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Document 52009AE0338

Stellungnahme es Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Regelung für das Umweltzeichen der Gemeinschaft

OJ C 218, 11.9.2009, p. 50–54 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

11.9.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 218/50


Stellungnahme es Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Regelung für das Umweltzeichen der Gemeinschaft“

KOM(2008) 401 endg. — 2008/0152 (COD)

2009/C 218/11

Der Rat beschloss am 11. September 2008, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 175 Absatz 1 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Regelung für das Umweltzeichen der Gemeinschaft

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 28. Januar 2009 an. Berichterstatterin war Frau GAUCI

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 451. Plenartagung am 25./26. Februar 2009 (Sitzung vom 26. Februar) mit 157 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die Verwendung des EU-Umweltzeichens sollte auch weiterhin auf freiwilliger Basis erfolgen. Dadurch können hohe und ehrgeizige Normen festgelegt werden, so dass nur die Produkte und Dienste mit einer guten Umweltleistung ausgezeichnet werden.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss betont, dass die Verwaltung des Umweltzeichens verbessert und straffer organisiert werden muss.

1.3

Der Ausschuss stimmt mit der Europäischen Kommission darin überein, dass eine erheblich höhere Zahl an Produktgruppen und Genehmigungen ausgestellt werden muss.

1.4

Nach Sicht des Ausschusses wäre ein Umweltzeichen für alle Lebensmittelerzeugnisse, d.h. Frischwaren und verarbeitete Lebensmittel, ein erster Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren Versorgungskette insgesamt. Das Umweltzeichen sollte jedoch nur dann für Lebensmittel vergeben werden, wenn der gesamte Lebenszyklus eines Produkts berücksichtigt wird. Aus dem Vorschlag geht nicht eindeutig hervor, welche Arten von Lebensmitteln die Verordnung der Europäischen Kommission zufolge umfassen soll.

1.5

Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass die Verpackung nur dann als Kriterium für die Umweltzeichenvergabe herangezogen werden sollte, wenn dies für die jeweilige Produktgruppe relevant ist.

2.   Einleitung

2.1

Im Juli 2008 veröffentlichte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Verordnung über eine Regelung für das Umweltzeichen der Gemeinschaft, der die Verordnung (EG) Nr. 1980/2000 vom 17. Juli 2000 zur Revision des gemeinschaftlichen Systems zur Vergabe eines Umweltzeichens ersetzen soll.

2.2

Dies ist für den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss kein neues Thema. Er hat sich bereits zu dem ursprünglichen Vorschlag geäußert (1) und ist außerdem in anderen jüngeren Stellungnahmen (2) mit zahlreichen Vorschlägen auf die künftige Entwicklung des Systems eingegangen.

2.3

Außerdem konnte bei der Erarbeitung dieser Stellungnahme auf verschiedene Beiträge der zuständigen Stellen sowie der europäischen Interessengruppen und in das System eingebundener Unternehmen zurückgegriffen werden, insbesondere Präsentationen von Vertretern der Wirtschaft, verschiedener im Umweltbereich tätiger NGO und Verbraucherschutzverbänden, die an einer im Ausschussgebäude veranstalteten Anhörung teilgenommen haben.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Zustand der Umwelt ist in zunehmendem Maße besorgniserregend.

Moderne Produktions- und Verbrauchsmuster haben die Nachfrage nach Energie und Rohstoffen in die Höhe getrieben; diese werden nicht nachhaltig genutzt, wodurch das Ziel, die negativen Auswirkungen der menschlichen Tätigkeiten auf die Umwelt, die Gesundheit und die natürlichen Ressourcen einzudämmen, gefährdet wird.

3.2

Die Wirtschaft steht daher heute vor der großen Herausforderung, wirtschaftliches Wachstum und Wohlergehen mit ökologischer Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, um die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren.

3.3

Die Finanzkrise, die die Wirtschaften weltweit getroffen hat, sollte nicht dazu führen, dass die Bemühungen zur Abfederung der Auswirkungen des Klimawandels und zum Schutz der Umwelt verwässert werden. Ganz im Gegenteil: Die Ökologisierung der Versorgungskette sollte als Ausgangspunkt erachtet werden, um schrittweise sämtliche Industriezweige umweltfreundlicher zu gestalten.

