbeiten.

3.   Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch: notwendige politische Konzepte und Instrumente

3.1   Eine gemeinsame neue Vision des Wirtschaftsmodells entwerfen

3.1.1   Ein Grund für die bisher nur begrenzte Wirkung der SCP-Maßnahmen liegt darin, dass das Nachhaltigkeitskonzept zwar in der EU-2020-Strategie verankert worden ist, in der Praxis aber häufig nicht weiter beachtet wird. Im derzeitigen Wirtschaftsmodell geht es vor allem darum, Wachstum zu schaffen und den Verbrauch zu fördern, und die Wirtschaftsleistung wird anhand des BIP bewertet. Voraussetzung für eine Nachhaltigkeitswende wäre eine offene und transparente Debatte über ein auf Selbstversorgung beruhendes Wirtschaftsmodell, in dem die Leistungsbewertung an Hand von Indikatoren „über das BIP hinaus“ erfolgen würde, die den ökologischen Fußabdruck, das menschliche und soziale Wohlergehen und den Wohlstand messen. In früheren Stellungnahmen hat der Ausschuss der Kommission vorgeschlagen, gemeinsam ein Forum für nachhaltigen Verbrauch einzurichten, um zu untersuchen, auf welchen Werten eine nachhaltige Wirtschaft gründen muss und was die Bürger an nachhaltigem Verbrauch hindert und welche Erfahrungen es insgesamt mit umweltverträglichen Lebensweisen (5) gibt.

3.2   Ziele und Begleitmaßnahmen festlegen

3.2.1   Zahlreiche Politikbereiche sind betroffen. Um die Fortschritte bei der Umsetzung der SCP-Ziele verfolgen und den Entwicklungsstand bewerten zu können, sollte eine zuverlässige Datenbank eingerichtet werden, in der die Informationen über die Umweltauswirkungen von Produktion und Verbrauch zusammengetragen werden, sodass die Wirkung der politischen Instrumente beurteilt, die Strategien und die Ziele untermauert, die Prioritäten neu ausgerichtet und begleitende Maßnahmen festgelegt werden können.

3.3   Die Zivilgesellschaft einbinden

3.3.1   Die Einbindung der Zivilgesellschaft auf globaler, nationaler und lokaler Ebene ist unabdingliche Voraussetzung für einen erfolgreichen Übergang zu einer grünen und nachhaltigen Wirtschaft. Ein solcher Übergang kann nur dann gelingen, wenn Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch auf Seiten der Unternehmen, der Verbraucher und der Arbeitnehmer als Chance und erstrebenswertes Ziel begriffen wird. Dazu sollten auf allen Ebenen geeignete Strukturen für Dialog und demokratische Partizipation errichtet werden (6).

3.3.2   Diesbezüglich sollten auch nicht länger Industrieinvestitionen, Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen und Kaufkraft der Verbraucher als Messlatte angelegt werden. Durch ein gesteigertes Anspruchsniveau der Verbraucher wird unweigerlich auch der europäische Binnenmarkt durch die Nutzung europäischer Forschungsergebnisse und die Erfüllung der Umweltziele stimuliert. Dazu ist auch erforderlich, dass die Investitionen in Europa bleiben.

3.4   Die SCP-Maßnahmen und den Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa eng miteinander vernetzen

3.4.1   Über ihre Leitinitiative „Ressourcenschonendes Europa“ und den Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa  (7) hat die Europäische Kommission die Ressourceneffizienz zu einer entscheidenden Frage der europäischen Wirtschaft gemacht. Die Umsetzung des Fahrplans steht im Zusammenhang mit der EU-2020-Strategie und wird im Rahmen des europäischen Semesters überwacht. Der Ausschuss empfiehlt, die Überarbeitung des Aktionsplans für Nachhaltigkeit in Verbrauch und Produktion eng mit dem Fahrplan und dem siebten Umweltaktionsprogramm (8) zu verbinden, damit den SCP-Maßnahmen der gleiche politische Stellenwert zuteil wird wie der Ressourceneffizienz und sie in das europäische Semester einbezogen werden. Die Ergänzung der Ressourceneffizienz-Indikatoren durch bestimmte SCP-Indikatoren würde auch die Ziele und die Folgemaßnahmen für Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch unterstützen.

