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Document 32011D0695

2011/695/: Beschluss des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren Text von Bedeutung für den EWR

OJ L 275, 20.10.2011, p. 29–37 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
Special edition in Croatian: Chapter 08 Volume 004 P. 295 - 303

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2011/695/oj

20.10.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 275/29


BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION

vom 13. Oktober 2011

über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren

(Text von Bedeutung für den EWR)

(2011/695/EU)

DER PRÄSIDENT DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union,

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum,

gestützt auf die Geschäftsordnung der Kommission (1), insbesondere auf Artikel 22,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Im Rahmen des auf der Grundlage des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geschaffenen Systems zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts führt die Kommission Untersuchungen durch und entscheidet über Wettbewerbssachen in Form von administrativen Beschlüssen, die der gerichtlichen Kontrolle des Gerichtshofs der Europäischen Union („Gerichtshof“) unterliegen.

(2)

Die Kommission muss ihre Wettbewerbsverfahren fair, unparteiisch und objektiv durchführen und dafür sorgen, dass die Verfahrensrechte der Parteien gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (2), der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (EG-Fusionskontrollverordnung) (3), der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (4), und die Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission vom 7. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (5), sowie im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs gewahrt werden. Das Recht der Parteien, vor dem Erlass eines für sie nachteiligen individuellen Beschlusses gehört zu werden, stellt im Rechtssystem der Europäischen Union ein Grundrecht dar, das in der Charta der Grundrechte (6) insbesondere in Artikel 41 verankert ist.

(3)

Um zu gewährleisten, dass die Verfahrensrechte der Parteien, der anderen Beteiligten im Sinne von Artikel 11 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 (im Folgenden „andere Beteiligte“), der Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (im Folgenden „Beschwerdeführer“) und der anderen Personen als die in Artikeln 5 und 11 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 genannten Personen sowie von Dritten im Sinne von Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 („Dritte“) in Wettbewerbsverfahren effektiv gewahrt werden, sollte eine in Wettbewerbsfragen erfahrene unabhängige Person, die aufgrund ihrer Integrität geeignet ist, die Objektivität, Transparenz und Effizienz solcher Verfahren zu fördern, damit betraut werden, die Wahrung dieser Rechte sicherzustellen.

(4)

Deshalb hat die Kommission 1982 die Funktion des Anhörungsbeauftragten geschaffen und diese durch den Beschluss 94/810/EGKS, EG der Kommission vom 12. Dezember 1994 über das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren vor der Kommission (7) und den Beschluss 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (8) geändert. Nunmehr ist es notwendig, die Rolle des Anhörungsbeauftragten zu präzisieren und weiter zu stärken, und sein Mandat sollte in Anbetracht der Entwicklung des Wettbewerbsrechts der Union angepasst werden.

(5)

Es ist allgemein anerkannt, dass der Anhörungsbeauftragte aufgrund seiner Unabhängigkeit und der Sachkenntnis, die er in die Verfahren einbringt, einen wichtigen Beitrag zu den Wettbewerbsverfahren der Kommission leistet. Um die Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten von der Generaldirektion Wettbewerb weiterhin sicherzustellen, sollte er verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission unterstellt werden.

(6)

Der Anhörungsbeauftragte sollte gemäß dem Statut der Beamten sowie den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union ernannt werden. Danach können auch Bewerber berücksichtigt werden, die nicht Beamte der Kommission sind. Es sollte für Transparenz im Zusammenhang mit der Ernennung, Abberufung und Versetzung von Anhörungsbeauftragten gesorgt werden.

(7)

Die Kommission kann einen oder mehrere Anhörungsbeauftragte ernennen und sollte ihnen einen Mitarbeiterstab bereitstellen. Stellt ein Anhörungsbeauftragter fest, dass er sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben in einem Interessenkonflikt befindet, so sollte er die Arbeit in der betreffenden Sache einstellen. Ist ein Anhörungsbeauftragter verhindert, so sollte ein anderer Anhörungsbeauftragter dessen Aufgaben übernehmen.

(8)

Der Anhörungsbeauftragte sollte ein unabhängiger Schiedsmann sein, der Fragen und Probleme in Bezug auf die effektive Wahrung der Verfahrensrechte der Parteien, anderen Beteiligten, Beschwerdeführer oder betroffenen Dritten zu lösen versucht, wenn die Fragen bzw. Probleme nicht vorab im Kontakt mit den für das Wettbewerbsverfahren zuständigen Kommissionsdienststellen, die diese Verfahrensrechte wahren müssen, gelöst werden konnten.

(9)

Das Mandat des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren sollte so ausgestaltet sein, dass die effektive Wahrung der Verfahrensrechte in Kommissionsverfahren nach den Artikeln 101 und 102 AEUV und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 insbesondere bezüglich des Anspruchs auf rechtliches Gehör gewährleistet ist.

