EUR-Lex Access to European Union law
This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 52002IE0685
Opinion of the Economic and Social Committee on "Social Indicators"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Sozialindikatoren"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Sozialindikatoren"
OJ C 221, 17.9.2002, p. 54–57
(ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Sozialindikatoren"
Amtsblatt Nr. C 221 vom 17/09/2002 S. 0054 - 0057
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Sozialindikatoren" (2002/C 221/13) Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 15. Januar 2002 gemäß Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten. Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 13. Mai 2002 an. Berichterstatterin war Frau Cassina. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 391. Plenartagung am 29. und 30. Mai 2002 (Sitzung vom 29. Mai) mit 104 Ja-Stimmen bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme. 1. Der Bericht über Indikatoren im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung 1.1. Der Ausschuss für Sozialschutz veröffentlichte im Oktober 2001 gemäß dem vom Rat erteilten Mandat einen "Bericht über Indikatoren im Bereich Armut und soziale Ausgrenzung", der auf der Grundlage der Arbeiten der technischen Untergruppe "Indikatoren" erarbeitet worden war. Entsprechend den Schlussfolgerungen von Nizza und Stockholm musste der Rat bis Ende 2001 ein System von Indikatoren verabschieden, um die Phänomene der Armut und Ausgrenzung in der EU besser verstehen und vergleichen zu können und so die Leitlinien von Lissabon zu befolgen, denen zufolge die Beseitigung der Armut und der sozialen Ausgrenzung(1) bis 2010 deutlich vorangebracht werden muss. Hiermit soll die Entwicklung der nationalen Aktionspläne (NAP) zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung unterstützt werden, indem das Verständnis dieser Phänomene verbessert und der Austausch bewährter Verfahren im Rahmen der Methode der offenen Koordinierung in diesem Bereich und des einschlägigen Aktionsprogramms der Gemeinschaft, das mit Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates(2) eingeführt wurde, gefördert werden. Der vorgeschlagene Satz von Indikatoren, der als Gesamtpaket und nicht als Sammlung von Einzelindikatoren zu betrachten ist, wurde im Hinblick auf die sozialen Ergebnisse und nicht darauf, wie sie zu erzielen sind, definiert. 1.2. Die von der Untergruppe "Indikatoren" beachteten methodischen Grundsätze bezwecken, die nationalen Aktionspläne für die Eingliederung unter folgenden Gesichtspunkten analysieren und vergleichen zu können: Erfassung des Kerns des Problems, Akzeptanz, juristische und wissenschaftliche Fundiertheit der Definitionen, Zeitgemäßheit aber auch Korrigierbarkeit, Vereinbarkeit der Indikatoren untereinander, Transparenz und Zumutbarkeit für die Bürger. 1.3. Das Indikatorenpaket enthält eine erste Kategorie von Indikatoren (die Primärindikatoren, die die größten Bereiche und wichtigsten Elemente der sozialen Ausgrenzung abdecken) und eine zweite Kategorie (die Sekundärindikatoren zur Unterstützung der Primärindikatoren und Darstellung der anderen Aspekte des Problems); die ersten beiden Kategorien von Indikatoren wurden von den Mitgliedstaaten einvernehmlich definiert und werden in der nächsten Runde der nationalen Aktionspläne für die Eingliederung angewandt. Denkbar ist außerdem eine dritte Kategorie von Indikatoren, die von den Mitgliedstaaten selbst festgelegt und in ihre nationalen Aktionspläne für die Eingliederung aufgenommen würde, um einige Besonderheiten in bestimmten Bereichen herauszustellen und die Auslegung der Primär- und Sekundärindikatoren zu erleichtern. 