3.5   Die Mitgliedstaaten motivieren

3.5.1   Die zuvor genannten SCP-Ziele könnten zur Weiterentwicklung der einschlägigen Strategien der Mitgliedstaaten beitragen. Eine Integration der SCP-Maßnahmen in den Ressourceneffizienz-Fahrplan und in das europäische Semester könnte für die Mitgliedstaaten von Vorteil sein.

3.6   Ein breites Spektrum an SCP-Instrumenten nutzen

3.6.1   Da SCP-Maßnahmen bereichsübergreifend sind und zahlreiche Aspekte berücksichtigt werden müssen, sollte auf verschiedenen Ebenen eine breite Palette an politischen Instrumenten eingeführt oder aktiviert werden, um die Produktions- und Verbrauchsmuster nachhaltiger zu gestalten. Auf Ebene der EU, der Mitgliedstaaten und der lokalen Gebietskörperschaften müssen aktive Maßnahmen entwickelt werden. Als Instrumente müssen sowohl regulatorische als auch freiwillige Maßnahmen gewählt werden – regulatorische Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung nicht nachhaltiger Produkte, Instrumente zur Gewährleistung einer gerechteren Besteuerung, die Förderung eines grünen öffentlichen Beschaffungswesens, die schrittweise Abschaffung von umweltschädlichen Beihilfen, Forschung und Ökoinnovation, die Internalisierung von Umweltkosten und andere marktbasierte Anreize, die auf die Teilhabe der Verbraucher und Arbeitnehmer am Wandel ausgerichtet sind (9).

3.6.2   Der SCP-Aktionsplan der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 stützte sich auf eine solche Maßnahmenkombination, bei der auch in einer überarbeiteten Fassung angesetzt werden sollte. Mit Blick die anvisierten Ziele, die bisher schwachen Fortschritte und die Chance, durch den Übergang auf eine kohlenstoffarme und ressourceneffiziente Wirtschaft den Ausweg aus der Krise zu finden, könnten allerdings die Absichten ehrgeiziger formuliert und die Instrumente dementsprechend angepasst werden.

3.6.3   Die mit Blick auf Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch eingesetzten Instrumente sind weitgehend freiwilliger und informativer Art (Öko-Label, EMAS, Verbraucherinformationskampagnen usw.). Die Nutzung dieser Instrumente seitens der Unternehmen und der Verbraucher ist begrenzt und beschränkt sich auf bestimmte Branchen und soziale Gruppen. Ohne weitere Maßnahmen wird sich daran kaum etwas ändern. Der Rückgriff auf regulatorische Instrumente ist unerlässlich, um schrittweise nicht nachhaltige Produkte und Verbrauchsmuster aus der Welt zu schaffen.

3.7   Sich auf die Bereiche konzentrieren, deren ökologischer Fußabdruck am größten ist

3.7.1   Die meisten Umweltschäden können den Verbrauchsbereichen Essen und Trinken, Wohnbau und Infrastruktur, der Mobilität sowie der Energie- und Industrieproduktion zugeordnet werden. Die künftigen SCP-Maßnahmen sollten sich daher auf all diese Bereiche konzentrieren. Da die durch den Verbrauch von Nahrungsmitteln und Getränken verursachten Umweltbeeinträchtigungen in engem Zusammenhang mit dem Agrarsektor stehen, sollten die einschlägigen Maßnahmen auch mit der Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft verbunden werden.

