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Document 32009H1205(01)

Empfehlung des Rates vom 30. November 2009 über rauchfreie Umgebungen

OJ C 296, 5.12.2009, p. 4–14 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

5.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 296/4


EMPFEHLUNG DES RATES

vom 30. November 2009

über rauchfreie Umgebungen

2009/C 296/02

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 152 Absatz 4 Unterabsatz 2,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Anhörung des Europäischen Parlaments (1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 152 des Vertrags ergänzt die Tätigkeit der Gemeinschaft die Politik der Mitgliedstaaten; sie ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gerichtet.

(2)

Gemäß Artikel 137 des Vertrags unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter anderem auf dem Gebiet der Verbesserung der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer.

(3)

Die Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft — auch als Passivrauchen bezeichnet — ist eine weit verbreitete Ursache für Todesfälle, Erkrankungen und Invalidität in der Europäischen Union.

(4)

Nach konservativen Schätzungen starben im Jahre 2002 in der Europäischen Union 7 300 Erwachsene, davon 2 800 Nichtraucher, an den Folgen der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft am Arbeitsplatz. Weitere 72 000 Todesfälle, davon 16 400 bei Nichtrauchern, waren durch die häusliche Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft bedingt.

(5)

Die Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft ist besonders für Kinder und Jugendliche gefährlich und könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie anfangen zu rauchen.

(6)

Das Internationale Krebsforschungszentrum der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Tabakrauch in der Umgebungsluft als für den Menschen krebserregend eingestuft; Finnland und Deutschland stuften ihn als Berufskarzinogen ein.

(7)

Alle Menschen haben das Recht auf ein hohes Maß an Gesundheitsschutz und sollten vor der Belastung durch Tabakrauch geschützt werden.

(8)

Freiwillige Strategien auf nationaler Ebene haben sich bei der Verringerung der Belastung durch Tabakrauch als unwirksam erwiesen. Ordnungsgemäß durchgesetzte und überwachte verbindliche Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sind ein wirksames Mittel, um die Menschen angemessen vor den gesundheitlichen Risiken des Passivrauchens zu schützen.

(9)

Rechtsvorschriften über rauchfreie Umgebungen sind am wirksamsten, wenn sie durch Maßnahmen wie Bewusstseinsbildungskampagnen, Förderung der Raucherentwöhnung, eindringliche Gesundheitswarnungen auf den Verpackungen von Tabakerzeugnissen und andere Vorschriften über Tabakerzeugnisse flankiert werden.

(10)

Die Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Rechtsvorschriften über rauchfreie Umgebungen und deren Einhaltung.

(11)

Strategien zur Schaffung rauchfreier Umgebungen sollten geeignete Instrumente umfassen, die bei der Bekämpfung des Rauchens ein sektorübergreifendes Vorgehen ermöglichen.

(12)

Es bedarf verstärkter Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, um den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zu erleichtern und ein standardisiertes EU-Überwachungssystem zu entwickeln.

(13)

Mit der Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Minister für das Gesundheitswesen der Mitgliedstaaten vom 18. Juli 1989 über ein Rauchverbot in öffentlich zugänglichen und frequentierten Räumen (3) wurden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Maßnahmen für ein Rauchverbot in bestimmten öffentlich zugänglichen und frequentierten geschlossenen Räumen zu treffen und das Rauchverbot auf alle öffentlichen Verkehrsmittel auszudehnen.

(14)

In der Empfehlung 2003/54/EG des Rates vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für Maßnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums (4) wurde den Mitgliedstaaten empfohlen, Rechtsvorschriften und/oder sonstige wirksame Maßnahmen einzuführen, die einen Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln gewährleisten.

(15)

Die Richtlinie 89/391/EWG des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (5) bezieht sich zwar nicht unmittelbar auf Tabakrauch, deckt aber alle Gefahren für die Gesundheit und die Sicherheit von Arbeitnehmern ab (6).

(16)

In ihrem Aktionsplan Umwelt und Gesundheit (2004-2010) (7) hat sich die Kommission verpflichtet, eine „Verbesserung der Luftqualität in Innenräumen“ herbeizuführen, insbesondere durch die „Förderung der Einschränkung des Rauchens an allen Arbeitsplätzen durch Untersuchung rechtlicher Möglichkeiten und von Initiativen zur Gesundheitsförderung auf europäischer und nationaler Ebene“.

(17)

Die mit dem Grünbuch der Kommission „Für ein rauchfreies Europa: Strategieoptionen auf EU-Ebene“ (8) („Grünbuch“) eingeleitete Konsultation ergab eine beträchtliche Unterstützung sowohl für umfassende Strategien für Rauchverbote an allen Arbeitsstätten in geschlossenen Räumen und in öffentlichen Einrichtungen als auch für weitere EU-Maßnahmen zur Förderung rauchfreier Umgebungen in sämtlichen Mitgliedstaaten.

(18)

Der Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) führte auf seiner Tagung vom 30. und 31. Mai 2007 einen Gedankenaustausch über Strategieoptionen auf EU-Ebene zur Schaffung rauchfreier Umgebungen. Er begrüßte das Grünbuch und betonte, dass die Gemeinschaft Orientierung geben müsse, um die Einrichtung rauchfreier Umgebungen auf EU-Ebene weiter zu fördern, und dass sie einzelstaatliche Maßnahmen ebenso wie deren Koordinierung unterstützen müsse.

(19)

In seiner Entschließung vom 24. Oktober 2007 zu dem Grünbuch rief das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten dazu auf, innerhalb von zwei Jahren umfassende Rauchverbote einzuführen, und es rief die Kommission dazu auf, bis 2011 einen einschlägigen Rechtsetzungsvorschlag vorzulegen, sollten keine zufrieden stellenden Fortschritte erreicht werden. Außerdem wurde die Kommission darin aufgerufen, eine Änderung des geltenden Rechtsrahmens vorzuschlagen, um Tabakrauch in der Umgebungsluft als krebserregend einzustufen und Arbeitgeber zu verpflichten, sicherzustellen, dass am Arbeitsplatz nicht geraucht wird.