3.4

Vor diesem Hintergrund ist die Nachhaltigkeit von Verbrauch und Produktion ein Faktor, der das Potenzial der Unternehmen, ökologische Herausforderungen in wirtschaftliche Chancen umzuwandeln, optimiert und auch den Verbrauchern zum Vorteil gereicht.

3.5

Es gilt, die globale Umweltleistung eines Produkts über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg zu verbessern, die Nachfrage nach effizienteren Produkten und Herstellungsverfahren zu erhöhen und die Verbraucher dabei zu unterstützen, bewusste Entscheidungen zu treffen.

3.6

Daher befürwortet der Ausschuss ein auf verschiedenen Kriterien beruhendes und von Dritten vergebenes Umweltzeichen, das auf dem Lebenszyklus-Ansatz (3) aufbaut und ein wichtiger Teil des politischen Instrumentariums (4) sein kann.

3.7

Der Ausschuss begrüßt ausdrücklich Initiativen zur Konzipierung einer Gemeinschaftspolitik für die Nachhaltigkeit von Produktion und Verbrauch, die umfassend in den anderen Gemeinschaftspolitiken berücksichtigt wird, um einen „grünen Markt“ zu schaffen und sicherzustellen, dass diese Produkte und Dienste klaren gemeinsamen Definitionen entsprechen und in allen Mitgliedstaaten erhältlich sind.

3.8

Die Erfahrungen aus der Verwendung des Umweltzeichens rechtfertigen Änderungen der geltenden Verordnung.

Die Mängel des derzeitigen Systems können wie folgt zusammengefasst werden:

i.

schleppende Durchsetzung;

ii.

niedriger Bekanntheitsgrad des Umweltzeichens;

iii.

geringe Bereitschaft in der Wirtschaft, sich darauf einzulassen;

iv.

zu bürokratisches Verfahren für die Festlegung der Kriterien sowie für die Verwaltung;

v.

die Produkte und Dienste mit den größten Umweltauswirkungen und dem höchsten Verbesserungspotenzial werden nicht in den aktuellen Produktgruppen erfasst;

vi.

unterschiedliche Marktverhältnisse innerhalb der Gemeinschaft;

vii.

Wildwuchs von Umweltzeichen.

Der Ausschuss wird auf diese Mängel unter dem Kapitel „Besondere Bemerkungen“ im Rahmen der Erörterung der Maßnahmen eingehen, die die Europäische Kommission zur Verbesserung des Systems vorschlägt.

3.9

Die erfolgreiche Einführung des EU-Umweltzeichen-Systems ist auch deshalb sehr wichtig, weil es das einzige produktbezogene und nachfrageorientierte Instrument für eine freiwillige Politik im Interesse der Nachhaltigkeit darstellt.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Die Verwendung des EU-Umweltzeichens ist freiwillig; und dies sollte auch so bleiben. Dadurch können hohe und ehrgeizige Normen für Kriterien festgelegt werden, die sicherstellen, dass ausschließlich die Produkte und Dienste mit einer guten Umweltleistung ausgezeichnet werden, und nicht Produkte und Dienste, bei deren Herstellung bzw. Erbringung der Notwendigkeit, die Umweltauswirkungen zu verringern, keine Rechnung getragen wird.

Mit dem Umweltzeichen sollen den Endverbrauchern spezifische Umweltinformationen über ein Produkt an die Hand gegeben werden, um sie in die Lage zu versetzen, einfache, sachkundige und umweltbewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Der Ausschuss betont jedoch, dass das Umweltzeichen nicht als Vorwand dienen darf, um neue Handelsbarrieren für vergleichbare Produkte zu errichten.

4.2   Der Ausschuss unterstreicht, dass die Verwaltung des Umweltzeichens verbessert werden muss. Die in der Regelung vorgesehenen Verwaltungsverfahren müssen rationalisiert und straffer durchorganisiert werden.

Kurzum, es muss klarer festgelegt werden, wer wofür verantwortlich ist.

4.3   Die nationalen Behörden sollten so weit wie möglich für die korrekte Umsetzung der Regelung und - im Einklang mit dem Kommissionsvorschlag - für die Marktüberwachung zuständig sein.