1.4. Die Primärindikatoren sind - Niedrigeinkommensquote nach Sozialtransfers (Indikatoren 1a, 1b, 1c, 1d und 1e), - Einkommensverteilung (Indikator 2), - andauerndes Niedrigeinkommen (Indikator 3), - Medianwert der Niedrigeinkommenslücke (Indikator 4), - regionaler Zusammenhalt (Indikator 5), - Langzeitarbeitslosenquote (Indikator 6), - in Arbeitslosenhaushalten lebende Personen (Indikator 7), - nicht in Weiterbildung oder Berufsausbildung befindliche Früh-Schulabgänger (Indikator 8), - Lebenserwartung bei der Geburt (Indikator 9) und - eigene Gesundheitswahrnehmung nach Einkommensniveau (Indikator 10). 1.5. Die Sekundärindikatoren sind - Streuung der Niedrigeinkommensquote um den Schwellenwert der Armut von 60 % des Median-Einkommens (Indikator 11), - an einem Zeitpunkt festgeschriebene Niedrigeinkommensquote (Indikator 12), - Niedrigeinkommensquote vor Sozialtransfers (Indikator 13), - Einkommensverteilung - Gini-Koeffizient - (Indikator 14), - andauerndes Niedrigeinkommen, berechnet bei 50 % des Schwellenwerts des Median-Einkommens (Indikator 15), - Langzeitarbeitslosenquote (Indikator 16), - Quote extrem langer Arbeitslosigkeit (Indikator 17) und - Personen mit niedrigem Bildungsstand (Indikator 18). 1.6. Nach Auffassung des Ausschusses für Sozialschutz können mit diesen Indikatoren die verschiedenen Aspekte des naturgemäß vielschichtigen Phänomens der Armut und sozialen Ausgrenzung so gemessen werden, dass ein Vergleich möglich ist. Er empfiehlt weitere Arbeiten, um insbesondere - zusätzliche Indikatoren in folgenden Bereichen zu ermitteln: Lebensbedingungen einschließlich der sozialen Beteiligung, wiederkehrende und gelegentliche Armut, Zugang zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen, gebietsbezogene Fragen und lokale Indikatoren, Armut und Arbeit, Verschuldung, Abhängigkeit von Sozialleistungen und Familienbeihilfen; - die Bedeutung des Geschlechts bei Armut und sozialer Ausgrenzung besser messen zu können; - die Genauigkeit und Vergleichbarkeit folgender Indikatoren zu verbessern: Wohnung (Angemessenheit, Kosten, Nichtvorhandensein); Lese-, Schreib- und Rechenfertigkeiten; qualitätsbereinigte Lebenserwartung, vorzeitige Mortalität je nach sozioökonomischen Verhältnissen und Zugang zur Gesundheitsfürsorge; Gruppen, die nicht in privaten Haushalten leben, insbesondere Obdachlose und Personen, die in Einrichtungen untergebracht sind (Kinderheime, Waisenhäuser, Heime im Allgemeinen, Gefängnisse). 1.7. Schließlich erkennt der Ausschuss für Sozialschutz an, wie wichtig es ist, die ausgeschlossenen Personengruppen stärker an der Entwicklung von Indikatoren zu beteiligen und nach möglichst wirksamen Formen der Einbeziehung dieser Personengruppen zu suchen. 2. Allgemeine Bemerkungen 2.1. In jüngsten Stellungnahmen zu verschiedenen sozialen Problemstellungen hatte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die dringende Notwendigkeit betont, über möglichst gute, vergleichbare und ausreichend differenzierte Indikatoren zu verfügen, anhand derer wirklich alle sich aus den Analysen ergebenden Implikationen beurteilt werden können(3). Indikatoren, die diesen Anforderungen genügen, sind im Bereich der Ausgrenzung angesichts deren Vielschichtigkeit und Facettenreichtums besonders dringend notwendig. Der hier erörterte Bericht enthält ein erstes Paket unerlässlicher Indikatoren, und der Ausschuss schätzt die von der Untergruppe "Indikatoren" und dem Ausschuss für Sozialschutz geleistete Arbeit außerordentlich. Er hofft, dass diese Arbeit erfolgreich fortgesetzt wird und bekräftigt(4) seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zur Unterstützung der Anstrengungen des Ausschusses für Sozialschutz, der für die erfolgreiche Entwicklung der nationalen Aktionspläne (NAP) gegen die Ausgrenzung von grundlegender