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Document 51998IR0399

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema «Umweltauswirkungen von Hochspannungsnetzen»

cdr 399/98 FIN

OJ C 293, 13.10.1999, p. 16 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

51998IR0399

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema «Umweltauswirkungen von Hochspannungsnetzen» cdr 399/98 FIN -

Amtsblatt Nr. C 293 vom 13/10/1999 S. 0016


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Umweltauswirkungen von Hochspannungsnetzen"

(1999/C 293/03)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf den Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Begrenzung der Exposition der Bevölkerung durch elektromagnetische Felder 0 Hz - 300 GHz (KOM (1998) 268 endg. vom 11. Juni 1998),

gestützt auf den Beschluß seines Präsidiums vom 16. September 1998, im Einklang mit Artikel 198 c Absatz 4 EGV die Fachkommission "Raumordnung, Städtefragen, Energie, Umwelt" mit der Erarbeitung einer Stellungnahme zu diesem Thema zu beauftragen,

gestützt auf die vom technischen Ausschuß TC 111 des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung im November 1994 ausgearbeitete europäische Prüfnorm CENELEC ENV 50166-1,

gestützt auf die Vorschläge der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierenden Strahlen (ICNIRP), dieser wissenschaftliche Ausschuß wurde von der Internationalen Strahlenschutzvereinigung (IRPA) mit dem Ziel ins Leben gerufen, den Schutz gegen nichtionisierende Strahlen zu fördern, und zwar sowohl in bezug auf den Menschen als auch die Umwelt,

gestützt auf die Vorschläge des Ausschusses für Umwelthygiene der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aller Länder und Gewährleistung entsprechender Gesundheitsbedingungen für die Weltbevölkerung fördert,

gestützt auf die geltenden Regelwerke verschiedener europäischer Länder betreffend die Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder niedriger Frequenz auf die menschliche Gesundheit,

gestützt daß es dem AdR ein Anliegen ist, daß der Rat eine Empfehlung verabschiedet, die zulässigen Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder niedriger Frequenz festlegt, von denen keine Gefahr für die menschliche Gesundheit ausgeht,

gestützt auf den von der Fachkommission 4 am 4. Februar 1999 angenommenen Stellungnahmeentwurf (CdR 399/98 rev. 2) (Berichterstatter: Herr Evangelos Kouloumbis);

verabschiedete auf seiner 29. Plenartagung am 2. und 3. Juni 1999 (Sitzung vom 3. Juni) mit großer Mehrheit folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die rasche Zunahme an Elektrizitäts- und Telekommunikationsnetzen hat zu einer elektromagnetischen Belastung der Umwelt geführt und zugleich eine immer stärkere Besorgnis der Bevölkerung über die möglichen Folgen einer Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern (EMF) ausgelöst.

1.2. In den letzten zehn Jahren hat sich ein Problembewußtsein bezüglich der Umweltfolgen der Verbringung und Verteilung von Elektrizität in besiedeltem Gebiet entwickelt. Die Umweltdimension der Stromversorgungstechnik beinhaltet ein ganzes Spektrum von Fragen, die von den von Stromleitungsnetzen ausgehenden ästhetischen Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes bis zur wachsenden Besorgnis der Bevölkerung über die Existenz und Eigenschaften elektrischer und magnetischer Felder reichen.

1.3. Nachdem inzwischen sehr große Strommengen über Leitungsnetze befördert werden, ist die Frage der räumlichen Anordnung von Hochspannungsleitungsnetzen zu einem äußerst wichtigen Aspekt geworden.