(10)

Um diese Rolle zu stärken, sollte dem Anhörungsbeauftragten die Aufgabe erteilt werden, zu gewährleisten, dass die Verfahrensrechte von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen im Zusammenhang mit den Ermittlungsbefugnissen der Kommission nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sowie nach Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004, die vorsehen, dass die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Geldbußen verhängen kann, effektiv gewahrt werden. Im Rahmen der Untersuchungsphase sollte der Anhörungsbeauftragte auch spezielle Aufgaben erhalten in Bezug auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant, das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung, Fristen zur Antwort auf Auskunftsverlangen nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sowie das Recht von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die die Kommission Ermittlungsmaßnahmen nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 durchführt, über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren insbesondere dahingehend unterrichtet zu werden, ob gegen sie ermittelt wird, und wenn ja, in welcher Sache und zu welchem Zweck. Bei der Prüfung der Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung kann der Anhörungsbeauftragte darüber befinden, ob das Schutzbegehren des Unternehmens offensichtlich unbegründet und lediglich als Teil einer Verzögerungstaktik anzusehen ist.

(11)

Der Anhörungsbeauftragte sollte bei der Prüfung der Berufung auf den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant Unterstützung leisten können. Zu diesem Zweck wird dem Anhörungsbeauftragten erlaubt sein, wenn das jeweilige Unternehmen bzw. die jeweilige Unternehmensvereinigung dem zustimmt, die betreffenden Unterlagen prüfen und unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs eine entsprechende Empfehlung aussprechen.

(12)

Es sollte die Aufgabe des Anhörungsbeauftragten sein, darüber zu entscheiden, ob ein Dritter hinreichendes Interesse dargelegt hat, gehört zu werden. Bei Verbraucherverbänden, die beantragen, gehört zu werden, sollte allgemein ein hinreichendes Interesse unterstellt werden, wenn das Verfahren Produkte oder Dienstleistungen für Endverbraucher oder Produkte oder Dienstleistungen betrifft, die direkt in diese Produkte oder Dienstleistungen einfließen.

(13)

Der Anhörungsbeauftragte sollte Beschlüsse über die Zulassung von Beschwerdeführern und betroffenen Dritten zur mündlichen Anhörung erlassen und dabei berücksichtigen, welchen Beitrag sie zur Klärung des Sachverhalts leisten können.

(14)

Dem Recht der Parteien, vor dem Erlass eines für sie nachteiligen abschließenden Beschlusses gehört zu werden, wird dadurch Genüge getan, dass sie das Recht haben, zu dem mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten vorläufigen Standpunkt der Kommission schriftlich Stellung zu nehmen und auf Antrag in der mündlichen Anhörung ihre Sichtweise näher zu erläutern. Damit sie diese Rechte effektiv ausüben können, haben die Adressaten von Mitteilungen der Beschwerdepunkte das Recht, die Untersuchungsakte der Kommission einzusehen.

(15)

Um die effektive Wahrung der Verteidigungsrechte der Adressaten von Mitteilungen der Beschwerdepunkte zu gewährleisten, sollte der Anhörungsbeauftragte dafür zuständig sein, dafür zu sorgen, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen Beteiligten und der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission über die Akteneinsicht oder den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen beigelegt werden. In außergewöhnlichen Fällen kann der Anhörungsbeauftragte den Lauf der Antwortfrist des Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte aussetzen, bis eine Meinungsverschiedenheit über die Akteneinsicht beigelegt ist, wenn der Adressat nicht in der Lage wäre, fristgerecht zu antworten, und eine Fristverlängerung zu diesem Zeitpunkt keine angemessene Lösung darstellen würde.

(16)

Um die effektive Wahrung der Verfahrensrechte zu gewährleisten und gleichzeitig den berechtigten Interessen an einer vertraulichen Behandlung Rechnung zu tragen, sollte der Anhörungsbeauftragte gegebenenfalls spezifische Maßnahmen für die Einsicht in die Kommissionsakte anordnen können. So sollte der Anhörungsbeauftragte insbesondere befugt sein, dem Antragsteller Beschränkungen in Bezug auf die Einsicht in Teile der Akte aufzuerlegen, indem er beispielsweise die Zahl der einsichtnehmenden Personen, die Kategorie der zugelassenen Personen oder aber die Nutzung der eingesehenen Informationen beschränkt.

(17)

Der Anhörungsbeauftragte sollte dafür zuständig sein, über Anträge auf Verlängerung von Fristen zur Antwort auf Mitteilungen der Beschwerdepunkte, ergänzende Mitteilungen der Beschwerdepunkte oder Tatbestandsschreiben sowie auf Verlängerung von Fristen zu entscheiden, innerhalb deren andere Beteiligte, Beschwerdeführer oder betroffene Dritte Stellungnahmen abgeben können, sofern solche Personen und die Generaldirektion Wettbewerb darüber keine Einigung erzielen konnten.

(18)

Der Anhörungsbeauftragte sollte zur effizienten Gestaltung der mündlichen Anhörung beitragen, indem er beispielsweise alle geeigneten Vorbereitungsmaßnahmen trifft und etwa rechtzeitig vor der Anhörung eine vorläufige Teilnehmerliste und einen Tagesordnungsentwurf verbreitet.

(19)

In der mündlichen Anhörung können die Beteiligten, an die die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, sowie andere Beteiligte erneut von ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör Gebrauch machen, indem sie der Kommission, die durch die Generaldirektion Wettbewerb sowie andere Dienststellen vertreten sein sollte, die an der Ausarbeitung des von der Kommission zu erlassenden Beschlusses beteiligt sind, ihre Standpunkte mündlich näher erläutern. Die mündliche Anhörung sollte eine zusätzliche Gelegenheit sein, um sicherzustellen, dass alle relevanten Sachverhalte — seien sie zum Vor- oder zum Nachteil der Parteien, einschließlich Anhaltspunkten in Bezug auf die Schwere und Dauer einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung — so weit wie möglich geklärt werden. In der mündlichen Anhörung sollten die Beteiligten ferner die Möglichkeit haben, ihre Sichtweise in Bezug auf für die etwaige Verhängung von Geldbußen möglicherweise relevante Sachverhalte darzulegen.