(20)

Mit Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC), das im Juni 2003 von allen WHO-Mitgliedern unterzeichnet und bisher von 167 Vertragsparteien, einschließlich der Gemeinschaft und 26 ihrer Mitgliedstaaten, ratifiziert worden ist, wurden die Vertragsparteien gesetzlich verpflichtet, in den Bereichen innerstaatlicher Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht wirksame Maßnahmen zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, an geschlossenen öffentlichen Orten und gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten zu erlassen, durchzuführen und sich auf anderen Zuständigkeitsebenen aktiv für die Annahme und Durchführung solcher Maßnahmen einzusetzen.

(21)

Die zweite Konferenz der Vertragsparteien des FCTC verabschiedete im Juli 2007 Leitlinien zum Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch (9), um die Vertragsparteien dabei zu unterstützen, ihre Verpflichtungen gemäß Artikel 8 des Übereinkommens zu erfüllen. Jede Vertragspartei sollte sich bemühen, die Leitlinien innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens für die jeweilige Vertragspartei umzusetzen.

(22)

Mit Artikel 14 des WHO-Rahmenübereinkommens wurden die Vertragsparteien gesetzlich verpflichtet, geeignete, umfassende und integrierte Leitlinien zu entwickeln und zu verbreiten, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und bewährten Verfahren beruhen, und wirksame Maßnahmen zu treffen, um die Raucherentwöhnung sowie geeignete Behandlungsmöglichkeiten der Tabaksucht zu fördern. Auf der dritten Konferenz der Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens wurde beschlossen, eine Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung von Leitlinien zur Umsetzung dieses Artikels einzusetzen.

(23)

Mit der vom WHO-Regionalbüro Europa im September 2002 verabschiedeten Europäischen Strategie zur Eindämmung des Tabakgebrauchs wurde den Mitgliedstaaten empfohlen, das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf eine rauchfreie Umgebungsluft unter anderem durch Rauchverbote in öffentlichen Einrichtungen, am Arbeitsplatz und in öffentlichen Verkehrsmitteln, in allen Bildungseinrichtungen für Minderjährige auch außerhalb geschlossener Räume, in allen Einrichtungen der Gesundheitsversorgung und bei öffentlichen Veranstaltungen zu gewährleisten und Tabakrauch in der Umgebungsluft als Karzinogen einzustufen.

(24)

Die vorliegende Empfehlung lässt die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zur Festlegung der Mindestvorschriften in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gemäß Artikel 137 des Vertrags, die Richtlinie 2001/37/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (10) und die Entscheidung 2003/641/EG der Kommission vom 5. September 2003 über die Verwendung von Farbfotografien oder anderen Abbildungen als gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen (11) unberührt —

EMPFIEHLT DEN MITGLIEDSTAATEN:

1.

innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) für den jeweiligen Mitgliedstaat oder spätestens innerhalb von drei Jahren nach Annahme der vorliegenden Empfehlung gemäß Artikel 8 des FCTC und auf der Grundlage der im Anhang enthaltenen Leitlinien für den Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch, die von der zweiten Konferenz der Vertragsparteien des FCTC verabschiedet wurden, einen wirksamen Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch an Arbeitsstätten in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Einrichtungen in geschlossenen Räumen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und gegebenenfalls an anderen öffentlich zugänglichen Orten zu gewährleisten;

2.

Strategien und Maßnahmen zur Verringerung der Belastung von Kindern und Jugendlichen durch Passivrauchen auszuarbeiten und/oder zu verstärken;

3.

Strategien zur Schaffung rauchfreier Umgebungen mit flankierenden Maßnahmen zu unterstützen, gegebenenfalls unter anderem durch

a)

wirksame Maßnahmen zur Förderung der Raucherentwöhnung und einer geeigneten Behandlung der Tabaksucht, unter Berücksichtigung der Umstände und Prioritäten der einzelnen Staaten gemäß Artikel 14 des FCTC; und

b)

Einführung kombinierter Warnhinweise im Sinne von Artikel 2 Absatz 4 der Entscheidung 2003/641/EG der Kommission vom 5. September 2003 über die Verwendung von Farbfotografien oder anderen Abbildungen als gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen (12) und von Informationen über Dienstleistungen zur Unterstützung der Raucherentwöhnung auf Verpackungen von Tabakerzeugnissen, um die Verbraucher besser über die gesundheitlichen Risiken des Tabakkonsums und die Belastung durch Tabakrauch aufzuklären, zur Aufgabe des Rauchens zu ermutigen bzw. davon abzuhalten, mit dem Rauchen zu beginnen;

4.

umfassende sektorübergreifende Strategien, Pläne oder Programme zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zu entwickeln, durchzuführen, regelmäßig zu aktualisieren und zu überprüfen, deren Gegenstand unter anderem der Schutz vor Tabakrauch an allen Örtlichkeiten ist, die – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen oder dem Zugangsrecht – für die Allgemeinheit zugänglich sind oder die gemeinschaftlich genutzt werden;

5.

geeignete Instrumente bereitzustellen, um nationale Strategien, Pläne und Programme zur Eindämmung des Tabakgebrauchs durchzuführen und damit einen wirksamen Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch sicherzustellen;

6.

nach Möglichkeit innerhalb von sechs Monaten nach Annahme dieser Empfehlung der Kommission nationale Anlaufstellen für die Eindämmung des Tabakgebrauchs zu benennen, damit Informationen und bewährte Verfahren ausgetauscht und die Strategien mit anderen Mitgliedstaaten koordiniert werden können;

7.

eng untereinander und mit der Kommission zusammenzuarbeiten, um einen kohärenten Rahmen von Definitionen, Maßstäben und Indikatoren zur Umsetzung dieser Empfehlung zu schaffen;

8.

unter Verwendung der vorgenannten Indikatoren die Wirksamkeit der Strategiemaßnahmen zu überwachen und zu bewerten;

9.

die Kommission über legislative und andere Maßnahmen, die auf diese Empfehlung hin getroffen werden, und über die Ergebnisse der Überwachung und Bewertung zu informieren.

FORDERT DIE KOMMISSION AUF:

1.

