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Document 52008DC0821

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - lebensmittelpreise in europa {SEK(2008) 2970} {SEK(2008) 2971} {SEK(2008) 2972}

/* KOM/2008/0821 endg. */

52008DC0821

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - lebensmittelpreise in europa {SEK(2008) 2970} {SEK(2008) 2971} {SEK(2008) 2972} /* KOM/2008/0821 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 9.12.2008

KOM(2008) 821 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

LEBENSMITTELPREISE IN EUROPA

{SEK(2008) 2970} {SEK(2008) 2971} {SEK(2008) 2972}

(VON DER KOMMISSION VORGELEGT)

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

LEBENSMITTELPREISE IN EUROPA

1. EINLEITUNG

In der zweiten Jahreshälfte 2007 beschleunigte sich der Preisanstieg bei Agrarrohstoffen rapide, so dass die Preise Anfang 2008 außergewöhnliche Höhen erreichten. Dieser plötzliche Preisanstieg ließ auch die Lebensmittelmittelpreise rasch nach oben klettern, so dass die privaten Haushalte in der EU etwa ein Prozent ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Haushalte mit niedrigem Einkommen wurden davon noch härter getroffen.

Als Reaktion darauf schlug die Kommission vor[1], die Preisentwicklung bei Agrarrohstoffen und Lebensmitteln eingehender zu verfolgen, die Auswirkungen von Spekulation auf die Agrarrohstoffpreise zu analysieren und die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette zu untersuchen. Bei seiner Tagung im Juni 2008 forderte der Europäische Rat die Kommission auf, ihm bis Dezember über die genannten Punkte Bericht zu erstatten. Dieser Aufforderung kommt die Kommission mit der vorliegenden Mitteilung nach.

In den vergangenen Monaten sind die Preise für Agrarrohstoffe drastisch gefallen. Die strukturellen Ursachen des oben beschriebenen Preisanstiegs, wie das Wachstum der weltweiten Lebensmittelnachfrage und die langfristige Abnahme des Produktivitätswachstums bei der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion, sind aber nach wie vor dieselben. Um Weltangebot und -nachfrage nach Lebensmitteln im Gleichgewicht zu halten, müssen kontinuierliche Anstrengungen unternommen werden, damit die Agrarproduktion auf Marktsignale reagiert, und sollte eine offene Handelspolitik gefördert werden. Mit ihrer Einigung auf den „Gesundheitscheck“ der GAP hat die Europäische Union einen entscheidenden Schritt im Hinblick darauf unternommen, die Reaktionsfähigkeit der Landwirte auf Marktänderungen zu verbessern. Die WTO-Handelsgespräche der Doha-Runde zielen zudem darauf ab, die Agrarmärkte für die Entwicklungsländer zu öffnen. Anreize zur Steigerung des Produktionspotenzials in Entwicklungsländern samt entsprechender Fördermaßnahmen könnten dazu beitragen, die Lebensmittelsicherheit weltweit zu erhöhen.

Gleichzeitig wird zunehmend befürchtet, dass es erneut zu Preisvolatilität kommen könnte. Die Schwankungen bei den Agrarrohstoffpreisen waren von einem plötzlichen Anstieg der Investitionszuflüsse bei den dazugehörigen Finanzderivaten begleitet. Dies wirft die Frage auf, inwieweit sich Spekulation auf die Preise ausgewirkt und hier eine Abweichung von den wirtschaftlichen Eckdaten stattgefunden hat. Um beurteilen zu können, wie sich übermäßige Volatilität und Ansammlungen spekulativer Positionen, die erheblichen Schaden anrichten können, am besten vermeiden lassen, müssen die Agrarrohstoffmärkte kontinuierlich überwacht werden.

Angesichts des derzeitigen Konjunkturabschwungs ist es wichtiger denn je, Preisrückgänge unverzüglich an die Verbraucher weiterzugeben und die Konkurrenzfähigkeit von Agrarsektor, nahrungsmittelverarbeitender Industrie und Lebensmitteleinzelhandel zu erhöhen. Dies steht voll und ganz mit dem von der Kommission am 26. November 2008 vorgelegten Europäischen Konjunkturprogramm in Einklang, in dem auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen wird, unverzüglich die Nachfrage anzukurbeln und das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Probleme, die in der Lebensmittelversorgungskette aufgrund von gesetzlichen Bestimmungen und Wettbewerbsbedingungen bestehen, ermittelt und gelöst werden.

Diese Mitteilung ist wie folgt aufgebaut: Abschnitt 2 liefert einen Überblick über die Entwicklung der Agrarrohstoffpreise sowie einen mittelfristigen Ausblick. In Abschnitt 3 wird der Frage nachgegangen, inwieweit Spekulation zur Preisentwicklung bei den Agrarrohstoffen beigetragen hat, und in Abschnitt 4 die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette beleuchtet. Abschnitt 5 enthält einen Fahrplan, wie die ermittelten Probleme abgeschwächt werden könnten, und Abschnitt 6 das Fazit.

