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Document 52005AE0390

Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung des Kohäsionsfonds“(KOM(2004) 494 endg. — 2004/0166 (AVC))

OJ C 255, 14.10.2005, p. 88–90 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)

14.10.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 255/88


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung des Kohäsionsfonds“

(KOM(2004) 494 endg. — 2004/0166 (AVC))

(2005/C 255/17)

Der Rat der Europäischen Union beschloss am 1. Dezember 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 18. März 2005 an. Berichterstatter war Herr SILVA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 416. Plenartagung am 6./7. April 2005 (Sitzung vom 6. April) mit 121 Stimmen ohne Gegenstimme bei 10 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung — Einrichtung und grundlegende Zielsetzungen des Kohäsionsfonds

1.1

Der im Vertrag von Maastricht vorgesehene Kohäsionsfonds wurde 1993 zunächst als „Kohäsions-Finanzinstrument“ eingerichtet und dann mit der Verordnung Nr. 1164/94 vom 16. Mai 1994 (1), inzwischen geändert durch die Verordnungen Nr. 1264/99 und 1265/99 vom 21. Juni 1999 (2), als „Fonds“ institutionalisiert.

1.2

Der Kohäsionsfonds war für diejenigen Mitgliedstaaten bestimmt, deren Bruttosozialprodukt unter 90 % des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt — dieser Prozentsatz wurde seit der Änderung von 1999 auf Dreijahresgrundlage ermittelt. Dadurch wurde die Förderfähigkeit seither auf vier Mitgliedstaaten beschränkt: die drei Länder der zweiten EU-Erweiterung — Spanien, Griechenland und Portugal — sowie Irland.

1.3

Gemäß der Verordnung Nr. 1164/94 trägt der Kohäsionsfonds zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Gemeinschaft bei, indem Projekte in folgenden Bereichen gefördert werden:

Umwelt;

transeuropäische Verkehrsinfrastrukturnetze;

Vorstudien sowie Maßnahmen der technischen Hilfe, die sich auf förderungswürdige Vorhaben beziehen.

2.   Der Beitrag des Kohäsionsfonds seit seiner Errichtung bis heute

2.1

Die Strukturfonds und insbesondere der Kohäsionsfonds haben in den bisherigen vier Empfängermitgliedstaaten einen spürbaren und quantifizierbaren Beitrag zur Verwirklichung des Ziels „Konvergenz“ geleistet.

2.2

So stieg z.B. die Autobahndichte in diesen vier Ländern von ca. 20 % unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt im Jahr 1991 auf ca. 10 % über dem Durchschnitt im Jahr 2001 (3).

2.3

Das Bild sieht jedoch schon anders aus, wenn man — ebenfalls im Bereich der Verkehrsinfrastrukturen — den Stand der Modernisierung im Schienenverkehr und die Dichte des Schienenverkehrsnetzes in den vier Kohäsionsländern — 55 % des Gemeinschaftsdurchschnitts — betrachtet.

2.4

Desgleichen war zu beobachten, dass die mit Hilfe des Kohäsionsfonds getätigten Investitionen in Verkehrsinfrastrukturen stark zur Erhöhung der Attraktivität der begünstigten Regionen beitragen, indem die Wirtschaftstätigkeit gesteigert wird — mit all den damit einhergehenden Auswirkungen wie z.B. Produktivitätswachstum und Anstieg der realen Einkommen der Bevölkerung.

2.5

Jüngsten Studien zufolge kann der Beitrag der Strukturfonds im Allgemeinen und des Kohäsionsfonds im Besonderen auch die Ansiedlung von Wirtschaftstätigkeiten mit einer starken Forschungs- und Entwicklungskomponente positiv beeinflussen, was sicherlich dem nachhaltigen Wachstum des gesamten Gemeinschaftsraums förderlich ist.

2.6

Wird als Referenzwert das Pro-Kopf-BIP während des Zeitraums 1994-2001 herangezogen, so lag dessen Anstieg in diesen vier Mitgliedstaaten (real 3 % im Durchschnitt) um mehr als 1 % über dem durchschnittlichen jährlichen Anstieg in der Union (4).