(20)

Um einen effizienten Ablauf der mündlichen Anhörung sicherzustellen, kann der Anhörungsbeauftragte den Beteiligten, an die die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern, anderen zur Anhörung geladenen Personen, den Kommissionsdienststellen und den Behörden der Mitgliedstaaten gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen. Die mündliche Anhörung sollte nicht öffentlich sein, um zu gewährleisten, dass sich alle Teilnehmer frei äußern können. Deshalb sollten in einer mündlichen Anhörung offengelegte Informationen nicht für andere Zwecke verwendet werden als Gerichts- und/oder Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV. Sofern dies zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen erforderlich erscheint, kann der Anhörungsbeauftragte Personen gesondert hören.

(21)

Verfahrensbeteiligte, die Verpflichtungszusagen nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 anbieten, und solche, die sich nach Artikel 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 an Vergleichsverfahren in Kartellsachen beteiligen, sollten den Anhörungsbeauftragten in Bezug auf die effektive Wahrung ihrer Verfahrensrechte anrufen können.

(22)

Der Anhörungsbeauftragte sollte einen Bericht über die effektive Wahrung der Verfahrensrechte im gesamten Wettbewerbsverfahren erstellen. Zudem sollte der Anhörungsbeauftragte — unabhängig von seiner Berichtspflicht — auch die Möglichkeit haben, zum Fortgang und zur Objektivität des Verfahrens Stellung zu nehmen und so dazu beizutragen, dass die Wettbewerbsverfahren auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Würdigung aller einschlägigen Sachverhalte abgeschlossen werden.

(23)

Bei der Offenlegung von Informationen über natürliche Personen sollte der Anhörungsbeauftragte insbesondere die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (9) beachten.

(24)

Der Beschluss 2001/462/EG, EGKS sollte aufgehoben werden —

BESCHLIESST:

KAPITEL 1

ROLLE, ERNENNUNG UND AUFGABEN DES ANHÖRUNGSBEAUFTRAGTEN

Artikel 1

Der Anhörungsbeauftragte

(1)   Es gibt einen oder mehrere Anhörungsbeauftragte für Wettbewerbsverfahren, deren Befugnisse und Aufgaben in diesem Beschluss dargelegt sind.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet die effektive Wahrung der Verfahrensrechte über den gesamten Verlauf von Wettbewerbsverfahren der Kommission zur Umsetzung der Artikel 101 und 102 AEUV und nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (im Folgenden „Wettbewerbsverfahren“).

Artikel 2

Ernennung, Abberufung und Vertretung

(1)   Der Anhörungsbeauftragte wird von der Kommission ernannt. Die Ernennung wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die Aussetzung des Mandats, die Abberufung oder Versetzung eines Anhörungsbeauftragten muss Gegenstand eines mit Gründen versehenen Beschlusses der Kommission sein. Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte ist verwaltungstechnisch dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission (im Folgenden „zuständiges Kommissionsmitglied“) unterstellt.

(3)   Ist ein Anhörungsbeauftragter verhindert, so übernimmt ein anderer Anhörungsbeauftragter dessen Aufgaben. Sind alle Anhörungsbeauftragten verhindert, so bestellt das zuständige Kommissionsmitglied, gegebenenfalls nach Rücksprache mit dem Anhörungsbeauftragten, einen anderen, nicht mit der betreffenden Sache befassten Kommissionsbeamten, der die Aufgaben des Anhörungsbeauftragten wahrnehmen soll.

(4)   Befindet sich ein Anhörungsbeauftragter tatsächlich oder mutmaßlich in einem Interessenkonflikt, so stellt er die Arbeit in der betreffenden Sache ein. Absatz 3 findet Anwendung.

Artikel 3

Arbeitsweise

(1)   Der Anhörungsbeauftragte ist bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben unabhängig.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte trägt bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben dafür Sorge, dass die Wettbewerbsregeln effektiv im Einklang mit den Rechtsvorschriften der Union und den vom Gerichtshof entwickelten Grundsätzen angewendet werden.

(3)   Der Anhörungsbeauftragte hat zur Wahrnehmung seiner Aufgaben in allen Verfahrensphasen Zugang zu allen Akten in Bezug auf Wettbewerbsverfahren der Kommission nach den Artikeln 101 und 102 AEUV und nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004.

(4)   Der Anhörungsbeauftragte wird von dem für die jeweilige Untersuchung zuständigen Direktor der Generaldirektion Wettbewerb (im Folgenden „zuständiger Direktor“) laufend über die Entwicklung des Verfahrens unterrichtet.

(5)   Der Anhörungsbeauftragte kann Bemerkungen zu Fragen aller Art im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverfahren der Kommission an das zuständige Kommissionsmitglied richten.

(6)   Richtet der Anhörungsbeauftragte mit Gründen versehene Empfehlungen an das zuständige Kommissionsmitglied oder fasst er Beschlüsse wie im vorliegenden Beschluss vorgesehen, so übermittelt er dem zuständigen Direktor und dem Juristischen Dienst der Kommission eine Kopie davon.

