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Document 32017Y0131(07)

Warnung des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken vom 22. September 2016 zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors der Niederlande (ESRB/2016/10)

OJ C 31, 31.1.2017, p. 53–54 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

31.1.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 31/53


WARNUNG DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN

vom 22. September 2016

zu mittelfristigen Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors der Niederlande

(ESRB/2016/10)

(2017/C 31/07)

DER VERWALTUNGSRAT DES EUROPÄISCHEN AUSSCHUSSES FÜR SYSTEMRISIKEN —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1092/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 über die Finanzaufsicht der Europäischen Union auf Makroebene und zur Errichtung eines Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (1), insbesondere auf Artikel 3 und Artikel 16,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Vergangenheit in vielen Ländern lehrt, dass Anzeichen für Anfälligkeiten des Wohnimmobiliensektors bedeutende Risiken für die nationale Finanzstabilität bergen können und zu schwerwiegenden negativen Folgen für die Realwirtschaft mit möglichen negativen Ansteckungseffekten in anderen Ländern führen können.

(2)

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) hat kürzlich eine systematische und vorausschauende unionsweite Bewertung von Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor abgeschlossen. In dieser Hinsicht hat der ESRB in acht Ländern gewisse mittelfristige Anfälligkeiten als eine Ursache von Systemrisiken für die Finanzstabilität ausgemacht, die potenziell schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten.

(3)

Die Bewertung des ESRB zu Anfälligkeiten zeigt für die Niederlande Folgendes:

a)

Die Privathaushalte in den Niederlanden sind hochverschuldet mit einer Quote der Haushaltverschuldung im Verhältnis zum Einkommen, die mit am höchsten in der Union ist, obwohl sie in den letzten Jahren leicht gesunken ist.

b)

Darüber hinaus sind die niederländischen Immobiliardarlehen am höchsten im Verhältnis zum Wert der ihnen unterlegten Sicherheit. Bei ungefähr einem Viertel sämtlicher Immobiliardarlehensnehmer und der Hälfte sämtlicher Immobiliardarlehensnehmer unter 40 Jahren übersteigt die Gesamtverschuldung den Wert ihrer Immobilie. Diese Anfälligkeit wird wahrscheinlich anhaltend sein, erstens weil neue Immobiliardarlehen im Verhältnis zum Wert der gekauften Immobilie hoch sind und zweitens weil die Tilgungsraten durchschnittlich niedrig sind. Für neue Immobiliardarlehen sind die Tilgungsraten jedoch höher, weil nur bei tilgungsfähigen Immobiliardarlehen Zinsen aus steuerlichen Gründen abgezogen werden dürfen, was wiederum als Anreiz für Privathaushalte dient, ihre Immobiliardarlehen zu tilgen.

c)

Derzeit bestehen keine Anzeichen für eine Überbewertung des Wohnimmobilienmarktes in den Niederlanden und die Preise sind bei historischer Betrachtung vergleichsweise niedrig zum Einkommen. Dies gilt, obwohl die Wohnimmobilienpreise in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben nach dem bedeutenden Abschwung infolge der weltweiten Finanzkrise. In den Großstädten, wenn auch nicht landesweit, sind die Preise auf das Vorkrisenniveau zurückgekehrt.

d)

Die hohe private Haushaltsverschuldung verbunden mit der relativ geringen Sicherheitenunterlegung der Immobiliardarlehen führt zu bedeutenden mittelbaren und unmittelbaren Negativeffekten für die markroökonomische und finanzielle Stabilität. Im Falle eines wirtschaftlichen oder finanziellen Schocks, wie z. B. steigender Arbeitslosigkeit und/oder eines Wachstumsrückgangs, könnte es für hochverschuldete Privathaushalte besonders schwierig sein, ihre Schulden zu bedienen. Die Zahl der Ausfälle von Immobiliardarlehen könnte steigen, was unmittelbar zu Kreditverlusten bei Banken, insbesondere bei gleichzeitig sinkenden Wohnimmobilienpreisen, führen könnte. Darüber hinaus könnten bei Eintreten eines volkswirtschaftlichen Negativszenarios die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Einkommen und Vermögen der Privathaushalte den ursprünglichen Schock verstärken, was wiederum zur Verschlimmerung der unmittelbaren und mittelbaren negativen Auswirkungen auf die Finanzstabilität führen könnte (z. B. dann, wenn Privathaushalte ihren Konsum zur Bedienung ihrer Immobiliardarlehen einschränken müssen).