1.4. Die wesentlichen Umweltfragen, die sich im Zusammenhang mit den Netzen für die Beförderung und Verteilung von Stromenergie stellen, sind:

- die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes

- die elektrochemische Belastung

- die elektrischen und magnetischen Felder

- die Lärmbelastung (bei Hoch- und Hoechstspannungstransporten)

1.5. Das Augenmerk und die Forschung konzentrieren sich auf die Bewertung der Möglichkeit nachteiliger Auswirkungen von Hochspannungsleitungen auf die menschliche Gesundheit. Die Bewohner von in der unmittelbaren Nachbarschaft und direkt unter Hochspannungsleitungen liegenden Gebieten beginnen allmählich die EMF zu "spüren", insbesondere elektromagnetische Felder hoher Spannung.

1.6. Obwohl in der Vergangenheit bereits umfangreiche Forschungen über eventuelle Gesundheitsfolgen von EMF angestellt wurden, konnten noch keine schlüssigen Erkenntnisse über die Gefahren für lebende Organismen gewonnen werden. Gleichwohl sind bei verschiedenen Umweltorganisationen sehr starke und ständig zunehmende Bedenken zu beobachten.

1.7. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, daß ein Teil der internationalen wissenschaftlichen Welt Vorbehalte hegt gegen die Sicherheitsnormen bezüglich der Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Zahlreiche Forscher haben Arbeiten veröffentlicht, die eine umsichtige Politik bezüglich der geltenden Grenznormen nahelegen.

1.8. Die Normen, die das CENELEC vor einigen Jahren ausgearbeitet hat, sind eine erste Grundlage für die Überarbeitung der Schutzniveaus im Lichte der wissenschaftlichen Erkenntnisse und sozialen Befindlichkeiten.

1.9. In der Zwischenzeit sind einige Fälle bekanntgeworden, in denen es der breiten Öffentlichkeit und den unmittelbar Betroffenen gelungen ist, die Schaffung neuer oder den Ausbau bestehender Stromtransportleitungen zu verzögern oder ganz zu vereiteln, was zu schwerwiegenden Folgen bis hin zu völligen oder teilweisen Stromversorgungsausfällen geführt hat (etwa im September 1995 in Süditalien oder im März 1998 in Athen). Vor diesem Hintergrund ist auch in Zukunft mit weiteren Problemen dieser Art zu rechnen.

1.10. Aus all diesen Gründen würde ein umfassender Einblick in die Fakten und Probleme im Zusammenhang mit der Beförderung und Verteilung von Stromenergie der Besorgnis der breiten Öffentlichkeit über die möglichen Auswirkungen der Stromversorgung auf die öffentliche Gesundheit entgegenwirken.

1.11. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß die Erforschung der Umweltfolgen von Stromleitungsnetzen im Rahmen der Stromversorgungssysteme der Europäischen Union ein wesentliches Hindernis für den Aufbau und die Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarktes in der Gemeinschaft ins rechte Licht rücken würde. Bei der Schaffung des offenen Elektrizitätsmarktes werden voraussichtlich große Strommengen über die europäischen Netze bewegt werden, um eine wirtschaftlich und verbrauchsmäßige Optimierung der Ressourcenverwendung zu erreichen, wie sie die jüngste Elektrizitätsrichtlinie(1) der Gemeinschaft vorsieht.

1.12. Notwendig sind daher strukturelle Maßnahmen, die bestimmte Sicherheitsstandards im Zusammenhang mit Hochspannungsleitungen, insbesondere eine gewisse Entfernung derselben von den Wohnorten und eine angemessene Höhe der Anlagen gewährleisten. Solche Maßnahmen setzen die Einbeziehung der betroffenen lokalen Behörden voraus.

2. Auswirkungen elektromagnetischer Felder

2.1. Die Frage der von elektrischen und magnetischen Feldern niederer Frequenz ausgehenden Folgen für die menschliche Gesundheit hat die internationale Wissenschaft in der letzten Zeit besonders beschäftigt. Es gab zig Untersuchungen und Veröffentlichungen, deren Erkenntnisse sich vom einzelnen Wissenschaftler aber äußerst schwierig herauskristallisieren lassen.