über die Durchführung, Funktionsweise und Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen anhand der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen Bericht zu erstatten;

2.

im Rahmen einer möglichen Überarbeitung der Richtlinie 2001/37/EG alle produktbezogenen Maßnahmen zu erörtern, die auf die Verringerung der Anziehungskraft und des Suchtpotenzials von Tabakerzeugnissen abzielen;

3.

die rechtlichen Fragen und die gesicherten Erkenntnisse in Bezug auf die Auswirkungen von genormten Einheitsverpackungen („plain packaging“), unter anderem auf das Funktionieren des Binnenmarkts, zu prüfen.

Geschehen zu Brüssel am 30. November 2009.

Im Namen des Rates

Der Präsident

S. O. LITTORIN


(1)  Entschließung nach nicht obligatorischer Anhörung (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)  Stellungnahme vom 5. November 2009 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(3)  ABl. C 189 vom 26.7.1989, S. 1.

(4)  ABl. L 22 vom 25.1.2003, S. 31.

(5)  ABl. L 183 vom 29.6.1989, S. 1.

(6)  Vgl. Rechtssache C-49/00 Kommission gegen Italien, Slg. 2001, I-8575, Randnummern 12-13.

(7)  KOM(2004) 416 endgültig.

(8)  KOM(2007) 27 endgültig.

(9)  FCTC/COP2(7) Leitlinien für den Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch, ausgearbeitet von der gemäß dem Beschluss FCTC/COP1(15) der Konferenz der Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs eingesetzten Arbeitsgruppe.

(10)  ABl. L 194 vom 18.7.2001, S. 26.

(11)  ABl. L 226 vom 10.9.2003, S. 24.

(12)  Vgl. Fußnote 11.


ANHANG

Leitlinien zum Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch, ausgearbeitet von der zweiten Konferenz der Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs

ZWECK, ZIELE UND GRUNDLEGENDE ERWÄGUNGEN

Zweck der Leitlinien

1.

In Einklang mit anderen Bestimmungen des WHO-Rahmenübereinkommens zur Eindämmung des Tabakgebrauchs und dem Beschluss der Konferenz der Vertragsparteien sollen diese Leitlinien die Vertragsparteien dabei unterstützen, ihre Verpflichtungen nach Artikel 8 des Übereinkommens zu erfüllen. Sie berücksichtigen die besten verfügbaren Erkenntnisse und die Erfahrungen der Vertragsparteien, die erfolgreich wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Belastung durch Tabakrauch umgesetzt haben.

2.

Die Leitlinien enthalten vereinbarte Grundsatzerklärungen und Definitionen relevanter Begriffe sowie vereinbarte Empfehlungen hinsichtlich der Schritte, die zur Erfüllung der im Übereinkommen enthaltenen Verpflichtungen erforderlich sind. Zudem werden in den Leitlinien die notwendigen Maßnahmen für einen wirksamen Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft aufgeführt. Den Vertragsparteien wird nahe gelegt, mit Hilfe dieser Leitlinien nicht nur ihre aus dem Übereinkommen resultierenden rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, sondern auch nach dem Vorbild bewährter Verfahren zum Schutz der öffentlichen Gesundheit zu handeln.

Mit den Leitlinien verfolgte Ziele

3.

Mit diesen Leitlinien werden zwei miteinander in Zusammenhang stehende Ziele verfolgt. Zum einen sollen die Vertragsparteien bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen nach Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft und mit den weltweit bewährten Verfahren für die Umsetzung von Maßnahmen für eine rauchfreie Umwelt unterstützt werden, um ein hohes Maß an Verantwortung für die Einhaltung des Rahmenübereinkommens zu schaffen und die Vertragsparteien bei der Förderung des optimalen Gesundheitsstandards zu unterstützen. Zum anderen geht es darum, zu ermitteln, wie der in Artikel 8 geforderte wirksame Schutz der Bevölkerung vor der Belastung durch Tabakrauch über Rechtsvorschriften am besten erreicht werden kann.

Grundlegende Erwägungen

4.

Die Ausarbeitung dieser Leitlinien wurde von den folgenden grundlegenden Erwägungen beeinflusst:

a)

Die in Artikel 8 beinhaltete Verpflichtung, die Bevölkerung vor Tabakrauch zu schützen, ist in den grundlegenden Menschenrechten und Freiheiten begründet. In Anbetracht der Gefahren des Einatmens von Tabakrauch in der Umgebungsluft ist diese Verpflichtung implizit unter anderem im Recht auf Leben und auf den optimalen Gesundheitsstandard enthalten, das in zahlreichen internationalen Rechtsinstrumenten anerkannt wird (darunter die Satzung der Weltgesundheitsorganisation, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte). Diese Rechte werden auch in der Präambel des WHO-Rahmenübereinkommens genannt und in den Verfassungen zahlreicher Länder anerkannt.

b)

Die Pflicht, Menschen vor Tabakrauch zu schützen, kommt der Verpflichtung der Regierungen gleich, Rechtsvorschriften zum Schutz der Grundrechte und -freiheiten zu erlassen. Diese Verpflichtung gilt gegenüber allen Personen und nicht nur gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen.

c)

Verschiedene maßgebliche wissenschaftliche Einrichtungen haben nachgewiesen, dass Tabakrauch in der Umgebungsluft krebserregend ist. Einige Vertragsparteien des WHO-Rahmenübereinkommens (z. B. Finnland und Deutschland) haben Tabakrauch in der Umgebungsluft als krebserregend eingestuft und den Schutz vor der Belastung durch diesen Rauch am Arbeitsplatz in ihre Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften aufgenommen. Neben den Anforderungen aus Artikel 8 müssen die Vertragsparteien daher möglicherweise beim Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch auch ihre bestehenden Rechtsvorschriften zur Sicherheit am Arbeitsplatz oder ihre sonstigen Rechtsvorschriften zum Kontakt mit gefährlichen Substanzen wie krebserregenden Stoffen berücksichtigen.

GRUNDSATZERKLÄRUNG UND DEFINITION DER RELEVANTEN BEGRIFFE ALS VORAUSSETZUNG FÜR DEN SCHUTZ VOR DER BELASTUNG DURCH TABAKRAUCH

Grundsätze

5.

