EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52007AE1264(03)

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzübergreifenden Sachverhalten und Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Wegzugsbesteuerung und die Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten KOM(2006) 823 endg. — KOM(2006) 824 endg. — SEK(2006) 1690 — KOM(2006) 825 endg.

OJ C 10, 15.1.2008, p. 113–117 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

15.1.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 10/113


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu folgenden Vorlagen:

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt“

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzübergreifenden Sachverhalten“ und

„Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss — Wegzugsbesteuerung und die Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten“

KOM(2006) 823 endg.

KOM(2006) 824 endg. — SEK(2006) 1690

KOM(2006) 825 endg.

(2008/C 10/25)

Die Kommission beschloss am 19. Dezember 2006 gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss um Stellungnahme zu obenerwähnten Vorlagen zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 4. September 2007 an. Berichterstatter war Herr NYBERG.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 438. Plenartagung am 26./27. September 2007 (Sitzung vom 26. September) mit 168 gegen 2 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stimmt in Bezug auf Ziel und Ausrichtung der Arbeiten im Zusammenhang mit der Besteuerung und dem Binnenmarkt mit der Kommission darin überein, dass durch eine Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten die steuerpolitischen Ziele erreicht und die Bemessungsgrundlage geschützt werden können. Dadurch werden gleichzeitig die Senkung der Befolgungskosten und die Beseitigung der Hindernisse wie Diskriminierung und Doppelbesteuerung ermöglicht.

1.2

Die Kommission ist in dieser Mitteilung sehr zurückhaltend in ihren Formulierungen und „möchte … vorschlagen“, „schlägt vor … zu prüfen“ usw. Der EWSA hält die Vorschläge der Kommission für Initiativen in einem Arbeitsprogramm im Steuerbereich durchaus für angemessen. Dabei geht es um Bereiche mit Problemen bei grenzübergreifenden Tätigkeiten.

1.3

Durch den zurückhaltenden Ansatz der Kommission werden die Leser jedoch hart auf die Probe gestellt. Die Beschreibung der einzelnen Sachverhalte ist sehr knapp und die Auslegung der Rechtslage ist auch unsicher. Daher muss zu den Überlegungen der Kommission auch eher grundsätzlich als konkret Stellung genommen werden. Gespräche mit Vertretern der Kommission haben ergeben, dass die Mitteilungen eher als Berichterstattung über die umfassendere Arbeit, die innerhalb der Kommission geleistet wird, anzusehen sind.

1.4

Hinsichtlich des grenzübergreifenden Verlustausgleichs argumentiert die Kommission, dass es zwar nicht ideal sei, inländische Regelungen auf grenzübergreifende Sachverhalte auszudehnen, doch stelle dies trotz allem eine Verbesserung dar. Sowohl aus rechtlicher als auch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dies jedoch in höchstem Grade zweifelhaft, da so praktisch über ausländische Unternehmen Regelungen dessen Heimatlandes im Gebiet eines anderen Landes eingeführt würden. Die verschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme beim Verlustausgleich für grenzübergreifend tätige Unternehmen könnten langfristig durch eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) gelöst werden. Da die Kommission in dieser Frage in einer besonderen Arbeitsgruppe mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeitet, sollte sie sich in dieser Gruppe darauf konzentrieren, rasch eine Lösung zu finden und sich auf der Grundlage dieser Mitteilungen stärker mit den sonstigen Problemen beschäftigen.

1.5

Die Kommission versucht in ihrer Analyse ein Problem zu lösen, für das zumindest diese Mitteilung keine Analyse in Bezug auf das Ausmaß des Problems und die praktischen Auswirkungen der Einführung eines Rechts auf grenzübergreifende Verlustausgleiche enthält. In ihrer Argumentation hat die Kommission überdies die Möglichkeit des Verlustvortrags nicht ausreichend berücksichtigt. Eine grenzübergreifende Verlustübertragung ist dann nämlich in den meisten Fällen nicht immer erforderlich.