2. PREISENTWICKLUNG BEI AGRARROHSTOFFEN UND LEBENSMITTELN

2.1. Entwicklung der Marktpreise von Agrarprodukten

Grund für den plötzlichen Preisanstieg bei Agrarrohstoffen ist eine Kombination aus strukturellen und temporären Faktoren. Strukturelle Faktoren, wie das weltweite Bevölkerungswachstum, die steigenden Einkommen in den Schwellenländern und die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten haben zu einem allmählichen Anstieg der weltweiten Nachfrage beigetragen. Damit konnte das Angebot auf den Weltmärkten nicht Schritt halten, da sich bei der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion das Wachstum der Erträge abschwächte und die Weltagrarmärkte eng und aufgrund der saisonalen Produktion gewissen Zwängen unterworfen sind. Darüber hinaus haben sich auch die steigenden Produktionskosten - ihrerseits u.a. bedingt durch den Anstieg der Energiepreise - auf die Agrarrohstoffpreise ausgewirkt. Diese strukturellen Faktoren wurden durch erhebliche Ausfälle verschärft, die durch ungünstige Wetterverhältnisse und Handelsbeschränkungen mehrerer Exportländer verursacht wurden. Darüber hinaus wirkten sich auch Wechselkursentwicklungen, die zunehmende Spekulation an den Rohstoffderivatemärkten und die enge Beziehung zwischen Agrarrohstoff- und anderen Rohstoffmärkten, wie dem Ölmarkt, auf die Entwicklung der Agrarrohstoffpreise aus. Inwieweit diese Faktoren im Einzelnen zu den Entwicklungen beigetragen haben, ist von Bereich zu Bereich unterschiedlich. Während beispielsweise die Preisänderungen bei Weizen und Reis weitgehend auf angebotsseitige Faktoren zurückzuführen sind, wurden die Preise für Mais und Sojabohnen hauptsächlich durch das kräftige Wachstum der globalen Nachfrage für Tierzucht- und industrielle Zwecke in die Höhe getrieben.

In den vergangenen Monaten sind die Rohstoffpreise drastisch gefallen und auf oder sogar unter ihren Ausgangsstand zurückgegangen. Darüber hinaus lässt die unsichere Weltwirtschaftslage neuerliche Preisschwankungen befürchten. Einige der Faktoren, die in der zweiten Jahreshälfte des vergangenen Jahres den Anstieg der Agrarpreise kurzfristig angeheizt hatten, haben aufgrund günstigerer Wetterverhältnisse, sinkender Energiepreise und der Aufhebung von Exportbeschränkungen an Wirkung verloren. Auch hat das Angebot auf den Weltmärkten rasch und kräftig auf den Preisauftrieb reagiert, was durch die Lockerung der Produktionszwänge im Rahmen der GAP, insbesondere die Aussetzung der Pflicht zur Stilllegung von Ackerflächen und die Erhöhung der Milchquoten ab 2008 erleichtert wurde. So dürfte beispielsweise die weltweite Weizenproduktion 2008 den höchsten Stand aller Zeiten erreicht haben, was einen erheblichen Rückgang der Weizenpreise nach sich ziehen dürfte.

2.2. Entwicklung der Lebensmittelpreise

Da die Agrarrohstoffe nur einen geringen Teil der Lebensmittelproduktionskosten insgesamt ausmachen, stiegen die Lebensmittelpreise langsamer als die Agrarrohstoffpreise. So machen bei einem Laib Brot die Kosten des Weizens im Schnitt weniger als 10 % des Verbraucherendpreises aus.

Dennoch war im Sommer 2007 und noch bis Anfang 2008 bei den Lebensmitteln ein erheblicher Preisanstieg zu verzeichnen. Zusammen mit den gestiegenen Rohölpreisen haben sich die Preisschwankungen bei den Agrarrohstoffen auf den Weltmärkten im vergangenen Jahr erheblich auf die Inflation in der EU ausgewirkt. Im Zeitraum August 2007 bis Juli 2008 machte die Inflation bei den Lebensmitteln (ohne Alkohol und Tabak) etwa 1,0 Prozentpunkte der Inflation insgesamt aus. Verantwortlich hierfür ist in hohem Maße die Preisentwicklung bei verarbeiteten Lebensmitteln (vor allem bei Brot und anderen Produkten auf Getreidebasis sowie bei Milchprodukten).

Die unterschiedlichen Preisentwicklungen bei verarbeiteten und unverarbeiteten Lebensmitteln dürften größtenteils darauf zurückzuführen sein, dass bei verarbeiteten Lebensmitteln mehrere Komponenten in den Preis einfließen. Unter die Kategorie „verarbeitete Lebensmittel“ fallen Produkte, deren Ausgangsstoffe am stärksten von den gestiegenen Weltmarktpreisen betroffen sind, insbesondere Getreide und Milcherzeugnisse. In der Kategorie „unverarbeitete Lebensmittel“, die auch Fleisch und Fisch umfasst, sind die Inputkosten weit weniger stark gestiegen. Auch der rapide Anstieg der Brennstoffpreise könnte sich stärker auf die Preise der verarbeiteten Lebensmittel ausgewirkt haben.

Der Anteil der Lebensmittel an der Gesamtinflation ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich und in den neuen Mitgliedstaaten am größten. Dies lässt sich zum Teil durch das unterschiedliche Gewicht der Lebensmittel bei den Verbraucherausgaben erklären, das in Ländern mit geringerem Pro-Kopf-BIP in der Regel höher ist. Am stärksten vom Preisanstieg bei den Lebensmitteln betroffen sind offensichtlich die 16 % der Europäer, die unterhalb der Armutsgrenze leben, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass ihre Lebensmittelauswahl begrenzt ist und sie einen erheblichen Teil ihres verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen.

2.3. Aussichten für Agrarmärkte und Lebensmittelpreise

Der drastische Preisrückgang, der in den vergangenen Monaten bei den Agrarrohstoffen zu verzeichnen war, wird im Laufe der beiden nächsten Jahre voraussichtlich einen Rückgang der Lebensmittelinflation und eine erhebliche Verringerung des Anteils der Lebensmittel an der Gesamtinflation bewirken. Dies deutet darauf hin, dass sich der Anteil der Lebensmittel an der Gesamtinflation in der EU im Laufe des Jahres 2009 wieder normalisieren und 2009 auf etwa 0,6 Prozentpunkte und 2010 auf 0,5 Prozentpunkte absinken dürfte.