4.4   Der mit der Entwicklung von Kriterien für Produktgruppen und der Anwendung der Verfahren verbundene Verwaltungsaufwand muss verringert werden, gleichzeitig gilt es jedoch, weiterhin hoch gesetzte Ziele anzustreben.

Außerdem sollte mit den Kriterien für die Vergabe des Umweltzeichens sichergestellt werden, dass von keinem Produkt, das die „Euro-Blume“ trägt, eine Gefährdung der Gesundheit, der Sicherheit oder eines anderen sozialen Aspekts ausgeht.

4.5   Der Ausschuss fordert, dass im gesamten Binnenmarkt klare Kriterien und einheitliche Mindestanforderungen für die Systeme der Kennzeichnung ökologischer Produkte herrschen. So soll sichergestellt werden, dass in der gesamten EU die gleichen Voraussetzungen für umweltfreundliche Verbraucherentscheidungen, einheitliche Kontrollen und die Einhaltung des Grundsatzes des freien Verkehrs ökologischer Erzeugnisse gegeben sind, die diese Bezeichnung verdienen. Das europäische Umweltzeichen („Euro-Blume“) sollte stärker verbreitet werden und neben nationalen und branchenspezifischen Kennzeichnungssystemen bestehen können, sofern diese Umweltzeichen auch wissenschaftlich fundiert sind und im Einklang mit dem europäischen Regelwerk stehen.

4.6   Außerdem sollten stoffbezogene Kriterien auf Risikoanalysen gestützt werden.

Eine einfache Auflistung bevorzugter oder unerwünschter chemischer Stoffe, die ausschließlich auf ihre Einstufung in eine Gefahrenklasse ohne weitere wissenschaftliche oder rechtliche Begründung beruht, führt häufig zu Verwirrung und Diskriminierung. Daher ist es strittig, ob Kriterien wie „gefährliche Stoffe“ überhaupt in eine Regelung für ein Umweltzeichen aufgenommen werden sollten; ein Umweltzeichen kann keinesfalls das einschlägige geltende EU-Recht wie die Richtlinie 67/548/EWG (5) ersetzen.

4.7   Nach Meinung des Ausschusses dürften die allgemeinen Kriterien teilweise auch durch regionalspezifische Überlegungen beeinflusst worden sein. Die geltenden Kriterien, die einem bestimmten Umweltzeichen zugrunde liegen und auf europäischer oder nationaler Ebene beschlossen wurden, sind nicht immer diejenigen, die an einem bestimmten Ort zur besten Umweltleistung führen.

Beispielsweise dürfte Wasserverbrauch in Südeuropa viel schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen als in Nordeuropa.

Der Ausschuss befürwortet daher die Ausarbeitung von überall mehr oder weniger allgemeingültigen Kriterien.

4.8   Die Kriterienkataloge müssen benutzerfreundlicher gestaltet und in einem Musterformat abgefasst sein. Aus Sicht des Ausschusses sollte die Europäische Kommission daher ein Musterformat für einen standardisierten und benutzerfreundlichen Kriterienkatalog ausarbeiten und Unternehmen und öffentlichen Beschaffungsstellen so die Möglichkeit bieten, bei der Ausarbeitung von Leistungsbeschreibungen im Einklang mit den Umweltzeichen-Kriterien Zeit und Ressourcen zu sparen.

4.9   Die Europäische Kommission führt das Argument ins Treffen, dass die Zahl der Produktgruppen und Genehmigungen erheblich erhöht werden und dabei auf die Bereiche mit den höchsten Umweltauswirkungen und dem größtmöglichen Verbesserungspotenzial abgestellt werden muss.

Der Ausschuss begrüßt diese Idee zwar grundsätzlich, ist jedoch der Ansicht, dass der Anwendungsbereich des Umweltzeichens nicht unendlich ausgeweitet werden sollte.