3.   Der neue Kommissionsvorschlag von 2004 für eine Verordnung des Rates über den Kohäsionsfonds — Allgemeine Bemerkungen

3.1

Aufgrund der EU-Erweiterung vom 1. Mai 2004 von 15 auf 25 Mitgliedstaaten (und der binnen kurzem zu erwartenden Erweiterung auf 27, mit der auch Bulgarien und Rumänien Zugang zum Kohäsionsfonds erhalten werden) muss ernsthaft darüber nachgedacht werden, wie die Mechanismen zur praktischen Umsetzung der drei wesentlichen Ziele der Strukturfonds„Konvergenz“, „regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung“ und „europäische territoriale Zusammenarbeit“ — ausgestaltet werden sollen, und zwar qualitativ hinsichtlich der Auswahl der Prioritäten und quantitativ hinsichtlich der Mittelausstattung der Gemeinschaftsfonds.

3.2

Dies ist um so dringlicher wegen der gestiegenen Herausforderungen, die der gleichzeitige Beitritt 10 neuer Mitgliedstaaten — mit einem BIP unter dem der EU-15 — im Hinblick auf die Verwirklichung des Ziels „Konvergenz“ bedeutet, für das der Kohäsionsfonds in Verbindung mit dem EFRE und dem ESF Mittel bereitstellt.

3.3

Die Kommission sieht daher die Konzentration von ca. 264 Milliarden Euro (78 % der für die Förderprogramme der Gemeinschaft bereitgestellten Gesamtmittel) auf das Ziel „Konvergenz“ — davon rund 63 Milliarden im Rahmen des Kohäsionsfonds — vor, was gegenüber der Mittelausstattung des Kohäsionsfonds für den Zeitraum 2000-2006 — 18 Milliarden Euro — eine sehr beträchtliche Anhebung bedeutet.

3.4

Vor diesem Hintergrund begrüßt der EWSA die Initiative der Kommission, eine neue Strukturfondsverordnung für den Zeitraum 2007-2013 vorzuschlagen und damit einen neuen Rechtsrahmen für die Kohäsionspolitik der Gemeinschaft zu schaffen.

3.5

Im Zeithorizont, der für die jetzige Reform der Strukturfondsverordnung vorgesehen ist, werden — auf der Grundlage der jüngsten statistischen Daten — Griechenland, Portugal, die 10 neuen Mitgliedstaaten der letzten Erweiterung sowie Bulgarien und Rumänien ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts Förderung aus dem Kohäsionsfonds beanspruchen können.

3.6

Was den Vorschlag für eine Verordnung über den Kohäsionsfonds angeht, der die Verordnung (EG) Nr. 1194/94 des Rates ersetzen soll, so billigt der EWSA das Grundkonzept, in dieser Verordnung nur die großen Ziele und die Leitlinien für die Anwendung und den Zugang zusammenzufassen, während sämtliche Aspekte der operationellen Tätigkeit dieses Fonds — Grundprinzipien, Festlegung und Aufteilung der Aufgaben der Mitgliedstaaten und der Kommission, Bestimmungen für Finanzverwaltung, Rechnungsprüfung und Kontrolle — in der Verordnung mit allgemeinen Bestimmungen für alle Strukturfonds geregelt werden.

3.7

In diesem Rahmen flankiert der Kohäsionsfonds die Neuausrichtung der gemeinschaftlichen Kohäsionspolitik auf eine begrenzte Zahl ausgewählter Prioritäten, die sich aus den Verpflichtungen und strategischen Zielsetzungen von Lissabon aus dem Jahr 2000 — Steigerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit auf der Grundlage von Wissen und sozialem Zusammenhalt — sowie von Göteborg aus dem Jahr 2001 ableiten, wobei verstärkt der Umweltschutz und die konkrete Umsetzung eines Modells für die nachhaltige Entwicklung gefördert werden.