Bedeutung ist. 2.2. Der EWSA begrüßt insbesondere den dynamischen Ansatz, der die Möglichkeit der Anpassung und Weiterentwicklung der Indikatoren vorsieht, was vor allem notwendig ist, um das Potenzial der offenen Methode in diesem Bereich, die eine immer bessere und ständig aktualisierte Vergleichbarkeit der jeweiligen einzelstaatlichen Verhältnisse und der besten Verfahrensweisen erfordert, voll ausschöpfen zu können. Er findet es außerdem erfreulich, dass die Untergruppe "Indikatoren" bereits die Vertiefung so wichtiger Themen wie Analphabetentum, kulturelle Eingliederung und Wohnung in die Wege geleitet hat, um hierfür neue Indikatoren zu entwickeln bzw. die bereits vereinbarten Indikatoren noch zu verfeinern. 2.3. Auf jeden Fall ist es zweckmäßig zu prüfen, ob die Definition und damit der Inhalt, die Transparenz und die Annehmbarkeit der Indikatoren den Anforderungen genügen und ob es nicht sinnvoll wäre, einige Indikatoren bald stärker zu differenzieren. Der Ausschuss möchte hierzu durch seine nachstehenden besonderen Bemerkungen und Anregungen zur Fortsetzung der Arbeiten beitragen. 3. Besondere Bemerkungen 3.1. Der EWSA stellt fest, dass die meisten Indikatoren das Einkommen betreffen, wodurch sie seines Erachtens ein Übergewicht gegenüber den Indikatoren erhalten, die auch Aufschluss über die qualitativen Aspekte von Armut und Ausgrenzung geben und deren Vergleich ermöglichen. Er ist sich bewusst, dass man sich vorrangig für konkrete, objektive Indikatoren entschieden hat, hält es jedoch für dringend erforderlich, Indikatoren zu definieren, mit denen der Grad der sozialen Beteiligung, der Zugang zu Dienstleistungen und das Bewusstsein des eigenen Ausgegrenztseins ermittelt werden können. In vielen seiner Stellungnahmen hat der EWSA die Auffassung vertreten, dass ein angemessenes, durch eigene Erwerbstätigkeit erzieltes Einkommen die unerlässliche aber allein nicht ausreichende Bedingung für die Vermeidung oder Überwindung von Armut und Ausgrenzung ist. Diese Behauptung widerspricht nicht den Schlussfolgerungen des Gipfels von Barcelona(5), in denen eine Arbeitsstelle als bestes Integrationsmittel bezeichnet wird, stellt jedoch angesichts der Vielschichtigkeit des Phänomens eine notwendige Ergänzung dar. 3.2. Die Bekämpfung von Ausgrenzung und Armut gehört zu den strategischen Entscheidungen von Lissabon und wurde auf dem Gipfel von Barcelona bekräftigt, bei dem auf die Notwendigkeit hingewiesen wurde, die Zahl der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen bis 2010 erheblich zu senken(6). Auch die Kommission hat in dem Synthesebericht das Ziel einer Senkung dieses Risikos um 50 % bis dahin genannt. Da die Strategie von Lissabon von der hohen wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Qualität des europäischen Entwicklungsmodells ausgeht, besteht der EWSA darauf, dass die qualitative Dimension bei den Maßnahmen zur Förderung der Vermittlungsfähigkeit ausgegrenzter oder von Ausgrenzung bedrohter Personen wie auch bei der Ausarbeitung des statistischen Instrumentariums stets im Auge behalten wird. 3.3. Die Indikatoren betreffend die Kenntnisse und Fähigkeiten müssten vervollständigt und verfeinert werden: so wird beispielsweise mit dem Kriterium des niedrigen Bildungsniveaus nicht dem wesentlichen Umstand Rechnung getragen, dass die meisten Ausgegrenzten nicht im Stande sind, sich als Bürger zu begreifen, die sich ihrer Rechte und Pflichten bewusst sind und diese auch ausüben bzw. ihnen nachkommen. Dies liegt weitgehend an ihrem Mangel an Grundwissen, vor allem aber auch an ihrem verloren gegangenen Selbstbewusstsein und ihrem Realitätsverlust infolge ihrer übermächtigen Sorge um die Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse. Außerdem muss unbedingt