(7)   Im Fall von Fragen oder Problemen bezüglich der effektiven Wahrung der Verfahrensrechte der Parteien, anderen Beteiligten im Sinne von Artikel 11 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 (im Folgenden „andere Beteiligte“), Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (im Folgenden „Beschwerdeführer“) und der an solchen Verfahren teilnehmenden betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 des vorliegenden Beschlusses haben sich diese Personen zunächst an die Generaldirektion Wettbewerb zu wenden. Können die Fragen bzw. Probleme nicht gelöst werden, so kann zu deren unabhängiger Prüfung der Anhörungsbeauftragte angerufen werden. Anträge in Bezug auf Maßnahmen, die mit einer Frist verbunden sind, müssen rechtzeitig innerhalb der ursprünglichen Frist gestellt werden.

KAPITEL 2

UNTERSUCHUNGSPHASE

Artikel 4

Verfahrensrechte in der Untersuchungsphase

(1)   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet die effektive Wahrung der Verfahrensrechte, die sich aus der Wahrnehmung der Ermittlungsbefugnisse der Kommission nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und in Verfahren ergeben, die zur Verhängung von Geldbußen auf der Grundlage von Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 führen können.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte hat, vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7, insbesondere folgende Aufgaben:

a)

Der Anhörungsbeauftragte kann von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen ersucht werden, Vorbringen zu prüfen, wonach ein Schriftstück, dessen Vorlage die Kommission auf der Grundlage der ihr durch Artikel 18, 20 oder 21 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gegebenen Zuständigkeiten oder bei Nachprüfungen gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 oder im Rahmen von Ermittlungsmaßnahmen in einem Verfahren verlangt hat, das zur Verhängung von Geldbußen nach Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 führen kann, und das der Kommission vorenthalten wurde, im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fällt. Der Anhörungsbeauftragte darf das Vorbringen nur prüfen, wenn das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Unternehmensvereinigung einwilligt, dass er die Informationen, die mutmaßlich unter den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant fallen, sowie damit zusammenhängende Unterlagen, die er für die Prüfung notwendig erachtet, einsehen darf. Der Anhörungsbeauftragte teilt dem zuständigen Direktor und dem betreffenden Unternehmen bzw. der betreffenden Unternehmensvereinigung seinen vorläufigen Standpunkt mit, ohne dabei die mutmaßlich schützenswerten Informationen offenzulegen, und kann geeignete Maßnahmen treffen, um zu einer für beide Seiten annehmbaren Lösung zu gelangen. Wird keine Lösung erzielt, so kann der Anhörungsbeauftragte eine mit Gründen versehene Empfehlung an das zuständige Kommissionsmitglied richten, ohne dabei die mutmaßlich schützenswerten Inhalte des Schriftstücks offenzulegen. Dem betreffenden Beteiligten wird eine Kopie dieser Empfehlung übermittelt.

b)

Weigert sich der Adressat eines Auskunftsverlangens nach Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 unter Verweis auf das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf eine darin enthaltene Frage zu antworten, so kann er in der Angelegenheit binnen einer angemessenen Frist nach Erhalt des Auskunftsverlangens den Anhörungsbeauftragten anrufen. Gegebenenfalls kann der Anhörungsbeauftragte, sofern dies keine übermäßigen Verfahrensverzögerungen mit sich bringt, eine mit Gründen versehene Empfehlung zu der Frage aussprechen, ob das Auskunftsverweigerungsrecht zur Vermeidung der Selbstbelastung anwendbar ist, und den zuständigen Direktor von den entsprechenden Schlussfolgerungen unterrichten, denen im Fall des späteren Erlasses eines Beschlusses nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Rechnung zu tragen ist. Dem Adressaten des Auskunftsverlangens wird eine Kopie der mit Gründen versehenen Empfehlung übermittelt.

c)

Ist der Adressat eines Auskunftsverlangens-Beschlusses nach Artikel 18 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 der Ansicht, dass die ihm gesetzte Antwortfrist zu kurz ist, so kann er in der Angelegenheit rechtzeitig vor Verstreichen der Frist den Anhörungsbeauftragten anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet in Anbetracht der Länge und der Komplexität des Auskunftsverlangens sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungserfordernisse, ob die Frist zu verlängern ist.

d)

Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen, die Gegenstand einer Ermittlungsmaßnahme der Kommission nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind, haben das Recht, über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren insbesondere darüber unterrichtet zu werden, ob gegen sie ermittelt wird, und wenn ja, in welcher Sache und zu welchem Zweck. Vertreten Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen die Auffassung, dass sie von der Generaldirektion Wettbewerb nicht ordnungsgemäß über ihre Stellung in dem betreffenden Verfahren unterrichtet worden sind, so können sie in der Angelegenheit den Anhörungsbeauftragten anrufen. Der Anhörungsbeauftragte erlässt einen Beschluss, mit dem die Generaldirektion Wettbewerb verpflichtet wird, das Unternehmen bzw. die Unternehmensvereinigung über dessen bzw. deren Verfahrensstellung zu unterrichten. Der Beschluss wird dem Unternehmen bzw. der Unternehmensvereinigung mitgeteilt.