4.   Der neue Kommissionsvorschlag von 2004 für eine Verordnung des Rates über den Kohäsionsfonds — Besondere Bemerkungen

4.1

Die Vereinheitlichung der Bestimmungen und Verfahrensweisen der Strukturfonds ist in der Regel ein Mittel zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Verwaltung; so ist z.B. die Regelung zu begrüßen, dass Kohäsionsfondsinterventionen mit EFRE-Interventionen kombiniert werden können, was eine Ausnahme von der Regel darstellt, der zufolge jedes Programm nur aus einem einzigen Fonds finanziert werden soll. Zugleich ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hinzuweisen, dass aufgrund dieser Vereinheitlichung für den Kohäsionsfonds Bestimmungen gelten sollen, die Anlass zu starken Vorbehalten geben.

4.2

So soll auf den Kohäsionsfonds erstmals die Regelung „n + 2“ angewandt werden, gegen deren Zweckmäßigkeit der EWSA Vorbehalte geltend macht, worauf in der Stellungnahme des EWSA zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen für die Strukturfonds (5) grundsätzlich hingewiesen wird.

4.3

Als positiv ist zu bewerten, dass bezüglich der Aufgabe des Kohäsionsfonds — zur Stärkung des Zusammenhalts der Gemeinschaft beizutragen — in Artikel 1 Absatz 1 zusätzlich zur „wirtschaftlichen und sozialen“ die „territoriale“ Komponente aufgenommen wird, wodurch auch diejenigen Regionen berücksichtigt werden, deren Pro-Kopf-BIP unter 75 % des Gemeinschaftsdurchschnitts (EU-25) liegt.

4.4

Die Bedeutung dieser neuen Komponente ist leicht nachzuvollziehen, wenn man sich vor Augen hält, dass sich durch die Erweiterung der Europäischen Union von 15 auf 25 Mitgliedstaaten das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen um ca. 12,5 % verringert hat und zugleich der Anteil der Bevölkerung, der in Gebieten mit Entwicklungsrückstand lebt, von 20 % auf 25 % gestiegen ist.

4.5

In den 10 Mitgliedstaaten, die 2004 beigetreten sind, leben ca. 92 % der Bevölkerung in Regionen, deren Pro-Kopf-BIP unter 75 % des EU-25-Durchschnitts liegt  (6).

4.6

Die Stärkung des Zusammenhalts der Gemeinschaft wird in diesem Verordnungsvorschlag in die umfassende Perspektive der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung eingebettet.

4.6.1

In Artikel 2 Absatz 3 werden als Beispiele mögliche Bereiche für die konkrete Umsetzung angeführt:

Energieeffizienz und erneuerbare Energien bei Maßnahmen im Umweltbereich;

Förderung u.a. von Schiene, schiffbaren Fluss- und Meereswegen, Projekten für den intermodalen Verkehr und nachhaltigem städtischen Verkehr im Verkehrsbereich.

4.7

Obgleich dieser Aspekt nicht explizit aufgeführt wird, kann nach Auffassung des Ausschusses durch den effizienten Einsatz des Kohäsionsfonds für Investitionen in die rationellere Nutzung der traditionellen Energieträger und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger die Energieabhängigkeit der Kohäsionsländer verringert werden, die derzeit ca. 80 % der von ihnen verbrauchten Energie importieren, während die zehn neuen Mitgliedstaaten der Erweiterungsrunde von 2004 in erheblich geringerem Maße auf Energieimporte angewiesen sind.

4.8

Über diesen als Beispiele für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung angeführten Bereichen darf jedoch nicht vergessen werden, dass für diese gemeinschaftsweite Förderung vor allen Dingen Kohäsionsmaßnahmen in den ländlichen Gebieten dringend notwendig sind. Dieser Tätigkeitssektor darf daher — unbeschadet der Finanzmittel, die ihm aus anderen, für die Verwirklichung der Ziele der GAP eingesetzten Strukturfonds weiterhin zugewiesen werden — nicht aus dem Geltungsbereich des Kohäsionsfonds ausgeklammert werden.