1.6

Was die Übertragung nicht realisierter Wertsteigerungen von Unternehmen zwischen Mitgliedstaaten betrifft, so kann die Grundlage hierfür nicht ein ausschließlich natürliche Personen betreffender Fall sein. Die Vorschrift, dass beim Wegzug eine Steuerzahlung auf Kapital aus nicht realisierten Wertsteigerungen nicht gefordert werden darf, führt zu hohen Informationsanforderungen. Die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden sollte sicherstellen können, dass beide Staaten ihren rechtmäßigen Anteil an den Steuern erhalten, wenn diese nach und nach gezahlt werden. Es gibt Vermögen, die zwar durch einen Wegzug verlagert, aber nie veräußert werden, wie z. B. immaterielle Güter, oder Vermögen, die schlicht verbraucht werden. Die von der Kommission angeführte Beschreibung dieser Fälle ist nicht klar.

1.7

Generell ist es wichtig, die Zusammenarbeit und Koordinierung im Rahmen der Körperschaftsteuer auszuweiten. Gleichzeitig muss im Steuerbereich aufgrund des Subsidiaritätsprinzips respektiert werden, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage nationaler Gegebenheiten selbstständige Beschlüsse treffen können.

2.   Einführung

2.1

Die Kommission legte am 19. Dezember 2006 drei Mitteilungen zur Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten vor. Es handelt sich zum einen um eine Mitteilung allgemeiner Art und um zwei Mitteilungen, in denen spezielle Fragen behandelt werden, und zwar Verluste bei grenzübergreifenden Sachverhalten bzw. die Wegzugsbesteuerung. Mit den Mitteilungen sollen die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen einzelstaatlichen Steuervorschriften verbessert, nicht aber eine Harmonisierung vorgeschlagen werden.

2.2

Die Mitteilungen beziehen sich zwar auf die direkten Steuern, behandeln aber fast ausschließlich die Unternehmensbesteuerung. Diese Mitteilungen wurden vorgelegt, um einerseits eine zügige Lösung für die Probleme bei grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeiten zu finden, die langfristig durch eine GKKB gelöst werden können, und andererseits, um die auch nach Einführung einer solchen Bemessungsgrundlage eventuell verbleibenden Probleme zu lösen.

2.3

Der EWSA hat sich bereits für die Einführung einer GKKB ausgesprochen und einige Grundsätze dargelegt, die im Falle der Einführung einer solchen Bemessungsgrundlage gelten sollten (1).

2.4

Die Kommission macht deutlich, dass es bei der Debatte und den Vorschlägen nicht nur darum geht, für Unternehmen diskriminierende Hindernisse und das Risiko der Doppelbesteuerung zu beseitigen, sondern auch um den Schutz der Bemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten.

3.   Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt (KOM(2006) 823 endg.)

3.1

Eine Koordinierung der Besteuerung sollte sich nach Auffassung der Kommission nach folgenden Grundsätzen richten: Beseitigung von Diskriminierung und Doppelbesteuerung, Bekämpfung von Nichtbesteuerung und Missbrauch samt Senkung der Kosten für Unternehmen und Personen, für deren Tätigkeiten mehrere Steuersysteme gelten. Probleme bei der Unvereinbarkeit von zwei Steuersystemen werden in erster Linie durch bilaterale Abkommen geregelt. Alternativ dazu wurden Gerichtsverfahren entwickelt, um zu prüfen, ob die Bestimmungen mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen. Im Zusammenhang mit den steuerrechtlichen Bestimmungen, die möglicherweise gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen, wird unter anderem auf die Wegzugsbesteuerung, Quellensteuer auf Dividenden, den konzerninternen Verlustausgleich und die Besteuerung von Betriebsstätten hingewiesen.

3.2

Die Rechtsprechung wird vom EuGH ständig weiter entwickelt. Dabei handelt es sich meist um spezifische Fälle, die selten allgemein ausgelegt werden können. Nach Ansicht der Kommission ist eine umfassendere Auslegung der Rechtsprechung erforderlich. Mit diesen Mitteilungen möchte die Kommission die Mitgliedstaaten durch eine Reihe von Initiativen bei der Suche nach koordinierten Lösungen unterstützen.