3.7.2   Eine nachhaltige Landwirtschaft beinhaltet die nachhaltige Nutzung von natürlichen Wasserläufen, die Förderung von ökologisch wirtschaftenden Betrieben sowie eine Nahrungsmittelindustrie, die den Zwischen- und Endverbrauchern gesunde und schadstofffreie Lebensmittel liefert. Der EWSA sieht den Schlüssel für eine nachhaltige Landwirtschaft in der Erhaltung einer quantitativ ausreichenden, qualitativ hochwertigen und regional differenzierten, flächendeckend betriebenen und naturverträglichen Nahrungsmittelerzeugung, die ländliche Räume schützt und pflegt, die Vielfalt und Unterscheidungsmerkmale der Produkte erhält und die vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaften und die ländlichen Räume fördert (10).

3.8   Jenseits der Energie- und Emissionsproblematik auch andere Ressourcen und Umweltauswirkungen berücksichtigen

3.8.1   In den letzten Jahren ging es im Rahmen der SCP-Politik in erster Linie um Energieverbrauch und Klimagasausstoß. Produktion und Verbrauch haben aber auch andere Auswirkungen, die nicht vernachlässigt werden dürfen, beispielsweise in den Bereichen Wasserwirtschaft und Gewässerschutz, Bodennutzung und Luftverschmutzung. Die künftigen politischen Instrumente zur Förderung von Nachhaltigkeit in Produktion und Verbrauch sollten daher nicht nur beim Stromverbrauch ansetzen, sondern auch den Verbrauch anderer Ressourcen und die globalen Umweltauswirkungen berücksichtigen.

3.9   Die Produktionsverfahren und die Produkte verbessern

3.9.1   Um die Hersteller dazu zu bewegen, die Umweltleistung ihrer Produkte während des gesamten Produktlebenszyklus zu verbessern, sollte die in bestimmten Rechtsakten eingeführte erweiterte Herstellerverantwortung zum allgemeinen Grundsatz erhoben und der rechtlichen Verantwortung der Unternehmen zu Grunde gelegt werden.

3.9.2   Bei der Entwicklung hin zu nachhaltigen Produkten sollte ein zweigleisiger Ansatz verfolgt werden. Die Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet umweltverträglicher Produkte muss durch öffentliche Forschungsfinanzierung und geeignete Innovationsförderung vorangebracht werden. Ferner sind regulatorische Instrumente wie die Öko-Design-Richtlinie erforderlich, um schrittweise nicht nachhaltige Produkte abzuschaffen. Deshalb sollten der Anwendungsbereich dieser Richtlinie erweitert und ihre Umsetzung beschleunigt werden.

3.9.3   Um die Unternehmen und die Verbraucher zu nachhaltigeren Verhaltensweisen zu bewegen, müssen die Umweltleistungen der Produkte und der Dienstleistungen transparent gemacht werden. Wie auch von der Kommission bei der Konsultation der Interessenträger zur SCP-Politik vorgeschlagen, dürfte sich hierfür die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks der Produkte eignen. Diese Methode muss aber durch weitere Instrumente (z.B. soziale Indikatoren über das BIP hinaus) ergänzt werden, um die Bereitstellung der Nachhaltigkeitsinformationen entlang der gesamten Lieferkette zu verbessern.

3.9.4   In neu entwickelten Handelsmodellen muss eine Schwerpunktverlagerung von den Materialströmen auf die Schaffung von Werten und Wohlergehen erfolgen, indem beispielsweise der Mietkauf (statt Kauf) von Gütern, Car-Sharing und Rückladungen zur Vermeidung von Leerfahrten durch eine Verbesserung der Unternehmenszusammenarbeit gefördert werden.

3.10   Nachhaltige Konsummodelle und Lebensweisen fördern

3.10.1   Das Augenmerk muss stärker als bisher auf die Änderung der Verbrauchsmuster gerichtet werden. Die Aufgabe besteht darin, den Verbrauch nach und nach von negativen Folgen für die Umwelt abzukoppeln. Zur Förderung eines nachhaltigen Verbraucherverhaltens, das den Erneuerungszyklen der Ressourcen und ihren Grenzen sowie den weltweiten Auswirkungen (Import und Export) des Binnenmarktes Rechnung trägt, müssen verschiedene politische Instrumente ineinandergreifen.