KAPITEL 3

ANTRAG AUF ANHÖRUNG

Artikel 5

Betroffene Dritte

(1)   Andere Personen als die in Artikeln 5 und 11 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 genannten Personen sowie Dritte im Sinne von Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 („Dritte“) können nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 und nach Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 einen Antrag auf Anhörung stellen. Der Antrag ist schriftlich einzureichen und muss die Gründe für das Interesse des Antragstellers am Verfahrensausgang darlegen.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor über die Anhörung von Dritten. Bei der Prüfung, ob Dritte ein hinreichendes Interesse darlegen, berücksichtigt der Anhörungsbeauftragte, ob und inwiefern der Antragsteller von dem Verhalten, das Gegenstand des Wettbewerbsverfahrens ist, hinreichend betroffen ist oder ob er die Anforderungen nach Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 erfüllt.

(3)   Hat ein Antragsteller nach Auffassung des Anhörungsbeauftragten kein hinreichendes Interesse an einer Anhörung dargelegt, teilt der Anhörungsbeauftragte ihm dies unter Angabe der Gründe schriftlich mit. Dem Antragsteller wird eine Frist gesetzt, bis zu deren Ablauf er schriftlich Stellung nehmen kann. Übermittelt der Antragsteller innerhalb der vom Anhörungsbeauftragten gesetzten Frist seine schriftliche Stellungnahme und lässt diese Stellungnahme die Beurteilung des Antrags unberührt, wird dies in einem mit Gründen versehenen Beschluss niedergelegt, der dem Antragsteller zugestellt wird.

(4)   Der Anhörungsbeauftragte setzt die Parteien des Wettbewerbsverfahrens ab der Einleitung eines Verfahrens nach Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bzw. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 von der Identität anzuhörender Dritter in Kenntnis, sofern nicht durch die Offenlegung ein Unternehmen oder eine Person erheblich geschädigt würde.

Artikel 6

Recht auf mündliche Anhörung; Teilnahme von Beschwerdeführern und Dritten an der mündlichen Anhörung

(1)   Auf Antrag von Beteiligten, an die die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, oder von anderen Beteiligten führt der Anhörungsbeauftragte eine mündliche Anhörung durch, damit diese Beteiligten ihre schriftlichen Äußerungen weiter ausführen können.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte kann nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor gegebenenfalls beschließen, Beschwerdeführern und betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5, die in ihren schriftlichen Äußerungen einen entsprechenden Antrag stellen, Gelegenheit zur Stellungnahme in der mündlichen Anhörung der Beteiligten, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist, zu geben. Ferner kann der Anhörungsbeauftragte im Einklang mit Übereinkommen zwischen der Union und Drittländern Vertreter der Wettbewerbsbehörden von Drittländern zur Teilnahme an der mündlichen Anhörung als Beobachter einladen.

KAPITEL 4

AKTENEINSICHT, VERTRAULICHKEIT UND GESCHÄFTSGEHEIMNISSE

Artikel 7

Akteneinsicht und Zugang zu Unterlagen und Informationen

(1)   Hat ein Beteiligter, der sein Recht auf Einsicht in die Akte ausgeübt hat, Grund zu der Annahme, dass die Kommission über Unterlagen verfügt, die ihm nicht offengelegt wurden, und dass diese Unterlagen für die ordentliche Wahrnehmung des Rechts auf Anhörung erforderlich sind, so kann er beim Anhörungsbeauftragten — vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7 — einen begründeten Antrag auf Zugang zu diesen Unterlagen stellen.

(2)   Vorbehaltlich des Artikels 3 Absatz 7 können die folgenden anderen Beteiligten, Beschwerdeführer und betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 beim Anhörungsbeauftragten einen begründeten Antrag stellen:

a)

andere Beteiligte, die Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 über die den Anmeldern mitgeteilten Einwände unterrichtet wurden,

b)

Beschwerdeführer, die die Kommission von ihrer Absicht unterrichtet hat, die Beschwerde nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 abzuweisen, wenn sie Anlass zu der Annahme haben, dass die Kommission über Unterlagen verfügt, die ihnen nicht offengelegt wurden, und dass diese Unterlagen für die ordentliche Ausübung ihrer Rechte nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 erforderlich sind,

c)

Beschwerdeführer, die der Auffassung sind, dass ihnen nicht nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 eine Kopie der nichtvertraulichen Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelt wurde oder dass die nichtvertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht in einer Weise erstellt wurde, die ihnen die wirksame Ausübung ihrer Rechte ermöglicht, mit Ausnahme von Wettbewerbssachen, die Gegenstand eines Vergleichsverfahrens sind,

d)

Dritte im Sinne von Artikel 5 des vorliegenden Beschlusses, die Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 bzw. Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 über Art und Gegenstand eines Verfahrens unterrichtet wurden. Gleiches gilt für Beschwerdeführer in einer Wettbewerbssache, die Gegenstand eines Vergleichsverfahrens ist, wenn sie Anlass zu der Annahme haben, dass sie nicht nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 über Art und Gegenstand eines Verfahrens unterrichtet wurden.

(3)   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet in einem mit Gründen versehenen Beschluss über Anträge, die nach Absatz 1 oder 2 an ihn gerichtet werden, und setzt den Antragsteller und alle anderen von dem Verfahren betroffenen Personen von dem Beschluss in Kenntnis.