Nach Artikel 4 des WHO-Rahmenübereinkommens ist ein starkes politisches Engagement erforderlich, um Maßnahmen zum Schutze aller vor der Belastung durch Tabakrauch umzusetzen. Die folgenden vereinbarten Grundsätze sollten als Richtschnur für die Umsetzung von Artikel 8 des Übereinkommens dienen.

Grundsatz 1

6.

Wirksame Maßnahmen für den Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch, wie sie in Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens vorgesehen sind, erfordern die vollständige Unterbindung des Rauchens und die vollständige Vermeidung von Tabakrauch an einem bestimmten Ort oder in einer bestimmten Umgebung, um ein vollständig rauchfreies Umfeld zu schaffen. Es gibt kein unbedenkliches Niveau der Belastung durch Tabakrauch, und Begriffe wie der eines Grenzwerts für die Toxizität des Tabakrauchs in der Umgebungsluft sollten abgelehnt werden, da sie durch wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt werden. Nur eine zu 100 % rauchfreie Umgebung bietet einen wirklichen Schutz; alle anderen Ansätze, z. B. Lüftungssysteme, Luftfilteranlagen und die Einrichtung ausgewiesener Raucherbereiche (ob mit getrennten Lüftungssystemen oder nicht) haben sich wiederholt als unwirksam erwiesen, und es gibt schlüssige wissenschaftliche und anderweitige Erkenntnisse, dass technische Maßnahmen nicht vor der Belastung durch Tabakrauch schützen.

Grundsatz 2

7.

Alle Menschen sollten vor der Belastung durch Tabakrauch geschützt werden. Alle Arbeitsplätze in geschlossenen Räumen und alle geschlossenen öffentlichen Orte sollten rauchfrei sein.

Grundsatz 3

8.

Rechtsvorschriften sind notwendig, um die Bevölkerung vor der Belastung durch Tabakrauch zu schützen. Freiwillige Maßnahmen für eine rauchfreie Umwelt haben sich wiederholt als unwirksam erwiesen und bieten keinen angemessenen Schutz. Um wirksam sein zu können, müssen die Rechtsvorschriften einfach, klar und durchsetzbar sein.

Grundsatz 4

9.

Eine gute Planung und angemessene Mittel sind entscheidend für die erfolgreiche Durchführung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften für eine rauchfreie Umwelt.

Grundsatz 5

10.

Die Zivilgesellschaft spielt eine zentrale Rolle bei der Bewusstseinsbildung für den Sinn von Maßnahmen für eine rauchfreie Umwelt und bei deren Einhaltung; sie sollte aktiv in die Ausarbeitung, Durchführung und Durchsetzung der entsprechenden Rechtsvorschriften eingebunden werden.

Grundsatz 6

11.

Die Durchführung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften für eine rauchfreie Umwelt sowie deren Auswirkungen sollten jeweils überwacht und bewertet werden. Dazu sollte gemäß Artikel 20 Absatz 4 des WHO-Rahmenübereinkommens die Überwachung von und die Reaktion auf Maßnahmen der Tabakindustrie gehören, die die Durchführung und Durchsetzung dieser Rechtsvorschriften untergraben.

Grundsatz 7

12.

Der Schutz der Bevölkerung vor der Belastung durch Tabakrauch sollte erforderlichenfalls verstärkt und ausgeweitet werden; dies könnte durch entsprechende neue oder geänderte Rechtsvorschriften, eine verbesserte Durchsetzung und andere Maßnahmen infolge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen aus Fallstudien geschehen.

Definitionen

13.

Bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften ist es von großer Bedeutung, die Schlüsselbegriffe sorgfältig zu definieren. Hier werden auf der Grundlage von in zahlreichen Ländern gemachten Erfahrungen mehrere Empfehlungen zu geeigneten Definitionen dargelegt. Die Definitionen in diesem Abschnitt ergänzen die bereits im WHO-Rahmenübereinkommen beinhalteten.

„Tabakrauch in der Umgebungsluft“ oder „Tabakrauch aus zweiter Hand“

14.

Es gibt verschiedene alternative Ausdrücke, die gemeinhin benutzt werden, um die Art von Rauch zu beschreiben, die Gegenstand von Artikel 8 des WHO-Rahmenübereinkommens ist. Dazu zählen „Tabakrauch in der Umgebungsluft“ und „Tabakrauch aus zweiter Hand“. Ausdrücke wie „Passivrauchen“ oder „unfreiwillige Belastung durch Tabakrauch“ sollten vermieden werden, da in Frankreich und anderen Ländern gemachte Erfahrungen vermuten lassen, dass die Tabakindustrie solche Ausdrücke nutzen könnte, um die Position zu vertreten, dass eine „freiwillige“ Belastung akzeptabel sei. Die Ausdrücke „Tabakrauch in der Umgebungsluft“ (environmental tobacco smoke) und „Tabakrauch aus zweiter Hand“ (second-hand tobacco smoke) sind vorzuziehen. In diesen Leitlinien wird der Ausdruck „Tabakrauch in der Umgebungsluft“ benutzt.

15.

„Tabakrauch in der Umgebungsluft“ kann definiert werden als von dem brennenden Ende einer Zigarette oder von anderen Tabakerzeugnissen emittierter Rauch, der gewöhnlich in Kombination mit dem von einem Raucher ausgeatmeten Rauch auftritt.

16.

Als „rauchfreie Luft“ wird Luft bezeichnet, die zu 100 % frei von Tabakrauch ist. Diese Definition umfasst u. a. Luft, in der Tabakrauch nicht gesehen, gerochen, gespürt oder gemessen (1) werden kann.

„Rauchen“

17.

Der Begriff des Rauchens sollte so definiert werden, dass die Definition auch den Besitz oder die Handhabung eines angezündeten Tabakerzeugnisses umfasst, unabhängig davon, ob der Rauch aktiv ein- oder ausgeatmet wird.

„Öffentliche Orte“

18.

Während die genaue Definition eines „öffentlichen Ortes“ in den verschiedenen Rechtssystemen variiert, ist es wichtig, dass der Begriff in Rechtsvorschriften so weit wie möglich gefasst wird. Die verwendete Definition sollte alle Örtlichkeiten umfassen, die für die Allgemeinheit zugänglich sind, sowie Örtlichkeiten, die gemeinschaftlich genutzt werden, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen oder dem Zugangsrecht.