3.10.2   SCP-Maßnahmen und nachhaltiges Verbraucherverhalten setzen voraus, dass es auf dem Markt nachhaltige Produkte und Dienstleistungen zu erschwinglichen Preisen gibt, dass die Verbraucher über klare und zuverlässige Informationen verfügen und dass es geeignete wirtschaftliche Anreize gibt. Vor allem muss die Verbraucherinformation verbessert werden und verständlich sein und Grünfärberei (engl. greenwashing) vermieden werden.

3.10.3   Die letztendlich gewählten Maßnahmen sollten die Rolle der Verbrauchervereinigungen als Träger des Wandels stärken und über die Einrichtung entsprechender Diskussionsplattformen den zivilgesellschaftlichen Dialog über nachhaltige Lebensweisen und den Austausch von Erfahrungen und bewährten Verfahren begünstigen.

3.10.4   Der Übergang zu nachhaltigen Lebensstilen erfordert auch Investitionen in geeignete öffentliche Infrastrukturen: Z.B. setzt die Förderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als Alternative zum Privatfahrzeug ein modernes öffentliches Verkehrssystem voraus, nachhaltiger Verkehr benötigt Infrastruktur für Elektrizität und Biokraftstoffe und eine Kreislaufwirtschaft benötigt wirksame Rücknahme- und Rückgabesysteme und Abfallsammelstellen für Altprodukte.

3.10.5   Der EWSA hat bereits mehrfach betont, wie wichtig Bildungs- und Erziehungsprogramme für die wirksame Herausbildung eines nachhaltigen Verhaltens sind. Zielgruppe dieser Programme dürfen nicht ausschließlich die zugegebenermaßen wichtigen Schulen und jungen Menschen sein, sondern sie müssen sich an alle Bürger unabhängig von ihrem Alter und ihrer sozialen Situation richten und ganz besonders Ungleichheiten durch Mehrfachbelastungen in Bezug auf Umweltrisiken und –schäden berücksichtigen.

3.10.6   Die Spediteure, der Einzelhandel und andere Akteure in der Versorgungskette haben durch ihre Anforderungen an die weltweite Produktion, Logistik usw. großen Einfluss auf Nachhaltigkeit beim Verbrauch. Die Kommission hat in der Vergangenheit im sog. Endkundenforum mit wichtigen europäischen Einzelhandelsunternehmen zusammengearbeitet. Diese Strategie könnte auf andere Spediteure, Logistikbetriebe usw. ausgeweitet werden.

3.10.7   Ein grünes öffentliches Beschaffungswesen ist eine wichtige Triebfeder für die Entwicklung von Märkten für nachhaltige Produkte. Es sollte überprüft werden, wie die grüne öffentliche Beschaffung effizienter gestaltet werden kann.

3.11   Steuerliche Anreize einführen

3.11.1   Die zuvor genannten Maßnahmen zur Förderung von SCP können dadurch verstärkt werden, dass Unternehmen und Verbraucher durch wirtschaftliche Anreize, die sich bekanntermaßen nicht nur auf die Marktpreise beschränken, zu Nachhaltigkeit angehalten werden. SCP-Maßnahmen müssen deshalb von einer Ökologisierung des Steuersystems flankiert werden, in deren Rahmen über wirtschaftliche Anreize eine gerechte Lastenteilung zwischen Großunternehmen und KMU, zwischen Bürgern, Unternehmen und Verbrauchern angestrebt und umweltschädliche Beihilfen schrittweise abgeschafft werden. Allerdings würden all diese Bemühungen im Sande verlaufen, wenn die Finanzierung des europäischen Sozialmodells durch eine neue Besteuerung nicht nachhaltiger Ressourcen ersetzt würde, die dann nicht notwendigerweise zur Finanzierung des Sozialschutzes dienen würde. Dies wäre gefährlich, kostspielig und sinnlos. In jedem Fall liegt die Steuerhoheit bei den Mitgliedstaaten, und im Interesse einer tragfähigen und nachhaltigen Entwicklung sollte die Steuerkonkurrenz zwischen den Mitgliedstaaten nicht weiter angeheizt werden.

