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Document 32020D1266

Durchführungsbeschluss (EU) 2020/1266 der Kommission vom 9. September 2020 zur Ermächtigung Dänemarks, zum Schutz des kulturellen Erbes Biozidprodukte mit in situ hergestelltem Stickstoff zuzulassen (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2020) 6030) (Nur der dänische Text ist verbindlich)

C/2020/6030

OJ L 297, 11.9.2020, p. 10–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec_impl/2020/1266/oj

11.9.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 297/10


DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2020/1266 DER KOMMISSION

vom 9. September 2020

zur Ermächtigung Dänemarks, zum Schutz des kulturellen Erbes Biozidprodukte mit in situ hergestelltem Stickstoff zuzulassen

(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2020) 6030)

(Nur der dänische Text ist verbindlich)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (1), insbesondere auf Artikel 55 Absatz 3,

nach Anhörung des Ständigen Ausschusses für Biozidprodukte,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 enthält Wirkstoffe mit einem günstigeren Profil für die Umwelt oder die Gesundheit von Mensch oder Tier. Produkte, die diese Wirkstoffe enthalten, können daher nach einem vereinfachten Verfahren zugelassen werden. Stickstoff ist in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 aufgeführt, jedoch mit der Einschränkung, dass er nur in begrenzten Mengen in gebrauchsfertigen Behältern verwendet wird.

(2)

Gemäß Artikel 86 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 ist Stickstoff als Wirkstoff für die Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18 (Insektizide) genehmigt (2). Biozidprodukte, die Stickstoff wie genehmigt enthalten, sind in mehreren Mitgliedstaaten, auch in Dänemark, zugelassen und werden in Gasflaschen geliefert (3).

(3)

Stickstoff kann auch in situ aus der Umgebungsluft hergestellt werden. In situ hergestellter Stickstoff darf derzeit in der Union nicht verwendet werden und ist weder in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 noch in der Liste der Wirkstoffe aus dem Prüfprogramm für alte Wirkstoffe in Biozidprodukten in Anhang II der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 der Kommission (4) aufgeführt.

(4)

Im Einklang mit Artikel 55 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 beantragte Dänemark am 29. April 2020 bei der Kommission, abweichend von Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a dieser Verordnung zum Schutz des kulturellen Erbes Biozidprodukte zulassen zu dürfen, die aus in situ aus der Umgebungsluft hergestelltem Stickstoff bestehen (im Folgenden der „Antrag“).

(5)

Es gibt ein breites Spektrum von Schadorganismen, von Insekten bis hin zu Mikroorganismen, die das kulturelle Erbe schädigen können. Dabei können diese Schadorganismen nicht nur den Verlust des Kulturguts selbst bewirken, sondern es besteht auch die Gefahr, dass sie auf andere nahe gelegene Objekte übergreifen. Ohne angemessene Behandlung können Objekte irreparabel beschädigt werden, sodass ein großes Risiko für das kulturelle Erbe besteht.

(6)

Mit in situ hergestelltem Stickstoff wird in dauerhaft oder vorübergehend versiegelten Behandlungszelten oder -kammern zur Bekämpfung von Schadorganismen auf Kulturerbeobjekten eine kontrollierte Atmosphäre mit sehr niedriger Sauerstoffkonzentration (Anoxie) geschaffen. Stickstoff wird aus der Umgebungsluft gewonnen und in die Behandlungszelte bzw. -kammern gepumpt, sodass der Stickstoffgehalt in der Atmosphäre auf etwa 99 % steigt und die Sauerstoffsättigung folglich gegen null sinkt. Die Feuchte des in den Behandlungsbereich gepumpten Stickstoffs wird je nach Bedarf des zu behandelnden Objekts geregelt. Schadorganismen sind unter den Bedingungen in den Behandlungszelten bzw. -kammern nicht überlebensfähig.

(7)

Nach den im Antrag enthaltenen Informationen scheint die Verwendung von in situ hergestelltem Stickstoff die einzige wirksame Methode zur Bekämpfung von Schadorganismen zu sein, die für alle Materialarten und -kombinationen in Kultureinrichtungen eingesetzt werden kann. Den Angaben Dänemarks zufolge ist es die Methode mit den am wenigsten bekannten negativen und potenziell schädlichen Auswirkungen auf die Materialien und Materialkombinationen, aus denen Kulturerbeobjekte bestehen.