3.3

Eine wichtige Zielsetzung für die Kommission ist die Abschaffung der Doppelbesteuerung, die ein Hindernis für grenzübergreifende Tätigkeiten sein kann. Um Nichtbesteuerung/Missbrauch zu verhindern, schlägt die Kommission vor, die Rechtsprechung mit den Mitgliedstaaten in einer Arbeitsgruppe zu überarbeiten. Die Bestimmungen in diesem Bereich sind nicht nur unterschiedlich, sie müssen auch in 27 verschiedenen Verwaltungssystemen gehandhabt werden. Die Kommission will untersuchen, wie die Zusammenarbeit der Behörden der Mitgliedstaaten verbessert werden kann.

3.4

Die Kommission gibt auch Themen für künftige Mitteilungen an, wie z. B. Maßnahmen zur Missbrauchsbekämpfung, Einstufungen von Fremd- und Eigenkapital und zur intensiven Nutzung der Streitbeilegungsregelung bei Steuerstreitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten.

Bemerkungen

3.5

Mit seinen Bemerkungen zu diesen drei Mitteilungen der Kommission bekräftigt der Ausschuss seine Unterstützung für die Erarbeitung einer GKKB. Einer der Grundsätze, auf die der EWSA in seiner Stellungnahme hingewiesen hat, besagt, dass konkrete Auswirkungen nur durch eine obligatorische GKKB erzielt werden können. Von politischer Seite wurden Bedenken hinsichtlich der Erarbeitung einer GKKB geäußert. Nach Ansicht des Ausschusses kann jedoch der Versuch, zu einer solchen Bemessungsgrundlage zu gelangen, nicht in Frage gestellt werden. Für einen funktionsfähigen Binnenmarkt ist sie langfristig erforderlich. Auch könnte sie die Umsetzung der in den Kommissionsmitteilungen behandelten Vorschläge erleichtern. Selbstverständlich kann es unterschiedliche Auffassungen darüber geben, wie diese Bemessungsgrundlage ausgearbeitet werden soll. Dieser Debatte muss durch einen konkreten Vorschlag jedoch neuer Schwung verliehen werden.

3.5.1

In der Stellungnahme des Ausschusses zur GKKB wurde auch auf den Nutzen hingewiesen, schrittweise Vorschläge vorzulegen, die schon vor Fertigstellung des Hauptentwurfs umgesetzt werden können. Der Ausschuss sieht in diesen Mitteilungen der Kommission einen Anfang für Arbeiten dieser Art.

3.6

In dieser Mitteilung ist die Kommission sehr zurückhaltend in ihren Formulierungen. „Die Kommission möchte einige Initiativen vorschlagen.“„Die Kommission schlägt vor, diesen Bereich zusammen mit den Mitgliedstaaten im Rahmen einer Arbeitsgruppe in näherer Zukunft (…) zu prüfen“. „Es wäre wünschenswert, umfassender zu prüfen, wie sich die grenzüberschreitenden Befolgungskosten senken (…) lassen.“ Die vorsichtige Haltung der Kommission in Bezug auf Steuerfragen ist angesichts der negativen Einstellung insbesondere der Finanzminister verständlich. Wenn die Politiker nicht bereit sind, konstruktiv an einer Zusammenarbeit, Koordinierung und, wo angebracht, auch Harmonisierung (vor allem in Bezug auf die GKKB) zu arbeiten, wird der EuGH auch weiterhin die Institution sein, die festlegt, wie die Interoperabilität der einzelstaatlichen Steuersysteme auszusehen hat.

3.7

Der EWSA hält die Vorschläge der Kommission für Initiativen in einem Arbeitsprogramm im Steuerbereich durchaus für angemessen. Dabei geht es um Bereiche mit Problemen bei grenzübergreifenden Tätigkeiten. Im Zusammenhang mit den Vorschlägen, die die Kommission vorlegen wird, ist es wichtig, darüber zu informieren, welche Bedeutung die Vorschläge für die Verwirklichung der Ziele im Rahmen der Lissabon-Agenda haben können.