„Innenräume“ oder „geschlossene Räume“

19.

In Artikel 8 wird der Schutz vor Tabakrauch an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen und an öffentlichen Orten gefordert. Da es möglicherweise unvorhersehbare Schwierigkeiten bei der Definition von „Innenräumen“ gibt, sollten die Erfahrungen verschiedener Länder bei der Definition dieses Begriffs besonders ausgewertet werden. Die Definition sollte so umfassend und klar wie möglich sein, und es sollte bei der Definition darauf geachtet werden, dass keine Listen erstellt werden, die so interpretiert werden können, dass möglicherweise betroffene „Innenräume“ ausgenommen sind. Es wird empfohlen, „Innenräume“ (oder „geschlossene Räume“) so zu definieren, dass sie jeden Raum umfassen, der überdacht und von einer oder mehreren Wänden oder Trennflächen umschlossen ist, unabhängig davon, welches Baumaterial für Dach, Wände oder Trennflächen verwendet wurde und unabhängig davon, ob der Bau dauerhaft oder vorübergehend errichtet wurde.

„Arbeitsplatz“

20.

Der Begriff des Arbeitsplatzes sollte weit gefasst und daher definiert werden als jeder Ort, den Menschen während ihrer beruflichen Tätigkeit oder Arbeit nutzen. Arbeit sollte hier nicht nur gegen Entgelt geleistete Arbeit umfassen, sondern auch Freiwilligenarbeit, wenn sie die Eigenschaften einer Tätigkeit aufweist, für die normalerweise ein Entgelt gezahlt wird. Darüber hinaus umfassen „Arbeitsplätze“ nicht nur solche Örtlichkeiten, in denen eine Arbeit geleistet wird, sondern alle daran anschließenden oder damit verbundenen Örtlichkeiten, die üblicherweise bei der Arbeit genutzt werden, so z. B. Flure, Fahrstühle, Treppenhäuser, Eingangshallen, angeschlossene Einrichtungen, Cafeterias, Toiletten, Aufenthaltsräume, Kantinen sowie Nebengebäude wie Lagerhäuser und Verschläge. Fahrzeuge, die während der Arbeit genutzt werden, gelten als Arbeitsplätze und sollten ausdrücklich als solche ausgewiesen werden.

21.

Besondere Beachtung sollte solchen Arbeitsplätzen zuteil werden, die gleichzeitig von Einzelpersonen bewohnt oder belegt werden, wie Strafvollzugsanstalten, psychiatrische Einrichtungen oder Pflegeheime. In diesen Örtlichkeiten sollten Personen, die dort arbeiten, vor einer Belastung durch Tabakrauch geschützt werden.

„Öffentliche Verkehrsmittel“

22.

Die Definition von „öffentlichen Verkehrsmitteln“ sollte alle Fahrzeuge einbeziehen, die üblicherweise gegen Vergütung oder zur Erzielung eines wirtschaftlichen Gewinns des Betreibers für jeden zugänglich sind. Dies würde auch Taxis umfassen.

DER GELTUNGSBEREICH WIRKSAMER RECHTSVORSCHRIFTEN

23.

In Artikel 8 werden wirksame Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor der Belastung durch Tabakrauch (1) an Arbeitsplätzen in geschlossenen Räumen, (2) an geschlossenen öffentlichen Orten, (3) in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie (4) „gegebenenfalls an sonstigen öffentlichen Orten“ gefordert.

24.

Somit wird eine Verpflichtung zur Bereitstellung eines allgemeinen Schutzes geschaffen, d. h. es muss gewährleistet werden, dass alle geschlossenen öffentlichen Orte, alle Arbeitsplätze in geschlossenen Räumen, alle öffentlichen Verkehrsmittel und möglicherweise sonstige öffentliche Orte (im Freien oder teils im Freien) frei von jeglicher Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft sind. Es sind keine Ausnahmen auf der Grundlage gesundheitlicher oder rechtlicher Argumente zulässig. Falls Ausnahmen auf der Grundlage anderer Argumente in Betracht gezogen werden müssen, sollten diese minimal sein. In Artikel 8 wird darüber hinaus für den Fall, dass eine Vertragspartei nicht in der Lage sein sollte, den allgemeinen Schutz sofort zu erreichen, die ständige Verpflichtung festgeschrieben, so schnell wie möglich alle Ausnahmen zu beseitigen und den Schutz allgemeingültig zu machen. Jede Vertragspartei sollte sich darum bemühen, den allgemeingültigen Schutz innerhalb von fünf Jahren nach dem für sie geltenden Inkrafttreten des WHO-Rahmenübereinkommens bereitzustellen.

25.

Es gibt keine Unbedenklichkeitsgrenze bei der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft, und wie bereits zuvor von der Konferenz der Vertragsparteien im Beschluss FCTC/COP1(15) anerkannt wurde, schützen technische Ansätze wie Lüftungssysteme, Luftfilteranlagen und die Einrichtung ausgewiesener Raucherbereiche nicht vor der Belastung durch Tabakrauch.

26.

Schutzmaßnahmen sollten für alle Arbeitsplätze in Innenräumen oder in geschlossenen Räumen sowie für Fahrzeuge, die als Arbeitsplatz dienen (z. B. Taxis, Krankenwagen oder Lieferwagen), gelten.

27.

Im Rahmenübereinkommen werden Schutzmaßnahmen nicht nur an allen „geschlossenen“ öffentlichen Orten, sondern „gegebenenfalls“ auch an „sonstigen“ öffentlichen Orten (d. h. im Freien oder teils im Freien) gefordert. Bei der Bestimmung dieser öffentlichen Orte im Freien oder teils im Freien, für die gesetzgeberische Maßnahmen angebracht sind, sollten die Vertragsparteien die Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen Gesundheitsgefährdungen in verschiedenen Umgebungen berücksichtigen und sollten in solchen Fällen, in denen die Erkenntnisse belegen, dass eine Gesundheitsgefährdung besteht, so handeln, dass die wirksamsten Maßnahmen zum Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch ergriffen werden.