Artikel 8

Geschäftsgeheimnisse und sonstige vertrauliche Informationen

(1)   Beabsichtigt die Kommission, Informationen offenzulegen, die ein Geschäftsgeheimnis oder eine sonstige vertrauliche Information eines Unternehmens oder einer Person darstellen können, so setzt die Generaldirektion Wettbewerb das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Person davon unter Angabe der Gründe schriftlich in Kenntnis. Es wird eine Frist festgesetzt, innerhalb deren sich das Unternehmen bzw. die Person hierzu schriftlich äußern kann.

(2)   Ist das betreffende Unternehmen bzw. die betreffende Person mit der Offenlegung der Informationen nicht einverstanden, so kann sie in der Angelegenheit den Anhörungsbeauftragten anrufen. Kommt der Anhörungsbeauftragte zu dem Ergebnis, dass die Informationen offengelegt werden dürfen, da es sich nicht um ein Geschäftsgeheimnis oder sonstige vertrauliche Informationen handelt oder da ein übergeordnetes Interesse an der Offenlegung besteht, so wird dies in einem mit Gründen versehenen Beschluss niedergelegt, der dem betreffenden Unternehmen bzw. der betreffenden Person zugestellt wird. Der Beschluss nennt den Tag, ab dem die Informationen offengelegt werden. Die Offenlegung darf frühestens eine Woche nach Zustellung des Beschlusses erfolgen.

(3)   Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für die Offenlegung von Informationen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union.

(4)   Sofern erforderlich, um ein Gleichgewicht zwischen der wirksamen Ausübung der Verteidigungsrechte eines Beteiligten und berechtigten Interessen an vertraulicher Behandlung herzustellen, kann der Anhörungsbeauftragte entscheiden, dass Teile der Akte, die für die Ausübung der Verteidigungsrechte des Beteiligten unerlässlich sind, dem Einsicht beantragenden Beteiligten in eingeschränkter Weise zugänglich gemacht werden, und nähere Einzelheiten dazu festlegen.

KAPITEL 5

FRISTVERLÄNGERUNG

Artikel 9

Antrag auf Fristverlängerung

(1)   Ist ein Adressat einer Mitteilung der Beschwerdepunkte der Auffassung, die für seine Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzte Frist sei zu kurz, so kann er in einem an den zuständigen Direktor zu richtenden begründeten Antrag um Fristverlängerung ersuchen. Ein solcher Antrag ist in Verfahren nach den Artikeln 101 und 102 AEUV rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist und in Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 mindestens fünf Arbeitstage vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist zu stellen. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben oder ist der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte mit der gewährten Fristverlängerung nicht einverstanden, so kann er vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist den Anhörungsbeauftragten zur Überprüfung anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Anhörung des zuständigen Direktors darüber, ob eine Fristverlängerung erforderlich ist, um dem Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte die wirksame Ausübung seines Rechts auf Anhörung zu ermöglichen, und trägt dabei auch dem Erfordernis Rechnung, das Verfahren ohne unverhältnismäßige Verzögerung fortzuführen. In Verfahren nach den Artikeln 101 und 102 AEUV berücksichtigt der Anhörungsbeauftragte u. a. folgende Kriterien:

a)

Umfang und Komplexität der Akte Anzahl der Zuwiderhandlungen, angebliche Dauer der Zuwiderhandlung(en), Umfang und Anzahl der Unterlagen und/oder Umfang und Komplexität von Fachstudien),

b)

die Frage, ob der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte bereits zuvor Zugang zu Informationen hatte,

c)

alle anderen objektiven Hindernisse, denen sich der antragstellende Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte bei der Übermittlung seiner Erwiderung gegenübersehen kann.

Zum Zwecke der Beurteilung von Unterabsatz 1 Buchstabe a können die Anzahl der Zuwiderhandlungen, die angebliche Dauer der Zuwiderhandlung(en), der Umfang und die Anzahl der Unterlagen und der Umfang und die Komplexität von Fachstudien berücksichtigt werden.

(2)   Ist ein anderer Beteiligter, ein Beschwerdeführer oder ein betroffener Dritter im Sinne von Artikel 5 der Auffassung, dass die ihm zur Äußerung gesetzte Frist zu kurz ist, so kann er rechtzeitig vor Ablauf der ursprünglich gesetzten Frist in einem an den zuständigen Direktor zu richtenden begründeten Antrag um Fristverlängerung ersuchen. Wird einem solchen Antrag nicht stattgegeben oder ist der andere Beteiligte, Beschwerdeführer oder Dritte mit der Entscheidung nicht einverstanden, so kann er den Anhörungsbeauftragten zur Überprüfung anrufen. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet nach Anhörung des zuständigen Direktors darüber, ob eine Fristverlängerung gewährt werden sollte.

KAPITEL 6

MÜNDLICHE ANHÖRUNG

Artikel 10

Organisation und Funktion

(1)   Der Anhörungsbeauftragte organisiert die im Rahmen der Bestimmungen zur Durchführung der Artikel 101 und 102 AEUV und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vorgesehenen Anhörungen und führt sie durch.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte führt die mündliche Anhörung in voller Unabhängigkeit durch.

(3)   Der Anhörungsbeauftragte hat die Aufgabe, für eine ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung zu sorgen und zur Objektivität sowohl der Anhörung als auch eines anschließend erlassenen Beschlusses beizutragen.