3.8

Die in dieser und den beiden anderen Mitteilungen behandelten Probleme beziehen sich hauptsächlich auf grenzübergreifende unternehmerische Tätigkeiten. Nur die Mitteilung über die Wegzugsbesteuerung betrifft Personen. Der EWSA befürwortet es, dass bei den Debatten über den Binnenmarkt und die Besteuerung der Schwerpunkt in erster Linie auf die Unternehmen gelegt wird.

3.9

Wenn ein Unternehmen erwägt, in einem anderen Land aktiv zu werden, herrscht ein sehr großer Informationsbedarf hinsichtlich des Steuersystems des betreffenden Landes. Transparentere und leichter zugängliche Informationen sind erforderlich. Die Kommission kann eine wichtige Aufgabe als Bindeglied zu den Finanzbehörden der Mitgliedstaaten und den dort erhältlichen Informationen übernehmen. Möglicherweise könnte hier die Rolle der Kommission im Rahmen der Wettbewerbspolitik als Vorbild dienen.

3.10

Die Zusammenarbeit und Koordinierung bei der Unternehmensbesteuerung ist dringend erforderlich. Die Kommission spricht zwar von Zusammenarbeit und Koordinierung, doch enthalten die Mitteilungen Überlegungen, die in der Praxis bedeuten könnten, dass auf einen Teil der einzelstaatlichen Selbstständigkeit im Steuerbereich verzichtet werden muss. Dies gilt es, in künftigen konkreten Vorschlägen zu vermeiden.

4.   Steuerliche Behandlung von Verlusten bei grenzübergreifenden Sachverhalten (KOM(2006) 824 endg.)

4.1

Die Behandlung grenzübergreifender Verluste bei Unternehmen oder Konzernen basiert vor allem auf dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Marks & Spencer. Ohne die Möglichkeit eines grenzübergreifenden Verlustausgleichs kann ein Unternehmen mit Aktivitäten in mehreren Ländern höher besteuert werden als ein Unternehmen, dessen Aktivitäten alle in einem einzigen Land gebündelt sind. Mit einer GKKB könnte dieses Problem für Unternehmen mit Aktivitäten in mehreren Ländern gelöst werden. In Erwartung einer GKKB schlägt die Kommission verschiedene Verfahren für den grenzübergreifenden Verlustausgleich innerhalb einer Muttergesellschaft für Verluste in einer Tochtergesellschaft bzw. innerhalb eines Unternehmens mit Betriebsstätten/Zweigniederlassungen in anderen Ländern vor.

4.2

Es ist nicht möglich, die Lage innerhalb der EU in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, da die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Regelungen haben.

4.3

Für Unternehmen mit mehreren Unternehmensteilen in einem Land kann stets ein Verlustausgleich zwischen den Unternehmensteilen vorgenommen werden. Dem in der Mitteilung enthaltenen Schema zufolge ist ein grenzübergreifender Verlustausgleich zwar in den meisten Fällen möglich, jedoch nicht zwischen allen Mitgliedstaaten. Der EuGH hat geurteilt, dass der Sachverhalt eines Unternehmens mit mehreren Aktivitäten in einem Land bzw. eines Unternehmens mit Aktivitäten in mehreren Mitgliedstaaten gleich behandelt werden muss. Daher ergibt sich der Verlustausgleich nach Ansicht der Kommission aus der Niederlassungsfreiheit.

4.4

Bei Konzernen (Muttergesellschaft-Tochtergesellschaft) ist in den meisten Mitgliedstaaten ein Verlustausgleich innerhalb eines Staates möglich. Bei Tochtergesellschaften in anderen Ländern ist dies nur in Ausnahmefällen möglich. Um diesen Fall geht es in der Rechtssache Marks & Spencer. Das Urteil lautete, dass die Verluste erst dann bei der Muttergesellschaft ausgeglichen werden können, wenn alle Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten in dem Land ausgeschöpft sind, in dem die Tochtergesellschaft ihren Sitz hat. Der Verlustausgleich darf nur bis hinauf zur Muttergesellschaft vorgenommen werden. Außerdem muss er zeitlich begrenzt sein.