INFORMATION, BEFRAGUNG UND EINBEZIEHUNG DER ÖFFENTLICHKEIT ZUR GEWÄHRLEISTUNG IHRER UNTERSTÜTZUNG UND EINER PROBLEMLOSEN DURCHFÜHRUNG

28.

Die Schärfung des Bewusstseins der Öffentlichkeit und der Meinungsführer für die Risiken der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft mittels kontinuierlicher Informationskampagnen stellt eine der Hauptaufgaben der öffentlichen Behörden und ihrer Partner in der Zivilgesellschaft dar, um so sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit die gesetzgeberischen Maßnahmen versteht und unterstützt. Unternehmen, Hotel- und Gaststättenverbände, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, die Medien, Gesundheitsfachkräfte, Organisationen zur Vertretung der Interessen von Kindern und Jugendlichen, Lehreinrichtungen oder religiöse Einrichtungen, die Forschung und die Öffentlichkeit sind dabei die Hauptakteure. Zu den Sensibilisierungsmaßnahmen sollte die Befragung betroffener Unternehmen und anderer Organisationen und Einrichtungen während der Ausarbeitung der entsprechenden Rechtsvorschriften zählen.

29.

In den Hauptbotschaften sollte man sich auf den Schaden konzentrieren, der durch die Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft verursacht wird, auf die Tatsache, dass ein Rauchverbot in geschlossenen Räumen die einzige wissenschaftlich fundierte Lösung zur Gewährleistung eines vollständigen Schutzes vor der Belastung durch Tabakrauch darstellt, auf das Recht aller Arbeitnehmer, durch die Rechtsvorschriften in gleicher Weise geschützt zu werden, sowie schließlich auf die Tatsache, dass es in dieser Hinsicht keinen Verhandlungsspielraum zwischen Vertretern aus Gesundheitswesen und Wirtschaft gibt, da die Erfahrungen in immer mehr Ländern gezeigt haben, dass eine rauchfreie Umgebung beiden zum Vorteil gereicht. Kampagnen zur Aufklärung der Öffentlichkeit sollten auch auf solche Umfelder abzielen, bei denen Rechtsvorschriften nicht durchführbar oder angemessen wären, z. B. auf private Haushalte.

30.

Eine groß angelegte Befragung aller Betroffenen ist ebenfalls wesentlich für die Aufklärung und Mobilisierung der Gesellschaft und für die Unterstützung der Rechtsvorschriften nach ihrer Inkraftsetzung. Wenn die Rechtsvorschriften einmal verabschiedet worden sind, sollten im Vorfeld der Durchführung dieser Rechtsvorschriften Aufklärungskampagnen organisiert und Informationen für Geschäftsinhaber und Gebäudeverwalter bereitgestellt werden, in denen die Rechtsvorschriften und die daraus für sie resultierenden Pflichten sowie die Herstellung von Hilfsmitteln, z. B. die Beschilderung, dargelegt werden. Durch diese Maßnahmen wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Durchführung reibungslos verläuft und die Rechtsvorschriften in hohem Maße freiwillig eingehalten werden. Botschaften, die Nichtraucher bestärken und Rauchern für ihre Einhaltung der Rechtsvorschriften danken, werden die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Inkraftsetzung und die reibungslose Durchführung fördern.

DURCHSETZUNG

Einhaltungspflicht

31.

Wirksame Rechtsvorschriften sollten sowohl den betroffenen Wirtschaftsunternehmen als auch den einzelnen Rauchern die rechtliche Verantwortung für ihre Einhaltung auferlegen und Sanktionen für Verstöße vorsehen, die für Unternehmen und, soweit möglich, für Raucher gelten sollten. Die Durchsetzung sollte sich in erster Linie auf Wirtschaftsunternehmen konzentrieren. In den Rechtsvorschriften sollte die Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen dem Besitzer, Verwalter oder einer anderen für das Gebäude verantwortlichen Person zugeschrieben werden, und die Maßnahmen, die er oder sie ergreifen muss, sollten eindeutig bestimmt werden. Diese sollten Folgendes beinhalten:

a)

die Pflicht, eindeutige Schilder an Eingängen oder anderen geeigneten Stellen anzubringen, die darauf hinweisen, dass Rauchen nicht gestattet ist. Das Format und der Inhalt dieser Schilder sollten von den Gesundheitsbehörden oder anderen Regierungsbehörden festgelegt werden, und es kann eine Telefonnummer oder ein anderes für die Öffentlichkeit nutzbares Verfahren angegeben werden, um Verstöße zu melden, sowie der Name der für das Gebäude zuständigen Person, an die Beschwerden gerichtet werden sollten;

b)

die Pflicht, alle Aschenbecher aus dem Gebäude zu entfernen;

c)

die Pflicht, die Einhaltung der Regeln zu überwachen;

d)

die Pflicht, vertretbare gezielte Schritte zu unternehmen, um Einzelpersonen vom Rauchen im Gebäude abzuhalten. Diese Schritte könnten u. a. darin bestehen, die eigene Dienstleistung einzustellen und die Person zu bitten, nicht zu rauchen oder das Gebäude zu verlassen sowie eine mit der Durchsetzung der Rechtsvorschriften betraute Behörde oder andere Stelle zu kontaktieren.

Strafen

32.

In den Rechtsvorschriften sollten Geldbußen oder sonstige Geldstrafen für Verstöße festgelegt werden. Während die Höhe dieser Strafen notwendigerweise die speziellen Verfahrensweisen und Gepflogenheiten eines jeden Landes widerspiegelt, sollten mehrere Grundsätze die Entscheidung leiten. Hauptsächlich gilt es zu beachten, dass die Strafen ausreichend hoch angesetzt werden, um Personen von Verstößen abzuhalten, sonst werden sie von Zuwiderhandelnden nicht zur Kenntnis genommen oder nur als laufende Geschäftskosten angesehen. Zur Verhinderung von Verstößen sollten für Unternehmen höhere Strafen gelten als für einzelne Raucher, die in der Regel über weniger Mittel verfügen. Das Strafmaß sollte bei wiederholten Verstößen erhöht werden und den nationalen Sanktionen bei anderen, vergleichbar schweren Vergehen entsprechen.