4.9.1   Viele europäische Unternehmen fühlen sich unter Druck, den Interessenträgern Umweltinformationen zur Verfügung zu stellen. Dieser Druck geht sowohl von der EU als auch den Mitgliedstaaten aus und kommt in dem Wunsch nach Produktkennzeichnung oder zumindest nach Informationen über ihre Umweltfreundlichkeit zum Ausdruck. Diese Unternehmen reagieren auf das steigende Umweltbewusstsein und die Nachfrage nach Umweltinformationen seitens gewerblicher Nutzer wie auch der Verbraucher. Das Konzept der Umweltkennzeichnung (6) ist sicherlich für Märkte geeignet, auf denen die Verbraucher allgemein als uninformiert bzw. als Laien angesehen werden können und die miteinander konkurrierenden Produkte deutlich voneinander zu unterscheiden sind.

4.10   Ein größerer Erfolg des Umweltzeichens hängt vor allem von einem deutlich aufgestockten Budget für Sensibilisierungskampagnen ab, um die einschlägigen Informationen sowohl bei den Unternehmen als auch den Verbrauchern zu verbreiten.

4.10.1   Wie bereits erwähnt leidet das Umweltzeichen einerseits unter dem geringen Bekanntheitsgrad bei den Verbrauchern.

Der Durchschnittsverbraucher ist sich entweder überhaupt nicht bewusst, dass es ein Umweltzeichen gibt, oder aber weiß nicht ausreichend über die Parameter Bescheid, die für seine Vergabe herangezogen werden. Das heißt, dass die Verbraucher derzeit nicht angemessen mittels Informationskampagnen zu umweltbewussten Kaufentscheidungen angehalten werden.

4.10.2   Andererseits müssen auch den Unternehmen die mit der Verwendung des Umweltzeichens einhergehenden Vorteile deutlicher vor Augen geführt werden. Der Regelung gereicht dies zum Vorteil, und die Unternehmen können Zeit und Ressourcen sparen, da sie nicht mehr länger nach Informationen über die Vergabe des Umweltzeichens suchen müssen.

4.11   Der Ausschuss bekräftigt seinen Standpunkt, dass die Entwicklung der Anzahl der für Produktgruppen aufgestellten Kriterien und der Anzahl der bislang vergebenen Umweltzeichen nicht negativ gewertet werden sollte, da die Verordnung noch nicht lange in Kraft ist. Mit dem deutschen „Blauen Engel“ (1977) und dem „Nordischen Schwan“ (1989), die sich auf den jeweiligen Inlandsmärkten inzwischen vollständig durchgesetzt haben und zum Teil auch im Ausland angesehen sind, gab es anfänglich vergleichbare Enttäuschungen und Rückschläge. Auch sie hatten Anlaufschwierigkeiten.

4.12   Der Ausschuss ist davon überzeugt, dass die Zukunft der Umweltkennzeichnung aufgrund der sich durch die einzelstaatlichen Systeme ergebenden Handelshemmnisse in der Stärkung des EU-Systems liegt. Hierfür muss auf eine möglichst weitgehende Harmonisierung der Kriterien der einzelstaatlichen Umweltzeichen-Systeme hingewirkt werden.

5.   Einige Bemerkungen zu den Artikeln des Verordnungsvorschlags

5.1   In Bezug auf die Beurteilung an sich könnte mit Artikel 7 Absatz 2, gemäß dem das verkürzte Verfahren für die Erarbeitung der Kriterien zur Anwendung kommen kann, eine Hintertür für die Teilnahme am Umweltkennzeichensystem der Gemeinschaft geöffnet werden. Die Interessenträger müssen die Gewissheit haben, dass vergleichbar hohe Standards in Bezug auf Transparenz und Konsultationsverfahren angewendet werden.

5.2   Lebensmittel und Getränke (sowie Arzneimittel und medizinische Geräte) sind vom Anwendungsbereich der geltenden Richtlinie (EG) Nr. 1880/2000 ausgenommen, um mögliche Konflikte mit bestehendem EU-Lebensmittelrecht u.a. zu Fragen der Lebensmittelsicherheit, -hygiene und -kennzeichnung zu vermeiden.

5.3   Die Europäische Kommission schlägt nun vor, den Anwendungsbereich der Umweltzeichen-Regelung auf einen begrenzten Teil des Lebensmittel- und Getränkebereichs auszuweiten, und zwar auf verarbeitete Erzeugnisse, Fischereierzeugnisse und Erzeugnisse der Aquakultur. Das heißt, dass die Mehrheit der Lebensmittel und Getränke nach wie vor ausgenommen wäre (7).