4.4.1

Unternehmen innerhalb eines Konzerns sind rechtlich getrennte Einheiten und werden jeweils gesondert besteuert. 19 Mitgliedstaaten haben jedoch Systeme für eine gemeinsame Besteuerung im gesamten Konzern innerhalb eines Landes eingeführt. Die meisten bündeln die gesamte Besteuerung, während in einigen nur die Möglichkeit des Verlustausgleichs besteht. Selbstverständlich sind spezielle Bestimmungen erforderlich, wenn ein grenzübergreifender Verlustausgleich zugelassen werden soll, da die Ergebnisse unterschiedlichen Systemen zufolge besteuert werden sollen. Diesbezüglich bestehen in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Bestimmungen. Durch die GKKB könnten all diese Probleme für Unternehmen mit Aktivitäten in mehreren Ländern gelöst werden. Die Kommission möchte zu gemeinsamen, zeitlich begrenzten Lösungen für einen grenzübergreifenden Verlustausgleich innerhalb von Konzernen gelangen.

Bemerkungen

4.5

Zwar geht es in der Mitteilung um den Verlustausgleich, doch ist aus nahe liegenden Gründen die Behandlung der Gewinnbesteuerung der Ausgangspunkt. Der beste Ausgangspunkt wäre eine auch formal deutliche Behandlung der Gewinnbesteuerung und des Verlustausgleichs im selben Dokument gewesen. Der Verlustausgleich kann nicht getrennt von der Gewinnbesteuerung behandelt werden. Indem sich die Kommission auf die Möglichkeit einer Verlustverlagerung in ein anderes Land konzentriert, wurde auf die andere Möglichkeit der Finanzierung eines Defizits — konzerninterne Beiträge („intra-group contributions“) — nicht eingegangen. Wenn die „intra-group contributions“ vor Zahlung der Gewinnsteuer ausbezahlt werden müssen, hat dies dieselbe steuerliche Wirkung wie ein Verlustvortrag.

4.6

Mit der Argumentation, dass ein Unternehmen, das in mehreren Ländern tätig ist, auf die gleiche Art behandelt werden sollte wie ein Unternehmen mit Aktivitäten in nur einem Land, wird nur das halbe Problem aufgegriffen. Die Kommission möchte, dass grenzübergreifend tätige Unternehmen gleich behandelt werden. Da die einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedliche Vorschriften für den Verlustausgleich haben, entstehen dann neue Unterschiede zwischen Unternehmen. Wenn ein Unternehmen aus einem Land stammt, in dem ein grenzübergreifender Verlustausgleich zugelassen ist, und es diese Regelungen in einem Land anwenden darf, in dem ein Verlustausgleich zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften nicht zugelassen ist, entsteht ein Unterschied zwischen einheimischen und ausländischen Unternehmen. Solange unterschiedliche Bestimmungen bestehen, ist eine Gleichbehandlung aller drei Unternehmensarten nicht möglich, vielmehr wird nur die Gleichbehandlung verlagert. Die Gleichbehandlung in den Rechtsvorschriften, die zuvor für alle in einem Land tätige Unternehmen gegeben war, wird stattdessen zu einer Gleichbehandlung aller Unternehmen, die aus einem Land stammen — unabhängig davon, wo die Aktivitäten ausgeübt werden. Anders ausgedrückt werden Bestimmungen zur Verlustübertragung von einem Land in ein anderes verlagert, und zwar über Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen in diesem Land. Dies kann nicht hingenommen werden. Mit anderen Worten: In der Analyse der Kommission werden die möglichen Auswirkungen für Unternehmen, die nicht grenzübergreifend tätig sind, nicht bedacht.