(8)

Das Verfahren der Anoxie bzw. einer geänderten oder kontrollierten Atmosphäre ist in der Norm EN 16790:2016 „Erhaltung des kulturellen Erbes — Integrierte Schädlingsbekämpfung (IPM) zum Schutz des kulturellen Erbes“ aufgeführt, der zufolge Stickstoff am häufigsten zur Erzeugung einer Anoxie eingesetzt wird.

(9)

Zur Bekämpfung von Schadorganismen stehen weitere Methoden zur Verfügung, etwa Thermoschockmethoden (hohe oder niedrige Temperaturen) und die Verwendung von Biozidprodukten mit anderen Wirkstoffen. Nach Angaben Dänemarks jedoch sind diese Methoden jeweils nur bei einer begrenzten Palette von Materialien anwendbar.

(10)

Wie im Antrag ausgeführt, werden andere Wirkstoffe wegen ihres Gefahrenprofils in Kultureinrichtungen selten eingesetzt. Nach einer Behandlung mit diesen Wirkstoffen können die an den behandelten Objekten haftenden Rückstände nach und nach in die Umwelt freigesetzt werden, was ein Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt darstellt. Dies ist besonders relevant für Kultureinrichtungen, die Besuchern offen stehen, aber auch für die Menschen, die mit Kulturerbeobjekten arbeiten und mit ihnen umgehen. Darüber hinaus kann die Verwendung mancher Wirkstoffe bei Kulturerbeobjekten zu Veränderungen in Farbe und Aussehen führen.

(11)

Den im Antrag enthaltenen Informationen zufolge haben Thermoschockprozesse (also Tiefkühlen oder Erhitzen) unerwünschte Auswirkungen auf mehrere Materialien. Nach einer Wärmebehandlung können Öle aus der Imprägnierung von Objekten aus Holz an der Oberfläche hervortreten und Flecken hinterlassen, wodurch sich das Aussehen der Objekte verändert. Wachse und Harze können bei Wärmebehandlungen schmelzen. In ähnlicher Weise könnten sich Niedrigtemperaturbehandlungen auf lackierte Oberflächen und Materialien auswirken, die Schellack, Alkydharze und Acrylharze enthalten. Die Niedrigtemperaturmethode gilt als ungeeignet und weniger nachhaltig, da alle Objekte dicht in Plastikfolie verpackt werden müssen, um eine Kondensation nach der Behandlung zu vermeiden.

(12)

Gemäß den Angaben im Antrag ist Stickstoff in Flaschen für Kultureinrichtungen aus praktischen Gründen keine geeignete Alternative. Infolge der begrenzten Mengen in den Flaschen bedarf es häufiger Transporte und separater Lagerräume. Zudem stellt die Lagerung der Flaschen eine Herausforderung in Bezug auf die Sicherheit dar. Auch wäre die Behandlung mit Flaschenstickstoff für die Kultureinrichtungen mit hohen Kosten verbunden.

(13)

Von den Kultureinrichtungen zu verlangen, dass sie mehrere Methoden zur Bekämpfung von Schadorganismen anwenden — jede davon nur für bestimmte Materialien und Objekte — statt einer einzigen, die bereits angewendet wird und für alle Materialien geeignet ist, wäre für die Kultureinrichtungen mit Mehrkosten verbunden und würde es ihnen erschweren, den angestrebten Verzicht auf gefährlichere Wirkstoffe bei ihrer integrierten Schädlingsbekämpfung zu realisieren. Zudem würde die Einstellung der Nutzung der für die Anoxie basierend auf in situ erzeugtem Stickstoff erworbenen Anlagen und Ausrüstungen zum Verlust bereits getätigter Investitionen führen.

(14)

Eine möglichen Ausnahmeregelung nach Artikel 55 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 für in situ hergestellten Stickstoff wurde 2019 auf mehreren Sitzungen (5) der Sachverständigengruppe der Kommission bestehend aus Vertretern der für Biozidprodukte zuständigen Behörden erörtert.