Trotz der erheblichen Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Preisentwicklungen dürften strukturelle Faktoren, wie das Wachstum der weltweiten Lebensmittelnachfrage, die Erschließung neuer Absatzmöglichkeiten und die langfristige Abnahme des Produktivitätswachstums bei der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion die Preise mittelfristig stützen. Dies wird einen Anreiz für die Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion geben, was auch für die Entwicklungsländer gilt. Auch dürften die Preise angesichts der relativ knappen Lagerbestände stärkeren Schwankungen unterworfen sein als in den letzten Jahrzehnten. Dadurch dürfte jede signifikante Änderung bei Angebot oder Nachfrage rasch eine höhere Preisvolatilität nach sich ziehen.

Um den Landwirten die Einstellung auf volatilere Märkte zu erleichtern, sollte ihre Fähigkeit zur Anpassung der Produktion durch verstärkte Marktorientierung und angemessene Sicherheitsnetze verbessert werden. Mit ihrer Einigung auf den „Gesundheitscheck“ der GAP hat die Europäische Union einen entscheidenden Schritt in diese Richtung unternommen, was insbesondere für die Abschaffung der Pflicht zur Stilllegung von Ackerflächen, die schrittweise Abschaffung der Milchquoten und den Umbau der Marktinterventionsregelung zu einem echten Sicherheitsnetz gilt. All dies wird es den landwirtschaftlichen Erzeugern erleichtern, auf Marktsignale zu reagieren und neue Chancen zu nutzen.

2.4. Erhöhung der weltweiten Produktion und Beseitigung von Handelsschranken

Um Weltangebot und -nachfrage nach Lebensmitteln wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sollte die Agrarproduktion auf Marktsignale reagieren und eine offene Handelspolitik gefördert werden. Die Agrarexportbeschränkungen, die einige Länder im vergangenen Jahr verhängt haben, waren eher schädlich als nützlich, weil sie die Marktsignale außer Acht gelassen und die Landwirte davon abgehalten haben, ihre Produktion zur Deckung der steigenden Nachfrage zu erhöhen. Bei den WTO-Handelsgesprächen der Doha-Runde wird versprochen, die Agrarmärkte für die Entwicklungsländer zu öffnen. Die EU wird sich auch weiterhin nach Kräften darum bemühen, bei der Doha-Entwicklungsagenda zu einem ehrgeizigen und ausgewogenen Ergebnis zu gelangen und mit ihren Beiträgen aktiv zu einem solchen Ergebnis beitragen.

Um das Produktionspotenzial der Entwicklungsländer zu erhöhen, müssen die geschäftlichen Rahmenbedingungen für die Landwirte verbessert werden, beispielsweise durch verbesserten Zugang zu Krediten, Einsatzgütern und Informationen. Dazu sind Investitionen in die ländliche Infrastruktur sowie Reformen bei Agrarpolitik, Institutionen und Bodenbewirtschaftungsplänen erforderlich. Langfristige Lebensmittelsicherheit setzt eine nachhaltigere Nutzung von Flächen und Wasser sowie die Einführung von Anbaumethoden voraus, die dem Klimawandel Rechnung tragen. Ein weiterer wichtiger Faktor, der dazu beitragen kann, dass das Angebot an Agrarprodukten mit den längerfristigen globalen Nachfragetrends Schritt halten kann, ist die Steigerung des landwirtschaftlichen Produktivitätswachstums, an der kontinuierlich gearbeitet werden muss, unter anderem durch Verbesserung von Agrarforschung und verstärkte Innovation auf diesem Gebiet. Die EU wird derartige Bemühungen in Entwicklungsländern im Zuge ihrer Entwicklungszusammenarbeit unterstützen. Dies dürfte sich mittel- bis langfristig positiv auf das Angebot auswirken.

Auch mit ihrem Vorschlag, eine Krisenreaktionsfazilität in Höhe von einer Milliarde Euro bereitzustellen[2], hat die Europäische Kommission eine wichtige Initiative in diesem Bereich eingeleitet. Diese Fazilität, die in den kommenden Wochen vom Rat und vom Europäischen Parlament gebilligt werden dürfte, zielt in erster Linie darauf ab, die Fähigkeit der Entwicklungsländer zur Anpassung ihres Angebots an Agrarprodukten auf kurze bis mittlere Sicht zu verbessern.

3. BEDEUTUNG VON SPEKULATION FÜR DIE AGRARROHSTOFFPREISE

In den vergangenen zehn Jahren hat der Handel mit Agrarrohstoffen an den Finanzmärkten ein bislang ungekanntes Wachstum erlebt, das sich in erhöhter Liquidität, einem größeren Teilnehmerkreis, Konsolidierung und neuen Börsen und elektronischen Handelsplattformen äußert. Parallel dazu hat sich das Spektrum der Strategien für den Rohstoffhandel erweitert und wurden neue Derivate entwickelt. Das Interesse der Anleger an diesen Derivaten hat im Laufe der Zeit zugenommen.

An den Terminmärkten für Agrarrohstoffe sind im Wesentlichen zwei Arten von Teilnehmern vertreten: gewerbliche Teilnehmer, die den größten Teil des An- und Verkaufs effektiver Positionen abwickeln, und Finanzinvestoren wie Hedgefonds, Investmentfonds und Staatsfonds. Während Spekulation – solange sie sich auf Fundamentaldaten des Marktes stützt – Risikomanagement und Preisfeststellung erleichtert, hat die Tatsache, dass die nicht der gewerblichen Wirtschaft angehörenden Akteure ihre Aktivitäten in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet haben, das Risiko spekulativer Blasen an den Terminmärkten für Agrarrohstoffe erhöht.