etwas erfolgreich gegen das funktionale Analphabetentum unternommen werden, wozu es entsprechender Instrumente zur Analyse und Quantifizierung dieses Phänomens bedarf. Der Ausschuss weist zudem darauf hin, dass er in seiner Stellungnahme zu dem Aktionsprogramm zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Armut(7) auf die Gefahr neuer Ausgrenzungen und neuer Fälle von Armut im Zuge der technologischen Entwicklung aufmerksam gemacht hat: Wenn die Eingliederung der Ausgeschlossenen auch in die Wissensgesellschaft nicht gewährleistet wird, drohen neue Formen der Ausgrenzung zu entstehen. Deshalb wäre es bei der Entwicklung weiterer Indikatoren sinnvoll, auch diesem Aspekt Rechnung zu tragen. 3.4. Wenn von "Transfers" die Rede ist (Indikatoren 1a, 1b, 1c und 1d), sind damit nur die Transfers der Sozialversicherungssysteme an Personen oder Privathaushalte gemeint; nach Ansicht des Ausschusses dürfte die Vergleichbarkeit aber auf der Strecke bleiben, wenn nicht auch die Steuer- und Abgabenbelastung berücksichtigt wird, bei der es zwischen den Mitgliedstaaten bekanntlich Unterschiede gibt, die in manchen Fällen sehr groß sein können. 3.5. Ein weiteres Problem ist die Berechnung der Kaufkraftstandards (KKS): Da der KKS automatisch gemäß den Eurostat-Kriterien angewandt wird, wie dies bei Erhebungen und Auswertungen im Rahmen der Politik des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Fall ist, werden die regionalen und örtlichen Eigenheiten und Besonderheiten außer Acht gelassen. Bekanntlich kann die Kaufkraft jedoch sowohl innerhalb der jeweiligen Länder als auch innerhalb der jeweiligen Regionen und sogar innerhalb ein und derselben Stadt stark variieren. Mit Hilfe einer dritten Kategorie von Indikatoren könnten die Mitgliedstaaten eigene, nach Regionen oder Gebieten differenzierte Berechnungsschemata aufzustellen. Der EWSA wünscht deshalb, dass die Mitgliedstaaten diesem Problem bei der Definition der Indikatoren und Durchführung der NAP gegen die Ausgrenzung die nötige Aufmerksamkeit schenken. 3.6. Der Indikator 1b "Niedrigeinkommensquote nach Sozialtransfers, aufgeschlüsselt nach Haupterwerbsstatus" sollte weiter definiert werden und auch die ausgesprochen unregelmäßigen Arbeitstätigkeiten oder Gelegenheitsarbeiten sowie die nicht offiziell registrierten Arbeitstätigkeiten (irreguläre oder "Schwarzarbeit") berücksichtigen: Diese Arten von Tätigkeiten kommen bei ausgegrenzten Personen sehr häufig vor und tragen zur Auslösung oder Verschärfung der Ausgrenzung bei. 3.6.1. Der Ausschuss ist sich bewusst, dass die Erfassung im Falle von irregulärer oder Schwarzarbeit äußerst schwierig ist, betont jedoch, dass Schwarzarbeiter, auch wenn sie ein gewisses Einkommen erzielen, ohne die Mindestsicherung bleiben, die (reguläre) Arbeitsverträge bieten, und am Rande der Gesellschaft und damit letztlich auch am Rande der Legalität verharren. Deshalb müssen alle möglichen Anstrengungen unternommen werden, um die irreguläre Arbeit gründlich genug zu erfassen, um gegen dieses Phänomen und diejenigen, die davon profitieren, angehen zu können und letztlich den Fatalismus des Ausgegrenztseins und der Armut zu durchbrechen, der die Betroffenen dazu treibt, diese Art von Arbeit zu suchen oder anzunehmen. Es gibt ein ganzes Heer von Personen, die von den Einkünften aus irregulärer Arbeit leben und letztlich nicht nur ausgegrenzt, sondern für die übrige Gesellschaft auch noch "unsichtbar" sind. Es wäre sinnvoll, einen Indikator zu entwickeln, mit dessen Hilfe das künftige Armutsrisiko infolge nicht gezahlter Beiträge vorhergesehen werden könnte. Zur Bekämpfung und Besiegung des Übels der Schwarzarbeit bedarf es einer starken Synergie von NAP für die Eingliederung, NAP für die Beschäftigung und steuerpolitischen Maßnahmen. 