(4)   Der Anhörungsbeauftragte gewährleistet, dass Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, andere Beteiligte sowie zu der mündlichen Anhörung zugelassene Beschwerdeführer und betroffene Dritte im Sinne von Artikel 5 in der mündlichen Anhörung ausreichend Gelegenheit erhalten, sich zu den vorläufigen Feststellungen der Kommission zu äußern.

Artikel 11

Vorbereitung der mündlichen Anhörung

(1)   Der Anhörungsbeauftragte ist für die Vorbereitung der mündlichen Anhörung zuständig und ergreift diesbezüglich alle geeigneten Maßnahmen. Um die ordnungsgemäße Vorbereitung der mündlichen Anhörung zu gewährleisten, kann der Anhörungsbeauftragte nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor den zu der Anhörung geladenen Personen vorab eine Liste von Fragen übermitteln, zu denen eine Stellungnahme gewünscht wird. Der Anhörungsbeauftragte kann den zu der Anhörung geladenen Personen ferner die zu besprechenden Kernpunkte mitteilen und berücksichtigt dabei insbesondere die Sachverhalte und Fragen, die die Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte, die eine mündliche Anhörung beantragt haben, zur Sprache bringen möchten.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte kann nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor eine Sitzung zwecks Vorbereitung der Anhörung einberufen, an der die zu der Anhörung geladenen Personen und gegebenenfalls auch die Kommissionsdienststellen teilnehmen.

(3)   Der Anhörungsbeauftragte kann außerdem verlangen, dass ihm der wesentliche Inhalt der beabsichtigten Äußerungen von zu der Anhörung geladenen Personen zuvor schriftlich übermittelt wird.

(4)   Der Anhörungsbeauftragte kann eine Frist festsetzen, innerhalb deren alle zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen ein Verzeichnis der Teilnehmer vorzulegen haben, die in ihrem Namen anwesend sein werden. Der Anhörungsbeauftragte stellt dieses Verzeichnis allen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen rechtzeitig vor dem für die Anhörung festgesetzten Tag zur Verfügung.

Artikel 12

Zeitpunkt und Durchführung

(1)   Der Anhörungsbeauftragte bestimmt nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor Tag, Dauer und Ort der Anhörung. Er entscheidet über Vertagungsanträge.

(2)   Der Anhörungsbeauftragte entscheidet, ob während der Anhörung neue Unterlagen zugelassen und welche Personen im Namen eines Beteiligten gehört werden sollten.

(3)   Der Anhörungsbeauftragte kann den Beteiligten, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern, anderen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen, den Kommissionsdienststellen und den Behörden der Mitgliedstaaten gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen. Kann ausnahmsweise eine Frage in der mündlichen Anhörung nur teilweise oder gar nicht beantwortet werden, so kann der Anhörungsbeauftragte gestatten, dass die Antwort schriftlich innerhalb einer gesetzten Frist gegeben wird. Diese schriftliche Antwort wird allen Teilnehmern an der mündlichen Anhörung übermittelt, sofern der Anhörungsbeauftragte zur Wahrung der Verteidigungsrechte eines Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte oder zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen bzw. sonstigen vertraulichen Informationen einer Person nichts anderes entscheidet.

(4)   Sofern zur Wahrung des Rechts auf Anhörung erforderlich, kann der Anhörungsbeauftragte nach Rücksprache mit dem zuständigen Direktor den Parteien, anderen Beteiligten, Beschwerdeführern oder betroffenen Dritten im Sinne von Artikel 5 die Gelegenheit zur Vorlage weiterer schriftlicher Äußerungen nach der mündlichen Anhörung geben. Der Anhörungsbeauftragte setzt eine Frist für die Vorlage solcher Äußerungen. Die Kommission ist nicht verpflichtet, nach Ablauf dieser Frist eingehende schriftliche Äußerungen zu berücksichtigen.

Artikel 13

Schutz von Geschäftsgeheimnissen und Vertraulichkeit in der mündlichen Anhörung

In der Regel werden alle Personen in Anwesenheit aller anderen zu der mündlichen Anhörung geladenen Personen gehört. Der Anhörungsbeauftragte kann auch entscheiden, Personen in einer nichtöffentlichen Anhörung gesondert anzuhören, um ihrem berechtigten Interesse am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und sonstiger vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen.

KAPITEL 7

ZWISCHENBERICHT UND RECHT AUF STELLUNGNAHME ARTIKEL 14

Artikel 14

Zwischenbericht und Stellungnahmen

(1)   Der Anhörungsbeauftragte legt dem zuständigen Kommissionsmitglied einen Zwischenbericht über die Anhörung und über seine Schlussfolgerungen in der Frage vor, ob die Verfahrensrechte effektiv gewahrt worden sind. Dabei ist auf Verfahrensfragen einzugehen, einschließlich folgender Fragen:

a)

die Offenlegung von Unterlagen und die Akteneinsicht;

b)

Fristen für die Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte;

c)

die Wahrung des Rechts auf Anhörung;

d)

die ordnungsgemäße Durchführung der Anhörung.

Der Generaldirektor für Wettbewerb, der zuständige Direktor und die anderen zuständigen Kommissionsdienststellen erhalten eine Kopie des Berichts.