5.4   Außerdem ist in Artikel 7 Absatz 3 sowie in Artikel 9 Absatz 10 in Bezug auf verarbeitete Lebensmittel festgehalten, „dass sich das Umweltzeichen nur auf die Umweltverträglichkeit der Verarbeitung, des Transports und der Verpackung des Erzeugnisses bezieht“. Das heißt, die Umweltbewertung für die betroffenen Lebensmittel und Getränke ist auf einige wenige, genau festgelegte Abschnitte ihres Lebenszyklus, und zwar Verarbeitung, Verpackung und Transport, begrenzt.

5.5   Der Ausschuss spricht sich aus zwei Gründen gegen diesen Kommissionsvorschlag aus, den Lebenszyklus eines Produktes nicht als Ganzes zu betrachten.

5.5.1   Der Ausschuss befürchtet erstens, dass diese Missachtung des Lebenszyklus-Grundsatzes, auf dem die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft zur Umweltkennzeichnung sowie sämtliche internationale Normen zur Bewertung des Lebenszyklus beruhen, zu subjektiven Umweltbewertungen und in der Folge zu Fehlinformation der Verbraucher führen könnte.

In zahlreichen wissenschaftlichen Studien, einschl. der EIPRO- und der IMPRO-Studien, die im Auftrag der Europäischen Kommission durchgeführt wurden, wird der Schluss gezogen, dass sowohl die landwirtschaftliche Erzeugung von Lebensmitteln und Getränken als auch ihr Verbrauch die Umwelt erheblich belasten. Es muss daher hinterfragt werden, warum diese wichtigen Lebenszyklus-Abschnitte von der Bewertung ausgenommen werden.

5.5.2   Zweitens ist es keinesfalls einleuchtend, dass verarbeitete Lebensmittel unter den Anwendungsbereich der geänderten Umweltzeichen-Regelung fallen sollen, nicht aber Frischwaren.

5.5.3   Der Ausschuss befürchtet, dass ein solches Flickwerk an unzusammenhängenden Informationen über Lebensmittel und Getränke die Verbraucher verwirren und in die Irre führen würde.

5.5.4   Nach Auffassung des Ausschusses wäre ein Umweltzeichen für alle Lebensmittel, d.h. verarbeitete Lebensmittel und Frischwaren, ein erster Schritt hin zu einer umweltfreundlicheren Versorgungskette insgesamt: Der ökologische Fußabdruck der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist enorm und könnte durch die Einhaltung der Kriterien für das Umweltzeichen verringert werden.

Außerdem ist ein Umweltzeichen für Lebensmittel aus kommerzieller Sicht ein Vorteil für den freien Warenverkehr von den damit ausgezeichneten Gütern. So wären weltweit agierende Unternehmen, die die Kriterien für die Vergabe des Umweltzeichens erfüllen, in der Lage, ihre Erzeugnisse ohne Einschränkungen durch nationale Umweltzeichen, die neben der „Euro-Blume“ bestehen, zu vermarkten. Die „Euro-Blume“ wäre ein angemessener Garant für die Umweltleistung eines Lebensmittels und würde einen europaweiten Standard für eine geringe Umweltbelastung verkörpern, ohne dadurch lokale Präferenzen in Frage zu stellen.

5.5.5   Aus dem Vorschlag geht nicht eindeutig hervor, welche Arten von Lebensmitteln die Verordnung der Europäischen Kommission zufolge umfassen soll. Der Verweis auf Verordnung (EG) Nr. 178/2002 in Artikel 2 Absatz 2 klärt diese Frage nicht, da hier nicht definiert wird, was verarbeitete Lebensmittel sind. Die Definition von verarbeiteten bzw. unverarbeiteten Erzeugnissen ist in Verordnung (EG) Nr. 852/2004 und Verordnung (EG) Nr. 853/2004 enthalten. Ferner ist auch unklar, was unter „Erzeugnissen der Fischerei und der Aquakultur“ zu verstehen ist.

Es besteht die ernsthafte Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit der Euro-Blume durch den hier vorgelegten Vorschlag geschwächt wird, und es ist nicht ratsam, Lebensmittel mit einzuschließen, wie es in der jetzigen Fassung des Entwurfs vorgeschlagen wird.