3.7. Auch die Untergliederung nach Haushaltstypen (Indikator 1c) scheint zwei Fälle nicht genau genug zu berücksichtigen 3.7.1. den Fall der sehr großen Haushalte ("mind. 3 unterhaltsberechtigte Kinder" ist eine zu allgemeine Definition); zwar gibt es nur wenige Haushalte mit vielen unterhaltsberechtigten Kindern, doch sollte bedacht werden, dass es unter den in äußerster Armut lebenden Haushalten viele gibt, die doppelt oder dreimal so viele Kinder wie die Durchschnittshaushalte in unseren Gesellschaften zu versorgen haben; 3.7.2. den Fall des alleinerziehenden Elternteils, für den es einen großen Unterschied macht, ob er nur ein oder aber zwei oder mehr unterhaltsberechtigte Kinder hat, vor allem wenn diese noch sehr klein sind; einer allein erziehenden Person mit mehr als einem Kind ist es praktisch unmöglich, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften, wodurch ihre Abhängigkeit von Sozialtransfers zu einem Dauerzustand wird oder gar noch zunimmt. 3.8. Was den Indikator 1d "Niedrigeinkommensquote nach Sozialtransfers, aufgeschlüsselt nach Art des Wohnungsbesitzes" anbelangt, so begrüßt es der EWSA, dass dieser Indikator bald weiterentwickelt werden soll und dass Eurostat die Verfahren für die Genehmigung einer Studie hierüber in die Wege geleitet hat. Er hält es insbesondere für sehr wichtig, dass sich die Mitgliedstaaten über eine Bezugsdefinition für Personen ohne festen Wohnsitz, die einen erheblichen und besonderen Teil der ausgegrenzten Personen ausmachen, einigen. Außerdem sollten Wohnungseigentum und Mietfreiheit nicht in einen Topf geworfen werden. Ein Wohnungseigentümer hat nämlich stets Umlagen der laufenden Betriebskosten oder Erhaltungsaufwendungen für das Gebäude, in dem sich sein Wohnungseigentum befindet, zu zahlen, während eine Person, der eine mietfreie Wohnung zugewiesen oder aus Menschenfreundlichkeit überlassen wurde, nur für ihren laufenden Lebensunterhalt aufkommen muss. 3.9. Der Indikator 9 (Lebenserwartung bei der Geburt) sollte eine Untergliederung "Lebenserwartung ohne Hilfsbedürftigkeit" (disability-free life expectancy) erhalten, wie sie Eurostat den Mitgliedstaaten bereits einräumt. Die Zahl der hilfsbedürftigen, insbesondere alten und behinderten Personen nimmt zu, und diese Tatsache sollte berücksichtigt werden. 4. Empfehlungen für die Fortsetzung der Arbeiten in diesem Bereich 4.1. Der Ausschuss für Sozialschutz weist selbst darauf hin, dass einige zusätzliche Indikatoren noch ermittelt und andere verbessert, präzisiert und vergleichbarer gestaltet werden müssen (siehe obige Ziffer 1.6). Nach Ansicht des EWSA sollten vorrangig die Indikatoren betrachtet werden, die über die soziale Beteiligung und den Zugang zu Dienstleistungen, insbesondere zur Gesundheitsfürsorge, Aufschluss geben. Er verweist ferner auf seine obigen Bemerkungen zu den Kenntnissen und Fähigkeiten (Ziffer 3.3), zu den Arbeitsverhältnissen (Ziffer 3.6) und zur Lebenserwartung (Ziffer 3.9). 4.1.1. Was die soziale Beteiligung anbelangt, so meint der EWSA, dass sie nicht an einem gemeinsamen Standard gemessen werden sollte, sondern an der Möglichkeit, an sozialen Aktivitäten, Unterhaltungsveranstaltungen und Initiativen teilzunehmen, die den in dem jeweiligen Land bestehenden Neigungen und kulturellen Gepflogenheiten entsprechen. Es gibt viele Arten der sozialen Ausgrenzung, die nicht unmittelbar auf fehlendes oder zu geringes Einkommen zurückzuführen sind, sondern auf einen Mangel an offenen und attraktiven Angeboten, die menschliche Beziehungen und gemeinschaftliche Aktivitäten außerhalb der Familie und des Arbeitsumfelds fördern. Nach Ansicht des EWSA sollten alle Mitgliedstaaten hierfür eigene Indikatoren der dritten Kategorie entwickeln; zweckmäßig wäre es seines Erachtens aber auch, in Diskussionen die Möglichkeit zu prüfen, einige gemeinsame Parameter zu entwickeln. 