33.

Zusätzlich zu Geldstrafen können die Rechtsvorschriften in Übereinstimmung mit den im jeweiligen Land üblichen Verfahren und dem entsprechenden Rechtssystem auch Verwaltungssanktionen vorsehen, wie den vorläufigen Entzug der Geschäftserlaubnis. Diese „Sanktionen in letzter Konsequenz“ werden selten eingesetzt, sind aber von großer Bedeutung für die Durchsetzung der Rechtsvorschriften bei solchen Unternehmen, die sich den Rechtsvorschriften bewusst und wiederholt widersetzen.

34.

Strafrechtliche Konsequenzen für Verstöße können gegebenenfalls für die Aufnahme in die entsprechenden Bestimmungen in Erwägung gezogen werden, sofern sie dem rechtlichen und kulturellen Rahmen des Landes entsprechen.

Durchsetzungsinfrastruktur

35.

In den Rechtsvorschriften sollten die Behörde oder die Behörden bestimmt werden, die für die Durchsetzung zuständig sind, und es sollte ein System sowohl für die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen als auch für die strafrechtliche Verfolgung zuwiderhandelnder Personen enthalten sein.

36.

Die Überwachung sollte ein Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Rechtsvorschriften durch die Unternehmen umfassen. Es ist nur in wenigen Fällen notwendig, ein neues Kontrollsystem zur Durchsetzung eines Rauchverbots zu schaffen. Stattdessen kann die Einhaltung für gewöhnlich über einen oder mehrere bereits bestehende Mechanismen zur Kontrolle von Einrichtungen und Arbeitsplätzen überprüft werden. Dieses Ziel kann in der Regel über viele verschiedene Wege erreicht werden. In vielen Ländern kann die Kontrolle der Einhaltung der Rechtsvorschriften verbunden werden mit Kontrollen vor der Erteilung einer Gewerbeerlaubnis, Gesundheitskontrollen und Untersuchungen der Betriebshygiene, Kontrollen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit am Arbeitsplatz, Kontrollen des Brandschutzes oder ähnlichen Programmen. Es kann sich als sinnvoll erweisen, verschiedene dieser Informationsquellen gleichzeitig zu nutzen.

37.

Sofern möglich, wird der Einsatz von Inspektoren oder Durchsetzungsbeauftragten auf lokaler Ebene empfohlen; dies erhöht wahrscheinlich die zur Durchsetzung verfügbaren Mittel sowie den Grad der Einhaltung der Rechtsvorschriften. Dieser Ansatz erfordert die Einrichtung eines nationalen Koordinierungsmechanismus, um eine landesweit einheitliche Vorgehensweise sicherzustellen.

38.

Unabhängig davon, welcher Mechanismus eingesetzt wird, sollte die Überwachung auf einem allgemeinen Plan für die Durchsetzung basieren und ein Verfahren zur geeigneten Ausbildung der Inspektoren beinhalten. Eine wirksame Überwachung kann regelmäßige Kontrollen mit unplanmäßigen, unangekündigten Kontrollen verbinden sowie Besuche umfassen, die als Reaktion auf eine Beschwerde erfolgen. In der ersten Zeit nach der Inkraftsetzung der Rechtsvorschriften können solche Besuche auch eine erzieherische Absicht verfolgen, da die meisten Verstöße aus Unkenntnis erfolgt sein können. Die Rechtsvorschriften sollten die Inspektoren dazu autorisieren, die unter die Rechtsvorschriften fallenden Gebäude zu betreten und Proben sowie Beweise zu sammeln, sofern ihnen diese Befugnisse nicht bereits durch bestehende Rechtsvorschriften eingeräumt werden. Ebenso sollten es die Rechtsvorschriften den Unternehmen verbieten, die Inspektoren bei ihrer Arbeit zu behindern.

39.

Die Kosten für eine wirksame Überwachung sind nicht unverhältnismäßig hoch. Es ist nicht erforderlich, eine große Anzahl von Inspektoren einzustellen, da der Bedarf über bestehende Programme und vorhandenes Personal gedeckt werden kann und die Erfahrung gezeigt hat, dass die Rechtsvorschriften für eine rauchfreie Umwelt sich rasch selbst durchsetzen (d. h. in erster Linie durch die Öffentlichkeit durchgesetzt werden). Eventuell sind nur wenige strafrechtliche Verfolgungen notwendig, wenn die Rechtsvorschriften vorsichtig umgesetzt werden und man sich aktiv darum bemüht, die Unternehmen und die Öffentlichkeit aufzuklären.

40.

Obwohl diese Programme nicht teuer sind, werden Mittel benötigt, um die Unternehmer aufzuklären, die Inspektoren auszubilden, die Kontrollen zu koordinieren und das Personal für Kontrollen außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zu entschädigen. Zu diesem Zweck sollte ein Finanzierungsmechanismus bestimmt werden. Wirksame Überwachungsprogramme nutzen verschiedene Finanzierungsquellen, darunter zweckgebundene Steuereinnahmen, Gebühren für die Erteilung einer Geschäftsgenehmigung und dazu bestimmte Einnahmen aus Geldbußen, die von zuwiderhandelnden Personen gezahlt werden.

Durchsetzungsstrategien

41.

Strategische Ansätze bei der Durchsetzung der Rechtsvorschriften können ihre Einhaltung maximieren, die Durchführung vereinfachen und die Höhe der zur Durchsetzung benötigten Mittel verringern.

42.

Besonders die Durchsetzungsmaßnahmen direkt nach der Inkraftsetzung der Rechtsvorschriften sind entscheidend für deren Erfolg und für den Erfolg der zukünftigen Überwachung und Durchsetzung. In vielen Ländern wird eine sanfte Durchsetzung in der Einführungsphase empfohlen, in der Personen, die gegen die Rechtsvorschriften verstoßen, nur verwarnt, aber nicht bestraft werden. Dieser Ansatz sollte in Verbindung mit einer aktiven Kampagne zur Aufklärung von Unternehmern über ihre aus den Rechtsvorschriften resultierenden Verantwortlichkeiten verfolgt werden, und die Unternehmen sollten Verständnis dafür zeigen, dass auf die anfängliche Gnadenfrist oder Einstiegsphase eine strengere Durchsetzung folgen wird.