(2)   Neben dem in Absatz 1 genannten Bericht kann der Anhörungsbeauftragte auch gesondert zum weiteren Verlauf und zur Unparteilichkeit des Verfahrens Stellung nehmen. Dabei bemüht sich der Anhörungsbeauftragte insbesondere sicherzustellen, dass alle relevanten Sachverhalte, seien sie zum Vor- oder zum Nachteil der Parteien, einschließlich solcher, die über die Schwere und Dauer einer Zuwiderhandlung Aufschluss geben, bei der Ausarbeitung von Entwürfen für Beschlüsse der Kommission angemessen berücksichtigt werden. So kann er u. a. auf die Einholung weiterer Informationen, den Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte, die Mitteilung weiterer Beschwerdepunkte oder auch weitere Ermittlungshandlungen nach Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eingehen.

Die Stellungnahmen werden dem Generaldirektor für Wettbewerb, dem zuständigen Direktor und dem Juristischen Dienst übermittelt.

KAPITEL 8

VERPFLICHTUNGSANGEBOTE UND VERGLEICHE

Artikel 15

Verpflichtungsangebote und Vergleiche

(1)   Verfahrensbeteiligte, die nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 Verpflichtungsangebote unterbreiten, um die ihnen von der Kommission in ihrer vorläufigen Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräumen, können sich während des Verfahrens nach Artikel 9 jederzeit an den Anhörungsbeauftragten wenden, um sicherzustellen, dass sie ihre Verfahrensrechte wirksam ausüben können.

(2)   Parteien eines Kartellverfahrens, die nach Artikel 10a der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 Vergleichsgespräche führen, können sich während des Vergleichsverfahrens jederzeit an den Anhörungsbeauftragten wenden, um sicherzustellen, dass sie ihre Verfahrensrechte wirksam ausüben können.

KAPITEL 9

ABSCHLUSSBERICHT

Artikel 16

Inhalt und Übermittlung vor Erlass eines Beschlusses

(1)   Der Anhörungsbeauftragte erstellt anhand des Beschlussentwurfs, der dem Beratenden Ausschuss in der fraglichen Sache vorzulegen ist, nach Artikel 14 Absatz 1 einen schriftlichen Abschlussbericht zu der Frage, ob die Verfahrensrechte in jeder Phase des Verfahrens effektiv gewahrt worden sind. In diesem Bericht wird auch berücksichtigt, ob den Beteiligten Gelegenheit gegeben wurde, sich zu allen in dem Beschlussentwurf behandelten Beschwerdepunkten zu äußern.

(2)   Der Abschlussbericht wird dem zuständigen Kommissionsmitglied, dem Generaldirektor für Wettbewerb, dem zuständigen Direktor und den anderen zuständigen Kommissionsdienststellen vorgelegt. Er wird den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und gemäß den Bestimmungen der Protokolle Nr. 23 und 24 zum EWR-Abkommen über die Zusammenarbeit der EFTA-Überwachungsbehörde übermittelt.

Artikel 17

Vorlage bei der Kommission und Veröffentlichung

(1)   Der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten wird der Kommission zusammen mit dem Beschlussentwurf vorgelegt, um sicherzustellen, dass die Kommission ihren Beschluss in einer Wettbewerbssache in voller Kenntnis aller sachdienlichen Informationen über den Ablauf des Verfahrens treffen kann und dass die Verfahrensrechte über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg effektiv gewahrt worden sind.

(2)   Der Abschlussbericht kann vom Anhörungsbeauftragten im Lichte von Änderungen des Beschlussentwurfs bis zum Erlass des Beschlusses durch die Kommission geändert werden.

(3)   Die Kommission übermittelt den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten zusammen mit dem Beschluss an die Adressaten des Beschlusses. Sie veröffentlicht den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten im Amtsblatt der Europäischen Union zusammen mit dem Beschluss und trägt dabei dem berechtigten Interesse von Unternehmen am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung.

KAPITEL 10

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 18

Aufhebung und Übergangsbestimmung

(1)   Der Beschluss 2001/462/EG, EGKS wird aufgehoben.

(2)   Verfahrensmaßnahmen, die bereits auf der Grundlage des Beschlusses 2001/462/EG, EGKS getroffen worden sind, bleiben wirksam. In Bezug auf Ermittlungsmaßnahmen, die vor Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses ergriffen wurden, kann der Anhörungsbeauftragte die Ausübung seiner Befugnisse nach Artikel 4 ablehnen.

Ist die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 bzw. Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 vor Inkrafttreten des vorliegenden Beschlusses erfolgt, so behandelt weder der Zwischenbericht nach Artikel 14 des vorliegenden Beschlusses noch der Abschlussbericht nach Artikel 16 die Untersuchungsphase, sofern der Anhörungsbeauftragte nichts anderes entscheidet.

Artikel 19

Inkrafttreten

Dieser Beschluss tritt am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Brüssel, den 13. Oktober 2011

Für die Kommission

Der Präsident

José Manuel BARROSO


(1)  ABl. L 308 vom 8.12.2000, S. 26.

(2)  ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

(3)  ABl. L 24 vom 29.1.2004, S. 1.

(4)  ABl. L 123 vom 27.4.2004, S. 18.

(5)  ABl. L 133 vom 30.4.2004, S. 1.

(6)  ABl. C 303 vom 14.12.2007, S. 1.

(7)  ABl. L 330 vom 21.12.1994, S. 67.

(8)  ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21.

(9)  ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1.


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