Wie die Gesamtzahl der noch ausstehenden Terminkontrakte von Marktteilnehmern zeigt, verzeichnen diese Märkte seit Anfang 2006 einen sprunghaften Anstieg der Investitionszuflüsse. Neben dem plötzlichen Anwachsen der Rohstoffderivatemärkte ist seit 2007 auch beim außerbörslichen Handel – einem im Vergleich zu den Agrarrohstoffbörsen weniger transparenten Markt - eine erhebliche (etwa 30 %ige) Zunahme der Derivatgeschäfte zu verzeichnen. Die zunehmenden Investitionen an den Agrarrohstoff-Terminmärkten könnten auf einen Rückzug der Anleger von anderen Märkten, insbesondere für strukturierte Produkte hindeuten, der sich seit Ausbruch der Finanzkrise Mitte 2007 drastisch intensiviert hat. Ebenso könnte die Tatsache, dass unlängst ein abrupter Abfluss von Investitionen vom Agrarrohstoff-Terminmarkt eingesetzt hat, weil sich die Anleger als Folge der allgemeinen Finanzkrise zusätzliche Liquidität beschaffen mussten, ein Hinweis auf eine platzende Spekulationsblase sein.

Angesichts der kurzen Zeitspanne lässt sich zwischen dem Kursauftrieb auf Termin- und Spotmärkten jedoch nur eine schwache quantitative Beziehung herstellen. Selbst eine eingehende Untersuchung der Kursspannen zwischen Lokogeschäften und zwölfmonatigen Terminkontrakten erbringt keinen klaren Nachweis dafür, dass eine Verteuerung von Termingeschäften auch Lokogeschäfte tendenziell eher verteuert hat.

Auf jeden Fall gab es in den vergangenen Jahren bei einigen Rohstoffen (insbesondere bei Weizen, Soja und Mais) erhebliche Kursungleichgewichte zwischen Spot- und Terminmärkten, die es gewerblichen Teilnehmern durchaus erschwert haben könnten, für ihre übliche Absicherung auf die Terminmärkte zurückzugreifen, was Fragen nach der Wirksamkeit der Märkte in Sachen Preisfeststellung und Absicherungsmöglichkeiten aufkommen lässt.

Abschließend ist festzustellen, dass die Koinzidenz von steigenden Rohstoffpreisen und der plötzlichen Zunahme der Investitionen in Rohstoffderivate zwar ins Auge fällt, eine Analyse aber nicht in allen Punkten den Nachweis erbringt, dass Spekulation bei der Kursbildung eine bedeutende Rolle gespielt hat. Es scheint deshalb angemessen, die Agrarrohstoff-Terminmärkte auch in nächster Zeit zu überwachen und aktiv zu prüfen, wie sich übermäßige Volatilität und Ansammlungen spekulativer Positionen, die erheblichen Schaden anrichten können, am besten vermeiden lassen. Ausgehend davon wird die Kommission die Möglichkeit aufsichtsrechtlicher Initiativen in diesem Bereich prüfen.

4. FUNKTIONSWEISE DER LEBENSMITTELVERSORGUNGSKETTE

Die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf den Weltmärkten war eine der Hauptursachen für den raschen Anstieg der Lebensmittelpreise. Daneben könnten aber auch Funktionsschwächen in der Lebensmittelversorgungskette, die entweder mit dem Grad an Wettbewerb oder der Regulierung zusammenhängen, eine wichtige Rolle gespielt haben. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage muss deshalb vor allem untersucht werden, wie sich die Funktionsweise der Lebensmittelkette verbessern lässt, und muss insbesondere der Kenntnisstand über die Transmissionsmechanismen zwischen Agrarrohstoff- und Erzeuger- und Verbraucherpreisen verbessert werden. Dies würde dazu beitragen, geeignete Maßnahmen zur Stützung der Kaufkraft und zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit zu ermitteln.

Die Lebensmittelversorgungskette verbindet drei wirtschaftlich wichtige Bereiche: den Agrarsektor, die nahrungsmittelverarbeitende Industrie und den Lebensmitteleinzelhandel. Auf sie entfallen 6 % der Wertschöpfung und 12 % der Beschäftigung in der EU. Da die nahrungsmittelverarbeitende Industrie und der Lebensmitteleinzelhandel viele Verbindungen zu anderen Bereichen aufweisen, können Funktionsstörungen auf einem der Märkte in der Lebensmittelversorgungskette erhebliche Auswirkungen haben. Das im Vergleich zu den USA geringe Produktivitätswachstum in diesen Bereichen deutet darauf hin, dass Effizienzsteigerungen möglich sind. Eine offensive Politik zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, wie sie derzeit von der Hochrangigen Gruppe für die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie[3] diskutiert wird und zu der auch innerhalb der gemeinschaftlichen Rahmenprogramme finanzierte Forschungsarbeiten und Innovationstätigkeiten zählen, könnten zu solchen Verbesserungen beitragen.

Die unterschiedlich starken Preiserhöhungen bei Lebensmitteln in den einzelnen Mitgliedstaaten zeigen, dass der Schock, den der plötzliche Anstieg der Agrarrohstoff- und Energiepreise bewirkt hat, von den Mitgliedstaaten unterschiedlich absorbiert wurde. Dies ist ein Hinweis darauf, dass der EU-Markt für Lebensmittelerzeugnisse nach wie vor fragmentiert ist. Während in Frankreich, Polen und dem Vereinigten Königreich die Erzeugerpreise den erhöhten Inputpreisen weitgehend gefolgt sind (wenn auch mit geringer zeitlicher Verzögerung), scheint dies in anderen Mitgliedstaaten weit weniger der Fall zu sein, was auf die starke Verhandlungsposition bestimmter Nahrungsmittelerzeuger schließen lassen könnte.