2.2. Elektrische und magnetische Felder entstehen, wenn Strom fließt, und kommen auch als Phänomen in der Natur vor. Elektrische Felder hängen von der Spannung (d.h. der Potentialdifferenz) ab und werden in Volt pro Meter (V/m) gemessen. Gebäude, Bäume usw. bieten ein Schutzschild gegen elektrische Felder.

2.3. Magnetfelder hängen vom Stromfluß ab und werden in Ampère pro Meter (A/m) gemessen. Der Schutz vor solchen Felder ist nicht so leicht wie bei elektrischen Feldern, ihre Intensität nimmt aber mit der Entfernung ab.

2.4. In den 70er Jahren wurde den möglichen Folgen einer Exposition gegenüber elektrischen Feldern für die menschliche Gesundheit großes Augenmerk gewidmet. Die in dieser Zeit durchgeführten ausführlichen Forschungsarbeiten brachten keine genauen Erkenntnisse über die tatsächliche Gesundheitsgefährdung für den Menschen bei Exposition gegenüber elektrischen Feldern einer Stärke, wie sie in der unmittelbaren Umgebung unterhalb von Hochspannungsleitungen herrscht.

2.5. In den 80er Jahren wandte sich das wissenschaftliche Interesse eher den Auswirkungen magnetischer Felder zu. Ein besonderer Forschungsschwerpunkt war dabei der Zusammenhang zwischen magnetischen Feldern und Tumorbildung, nachdem in einigen epidemiologischen Untersuchungen ein verstärktes Auftreten von Tumoren bei Erwachsenen und Kindern, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben, ausgemacht worden waren.

2.6. Danach überprüften mehrere internationale Organisationen die Befunde der besagten Studien im einzelnen. Alle Überprüfungen kamen zu dem Ergebnis, daß die vorgenannten Schlußfolgerungen lediglich die Durchführung weiterer Untersuchungen über die Auswirkungen magnetischer Felder rechtfertigen und es folglich keinen Grund gibt, die gängigen Praktiken zum Schutz des Menschen vor Magnetfeldern zu ändern.

2.7. Die von elektromagnetischen Feldern ausgehenden Gefahren können sich als biologische Einwirkung auf den menschlichen Organismus - und zwar in Form thermischer und athermischer Einfluesse - niederschlagen.

Biologische Wirkungen

2.8. Die biologischen Wirkungen werden mit der Einwirkung von Strahlen auf die empfindlichen und leicht verletzlichen Gewebe - wie etwa Hirn, Augen und Genitaltrakt - in Verbindung gebracht. So gibt es eine ganze Reihe von Untersuchungen, die einen Zusammenhang sehen zwischen Exposition gegenüber extrem niederfrequenten Feldern (ELF) und einem verstärkten Auftreten von Krebserkrankungen und Hirntumoren. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Europäische Komitee für elektrische Normung (CENELEC) haben bereits mehrjährige multidisziplinäre Forschungsprogramme auf den Weg gebracht, um zu endgültigen Antworten auf diese Fragen zu gelangen.

Thermische Wirkungen

2.9. Die thermischen Einfluesse sind völlig aufgeklärt und wurden eingehend erforscht; sie äußern sich in einer Übererwärmung des Körpers in unmittelbarer Nähe eines Strahlungsfeldes. Die meisten biologischen Moleküle absorbieren Energie von den veränderlichen elektromagnetischen Feldern, wandeln sie um in kinetische Energie und oszillieren. Diese Bewegung erzeugt Wärme und führt zu einer Erhöhung der Körpertemperatur.

2.10. Diese thermischen Effekte können nützlich, erwünscht aber auch gefährlich für die Gesundheit und die Sicherheit sein. Die Hyperthermie dieser Moleküle gilt es zu vermeiden; die davon ausgehenden Gefahren hängen von der Strahlungsintensität und nicht von der Frequenz ab. Das heißt, der entscheidende Faktor ist die Dichte der Krafteinwirkung.