43.

Sobald die aktive Durchsetzung beginnt, wird in vielen Ländern empfohlen, eine Aufsehen erregende Strafverfolgung zu betreiben, um die abschreckende Wirkung zu verstärken. Wenn festgestellt wird, dass sich prominente Personen bewusst über die Rechtsvorschriften hinweggesetzt haben und diese in der Gesellschaft bekannt sind, können die Behörden ihre Entschlossenheit und die Ernsthaftigkeit der Rechtsvorschriften unter Beweis stellen, indem sie mit rigorosen und zügigen Maßnahmen reagieren und dabei die größtmögliche öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Dies wird zu einer verstärkten freiwilligen Einhaltung der Rechtsvorschriften führen und die für die Überwachung und die Durchsetzung benötigten Mittel verringern.

44.

Obwohl sich Rauchverbote rasch selbst durchsetzen, ist es wesentlich, dass die Behörden darauf vorbereitet sind, zügig und entschieden auf Einzelfälle offener Missachtung zu reagieren. Besonders dann, wenn Rechtsvorschriften gerade erst in Kraft treten, gibt es gelegentlich Zuwiderhandelnde, die öffentlich ihre Missachtung zur Schau stellen. Eine deutliche Reaktion signalisiert in solchen Fällen die Erwartung, dass die Rechtsvorschriften eingehalten werden, und erleichtert künftig diesbezügliche Bemühungen, wohingegen Unentschlossenheit rasch zu einer weiten Verbreitung von Verstößen führen kann.

Mobilisierung und Einbeziehung der Gesellschaft

45.

Die Wirksamkeit eines Überwachungs- und Durchsetzungsprogramms wird durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit in das Programm verstärkt. Gewinnt man die Unterstützung der Öffentlichkeit und ermutigt man ihre Mitglieder dazu, die Einhaltung der Rechtsvorschriften zu beobachten und Verstöße zu melden, so wird die Reichweite der Durchsetzungsorgane erheblich erweitert, und die Durchsetzung wird weniger aufwendig. In vielen Ländern stellen Beschwerden aus der Bevölkerung in der Tat das Hauptmittel zur Sicherstellung der Einhaltung der Rechtsvorschriften dar. Aus diesem Grund sollten die Rechtsvorschriften für eine rauchfreie Umwelt festlegen, dass Einzelpersonen Beschwerden einreichen dürfen, und sie sollten jede Person oder nichtstaatliche Organisation dazu ermächtigen, tätig zu werden, um die Einhaltung der Rechtsvorschriften zur Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft zu erzwingen. Im Durchsetzungsprogramm sollte eine kostenlose Telefonhotline für Beschwerden oder ein ähnliches System vorgesehen werden, um die Öffentlichkeit zur Meldung von Verstößen zu ermutigen.

ÜBERWACHUNG UND BEWERTUNG DER MASSNAHMEN

46.

Die Überwachung und die Bewertung von Maßnahmen zur Verminderung der Belastung durch Tabakrauch sind aus verschiedenen Gründen von großer Bedeutung, z. B.:

a)

um die Unterstützung durch die Politik und die Öffentlichkeit für die Verschärfung und Ausweitung der Rechtsvorschriften zu verstärken;

b)

um Erfolge zu dokumentieren, die zur Information anderer Länder und zur Unterstützung ihrer Bemühungen dienen;

c)

um die Versuche der Tabakindustrie, die Durchführungsmaßnahmen zu behindern, festzustellen und bekannt zu machen.

47.

Das Ausmaß und die Komplexität der Überwachung und Bewertung werden in den verschiedenen Ländern variieren, je nach dem verfügbaren Fachwissen und den vorhandenen Mitteln. Dennoch ist es von Bedeutung, die Ergebnisse der umgesetzten Maßnahmen zu bewerten, besonders im Hinblick auf den Hauptindikator, also die Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft an Arbeitsplätzen und an öffentlichen Orten. Es gibt Kosten sparende Wege, dies zu erreichen, z. B. durch die Verwendung von Daten oder Informationen, die im Rahmen von Routinemaßnahmen wie Kontrollen von Arbeitsplätzen erfasst werden.

48.

Es gibt acht wesentliche Prozess- und Ergebnisindikatoren, die berücksichtigt werden sollten (2).

Prozesse

a)

Wissen, Einstellungen zu und Unterstützung von politischen Maßnahmen für eine rauchfreie Umwelt in der Bevölkerung und eventuell bei bestimmten Gruppen, z. B. Personal im Gaststättengewerbe.

b)

Durchsetzung und Einhaltung der politischen Maßnahmen für eine rauchfreie Umwelt.

Ergebnisse

a)

Verminderung der Belastung der Beschäftigten durch Tabakrauch in der Umgebungsluft an Arbeitsplätzen und an öffentlichen Orten.

b)

Verminderung des Gehalts an Tabakrauch in der Umgebungsluft an Arbeitsplätzen (vor allem im Gaststättengewerbe) und an öffentlichen Orten.

c)

Verminderung der Sterblichkeitsrate und der Morbidität aufgrund der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft.

d)

Verminderung der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft in privaten Haushalten.

e)

Veränderungen bei der Verbreitung des Rauchens und bei Verhaltensweisen, die mit dem Rauchen in Zusammenhang stehen.

f)

Wirtschaftliche Auswirkungen.


(1)  Es ist möglich, dass Bestandteile von Tabakrauch in der Luft in Mengen vorkommen, die zu gering sind, um gemessen zu werden. Es sollte beachtet werden, dass die Tabakindustrie oder das Hotel- und Gaststättengewerbe versuchen könnten, die Begrenztheit dieser Definition auszunutzen.

(2)  Die Empfehlungen der WHO zum Schutz vor der Belastung durch Tabakrauch in der Umgebungsluft (Genf, 2007) enthalten Links und Verweise auf in anderen Ländern zu all diesen Indikatoren durchgeführte Überwachungsstudien.


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