4.6.1

Die Kommission argumentiert, dass es zwar nicht ideal sei, inländische Regelungen auf grenzübergreifende Sachverhalte auszudehnen, doch stelle dies trotz allem eine Verbesserung dar. Aus rechtlicher und volkswirtschaftlicher Sicht ist dies jedoch höchst zweifelhaft, da praktisch über ausländische Unternehmen Regelungen des Heimatlandes dieses Unternehmens im Gebiet eines anderen Landes eingeführt würden. Von den negativen Auswirkungen, die die Kommission anführt, wenn kein grenzübergreifender Verlustausgleich möglich ist, zählen für den Ausschuss die Probleme im Zusammenhang mit der Errichtung eines Unternehmens zu den schwerwiegendsten. In der Anfangsphase von Unternehmen sind Verluste üblich. In dieser Phase gibt es jedoch keine Möglichkeiten, diese Verluste gegen Gewinne im Ursprungsland des Unternehmens auszugleichen. Dies schreckt von der Niederlassung in neuen Ländern ab. Außerdem fällt es kleinen und mittleren Unternehmen am schwersten, solche Anlaufkosten zu schultern. Die erwähnten Probleme betreffen selbstverständlich auch einheimische Unternehmen, weswegen diese Probleme nicht nur für die Niederlassung im Ausland typisch sind.

4.7

Die Kommission hat in ihrer Argumentation überdies die Möglichkeit des Verlustvortrags nicht ausreichend berücksichtigt. Eine grenzübergreifende Verlustübertragung ist in den meisten Fällen nicht immer erforderlich. Der Unterschied, der zwischen einem Verlustvortrag innerhalb eines Landes und dem Verlustausgleich zwischen mehreren Ländern besteht, ist der zeitliche Aspekt. Bei einem grenzübergreifenden Verlustausgleich kann ein Verlust direkt mit einem Gewinn verrechnet werden. Hier drängt sich folgende Frage auf: Kann die beschwerliche Suche nach Lösungen, die für die Gewährleistung des grenzübergreifenden Verlustausgleichs innerhalb der EU erforderlich sind, mit dem Vorteil begründet werden, den der Verlustausgleich direkt im Jahr der Entstehung des Verlusts bietet? Verluste können über „intra-group contributions“ als außerordentliche Übergangszahlungen finanziert werden. Das Problem, das die Kommission zu lösen versucht, ist u.U. gar nicht so groß, wie es erscheint. Die Kommission sollte den grenzübergreifenden Verlustausgleich und den Verlustausgleich über einen längeren Zeitraum als Alternative für grenzübergreifend tätige Unternehmen in ihre Analyse aufnehmen, anstatt sich nur auf das eine Verfahren zu konzentrieren.

4.8

Ferner enthält zumindest diese Mitteilung auch keine Analyse in Bezug auf das Ausmaß des Problems und die praktischen Auswirkungen der Einführung eines Rechts auf grenzübergreifende Verlustausgleiche. Eine solche Analyse ist vor einer Entscheidung über die Zulässigkeit von grenzübergreifenden Verlustausgleichen unverzichtbar.

4.9

Die Kommission gibt bei ihrer Auslegung der Rechtslage, wonach ein Verlustausgleich aufgrund der Niederlassungsfreiheit bei Tätigkeiten von Betriebsstätten oder Zweigniederlassungen in anderen Mitgliedstaaten zugelassen werden muss, nicht an, ob dieser zeitlich begrenzt sein soll oder nicht. Es scheint, als gebe es derzeit nur einen zeitlich begrenzten Verlustausgleich. Es sollte deutlich darauf hingewiesen werden, dass dies empfohlen wird.

4.10

Die Kommission möchte die Einschränkungen, die im Fall Marks & Spencer gemacht wurden, als Leitlinien für künftige Vorschläge für Maßnahmen nehmen. Der EWSA hält es auch für erforderlich, bei der Ausarbeitung künftiger Vorschläge darauf zu achten, dass das Risiko der Steuerumgehung im Zusammenhang mit dem Verlustausgleich zu minimiert wird.