Ein Blick auf die nachgelagerten Märkte zeigt, dass in den neuen Mitgliedstaaten Erzeugerpreiserhöhungen in der Regel schneller an die Verbraucher weitergegeben wurden. In den meisten Ländern des Eurogebiets bleiben die Verbraucherpreiserhöhungen seit Mitte 2007 hinter den Erzeugerpreisen zurück (siehe Abbildung 1). Dies könnte darauf hinweisen, dass der Konkurrenzdruck im Lebensmitteleinzelhandel des Eurogebiets die Erhöhungen bei den Erzeugerpreisen zu einem gewissen Teil absorbiert hat. Ähnliche Unterschiede sind in Bezug auf Preisstarrheit zu verzeichnen. Während die Lebensmittelpreise in den Ländern des Eurogebiets nach dem jüngsten Rückgang der Agrarpreise relativ schnell gesunken sind, reagierten die Verbraucherpreise in den neuen Mitgliedstaaten langsamer.

Abbildung 1: Entwicklung der Verbraucher- und Erzeugerpreise

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Quelle: Eurostat . August 2007 – Juli 2008 (Jahresvergleich)

Die von Land zu Land unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen scheinen ebenfalls dazu beigetragen zu haben, den Binnenmarkt über die gesamte Lebensmittelversorgungskette zu fragmentieren und dessen Funktionsweise zu beeinträchtigen. Insbesondere Marktzugangsbeschränkungen für große Einzelhändler könnten die Preise in die Höhe getrieben und die Produktivität verringert haben. Auch Beschränkungen von Verkäufen unter dem Selbstkostenpreis haben in der Regel Mindestpreise zur Folge, die den Preiswettbewerb beschränken und die Lagerverwaltungskosten erhöhen, auch wenn solche Beschränkungen in erster Linie mit dem Ziel eingeführt wurden, Verdrängungswettbewerb zu Lasten kleinerer Marktteilnehmer zu verhindern. Gesetzlich geregelte Ladenöffnungszeiten bringen für die Einzelhändler ebenfalls höhere Kosten mit sich, da sie die Verkaufsmöglichkeiten einschränken und für große Einzelhandelsmärkte die Betriebs-, Logistik- und Infrastrukturkosten erhöhen. Doch werden mit derartigen Regelungen möglicherweise andere politische Ziele verfolgt, die bei der Bewertung der Gesamtauswirkungen nicht außer Acht gelassen werden dürfen.

Was das Wettbewerbsumfeld angeht, sind die Verhandlungspositionen, über die die Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette in den einzelnen Bereichen verfügen, von Produktkategorie zu Produktkategorie unterschiedlich. So haben die Produzenten internationaler Markenprodukte, an denen kein Weg vorbeiführt, tendenziell den Einzelhändlern gegenüber eine stärkere Verhandlungsposition. Im Vergleich dazu ist die Position der Erzeuger leicht austauschbarer Produkte, für die kein hohes Markenbewusstsein besteht, weitaus schwächer.

Durch die unterschiedlichen Verhandlungspositionen von landwirtschaftlichen Erzeugern und dem Rest der Versorgungskette stehen die Gewinnspannen der Erzeuger weiterhin stark unter Druck. Als Reaktion darauf wurden vielfältige Strategien entwickelt, wie die Bildung von Erzeugergruppen oder –kooperativen, der Abschluss vertraglicher Vereinbarungen mit der verarbeitenden Industrie und dem Einzelhandel und das Angebot hochwertiger Qualitätsprodukte, beispielsweise durch Teilnahme an freiwilligen Zertifizierungssystemen. Solche Systeme sind sowohl für die Erzeuger, die dadurch Ungleichgewichte bei der Verhandlungsposition ausgleichen können, als auch für Verbraucher und Umwelt von Nutzen. Allerdings kann die in einigen Fällen fehlende gegenseitige Anerkennung, die vom Einzelhandel verlangt wird, insbesondere für kleine Erzeuger Zutrittsschranken bewirken, wenn der Beitritt zu mehreren Systemen mit zu hohen Kosten und zu großem Verwaltungsaufwand verbunden ist.

In der gesamten Lebensmittelversorgungskette findet derzeit ein Konsolidierungsprozess statt. Während sich in einigen Bereichen der Nahrungsmittelverarbeitung, wie bei der Obst- und Gemüseverarbeitung, die Produktion auf viele verschiedene Standorte verteilt, ist in anderen Bereichen, wie bei Stärke, Zucker und Milchprodukten eine stärkere Konzentration festzustellen. Der Einzelhandel wird zunehmend von großen, zum Teil grenzübergreifenden Einzelhandelsketten beherrscht. Eine Konsolidierung bedeutet Größenvorteile, beispielsweise geringere Logistikkosten, die Effizienzgewinne bewirken und so die Preise unter Druck setzen können.

Gleichzeitig müssen die Wettbewerbsbehörden sicherstellen, dass der derzeitige Konsolidierungsprozess nicht zu einer Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf den vor- und nachgelagerten lokalen Märkten führt und dadurch Verbrauchern und Unternehmen schadet. In diesem Zusammenhang sollten nachstehend genannte Praktiken auf Einzelfallbasis eingehender geprüft werden, wobei stets ihrem Kontext Rechnung zu tragen ist:

- Kartelle stellen eine schwerwiegende Beschränkung des Wettbewerbs dar. Wie Erfahrungen aus jüngerer Zeit zeigen, treten Kartelle auch im Lebensmittelsektor auf und erstrecken sich auf unterschiedlich große Gebiete. Kartelle sind äußerst wettbewerbsschädlich und sollten von den Behörden nach ihrer Aufdeckung prioritär geahndet werden.