5.5.6   Das Verhältnis zwischen der Ökologieverordnung und der Umweltzeichenverordnung wirkt nicht sinnvoll. Die Formulierung in Artikel 9 Absatz 10 wird eher zu Verwirrung bei den Verbrauchern führen, als ihnen dabei helfen, eine umweltbewusste, vernünftige Wahl zu treffen. Es besteht die reale Gefahr, dass die Glaubwürdigkeit beider Kennzeichen geschwächt wird. Es ergibt beispielsweise keinen Sinn, dass ein konkretes Erzeugnis 1) mit dem Bio-Siegel und der Euro-Blume oder 2) mit dem Bio-Siegel oder 3) mit der Euro-Blume gekennzeichnet werden kann mit der zusätzlichen Information, dass die Euro-Blume nur Verarbeitung, Verpackung und Transport abdeckt.

5.5.7   Aus Artikel 6 Absatz 4 geht hervor, dass bei der Aufstellung der Kriterien die Umwelt einschließlich der Gesundheits- und Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen sind. Es ist unbedingt zu klären, was in dieser Verordnung mit Gesundheit gemeint ist. In Bezug auf Lebensmittel kann dies einer langen Reihe von Problemen im Zusammenhang mit Gesundheit und Ernährung Vorschub leisten, zu denen konkret Stellung genommen werden muss; hierzu zählt auch, wie die Kommunikation mit den Verbrauchern organisiert wird.

Diese Probleme müssen geklärt werden, bevor Stellung dazu genommen werden kann, ob oder wie Lebensmittel von der Euro-Blume umfasst werden können.

5.5.8   Diesbezüglich hält der Ausschuss fest, dass die Verpackung nur dann als Kriterium für die Vergabe des Umweltzeichens herangezogen werden sollte, wenn dies für die jeweilige Produktgruppe relevant ist, da sie nicht getrennt von dem in ihr enthaltenen Produkt betrachtet werden kann und deshalb nicht als „Produkt“ angesehen werden sollte.

Brüssel, den 26. Februar 2009

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 296 vom 29.9.1997, S. 77.

(2)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Ökologische Herstellungsverfahren“, ABl. C 224 vom 30.8.2008, S. 1.

(3)  Unter dem Denken in Lebenszyklen versteht man die möglichst vollständige Berücksichtigung aller innerhalb des Lebenszyklus eines Produkts (Ware oder Dienstleistung) verbrauchten Ressourcen und aller Auswirkungen auf die Gesundheit; hierzu zählen etwa die Gewinnung von Ressourcen, Produktion, Verwendung, Transport, Recycling oder Abfallbehandlung und -beseitigung. Dies trägt dazu bei zu vermeiden, dass die „Lasten“ etwa der Umweltauswirkungen oder des Ressourcenverbrauchs zwischen den einzelnen Stufen des Lebenszyklus, geografischen Gebieten sowie Problembereichen der Umwelt oder der menschlichen Gesundheit wie Klimawandel, Sommersmog, saurer Regen oder Ressourcenabbau lediglich verschoben werden. Die Lebenszyklusbilanz ist das standardisierte quantitative Verfahren der Zusammenstellung und Bewertung der Inputs, Outputs und möglichen Umweltauswirkungen eines Produktsystems während seines gesamten Lebenszyklus (ISO 14040 ff).

(4)  Die Bedeutung einer Regelung für das Umweltzeichen wurde schon in früheren Strategiepapieren wie der Mitteilung der Kommission zur Integrierten Produktpolitik oder dem Sechsten Umweltaktionsprogramm hervorgehoben.

(5)  Richtlinie 67/548/EWG des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe.

(6)  Das Umweltzeichen der Gemeinschaft ist ein Typ I-Umweltzeichen. Ein ISO Typ I-Umweltzeichen entspricht den Anforderungen der ISO-Norm 14024.

(7)  Artikel 2 (Anwendungsbereich) des Kommissionsvorschlags lautet: „In Bezug auf Lebensmittel im Sinne von Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates gilt die vorliegende Verordnung nur für verarbeitete Lebensmittel und für Erzeugnisse der Fischerei und der Aquakultur.“


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