4.11

Die Kommission hat bereits früher Vorschläge unterbreitet, wonach ein Verlustausgleich im Jahr nach der Verlustübertragung zulässig ist. Die Verluste werden von der Muttergesellschaft zurückgeführt, sobald Gewinne vorliegen, mit denen sie verrechnet werden können. Dies scheint hier das beste Vorgehen zu sein, da die Steuerbemessungsgrundlage so nur zeitlich begrenzt zwischen den beteiligten Ländern übertragen wird.

4.12

Versucht man, Probleme im Zusammenhang mit dem grenzübergreifenden Verlustausgleich ohne die Einführung einer GKKB zu lösen, entsteht ein übergreifendes Problem, das die Kommission nicht ausreichend berücksichtigt zu haben scheint. Wie kann man wissen, welcher Verlust über eine Grenze hinweg übertragen werden soll, wenn Gewinne und Verluste in den beiden Ländern auf unterschiedlichen Berechnungen der Bemessungsgrundlage beruhen? So wird man sich nicht einigen können, wie groß der Verlust tatsächlich ist. Kurz gesagt: Die einzelnen rechtlichen und wirtschaftlichen Probleme beim grenzübergreifenden Verlustausgleich scheinen langfristig nur über die GKKB gelöst werden zu können. Wenn diese Frage einigermaßen schnell geklärt wird, kann es ratsam sein, dass sich die Kommission eingehender mit den anderen Problemen, die in diesen Mitteilungen behandelt werden, befasst.

5.   Wegzugsbesteuerung und die Notwendigkeit einer Koordinierung der Steuerpolitiken der Mitgliedstaaten (KOM(2006) 825 endg.)

5.1

Die Kommission ist der Ansicht, dass innerhalb eines Landes und zwischen verschiedenen Ländern die gleichen Regeln für einen Steueraufschub gelten sollten, wenn nicht realisierte Wertsteigerungen zwischen Unternehmen übertragen werden. Da jedoch die Vorschriften für die Besteuerung nicht realisierter Wertsteigerungen voneinander abweichen, entstehen hier Probleme. Neben voneinander abweichenden Vorschriften kann auch ein mangelnder Informationsfluss zwischen Steuerbehörden und beteiligten Unternehmen oder Personen zu einer Nicht- oder Doppelbesteuerung führen. Die Kommission nennt Beispiele, wie die Vorschriften der Mitgliedstaaten besser koordiniert werden können. Es bleibt jedoch noch einiges zu tun, bis alle Probleme gelöst sind.

5.2

Die Kommission stützt ihre Argumentation auf den Fall einer Einzelperson (2), bei dem nicht realisierte Wertsteigerungen bei seinem Wegzug aus dem Land besteuert wurden, während Personen, die ihren Wohnsitz im Land behalten, dann besteuert werden, wenn die Wertsteigerungen realisiert werden. Der EuGH urteilte, dass dieser Unterschied gegen die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Freizügigkeit verstößt. Hier tritt jedoch ein weiteres Problem auf: Dem Land, in dem die Wertsteigerung erzielt wurde, entgehen die Steuereinnahmen. Ohne besondere Vorschriften fallen diese Steuereinnahmen, wenn die Wertsteigerung realisiert wird, dem Land zu, in das der Wohnsitz verlegt wurde. Der EuGH kam zu dem Schluss, dass es zulässig ist, bei einer Wohnsitzverlegung eine Steuererklärung zu verlangen, die als Grundlage für die Aufteilung der Besteuerung bei der Realisierung der Wertsteigerung herangezogen wird.