(15)

Darüber hinaus führte die Europäische Chemikalienagentur auf Ersuchen der Kommission im Anschluss an den ersten, ähnlichen Antrag Österreichs auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für Produkte in Form von in situ erzeugtem Stickstoff eine öffentliche Konsultation zu diesem Antrag durch, bei der alle Interessenträger Stellung nehmen konnten. In den 1 487 eingegangenen Beiträgen wurde die Ausnahmeregelung mit großer Mehrheit befürwortet. In vielen Beiträgen wurden die Nachteile der Alternativmethoden hervorgehoben: Thermische Behandlungen können bestimmte Materialien schädigen, der Einsatz anderer Wirkstoffe hinterlässt toxische Rückstände auf Artefakten, die nach und nach in die Umwelt freigesetzt werden, und bei der Verwendung von Stickstoff in Flaschen kann die relative Feuchte im Behandlungsbereich nicht geregelt werden, was für die Behandlung einiger Materialien jedoch notwendig ist.

(16)

Zwei internationale Organisationen zur Vertretung von Museen und Kulturerbestätten — der Internationale Museumsrat und der Internationale Rat für Denkmalpflege — haben angekündigt, die Aufnahme von in situ hergestelltem Stickstoff in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 beantragen zu wollen, sodass die Mitgliedstaaten Produkte, die in situ hergestellten Stickstoff enthalten, zulassen könnten, ohne dass eine Ausnahmeregelung nach Artikel 55 Absatz 3 der genannten Verordnung notwendig ist. Allerdings nehmen die Prüfung eines solchen Antrags, die Aufnahme des Wirkstoffs in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 und die Produktgenehmigungen Zeit in Anspruch.

(17)

Aus dem Antrag geht hervor, dass in Dänemark keine geeigneten Alternativen verfügbar sind, da alle derzeit verfügbaren alternativen Methoden entweder durch ihre fehlende Eignung für die Behandlung aller Materialien oder aus praktischen Gründen Nachteile aufweisen.

(18)

Diese Argumente lassen die Schlussfolgerung zu, dass in situ hergestellter Stickstoff für den Schutz des kulturellen Erbes in Dänemark unverzichtbar ist und keine geeigneten Alternativen dazu verfügbar sind. Dänemark sollte daher zum Schutz des kulturellen Erbes die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, die in situ hergestellten Stickstoff enthalten, zulassen dürfen.

(19)

Die mögliche Aufnahme von in situ hergestelltem Stickstoff in Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 und die anschließende Zulassung von Produkten, die in situ hergestellten Stickstoff enthalten, durch die Mitgliedstaaten ist zeitaufwendig. Daher ist es angezeigt, so lange eine Ausnahmeregelung zu genehmigen, bis die damit verbundenen Verfahren abgeschlossen werden können —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:

Artikel 1

Dänemark darf zum Schutz des kulturellen Erbes die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, die in situ hergestellten Stickstoff enthalten, bis zum 31. Dezember 2024 zulassen.

Artikel 2

Dieser Beschluss ist an das Königreich Dänemark gerichtet.

Brüssel, den 9. September 2020

Für die Kommission

Stella KYRIAKIDES

Mitglied der Kommission


(1)  ABl. L 167 vom 27.6.2012, S. 1.

(2)  Richtlinie 89/2009/EG der Kommission vom 30. Juli 2009 zur Änderung der Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zwecks Aufnahme des Wirkstoffs Stickstoff in Anhang I (ABl. L 199 vom 31.7.2009, S. 19).

(3)  Liste der zugelassenen Produkte: https://echa.europa.eu/fr/information-on-chemicals/biocidal-products

(4)  Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1062/2014 der Kommission vom 4. August 2014 über das Arbeitsprogramm zur systematischen Prüfung aller in Biozidprodukten enthaltenen alten Wirkstoffe gemäß der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 294 vom 10.10.2014, S. 1).

(5)  83., 84., 85. und 86. Sitzung der Sachverständigengruppe der Kommission mit den Vertretern der für die Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, abgehalten im Mai 2019, Juli 2019, September 2019 bzw. November 2019. Die Sitzungsprotokolle sind einsehbar auf https://ec.europa.eu/health/biocides/events_en#anchor0.


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