2.11. Die Ermittlung des zulässigen Strahlungsgrenzwertes, bei dem jedwede Gefährdung der menschlichen Sicherheit ausgeschlossen ist, ist ein komplexes Unterfangen, das auch Sicherheitsfaktoren einschließen muß. Die als "höchstzulässige Exposition" bezeichneten Sicherheitsgrenzwerte stellen keine Zauberformeln dar, die absolute Sicherheit vor einer gewissen Gefahr bieten. Sie sind vielmehr Obergrenzen, die nicht überschritten werden sollten und das Ergebnis zahlreicher Beurteilungsprozesse im Rahmen weltweiter einschlägiger Forschungsanstrengungen sind.

Athermische Wirkungen

2.12. In der letzten Zeit ist viel von athermischen Einfluessen die Rede. Es wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Befunde veröffentlicht, die jedoch nur sehr vereinzelt auf gewisse geringfügige Einwirkungen auf Zellen hinweisen. Andererseits gibt es andere Untersuchungen dieser Art bzw. Wiederholungsstudien zu den vorerwähnten wenigen Forschungsarbeiten, bei denen keinerlei Effekte dieser Art ausgemacht wurden.

2.13. Es gibt keinen eindeutigen Mechanismus zur unmittelbaren Feststellung athermischer biologischer Einfluesse, so daß es sich bei allen einschlägigen Daten um indirekte Werte handelt. Die Erforschung nichtthermischer Einfluesse gilt als sehr schwierig, noch schwieriger gestaltet sich aber die Bewertung der epidemiologischen Forschungsergebnisse, weil dort zahlreiche Überlagerungsfaktoren ins Spiel kommen.

2.14. Die internationale wissenschaftliche Welt ist noch immer der Auffassung, daß es keine ernsthaften und zuverlässigen Daten gibt, die die Festlegung von Sicherheitsgrenzwerten aufgrund nichtthermischer Effekte gestatten bzw. nahelegen würden.

3. Normen über elektromagnetische Felder

3.1. Im November 1994 billigte der Technische Ausschuß TC 111 des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) die Veröffentlichung der Norm ENV 50166 -1 "Exposition des Menschen gegenüber elektromagnetischen Feldern niedriger Frequenz (0 - 10 kHz)". Diese Norm sowie die Norm ENV 50166 - 2 für Frequenzen zwischen 10 kHz und 300 GHz sind die ersten Texte europäischer Dimension zu dieser Thematik und bilden gewissermaßen die erste Phase der Beschäftigung mit der Problematik der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern im allgemeinen sowie auch der Beantwortung der spezifischen Fragen, wie die Verfahren für die Messung elektromagnetischer Felder und die Möglichkeiten zur Kontrolle und die Festlegung von Bestimmungen über die Exposition des Menschen gegenüber solchen Feldern und der von ihnen induzierten Ströme.

3.2. In der Norm ENV 50166-1 geht es um die Verhütung nachteiliger Folgen einer kurzzeitigen Exposition des menschlichen Organismus gegenüber statischen elektromagnetischen Feldern bzw. niederfrequenten elektromagnetischen Feldern des Bereichs 0 Hz bis 10 kHz. In diesem Frequenzbereich müssen die elektrischen und magnetischen Felder getrennt untersucht werden.

3.3. Im einzelnen werden in dieser Norm berücksichtigt: a) die im menschlichen Körper induzierten Ströme, die Nerven- und Hirngewebe erregen können, b) die von elektrischen Feldern ausgehenden Oberflächenströme, die zu störenden und selbst unangenehmen Empfindungen führen können, und c) Ströme, die den Körper durchfließen, wenn er mit dem Objekt, bei dem dieses Feld anliegt, in Berührung kommt, und tödliche Stromstöße oder Elektroschocks verursachen können.