- In der gesamten EU haben Einkaufsallianzen im Lebensmittelsektor größen- und zahlenmäßig erheblich zugenommen, was den Lebensmittelerzeugern zunehmend Sorge bereitet. Einerseits können solche Vereinbarungen wegen der damit verbundenen Größenvorteile im Binnenmarkt zwar Effizienzgewinne mit sich bringen, auf der anderen Seite aber auch dazu genutzt werden, Konkurrenten den Zugang zu grundlegenden Einsatzgütern zu marktüblichen Bedingungen zu erschweren, und/oder auf nachgelagerten Märkten Absprachen zu treffen.

- Auch vertikale Preisbindungen werden als schwere Wettbewerbsbeschränkung angesehen. Derartige Praktiken, die die Möglichkeiten des Abnehmers zur Festsetzung seines Endpreises einschränken, verhindern Preiswettbewerb zwischen Einzelhändlern und bewirken so letztendlich die völlige Beseitigung des markeninternen Preiswettbewerbs.

- Andere vertikale Vereinbarungen, wie Markenzwang, die den Einzelhändler zum Verkauf eines einzigen Produkts verpflichten, sowie bestimmte Kopplungspraktiken, bei denen der Kauf eines Produkts von der Abnahme eines anderen abhängig gemacht wird, können wettbewerbsfördernde wie -schädliche Auswirkungen haben. Das größte Risiko für den Wettbewerb besteht in diesem Fall im Marktausschluss potenziell oder tatsächlich konkurrierender Lieferanten oder dem Verlust an Markenwettbewerb innerhalb einer Verkaufsstätte. Auch der zunehmende Rückgriff auf Eigenmarkenprodukte durch die Einzelhändler könnte den Ausschluss von tatsächlich oder potenziell konkurrierenden Lieferanten nach sich ziehen. Dies könnte das Warenangebot verringern und so die Auswahl des Verbrauchers einschränken.

- Exklusivlieferverträge, die den Lieferanten dazu verpflichten, die unter den Vertrag fallenden Waren ausschließlich an einen Abnehmer zu verkaufen, können den Ausschluss anderer Abnehmer/Einzelhändler in der Lebensmittelversorgungskette zur Folge haben. Ein Beispiel für eine Vereinbarung, die die Lieferanten indirekt dazu zwingen könnte, ausschließlich an einen Abnehmer zu verkaufen, sind Zertifizierungssysteme.

Tabelle 1 liefert einen Überblick über die oben beschriebenen Praktiken, die sich aus wettbewerbsrechtlicher Sicht als bedenklich erweisen könnten. Tabelle 1: Überblick über die gängigsten, potenziell wettbewerbsschädlichen Praktiken

Praktik | Beschreibung | Hauptrisiko für den Wettbewerb |

Kartelle | Absprachen zwischen Konkurrenten u.a. mit dem Ziel, die Preise festzusetzen, die Produktion zu beschränken und den Markt aufzuteilen | Anhaltend hohes Preisniveau und Verzögerung von Innovation zum Nachteil der Verbraucher. Kartelle sind äußerst wettbewerbsschädlich |

Abnahmeverträge | Verträge, die von konkurrierenden Abnehmern zu dem Zweck geschlossen werden, bestimmte Einsatzgüter gemeinsam zu erwerben | Werden unter bestimmten Bedingungen dazu eingesetzt, Konkurrenten den Zugang zu grundlegenden Einsatzgütern zu marktüblichen Bedingungen zu erschweren; Absprachen zwischen Konkurrenten auf nachgelagerten Märkten |

Verkaufspreisbindung | Einschränkung der Möglichkeiten des Abnehmers zur Festsetzung des Verbraucherendpreises | Verringerung des Preiswettbewerbs |

Markenzwang | Verpflichtung oder Anreizregelung, wonach der Abnehmer praktisch seinen gesamten Bedarf für bestimmte Zeit auf einem bestimmten Markt bei einem bestimmten Lieferanten deckt | Mögliche Beschränkung des Markenwettbewerbs in den Verkaufsstätten und/oder Abschottung des Markts gegen tatsächlich oder potenziell konkurrierende Lieferanten |

Eigenmarkenprodukte | Erzeugnisse, die in einem früheren Stadium der Versorgungskette von Dritten hergestellt und unter der Marke des Einzelhändlers vertrieben werden | Möglicher Ausschluss der Waren konkurrierender Lieferanten; Beschränkung des Markenwettbewerbs in Verkaufsstätten |

Produktkopplung | Die Abnahme eines Produkts (Kopplungsprodukt) wird von der Abnahme eines anderen (gekoppeltes Produkt) abhängig gemacht | Möglicher Ausschluss auf dem Markt für das gekoppelte Produkt und indirekt auf dem Markt für das Kopplungsprodukt |

Exklusivliefervereinbarung | Direkte oder indirekte Verpflichtung eines Lieferanten, eine Ware ausschließlich an einen Abnehmer zu verkaufen | Möglicher Ausschluss anderer Käufer/Einzelhändler |

Zertifizierungssysteme | Pflicht zur Erfüllung der von einzelnen Abnehmern festgelegten Bedingungen | Gefahr des Ausschlusses konkurrierender Abnehmer |

5. FAHRPLAN FÜR EINE BESSERE FUNKTIONSWEISE DER VERSORGUNGSKETTE

Um die Rahmenbedingungen für eine verbesserte Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette zu schaffen, sind gemeinsame Anstrengungen auf gemeinschaftlicher, nationaler und lokaler Ebene erforderlich. Diese Bemühungen sind notwendig, um zu gewährleisten, dass die Integration und Konsolidierung der einzelnen Bereiche der Lebensmittelversorgungskette mit einem fairen Verdienst der landwirtschaftlichen Erzeuger, wettbewerbsfähigen Preisen und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der nahrungsmittelverarbeitenden Industrie sowie mit einer erhöhten Auswahl, besserer Bezahlbarkeit und höherer Qualität der Lebensmittel für die europäischen Verbraucher einhergehen. Auch ungerechtfertigte gesetzliche Zwänge, die Effizienzsteigerungen verhindern und den Wettbewerb beschränken, sollten beseitigt werden.