4.2. Außerdem sollte geprüft werden, in welchem Verhältnis die wiederkehrende oder gelegentliche Armut zur Entwicklung sehr sporadischer Gelegenheitstätigkeiten steht, um u. a. auch zu ermitteln, ob es eine neue Kategorie von Ausgegrenzten gibt, deren Entstehung auf diese Formen der Beschäftigung zurückzuführen ist, oder nicht. 4.3. Bei der Arbeit mit Indikatoren betreffend die Verschuldung ist es wichtig, zwischen Verschuldung (mit der eine Person oder ein Privathaushalt mit vorhersehbarem Einkommen normalerweise umgehen kann) und Überschuldung (bei der die Schulden nicht mehr bewältigt werden können) zu unterscheiden. Von Überschuldungsfällen sind die Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Ausmaß betroffen, doch oft ist die Überschuldung der erste Schritt zur Armut und zur Ausgrenzung: Dieses Problem wird vom Ausschuss seit geraumer Zeit beobachtet, und er hat hierzu auf seiner Plenartagung im April 2002 eine Stellungnahme verabschiedet(8). An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, das Überschuldungsproblem nur im Rahmen der NAP zur Bekämpfung von Ausgrenzung und Armut in Angriff zu nehmen, da es mit einem System miteinander verknüpfter Bank- und Marktmechanismen zusammenhängt, denen mit einer Kombination verschiedener einzelstaatlicher, aber auch gemeinschaftlicher Maßnahmen begegnet werden muss. 4.4. Schließlich sollten klare Indikatoren für die hygienischen und gesundheitlichen Verhältnisse der ausgegrenzten Personen entwickelt werden, und zwar sowohl was die Wohnung als auch das Arbeitsumfeld anbelangt, weil das bisherige Indikatorenpaket diesbezüglich nur den Indikator 10 "Eigene Gesundheitswahrnehmung, nach Einkommensniveau" enthält. So könnte es beispielsweise sinnvoll sein, Indikatoren nicht nur zur Ermittlung des Zugangs zur Gesundheitsfürsorge, sondern auch zur Ermittlung des Gesundheitsbewusstseins und eines gesundheitsbewussten Verhaltens sowie der Anwendung der Mindestregeln der Präventivmedizin (gynäkologische, zahnärztliche, augenärztliche Kontrolluntersuchungen usw.) zu entwickeln. Hierbei wäre den subjektiven Unterschieden Rechnung zu tragen, die zwischen den in Armut lebenden Menschen und den sozial stark ausgegrenzten Personen, wie z. B. den Obdachlosen, bestehen. Brüssel, den 29. Mai 2002. Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses Göke Frerichs (1) In der italienischen Fassung wird, abgesehen von Titeln offizieller Dokumente, der Ausdruck "lotta alla povertà e all'esclusione" verwendet. Der Begriff "emarginazione" (statt "esclusione") bezeichnet dagegen den Prozess, der zur "esclusione" (dem Ausgegrenztsein) führen kann. (2) Beschluss Nr. 50/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Dezember 2001 zur Einführung eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung - ABl. L 10 vom 12.1.2002. (3) Stellungnahme zum Thema "Qualitative Dimension der Beschäftigungspolitik", ABl. C 311 vom 7.11.2001 und Stellungnahme zum Thema "Zukunftssichere Renten", ABl. C 48 vom 21.2.2002. (4) Siehe Stellungnahme des Ausschusses zu dem "Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Einsetzung eines Sozialschutzausschusses", ABl. C 204 vom 18.7.2000, Ziffer 2.3 und 2.3.1. (5) Teil III, Beiträge zu den Beratungen, Beschäftigung und Sozialpolitik. (6) Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Teil I, Punkt 24. (7) Stellungnahme des Ausschusses zu dem "Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates zur Auflage eines Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung", ABl. C 14 vom 16.1.2001, Ziffer 2.5.1. (8) "Die Überschuldung privater Haushalte in der Europäischen Union", ABl. C 149 vom 21.6.2002.