3.4. Diese Norm legt grundlegende Bedingungen und Referenzwerte für die Exposition gegenüber elektromagnetischen Strahlungen fest, die sich wiederum in zwei Anwendungskategorien gliedern, und zwar die Exposition von Arbeitnehmern gegenüber elektromagnetischen Feldern und die Exposition der übrigen Bevölkerung. Für die letztgenannte Personengruppe wurden gegenüber der erstgenannten Personengruppe um einen Koeffizienten zwischen 2 und 3 niedrigere Referenzfelder und Strombelastungswerte festgelegt.

3.5. Ergänzende Untersuchungen könnten dazu führen - und in einigen Ländern ist dies schon geschehen -, daß diese Referenzwerte der CENELEC-Norm als Anforderungen für bestimmte Frequenzbereiche zu niedrig angesehen werden und neue, schärfere Sicherheitsgrenzwerte festgelegt werden. Außerdem wird diese Norm möglicherweise geändert, wenn sich neue wissenschaftliche Erkenntnisse einstellen, so daß sie letztlich zu einer endgültigen Norm umgewandelt oder möglicherweise wieder ganz abgeschafft wird. Dies alles zeigt und legt nahe, daß noch weitere Forschungen und Untersuchungen zu diesem sehr weiten aber zugleich sehr wesentlichen Bereich angestellt werden müssen, um zu einer schlüssigen Normung zu gelangen.

3.6. Auch wenn diese Norm (genau wie übrigens auch die Norm ENV 50166-2) im Grunde Freiwilligkeitscharakter hat, so wird sie doch als wichtiges und einflußreiches Regelwerk angesehen, weil seine Existenz die Sicherheit, Funktionalität und die Austauschbarkeit der entsprechenden technischen Anlagen im Rahmen des einheitlichen europäischen Binnenmarktes gewährleistet.

4. Rechtsvorschriften

4.1. Alle elektrischen und elektronischen Anlagen und Geräte geben elektrische und magnetische Felder an ihre Umgebung ab, deren Stärke unmittelbar abhängt von der Spannung und von der Entfernung vom Ort des elektrischen Stromflusses.

4.2. Die elektrischen Felder sind zwar nicht gefährlich für den Menschen, können aber unangenehme Auswirkungen haben, wie etwa Hautkribbeln und Juckreiz, Funktionsstörungen bestimmter elektrischer und elektronischer Geräte (wie z.B. Herzschrittmacher).

4.3. Hingegen gibt es bezüglich Magnetfeldern die Meinung, daß sie sich auf die menschliche Gesundheit auswirken können, weswegen weltweit eine ganze Reihe von Studien zu diesem Fragenkomplex durchgeführt wurden, deren überwältigende Mehrheit indes keinerlei Nachweis einer etwaigen Gefährlichkeit von Magnetfeldern lieferten, ohne daß jedoch mit eindeutigen Parametern das Gegenteil bewiesen werden kann.

4.4. Regeln betreffend elektromagnetische Felder

4.4.1. EMF-Expositionsgrenzwerte

4.4.1.1. Im Januar 1990 gab die bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angesiedelte IPRA (Internationale Strahlenschutzvereinigung) einen Leitfaden mit dem Titel "Interim guidelines on limits of exposure 50/60 Hz electric and magnetic fields" (Vorläufige Leitlinien über Grenzwerte für die Exposition gegenüber elektrischen und magnetischen Feldern einer Frequenz von 50/60 Hz) heraus.

Die Internationale Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) schloß sich 1998 diesen Empfehlungen an. Darin werden als Expositionsgrenzwerte für die Bevölkerung aufgeführt: für elektrische Felder: 5 kV/m, für magnetische Felder: 0,1 mT

4.4.1.2. Vorschläge mit Regeln auf der Basis der vorgenannten Grenzwerte werden gegenwärtig von der CENELEC geprüft. Einige Länder haben bereits diese oder ähnliche Grenzwerte eingeführt, während andere Länder die offizielle Annahme dieser Grenzwerte durch das CENELEC abwarten wollen.