3.12   Einen gerechten Übergang gewährleisten

3.12.1   Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft ist nachhaltig, wenn grüne Arbeitsplätze geschaffen und die Arbeitsplätze in einer umweltgerechteren Produktion umweltfreundlicher werden, wie dies bereits im Bereich der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern, des nachhaltigen Verkehrs und des energieeffizienten Wohnbaus der Fall ist. Damit dieser Übergang zum Nutzen gereicht, sind aktive politische Maßnahmen erforderlich, die den sozialen Dialog fördern, sich auf soziale Aspekte erstrecken und die Schaffung von menschenwürdigen und qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen (Lohn, Arbeitsbedingungen, Entwicklungsaussichten) zum Ziel haben. Es muss aktiv an der Entwicklung grüner Wirtschaftstätigkeiten und grüner Märkte gearbeitet werden. Mithilfe von angemessenen Unterstützungs-, Berufsbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, die die Chancengleichheit von Frauen und Männern und ihre gleichberechtigte Teilhabe an diesem Übergang fördern, ist eine entsprechende Qualifizierung der Arbeitskräfte sicherzustellen (11).

Brüssel, den 26. April 2012

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  COM(2011) 571 final.

(2)  Stellungnahme des Ausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und die Europäische Zentralbank - Regulierung der Finanzdienstleistungen für nachhaltiges Wachstum“ – Berichterstatter: Edgardo Maria IOZIA – ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 21; Stellungnahme des Ausschusses zur „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Stärkung der wirtschaftspolitischen Koordinierung für Stabilität, Wachstum und Beschäftigung – Instrumente für bessere wirtschaftspolitische Steuerung der EU“ – Berichterstatter: Stefano PALMIERI – ABl. C 107 vom 6.4.2011, S. 7.

(3)  COM(2011) 571 final; S. 6 et 7.

(4)  COM(2008) 397 final.

(5)  Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Nachhaltige Wirtschaft durch Konsumwandel“ – Berichterstatterin: Anna Maria DARMANIN – ABl. C 44 vom 11.2.2012, S. 57; und Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Das BIP und mehr – die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Auswahl zusätzlicher Indikatoren“ (Initiativstellungnahme) – (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) – Berichterstatter: Stefano PALMIERI.

(6)  ABl. C 44 vom 11.2.2012, S. 57.

(7)  COM(2011) 571 final; und Stellungnahme zum Thema „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ – Berichterstatterin: Siobhán EGAN – (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(8)  Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „7. Umweltaktionsprogramm und Folgemaßnahmen zum 6. Umweltaktionsprogramm“ – Berichterstatter: Lutz RIBBE (Siehe Seite 1 dieses Amtsblatts).

(9)  Vgl. Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Standpunkt des EWSA zur Vorbereitung der UN-Konferenz über nachhaltige Entwicklung (Rio+20)“ – Berichterstatter: Hans-Joachim Wilms, ABl. C 143 vom 22.5.2012, S. 39.

(10)  Stellungnahme des Ausschusses zum Thema „Rio+20: Hin zu einer umweltverträglichen Wirtschaft und besserer Governance“ – Berichterstatter: Hans-Joachim Wilms – ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 102.

(11)  Stellungnahme des Ausschusses zur „Förderung nachhaltiger grüner Arbeitsplätze für das Energie- und Klimapaket der EU“ (Initiativstellungnahme) – Berichterstatter: Edgardo Maria IOZIA – ABl. C 44 vom 11.2.2011, S. 110.


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