Ausgehend von vorstehender Analyse wird in dieser Mitteilung ein Fahrplan zur Verbesserung der Lebensmittelversorgungskette vorgeschlagen. Dieser sieht eine Vielzahl unterschiedlicher Initiativen vor und sollte im Laufe der Zeit mit zunehmendem Wissen über die Lebensmittelversorgungskette weiterentwickelt werden. Zu diesem Zweck sollte eine breit angelegte Konsultation aller Interessengruppen durchgeführt werden. Der vorgeschlagene Fahrplan besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten.

5.1. Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelversorgungskette

Eine offensive Politik zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit würde dazu beitragen, die Effizienz der gesamten Lebensmittelversorgungskette zu erhöhen Die für Anfang 2009 erwarteten Empfehlungen der Hochrangigen Gruppe für die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie dürften dazu beitragen, die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Lebensmittelversorgungskette und damit auch ihre Widerstandsfähigkeit gegen Preisschocks zu erhöhen.

5.2. Gewährleistung einer rigorosen und kohärenten Durchsetzung der Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften auf den Versorgungsmärkten durch die Europäische Kommission, die Mitgliedstaaten und die nationalen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörden

Um alle potenziell wettbewerbsschädlichen Praktiken, die die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette beeinträchtigen könnten, zu ermitteln und einzudämmen, wird die Kommission im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes ihren kontinuierlichen Dialog mit den nationalen Wettbewerbsbehörden fortsetzen, um EU-weit eine kohärente, gut abgestimmte Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften zum Nutzen der Europäischen Verbraucher zu gewährleisten. Ausgehend von einer Analyse der Marktentwicklungen sollte sich die Untersuchung vor allem auf die Wettbewerbsbeschränkungen und/oder Praktiken konzentrieren, bei denen die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Verbraucher am größten ist (Tabelle 1 liefert hierzu eine nicht erschöpfende Aufstellung).

In Zeiten stark fluktuierender Lebensmittelpreise erhöht sich auch das Risiko irreführender Preiswerbung. So könnten die Verbraucher getäuscht werden, indem Packungsgröße oder Füllmenge verändert werden, um den Preis für das betreffende Produkt dem Augenschein nach auf dem gleichen Stand zu halten. Die Verbraucher müssen auf jeden Fall die Preise je Maßeinheit korrekt miteinander vergleichen können. Aus diesem Grund sollten die nationalen Verbraucherschutzbehörden ihr Augenmerk besonders auf die Durchsetzung der Richtlinien über unlautere Geschäftspraktiken und die Preisangabe nach Maßeinheit richten.

5.3. Überprüfung von Vorschriften, die sich für die Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette als problematisch erweisen könnten, auf nationaler und/oder gemeinschaftlicher Ebene

Hier wurden mehrere Arten von Vorschriften ermittelt. An erster Stelle müssen solche, die für neue Unternehmen den Marktzutritt beschränken, sorgfältig geprüft und gegebenenfalls aufgehoben werden, wobei ihren ökologischen und gesellschaftlichen Zielen Rechnung zu tragen ist. Dies wird im Zuge der Überprüfung des Einzelhandelsmarkts und der Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie geschehen. Zweitens sollten Vorschriften, die die Möglichkeiten der Unternehmen zum Preiswettbewerb einschränken, auf nationaler Ebene überprüft werden. Drittens sollten Praktiken, die das Verhältnis zwischen Lieferanten und Einzelhändlern verzerren, verhindert werden. Dazu zählen beispielsweise Zahlungsverzug, ungerechtfertigte oder überzogene Gebühren für Dienstleistungen des Einzelhändlers, die dem Lieferanten in Rechnung gestellt werden, sowie irreführende Werbeangebote für die Verbraucher. In diesem Zusammenhang wäre es zu begrüßen, wenn die Einzelhändler zum Ausdruck ihrer sozialen Verantwortung Verhaltenskodizes einführen würden, und sollten bereits bestehende nationale Verhaltenskodizes überprüft werden. Lohnen könnte es sich schließlich auch ganz allgemein, auf nationaler Ebene die Vorschriften über Ladenöffnungszeiten aufgrund ihrer Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise zu überprüfen, wobei die Sozialpartner zu konsultieren und ihre gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen zu berücksichtigen sind.

5.4. Bessere Unterrichtung von Verbrauchern, Behörden und Marktteilnehmern durch Einführung einer permanenten Überwachung von Lebensmittelpreisen und Versorgungskette auf europäischer Ebene

Diese Überwachung dürfte der fehlenden Preistransparenz ein Ende setzen und in der gesamten Lebensmittelversorgungskette das Wissen um die Auswirkungen gesetzlicher Regelungen erhöhen.

Eine kontinuierliche Überwachung der Erzeuger- und Verbraucherpreise bei einer Auswahl an vergleichbaren Konsumgütern würde Preisunterschiede innerhalb Europas offenlegen und dazu beitragen, Fälle von Marktfragmentierung zu ermitteln. Es fehlen offenbar ausreichende vergleichbare Informationen über Preis und Qualität, die es den Verbrauchern ermöglichen würden, auf fundierterer Grundlage ihre Auswahl zu treffen. In diesem Zusammenhang sollte das derzeit von Eurostat und den statistischen Ämtern der Mitgliedstaaten durchgeführte Pilotprojekt für eine umfassende Erhebung der Verbraucherpreise bewertet und weiterentwickelt werden.