4.4.1.3. Die meisten Unternehmen der Elektrobranche in Europa haben die IPRA-Regeln übernommen, auch wenn sie keine Verbote enthalten. Andererseits hat in einigen Ländern der Gesetzgeber dahingehend eingegriffen, daß er Bestimmungen über den Mindestabstand elektrischer Anlage von Wohnhäusern bzw. anderen Anlagen oder Gebäuden festgelegt hat.

4.4.2. Mindestabstand zwischen Hochspannungsleitungen und Wohngebäuden

4.4.2.1. Einige Länder, wie beispielsweise Luxemburg, haben Bestimmungen erlassen, die festlegen, wie weit Hochspannungsleitungen von Wohnhäusern und anderen öffentlich zugänglichen Gebäuden wie Schulen, Sportstätten und dergl. mindestens entfernt sein müssen.

4.4.2.2. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß die einzuhaltenden Mindestabstände der Stromleitungen von Wohngebäuden in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich sind. Einige Länder, wie etwa Dänemark und Schweden haben sich dafür entschieden, keine Verbote zu erlassen, sondern prophylaktische Regeln vorzuschlagen mit konkreten Werten für den Abstand von Häusern und anderen Gebäuden bei der Einrichtung neuer Stromleitungen.

4.4.2.3. In Frankreich ist eine Gesetzesänderung gescheitert, die die Einrichtung von Leitungen für den Transport von Strömen extrem hoher Spannung in der Nähe von Wohngebäuden untersagte und die Schaffung von Korridoren unterhalb von Hochspannungsleitungen vorsah, in denen keine Häuser gebaut werden dürfen.

4.4.2.4. Der Ausschuß der Regionen hält es für notwendig, einen Mindestabstand für die Bebauung im Umfeld von Stromleitungen festzulegen; dieser Abstand sollte den Bestimmungen entsprechen, die für den Bau neuer Hochspannungsleitungen in bebauten Gebieten gelten.

4.5. Rechtsanspruchsstreitigkeiten

4.5.1. Auf die elektrischen und magnetischen Felder wird normalerweise bei den folgenden drei Kategorien von Streitobjekten Bezug genommen:

- Bau neuer Hochspannungsleitungen,

- Entschädigungsleistungen an Eigentümer von Anlagen in der Nähe von Hochspannungsleitungen,

- Entschädigungsverpflichtungen gegenüber Menschen mit Gesundheitsproblemen, die auf elektromagnetische Felder zurückzuführen sind.

4.5.2. Was den Streit um den Bau neuer Hochspannungsleitungen angeht, werden unter anderem elektromagnetische Felder bei Rechtsmitteln gegen den Bau von Hochspannungsleitungen als Argument angeführt.

4.5.3. Die deutschen und italienischen Gerichte erkennen Schadensersatzforderungen betreffend die Auswirkungen elektromagnetischer Felder nicht an, weil es nach den Vorschlägen der IRPA von den EMF keine Gefahren ausgehen. In Dänemark räumen die Gerichte eine gewisse Wertminderung von Baulichkeiten in der Nähe von Hochspannungsleitungen ein, während in Schweden die Existenz elektromagnetischer Felder eines der Kriterien für die Entschädigungsleistungen von Baulichkeiten in der Nähe von Hochspannungsleitungen ist.

4.5.4. Die Gesetzgebung und die Rechtsprechung werden sich in den kommenden Jahren entsprechend den gewonnenen neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterentwickeln. Die meisten europäischen Länder haben allerdings sehr umsichtige Beschlüsse gefaßt, um die Wirtschaftstätigkeit der beteiligten Stromversorgungsunternehmen nicht grundlos zu erschweren.

4.6. Aktuelle Gesetzgebung

4.6.1. In nahezu allen EU-Mitgliedstaaten fehlen bislang Rechtsvorschriften betreffend elektrische und magnetische Felder. In Deutschland ist seit 1. Januar 1997 eine Verordnung über EMF für bestimmte infrastrukturrelevante Bereiche wie ortsfeste Sendefunkanlagen und Hochspannungsleitungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch EMF in Kraft.