5.3

Die meisten Mitgliedstaaten sind inzwischen dem EuGH-Urteil gefolgt und haben die Wegzugsbesteuerung abgeschafft. Unsicherheit herrscht in Bezug darauf, wie oder sogar ob die künftige Besteuerung zu einem Teil dem Land zufallen soll, aus dem der Wohnsitz verlegt wurde. Die Kommission plädiert für ein System, in dem das Land, in das der Wohnsitz verlegt wurde, einen Steuerabzug für den Teil der Wertsteigerungen gewährt, der vor der Wohnsitzverlegung entstanden ist. Dies setzt voraus, dass die Steuerbehörden in den beiden betroffenen Ländern die Besteuerung koordinieren. Die Kommission legt das EuGH-Urteil, das sich auf eine Person bezog, ferner so aus, dass es auch für Unternehmen gilt, die nicht realisierte Wertsteigerungen verlagern.

5.4

Ein Sonderfall sind die EWR- bzw. EFTA-Staaten, die zwar unter die Freizügigkeit, aber nicht unter das EU-Steuerrecht fallen. Diesbezüglich vertritt die Kommission die Ansicht, dass beim Wegzug verlangt werden kann, Steuern abzuführen, um dem Land, aus dem der Wohnsitz verlegt wird, die Steuereinnahmen zu sichern, wenn keine anderen Verfahren in bilateralen Vereinbarungen festgelegt werden.

Bemerkungen

5.5

Wenn die Kommission verschiedene Fälle von Verlagerungen von Vermögen aus nicht realisierten Wertsteigerungen zwischen Unternehmen erörtert, erscheint die Rechtslage unsicherer als in Bezug auf Einzelpersonen. Die Kommission stützt ihre Auslegung in Bezug auf Unternehmen auf ein Urteil, das für Privatpersonen gilt. Ein Urteil, das auf Privatpersonen gemünzt ist, kann aber nicht unmittelbar auf Unternehmen übertragbar sein. Daher muss die Kommission ihre Analyse um die besonderen Probleme, mit denen Unternehmen konfrontiert sein können, ergänzen.

5.6

Ausführlichere Erläuterungen in Bezug darauf, welcher Fall der Kommission zufolge für unterschiedliche Sachverhalte gilt — Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft, Zweigniederlassungen bzw. Betriebsstätten, wären erforderlich. Nach Lektüre der Beschreibungen in der Kommissionsmitteilung stellt sich u.a. die Frage, ob eine unterschiedliche Behandlung nicht realisierter Wertsteigerungen wirklich davon abhängig gemacht werden sollte, welches Verhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen herrscht.

5.7

Die Vorschrift, dass beim Wegzug eine Steuerzahlung auf Kapital aus nicht realisierten Wertsteigerungen nicht gefordert werden darf, führt zu hohen Informationsanforderungen. Dass die Information, dass das Vermögen nicht veräußert wurde, bis zur Veräußerung jedes Jahr zu erbringen ist, erscheint unangemessen. Stattdessen sollte die Zusammenarbeit zwischen den Steuerbehörden sicherstellen können, dass beide Staaten ihren rechtmäßigen Anteil an den Steuern erhalten, wenn diese nach und nach gezahlt werden.

5.8

Es gibt Vermögen, das zwar durch einen Wegzug verlagert, aber nie veräußert wird, wie z.B. immaterielle Güter, oder Vermögen, das schlicht verbraucht wird. Die von der Kommission angeführte Beschreibung dieser Fälle ist nicht ausführlich genug. Wie soll der Mitgliedstaat, aus dem das Vermögen stammt, jemals die Steuern auf den nicht realisierten, zuvor vorhandenen Wert erhalten, wenn diese nicht bei der Verlagerung erhoben werden dürfen?

Brüssel, den 26. September 2007

Der Präsident

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Dimitris DIMITRIADIS


(1)  EWSA-Stellungnahme zum Thema „Schaffung einer gemeinsamen konsolidierten Bemessungsgrundlage für die Unternehmensbesteuerung in der EU“, ABl. C 88 vom 11.4.2006, S. 48.

(2)  Rechtssache C-9/02, Hughes de Lasteyrie du Saillant gegen Ministère de l'Économie, des Finances et de l'Industrie, ABl. C 94 vom 17.4.2004, S. 5.


Top