e)

Insgesamt gesehen ist das niederländische Bankensystem gut kapitalisiert, wobei eine Anzahl von Eigenkapitalpuffern von den niederländischen Behörden eingeführt wurden, die in den kommenden Jahren stufenweise eingeführt werden. Stresstests weisen zudem darauf hin, dass die niederländischen Banken über ausreichend Eigenkapital verfügen, um adversen Szenarien in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor zu widerstehen. Aus diesen Gründen wird das niederländische Bankensystem als gegenüber unmittelbaren Schocks des Wohnimmobiliensektors widerstandsfähig erachtet. Zu beachten ist auch die wachsende Bedeutung des Nichtbankensektors für das Wohnimmobilien-Kreditgeschäft. Derzeit wird etwa die Hälfte aller neuen Immobiliardarlehen von Nichtbanken angeboten, wie z. B. Versicherungsanstalten. Für Kredite getroffene ausgewählte makroprudenzielle Maßnahmen (beispielsweise Grenzwerte für die Beleihungsquote) gelten auch für Kredite, die vom Nichtbankensektor gewährt werden. Dennoch ist die vorhandene Analyse der potenziellen Risiken für die Finanzstabilität von Immobiliardarlehensgebern aus dem Nichtbankensektor eingeschränkt.

f)

Zur Eindämmung der zuvor genannten Anfälligkeiten liegen einige strukturelle Faktoren vor, die das aus dem Immobiliardarlehensgeschäft resultierende Kreditrisiko begrenzen, wie beispielsweise robuste Schuldverschreibungen mit Rückgriffsanspruch (Recourse-Darlehen) für Darlehensgeber und strenge Privatinsolvenzvorschriften.

g)

Der ESRB würdigt die von den niederländischen Behörden in Bezug auf den Wohnimmobiliensektor ergriffenen Maßnahmen. Dazu gehören Grenzwerte für die Schuldendienst- und Beleihungsquoten für neue Darlehen, die im Laufe der Zeit schrittweise verschärft werden, sowie eine Einschränkung der Steuerabzugsmöglichkeiten für Immobiliardarlehens-Zinszahlungen. Zwar sind die bereits ergriffenen politischen Maßnahmen für die Anfälligkeiten in Zusammenhang mit dem Wohnimmobiliensektor in den Niederlanden geeignet, sie könnten aber möglicherweise nicht ausreichen, um den Anfälligkeiten vollumfänglich zu begegnen, da die meisten Maßnahmen nur allmählich eingeführt werden und sich aufgrund ihrer Ausrichtung selbst nach vollständiger Umsetzung nicht besonders beschränkend auswirken werden —

HAT FOLGENDE WARNUNG AUSGEGEBEN:

Der ESRB hat mittelfristige Anfälligkeiten im Wohnimmobiliensektor der Niederlande als eine Ursache von Systemrisiken für die Finanzstabilität ausgemacht, die potenziell schwerwiegende negative Folgen für die Realwirtschaft nach sich ziehen könnten. Als Hauptanfälligkeiten erachtet der ESRB aus makroprudenzieller Sicht die anhaltend hohe private Haushaltsverschuldung in Verbindung mit der geringen Sicherheitenunterlegung der Immobiliardarlehen. Insbesondere gibt es eine große Gruppe von Privathaushalten, vor allem jüngere Darlehensnehmer, deren Verschuldung den Wert ihrer Immobilie übersteigt.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 22. September 2016.

Francesco MAZZAFERRO

Leiter des ESRB-Sekretariats

Im Auftrag des Verwaltungsrates des ESRB


(1)  ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 1.


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