4.7. Rechtsmittel

4.7.1. Die überwiegende Mehrheit der einschlägigen gerichtlichen Schritte in der Europäischen Union richten sich gegen den Bau neuer Hochspannungsleitungen.

5. Schlußfolgerungen

5.1. Der Ausschuß der Regionen ist der Ansicht, daß die Kommission auf der Grundlage von Diskussionen und Studien eine klare Position zu der Frage der Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit einnehmen sollte.

5.2. Nach Meinung des Ausschusses der Regionen ist die Erforschung der möglichen Auswirkungen elektrischer und magnetischer Felder niedriger Frequenz bereits weit vorangeschritten. Deswegen sollte der Rat nunmehr eine Empfehlung betreffend die zulässigen EMF-Grenzwerte verabschieden, um jedwede nachteiligen Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu verhindern.

5.3. Bei der Festlegung der entsprechenden Grenzwerte für elektrische und magnetische Felder sollten insonderheit die in der CENELEC-Norm enthaltenen Aspekte sowie auch die Arbeiten berücksichtigt werden, die von verschiedenen internationalen Organisationen wie ICNIRP, IRPA, WHO usw. zum gleichen Thema durchgeführt wurden. Daneben sind aber auch die athermischen Effekte zu berücksichtigen, die bereits bei deutlich unter den genannten Grenzwerten liegender Exposition auftreten und ebenfalls gesundheitsgefährdend sein können.

5.4. Die EMF-Grenzwerte sollten so angelegt sein, daß sie einerseits das Ausbleiben nachteiliger Folgen für Mensch und Umwelt gewährleisten, aber andererseits nicht dem Ausbau von Stromversorgungsnetzen unüberwindliche Hürden in den Weg stellen. Im Rahmen der Vollendung des Binnenmarktes wird ein zunehmender Einsatz von Stromversorgungsnetzen stattfinden, so wie es im übrigen in der Gemeinschaftsrichtlinie 96/92 vorgesehen ist. Die staatlichen und regionalen Gebietskörperschaften müßten dabei im Rahmen der neuen Maßnahmen zur Stadtentwicklung als unabdingbare Voraussetzung vorsehen, daß die Hochspannungsnetze in städtischen Gebieten unterirdisch verlegt werden.

5.5. Die Vorlage eines Vorschlags der Kommission für eine Empfehlung des Rates über die Begrenzung der Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern war nach Meinung des Ausschusses ein erster wichtiger Schritt.

5.6. Die Kommission sollte die Beschäftigung mit der Thematik im Wege der einvernehmlichen Zusammenarbeit der für Energie, Umwelt und Gesundheit zuständigen Generaldirektionen fortführen und vertiefen. Dabei sollte sie auch auf das Konzept einer möglichst weitgehenden Risikovorbeugung und -minimisierung, wie es beispielsweise bereits im Ansatz bei den hohen Frequenzen Anwendung findet, zurückgreifen.

5.7. Der Ausschuß der Regionen möchte die Kommission ersuchen, die Erfahrungen der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu nutzen und eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit ihnen zu entwickeln.

5.8. Der Ausschuß der Regionen ist der Auffassung, daß im Rahmen der Vereinheitlichung des Betriebs und der Entwicklung der Stromversorgungssysteme in der Europäischen Union die Kommission unter Berücksichtigung geltender einzelstaatlicher Bestimmungen, etwa in Deutschland, Luxemburg, einheitliche Grenzwerte für elektromagnetische Felder in den europäischen Ländern vorschlagen sollte.

Brüssel, den 3. Juni 1999.

Der Präsident

des Ausschusses der Regionen

Manfred DAMMEYER

(1) (Richtlinie EG/96/92) Abl. L 27 vom 30.1.1997, S. 20.

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