4.9

Der EWSA ist sich zwar dessen bewusst, dass die budgetäre Konsolidierung eine wichtige Grundvoraussetzung für Konvergenz und konsolidiertes Wachstum der europäischen Wirtschaft ist, hat jedoch angesichts der in Artikel 4 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Regelung Bedenken, dass im Hinblick auf die wesentlichen Ziele der Kohäsion der Grundsatz der Konditionalität in Bezug auf „übermäßig defizitäre“ öffentliche Haushalte zu starr angewandt werden könnte.

4.10

Eine derart starre Anwendung könnte zu einem „Fehleffekt“ hinsichtlich der effizienten Nutzung der im Rahmen des Kohäsionsfonds bereitgestellten Finanzmittel führen: die Gewährung von Fondsmitteln wird zwar von der Verringerung des übermäßigen Defizits abhängig gemacht, aber zu den Ursachen dieses übermäßigen Defizits können u.a. auch die Bemühungen des Staats zur Bekämpfung der wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Disparitäten gehören.

4.11

Es darf nicht vergessen werden, dass die Begrenzung des öffentlichen Defizits auf ein vertretbares Maß nicht bedeutet, dass die Mitgliedstaaten, denen dies gelungen ist, gleichzeitig auch die wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Disparitäten beseitigen konnten.

5.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

5.1

Sowohl der neue Vorschlag für eine Verordnung des Rates über den Kohäsionsfonds als auch die Harmonisierung der für den Kohäsionsfonds geltenden Verfahren mit den für die übrigen Strukturfonds festgelegten allgemeinen Bestimmungen wird vom Ausschuss grundsätzlich gutgeheißen.

5.2

Lobend hervorzuheben ist außerdem, dass der Geltungsbereich des Kohäsionsfonds auf Maßnahmen zum Ausbau umweltfreundlicher Infrastrukturen ausgeweitet werden soll, z.B. die Finanzierung „sauberer“ städtischer Verkehrsmittel.

5.3

Mit Blick auf eine effizientere und schnellere Verwirklichung des Ziels „Konvergenz“ wird empfohlen, durch eine entsprechende Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die von diesen vorgelegten operationellen Programme eine effiziente Abstimmung zwischen den EFRE-Mitteln und dem Kohäsionsfonds gewährleisten, damit die nationale Konvergenz zwischen den Staaten auch mit territorialer Konvergenz innerhalb der einzelnen Staaten Hand in Hand geht.

5.4

Vor dem Hintergrund der Vorteile und etwaigen Nachteile, die die Stabilitäts- und Konvergenzkriterien nach dem gegenwärtigen Stand der Analyse mit sich bringen, sollte nach Auffassung des EWSA in der Kommission gebührend abgewogen werden, ob es angesichts der Ziele der im Rahmen des Kohäsionsfonds begünstigten Mitgliedstaaten zweckmäßig ist, die Regel der bedingten Unterstützung für übermäßig defizitäre öffentliche Haushalte anzuwenden. Es muss stets bedacht werden, dass die Verwendung der Kohäsionsmittel zur Verwirklichung des Ziels „Konvergenz“ nicht durch die Anwendung einer derartigen Konditionalität erschwert werden darf.

5.5

Wie in seiner Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (7) dargelegt, spricht sich der EWSA außerdem dafür aus, dem Kohäsionsfonds mehr Haushaltsmittel zuzuweisen, da die vorgesehene reale Anhebung dieser Mittel durch die große Zahl der Mitgliedstaaten, die infolge der jüngsten Erweiterung Anspruch auf Förderung aus dem Kohäsionsfonds haben, nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Brüssel, den 6. April 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  ABl. L 130 vom 25.5.1994, S. 1.

(2)  ABl. L 161 vom 26.6.1999, S. 57.

(3)  Mitteilung der Kommission „Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ KOM(2004) 107 endg.

(4)  Mitteilung der Kommission „Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ KOM(2004) 107 endg.

(5)  CESE 389/2005.

(6)  Mitteilung der Kommission „Dritter Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ KOM(2004) 107 endg.

(7)  CESE 389/2005.


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