Die Kommission untersucht derzeit im Rahmen ihrer Marktüberprüfung alle rechtlichen Bestimmungen, die sich auf die Funktionsweise der Einzelhandelsmärkte auswirken. Die oben genannten Punkte dürften neben dem Lebensmittelhandel noch andere Bereiche des Einzelhandels betreffen und werden deshalb allgemeiner behandelt. Die Einzelheiten der Umsetzung und Funktionsweise dieses Überwachungsinstruments sollen 2009 im Nachgang zur laufenden Überprüfung festgelegt werden. Bei seiner Entwicklung sollten auch Dienste und Informationen berücksichtigt werden, die nationale oder internationale öffentliche und private Preisüberwachungsstellen schon heute zur Verfügung stellen.

5.5. Prüfung von Maßnahmen zur Verhinderung von Spekulation zu Lasten der gewerblichen Teilnehmer auf den Agrarrohstoffmärkten

Die Kommission ist der Auffassung, dass übermäßige Spekulation auf den Agrarrohstoffmärkten wegen ihrer Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise verhindert werden muss. Die Kommission ist insbesondere der Ansicht, dass das in den vergangenen Monaten verzeichnete hohe Maß an Volatilität weder für die Erzeuger noch die Verbraucher von Nutzen ist. Aus diesem Grund wird die Kommission in Zusammenarbeit mit den Regulierungsbehörden der Rohstoffmärkte und in engem Kontakt mit den Regulierungsbehörden von Drittländern (insbesondere der USA, wo die wichtigsten Börsen angesiedelt sind) prüfen, welche Maßnahmen getroffen werden könnten, um zur Eindämmung der Preisvolatilität auf den Agrarrohstoffmärkten beizutragen. Hierfür wird die Kommission gegebenenfalls den Ergebnissen der derzeitigen eingehenden Überprüfung des Aufsichts- und Regulierungsrahmens für alle wichtigen Finanzmarktakteure, einschließlich Hedgefonds und Kapitalanlagegesellschaften, Rechnung tragen und ihr Augenmerk insbesondere auf Eigenkapitalanforderungen, Risikomanagement und Transparenz richten. Die Kommission wird bis Sommer 2009 gegebenenfalls Initiativen vorlegen.

6. FAZIT

Angesichts der äußerst ungewissen Wirtschaftsaussichten zeigen die heftigen Fluktuationen bei den Agrarrohstoff- und Lebensmittelpreisen, wie notwendig es ist, die Funktionsweise der europäischen Lebensmittelversorgungskette zu verbessern und zu diesem Zweck ihre Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Eine bessere Rechtsetzung und eine rigorose und kohärente Umsetzung der Wettbewerbs- und Verbraucherschutzvorschriften werden dazu beitragen, Preiserhöhungen in Grenzen zu halten, und so den europäischen Verbrauchern, insbesondere den Haushalten mit geringem Einkommen, zugute kommen. Auch wird dies es erleichtern, die aktuelle Fragmentierung der Lebensmittelversorgungskette zu überwinden, künstliche Schranken für Erzeuger zu beseitigen und dem europäischen Verbraucher so die größtmögliche Auswahl an Qualitätslebensmitteln zu eröffnen. Zusätzlich dazu könnte dies dazu beitragen, die Verhandlungspositionen in der Lebensmittelversorgungskette wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

In dieser Mitteilung wird ein Fahrplan vorgeschlagen, der auf mitgliedstaatlicher wie auf EU-Ebene unter aktiver Mitarbeit aller Interessengruppen umzusetzen ist. Ausgehend von diesem Arbeitsprogramm und damit verbundenen Maßnahmen wird die Kommission die Möglichkeit weiterer Initiativen prüfen und schlägt vor, dass sich der Europäische Rat im Dezember 2009 erneut mit diesem Thema befasst.

Um Weltangebot und -nachfrage nach Lebensmitteln wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sollten die Bemühungen um Förderung von Agrarforschung und Innovationen und um Öffnung der internationalen Märkte verstärkt werden. Um den Landwirten die Einstellung auf volatilere Märkte zu erleichtern, sollte ihre Fähigkeit zur Anpassung der Agrarproduktion durch verstärkte Marktorientierung und angemessene Sicherheitsnetze verbessert werden. Mit ihrer Einigung auf den Gesundheitscheck der GAP hat die EU einen entscheidenden Schritt in diese Richtung unternommen. Dieser wird es den landwirtschaftlichen Erzeugern erleichtern, besser auf Marktsignale zu reagieren und neue Chancen zu nutzen. Angesichts der ungewissen Entwicklung der Agrarrohstoffpreise werden Marktverhalten und -ergebnisse künftig kontinuierlich überwacht werden müssen.

[1] Siehe Mitteilung der Kommission „Steigende Lebensmittelpreise – Ansätze der EU zur Bewältigung des Problems“, KOM(2008) 321.

[2] Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Krisenreaktionsfazilität zur Bewältigung des drastischen Anstiegs der Nahrungsmittelpreise in Entwicklungsländern, KOM(2008) 450.

[3] Die Hochrangige Gruppe für die Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie, der Vertreter der Kommission, der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments, der Lebensmittelindustrie, des Agrarsektors, des Einzelhandels und der Verbraucherverbände angehören, wurde mit Kommissionsbeschluss vom 28. April 2008 eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht darin, sich mit der aktuellen und künftigen Wettbewerbsfähigkeit der Lebensmittelindustrie der Gemeinschaft zu befassen und ausgehend von ihren Diskussionen branchenspezifische Empfehlungen an die politischen Entscheidungsträger auf Gemeinschaftsebene zu richten.

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